Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Dezember 2008
Aktenzeichen: 10 W (pat) 40/08

(BPatG: Beschluss v. 04.12.2008, Az.: 10 W (pat) 40/08)

Tenor

Der Beschluss des Deutschen Patentund Markenamts -Prüfungsstelle 55 -vom 16. Juni 2008 wird aufgehoben.

Gründe

I.

Zu ihrer am 18. Juni 2007 beim Deutschen Patentund Markenamt (DPMA) mit Unterlagen in englischer Sprache getätigten Patentanmeldung reichte die Anmelderin am 18. September 2007 eine deutsche Übersetzung nach. Die Anmeldung trägt in der Übersetzung die Bezeichnung "Kollaborative Automations-Service-Einheit". Sie befasst sich mit computergestützten Steuerungen von Produktionsprozessen auf der Basis von Multi-Agenten-Systemen.

Ein in der Beschreibung der Erfindung erläutertes Anwendungsbeispiel zeigt Verschiebetische und Paletten als zwei Hardware-Typen, von denen jeder ein Werkstück trägt. Die Verschiebetische, durch die die Maschinen versorgt werden, werden dabei als Service betrachtet, welcher elementare Operationen zur Verfügung stellt (z. B. "bewege Palette von einem bestimmten Eingangsband zu einem bestimmten Ausgangsband"). Anhand der Figur 7 werden sog. Services höherer Ordnung dargestellt. Das dort gezeigte Prozessdiagramm beschreibt, wie eine Palette von einem Ort zu einem anderen transportiert wird, indem die Services der Verschiebetische in die entsprechende Reihenfolge gebracht werden. Nachfolgend werden die Verschiebetisch-Services auf Grund von ihnen innewohnenden Fähigkeiten der Kollaboration zusammengesetzt, so dass die Service-Anfrage (Werkstück) den zusammengesetzten Service benutzt, d. h. dass zwei Services kooperieren müssen, um den Service der höheren Ordnung zu erfüllen.

In der Beschreibung sind insgesamt zehn Zeichnungen wiedergegeben. Auch in der Übersetzung sind diese Zeichnungen vielfach mit Wörtern der englischen Sprache versehen, wobei für diese Wörter überwiegend deutsche Übersetzungen hinzugefügt sind. Allerdings finden sich teilweise auch englische Bezeichnungen ohne Übersetzungshilfe, z. B. in der erwähnten Figur 7 die Ausdrücke "Move Query", "Query Response (costs)", "Accept or Enqueued, Reject", "Move Done", "Start Machine Service" sowie die Angaben "Discovery of appropriate machine service" und "negotiations, interactions between involved transport and machine".

Im Anschluss an einen vorangegangenen Zwischenbescheid und eine darauf bezogene Äußerung der Anmelderin stellte die Prüfungsstelle 55 des DPMA durch Beschluss vom 16. Juni 2008 fest, dass die Anmeldung nach § 35 Abs. 2 Satz 2 PatG als nicht erfolgt zu gelten habe. Zur Begründung heißt es in dem Beschluss, die Textstellen "Discovery of appropriate machine service" und "negotiation, interactions between involved transport and machine" der Figur 7 hätten unzweifelhaft beschreibenden Charakter, weshalb sie gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 PatG der Übersetzung bedurft hätten. Die fehlende Übersetzung müsse so gewertet werden, als ob beide Texte im Bild insgesamt fehlten. Dadurch werde der Sinngehalt der Figur 7 in Bezug auf die anderen Merkmale dieser Figur stark eingeschränkt. Ohne den Text "Discovery of appropriate machine service" sei nicht zu erkennen, dass zuerst eine Anfrage nach geeigneten Diensten vom Werkstück ausgehen müsse. Ohne den Text "negotiation, interactions between involved transport and machine" sei wiederum nicht zu erkennen, dass nur die involvierten Verschiebetische mit der Maschine kommunizierten und zusammenarbeiteten. Damit fehle ein nicht nur völlig unwesentlicher Teil der Auslegung, was dazu führe, dass die Anmeldung als von Anfang an nicht erfolgt gelte.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie beantragt, den Feststellungsbeschluss aufzuheben.

Zur Begründung trägt sie vor, die Figur 7 der deutschen Übersetzung zeige ein Prozessablaufdiagramm zwischen Teilnehmern einer Produktionsanlage, die in der deutschen Übersetzung als Werkstück, Verschiebetische 1 bis 3 sowie Maschine 3 bezeichnet seien. Eine Kommunikation zwischen den Teilnehmern sei durch Pfeile dargestellt, denen jeweils Befehle in englischer Sprache wie beispielsweise "Move Query (px, m3)" oder "Match Response" zugeordnet seien. Da es sich hierbei um feststehende Befehls-Begriffe handele, die zudem in der Beschreibung ebenfalls in englischer Sprache wiedergegeben seien, habe man auf eine Übersetzung verzichtet. Dem Teilnehmer "Werkstück" sei zudem ein Kommunikationspfeil zugeordnet, der mit der englischsprachigen Beschriftung "Discovery of appropriate machine service" versehen sei. Ferner existierten Kommunikationspfeile zwischen den Verschiebetischen 1 bis 3 sowie dem Verschiebetisch 3 und der Maschine 3, die mit der englischsprachigen Beschriftung "negotiations, interactions between involved transport and machine" versehen seien. Bei den englischsprachigen Beschriftungen handele es sich um Kennzeichnungen von Kommunikationsvorgängen zwischen Teilnehmern eines Produktionssystems, denen der Charakter eines "Befehls-Begriffs" zukomme und die daher nicht zu übersetzen seien. Im Übrigen werde die Kommunikation zwischen den Teilnehmern in der zugehörigen Beschreibung erläutert. Sofern es sich wirklich um einen Mangel der Übersetzung handeln sollte, könne dieser durch einen Austausch der beanstandeten Textstellen durch die deutschen Übersetzungen "Erkennung von geeignetem Maschinen-Service" und "Verhandlungen, Interaktion zwischen involvierten Transport und Maschinen" behoben werden.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die vom Patentamt getroffene Feststellung, wonach die Patentanmeldung mangels fristgerechter Einreichung einer Übersetzung als nicht erfolgt zu gelten habe, kann nicht aufrechterhalten bleiben.

Nach § 35 Abs. 2 Satz 1 und 2 PatG liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Anmeldetages vor, wenn die in § 34 Abs. 3 Nr. 1, 2 und 4 PatG genannten Unterlagen (Name des Anmelders, Erteilungsantrag, Beschreibung) beim Patentamt eingegangen sind, was im vorliegenden Fall am 18. Juni 2007 geschehen ist.

Sind die genannten Unterlagen nicht in deutscher Sprache abgefasst, gilt dies allerdings nur, wenn die deutsche Übersetzung innerhalb einer Frist von drei Monaten nachgereicht wird; andernfalls gilt die Anmeldung als nicht erfolgt (§ 35 Abs. 2 Satz 2 PatG).

Die Anmelderin hat am 18. September 2007 eine Übersetzung ihrer Anmeldeunterlagen eingereicht und dadurch dem Erfordernis des § 35 Abs. 2 Satz 2 PatG genügt. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass auch der übersetzte Text zahlreiche englischsprachige Ausdrücke enthält, u. a. die von der Prüfungsstelle beanstandeten, zu der Figurenzeichnung 7 gehörigen Textstellen.

Auch wenn die Sprache vor dem DPMA grundsätzlich deutsch ist (§ 126 PatG), ist die Verwendung fremdsprachiger Ausdrücke in den Unterlagen einer Patentanmeldung unschädlich, wenn diese Ausdrücke auf dem einschlägigen Fachgebiet allgemein anerkannt sind oder wenn sich eine einheitliche deutsche Entsprechung noch nicht herausgebildet hat oder wenn sich dem deutsch sprechenden Fachmann ihre Bedeutung auch ohne Übersetzung -etwa im Zusammenhang mit der Beschreibung -erschließt (Schulte, PatG, 8. Aufl., § 126 Rn. 8 m. w. N.; Senatsentscheidung vom 15. November 2007 -10 W (pat) 15/06, veröffentlicht in juris).

Jedenfalls der zuletzt genannte Gesichtspunkt trifft für den Fachmann auf dem hier relevanten Gebiet der computergestützten Steuerung von Produktionsprozessen zu. Das Übersetzungserfordernis des § 35 Abs. 1 Satz 1 PatG ist hier gelockert, weil es auf diesem Gebiet heutzutage weitgehend üblich ist, technische Sachverhalte auch in Texten, die generell auf Deutsch publiziert werden, jedenfalls teilweise auch mit englischen Begriffen auszudrücken. Dies zeigt die von der Anmelderin vorgelegte Übersetzung in beispielhafter Weise. Der Übersetzungstext ist vom ersten ("High-Level") bis zum letzten Satz ("Server", "Client") von englischen Vokabeln geradezu durchtränkt. So finden sich in Figur 7 die von der Prüfungsstelle nicht beanstandeten englischen Ausdrücke "Move Query", "Query Response (costs)", "Accept or Enqueued, Reject", "Move Done" und "Start Machine Service". Die Literaturangaben im Einleitungsteil der Beschreibung beziehen sich ausnahmslos auf englischsprachige Veröffentlichungen. Es kann vorausgesetzt werden, dass ein deutscher Fachmann auf dem vorliegenden Gebiet dazu in der Lage ist, die Bedeutung der betreffenden englischen Wörter in der Anmeldung zu erkennen und auch die zitierte Fachliteratur zu verstehen.

Dies gilt auch bzgl. der von der Prüfungsstelle beanstandeten Textstellen in Figur 7 ("Discovery of appropriate machine service" und "negotiations, interactions between involved transport and machine"), unabhängig davon, ob der Fachmann deren Bedeutung schon deshalb erkennt, weil es sich dabei um Ausdrücke der ihm geläufigen Fachsprache handelt. Unmaßgeblich ist auch, dass es sich bei diesen Textstellen nicht um Einzelbegriffe, sondern um knapp gefasste Sätze innerhalb eines Prozessdiagramms handelt. Jedenfalls wird der Fachmann mit Hilfe seiner allgemeinen Englischkenntnisse zum Verständnis dieser Texte in der Lage sein. Ihm kommt dabei auch zugute, dass das Verständnis in beiden Fällen nicht durch grammatikalische Besonderheiten der englischen Sprache erschwert wird, sich vielmehr durch eine einfache Wortfür-WortÜbersetzung erschließt.

Somit erweist sich der angefochtene Beschluss als unzutreffend. Die Wirksamkeit der Anmeldung wird durch die von der Anmelderin eingereichte Übersetzung nicht in Frage gestellt. Das Anmeldeverfahren ist fortzusetzen.

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BPatG:
Beschluss v. 04.12.2008
Az: 10 W (pat) 40/08


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