Landgericht Köln:
Beschluss vom 8. April 2004
Aktenzeichen: 82 O 23/04
(LG Köln: Beschluss v. 08.04.2004, Az.: 82 O 23/04)
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Nebenintervention.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft, deren Grundkapital derzeit EUR 20.500.000 beträgt und das in 800.000 auf den Inhaber lautende Stückaktien eingeteilt ist. Hauptaktionärin der Antragstellerin im Sinne des § 327a Abs. 1 S. 1 AktG ist die C AG & Co. KG mit Sitz in ......1 O. Die Hauptaktionärin hält insgesamt 789.246 Stückaktien an der Antragstellerin, das entspricht einem prozentualen Anteil von rund 98,656 % des Grundkapitals.
Die Hauptversammlung der Antragstellerin beschloss am 30. April 2003 auf Verlangen der Hauptaktionärin gemäß § 327a Abs. 1 Satz 1 AktG, die Aktien der übrigen Aktionäre der Antragstellerin (Minderheitsaktionäre) auf die Hauptaktionärin gegen Gewährung einer Barabfindung in Höhe von EUR 295 je Stückaktie zu übertragen (nachfolgend: "Übertragungsbeschluss"). Der Übertragungsbeschluss wurde ausweislich der Niederschrift des Notars S, L, über die ordentliche Hauptversammlung der Antragstellerin vom 30. April 2003, UR-Nr. ...# für......, Seite ..., mit 789.398 gegen 3.451 Stimmen gefasst und fand damit eine Mehrheit von rund 99,56 % der in der Hauptversammlung vertretenen Stimmen.
Die Antragsgegnerin zu 1) einerseits sowie die Antragsgegner zu 2) bis 4) andererseits haben jeweils mit Klageschriften vom 30. Mai 2003 Anfechtungsklage gegen den Übertragungsbeschluss erhoben, wobei die Antragsgegner zu 2) bis 4) zudem hilfsweise die Feststellung der Nichtigkeit bzw. der Unwirksamkeit des Übertragungsbeschlusses beantragt haben. Die beiden Verfahren wurden verbunden und werden bei dem Landgericht Köln, 2. Kammer für Handelssachen, unter dem Az.: 82 O 67/03 geführt (nachfolgend: "Hauptsacheverfahren").
Das Gericht hat die Klagen im Hauptsacheverfahren mit Urteil vom 30. Januar 2004 sämtlich als unbegründet abgewiesen.
Der Vorstand der Antragstellerin hat den Übertragungsbeschluss der Hauptversammlung am 07. Mai 2003 zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet und das Registergericht mit Schreiben vom 16. Juni 2003 über die Erhebung der Klage der Antragsgegnerin zu 1) im Hauptsachverfahren unterrichtet.
Die Antragsgegner haben gegen das Urteil der Kammer vom 30.1.2004 (82 O 67/03) Berufung beim Oberlandesgericht Köln eingelegt. Über die Berufung ist noch nicht entschieden.
Die Antragstellerin ist der Meinung, dass die von den Antragsgegnern erhobenen Anfechtungsklagen offensichtlich unbegründet seien. Sie nimmt insofern Bezug auf das Urteil der Kammer vom 30.1.2004.
Die Antragstellerin beantragt,
festzustellen, dass die Erhebung der Anfechtungsklagen (Landgericht Köln, 2. Kammer für Handelssachen, 82 O 67/03) gegen den Beschluss der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 30.04.2003 über die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die C AG & Co. KG gegen Gewährung einer Barabfindung von EUR 295 je Aktie der Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister nicht entgegensteht.
Die Antragsgegner zu 1.) - 4.) beantragen,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Antragsgegner zu 2.) - 4.) halten den Antrag für unzulässig, da die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren lediglich vom Vorstand vertreten werde. Sämtliche Antragsgegner wenden ein, dass die Voraussetzungen für ein Eilverfahren nach § 319 Abs. 6 AktG nicht vorliegen, da die Antragstellerin den Antrag erst ca. 11 Monate nach Beschlussfassung gestellt habe. Im übrigen bestreiten die Antragsgegner, dass die Anfechtungsklagen offensichtlich unbegründet seien. Die Antragsgegner beziehen sich insofern auf die Berufungsbegründung der Antragsgegnerin zu 1.) vom 10.03.2004 (Blatt 7 ff. Anlagenheft).
Die Akte LG Köln 82 O 67/03 = OLG Köln 18 U 44/04 hat in der mündlichen Verhandlung vorgelegen und ist zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien sowie auf die dazu eingereichten Anlagen Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig.
Entgegen der Darstellung der Antragsgegner wird die Antragstellerin sowohl vom Vorstand als auch vom Aufsichtsrat vertreten. Im übrigen geht der Einwand, es liege keine Eilbedürftigkeit vor, fehl, da der Antrag unabhängig davon bis zum rechtskräftigen Abschluss der Anfechtungsklage zulässig ist.
Der Antrag ist aber unbegründet.
Die Voraussetzungen nach § 327 e Abs. 2, 319 Abs. 6 AktG liegen nicht vor.
Gemäß § 319 Abs. 6 S. 1 AktG hat das Gericht auf Antrag festzustellen, dass die Erhebung einer Anfechtungsklage gegen einen Hauptversammlungsbeschluss nach § 327a AktG der Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister nicht entgegensteht, falls die Klage gegen den Hauptversammlungsbeschluss unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist oder wenn das alsbaldige Wirksamwerden der Übertragung nach freier Überzeugung des Gerichts unter Berücksichtigung der Schwere der mit der Klage geltend gemachten Rechtsverletzung zur Abwendung der vom Antragsteller dargelegten wesentlichen Nachteile für die Gesellschaft und ihre Aktionäre vorrangig erscheint.
Die Antragstellerin hat ein etwaiges vorrangiges Vollzugsinteresse an der Eintragung des Hauptversammlungsbeschlusses vom 30.04.2003 nicht begründet und nicht glaubhaft gemacht. Daher ist lediglich zu prüfen, ob die Anfechtungsklagen der Antragsgegner offensichtlich unbegründet ist. Dieses Tatbestandsmerkmal wird kontrovers interpretiert. In der Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, wird eine offensichtliche Unbegründetheit der Anfechtungsklage überwiegend dann angenommen, wenn die Sach- und Rechtslage eindeutig ist und Zweifel an der fehlenden Berechtigung der Anfechtungsklage auch unter Berücksichtigung des Instanzenzuges nicht aufkommen können. Erforderlich ist eine umfassende Prüfung der Sach- und Rechtslage; eine kursorische Prüfung reicht nicht (OLG Düsseldorf, NZG 1999, 565, 566; OLG Düsseldorf, NZG 2002, 191, 192 m.w.N.; OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 1999, 334, 335; OLG Hamm, NJW-RR 1999, 973, 974; OLG Hamburg, NZG 2003, 539, 544; OLG Köln, BB 2003, 2307; vgl. auch Hüffer, AktG, 5. Auflage, § 319 Rdnr. 18 m.w.N.).
Vor diesem Hintergrund hat der Antrag, auch wenn die Kammer die Anfechtungsklagen im Hauptsacheverfahren im Ergebnis für unbegründet gehalten hat und weiterhin hält, keinen Erfolg. Denn das Ergebnis der Anfechtungsklagen ist jedenfalls nicht offensichtlich im Sinne von § 319 Abs. 6 AktG. Die sich aus den Bestimmungen der §§ 327 a ff AktG ergebenden komplexen Rechtsfragen sind bisher nicht hinreichend geklärt. Praktische Erfahrungen und höchstrichterliche Rechtsprechung fehlen. Zu den Frage, was Gegenstand der Anfechtungsklage sein kann und worüber im Spruchverfahren zu entscheiden ist, sind unterschiedliche Antworten möglich (vgl. dazu OLG Hamburg, NZG 2003, 539, 544). Auch wenn sich die im Urteil der Kammer vom 30.1.2004 zum Ausdruck kommene Rechtsauffassung zu den streitigen Punkten mit der jüngeren obergerichtlichen Rechtsprechung, insbesondere der des Oberlandesgerichts Köln, deckt, kann gleichwohl nicht davon ausgegangen werden, dass eine andere Entscheidung in dieser Sache unvertretbar wäre, weil die Anfechtungsklage zweifelsfrei ohne Erfolgsaussicht sei. Es ist zu unterscheiden zwischen unbegründeten Klagen, die hier vorliegen und offensichtlich unbegründeten Klagen.
Vorliegend ist ein abweichender Standpunkt in der einen oder anderen Frage durchaus vertretbar. Die Kammer hat im Ergebnis die Anfechtungsmöglichkeit von Squeeze-Out-Beschlüssen einschränkend auf eine Missbrauchskontrolle reduziert, soweit die formalen Voraussetzungen der §§ 327a ff AktG eingehalten wurden. Hingegen wird insbesondere zu der Frage der Berücksichtigung von abfindungswertbezogenen Informationsmängeln von namhaften Autoren mit vertretbaren Argumenten der Standpunkt vertreten, dass Informationsmängel unter Verletzung des Auskunftsrechts nach § 131 AktG zur Anfechtung berechtigen (vgl. Hüffer, AktG, 5. Auflage, § 327 f, Rdnr. 2; Angerer, BKR 2002, 260, 266; Hoffmann-Becking, RWS-Forum 20, 2001, 55, 67; Heidel/Lochner in: Heidel, Aktienrecht, § 327 f, Rdnr. 3; Gesmann-Nuissl, WM 2002, 1205, 1209 f; Krieger, BB 2002, 53, 60). Der Bundesgerichtshof hat diese Frage noch nicht abschließend entschieden. Vor dem Hintergrund seiner Entscheidung zu § 210 UmwG (vgl. BGH NJW 2001, 1428 ff.) ist das Ergebnis offen. Darüber hinaus wird auch zu der Frage, welche Anforderungen an den Bericht des Hauptaktionärs bzw. den Prüfbericht nach § 327 c AktG zu stellen sind und welche Rechtsfolgen bei mangelhaften Berichten zu ziehen sind, kontroverse Auffassungen vertreten.
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Beantwortung der vorgenannten Rechtsfragen für den Ausgang des Rechtsstreits ohne Bedeutung ist. Die Kammer hat beispielsweise die von den Antragsgegnern im Hauptsacheverfahren vorgebrachten Informationsdefizite im Hinblick auf seine Rechtsauffassung - lediglich Missbrauchskontrolle im Anfechtungsprozess - nicht weiter geprüft. Bei Überprüfung der Beanstandungen der Antragsgegner - auch unter Berücksichtigung ihres Berufungsvorbringens - lässt sich aber nicht feststellen, dass das Ergebnis der Prüfung eindeutig und zweifelsfrei negativ wäre. Die Kammer hat bereits im Urteil vom 30.1.2004 ausgeführt, dass der von der Hauptaktionärin vorgelegte Bericht als auch der Prüfbericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft T und Partner nur eingeschränkt zur Plausibilisierung der vorgeschlagenen Barabfindung geeignet ist. Ferner hat die Kammer ausgeführt, dass die Antworten in der Hauptversammlung vom 30.4.2003 teilweise knapp und pauschal ausgefallen sind. Es ist durchaus zweifelhaft, ob die Antragstellerin zu den Fragen der Antragsgegner in der Hauptversammlung, u. a. zur Veräußerung von Beteiligungsbesitz der Antragstellerin an Dritte bzw. an die I GmbH, zur Bewertung von nicht betriebsnotwendigen Vermögen, zu Bewertungsstichtagen, zu der Verwendung von Planzahlen zutreffende und ausreichende Angaben gemacht hat. Bedenklich ist beispielsweise die Auffassung der Antragstellerin, dass sie die Plan- und Ist-Zahlen der Beklagten der vergangenen Jahre nicht nennen müsse, da diese für die Unternehmensbewertung und für den Tagesordnungspunkt nicht maßgeblich seien (Schriftsatz der Antragstellerin vom 8.8.2003, Seite 25 = Bl. 182 d. A. im Hauptsacheverfahren). Denn entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin baut die Unternehmensbewertung auf Vergangenheitszahlen auf, aus denen sich die Planungsrechnungen für die Zukunft ergeben (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss v. 1.10.2003 - 4 W 34/93, AG 2003, 43, 44).
Vor diesem Hintergrund der komplexen Fragen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht kann jedenfalls nicht von einer offensichtlichen Unbegründetheit der Anfechtungsklage ausgegangen werden.
Die Kosten des Verfahrens sind der unterlegenen Antragstellerin aufzuerlegen.
Verfahrenswert: 10.000,00 EUR (20 % der Hauptsache)
LG Köln:
Beschluss v. 08.04.2004
Az: 82 O 23/04
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