Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. November 2004
Aktenzeichen: 20 W (pat) 78/03
(BPatG: Beschluss v. 29.11.2004, Az.: 20 W (pat) 78/03)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Die Anmeldung wurde von der Prüfungsstelle mit Beschluss vom 25. Juli 2003 zurückgewiesen, weil die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
In der mündlichen Verhandlung wird zur Frage der Patentfähigkeit der Stand der Technik nach
(1) WO 00/64332 und
(2) EP 08 58 770 A2 erörtert.
Der Anmelder stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu erteilen.
Der ursprünglich eingereichte noch geltende Patentanspruch 1 lautet:
"Verfahren zur Erstellung von reproduzierbaren thermographischen Bildern zur Untersuchung von Gegenständen oder von menschlichen oder tierischen Körpern oder von Teilen derselben, dadurch gekennzeichnet, dass bei der Abkühlung und Wiedererwärmung von Gegenständen insbesondere aber von menschlichem oder tierischem Gewebe ein gefundener algorithmischer Vorgang stattfindet, dessen sich hier mittels eines speziellen Computerprogramms bedient wird, wobei Abkühlung und Wiedererwärmung durch eine automatische Zeitmesseinrichtung eines speziellen Computerprogramms die Dauer der Abkühlzeit vom Einsetzen der Kühlung bis zur Nichtmehrwahrnehmung von Wärme durch den thermooptischen Sensor automatisch gemessen und digital abgespeichert wird, wobei diese Zeit der Abkühlung rechnerisch zur Ermittlung der Wiedererwärmungszeit dient, die ebenfalls automatisch durch ein spezielles Computerprogramm erfolgt, wobei dieses spezielle Computerprogramm durch Auslösen von Kontakten eine Motorik für den automatischen Ablauf vorsieht sowie am Ende dieses Vorgangs ein automatisches Auslösen einer Digital-Camera. Wobei das digitale Foto des Sensorbildes abgespeichert wird und zur CAD unterstützten Diagnose-Findung dient, wobei günstigerweise die Diagnose durch Vergleich mit Voraufnahmen als auch bei Primäruntersuchungen durch besondere Formen der Warmbereiche sowie gegebenenfalls durch Seitenvergleich gestellt werden kann."
Zur Begründung führt der Anmelder im wesentlichen aus, der Fachmann könne das anmeldungsgemäße Verfahren zur Erstellung von reproduzierbaren thermographischen Bildern unter Heranziehung der - wenn auch knappen - Beschreibung ausführen. Das erfindungsgemäße Verfahren sei auch nicht nahegelegt. Insbesondere der Gedanke, die Abkühlzeit bis zum Verschwinden des Bildes zu messen und aus dieser Zeit den Zeitpunkt für das Auslösen der Digitalkamera während der Wiedererwärmungsphase zu errechnen, sei dem einschlägigen Stand der Technik nicht entnehmbar.
II Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Ob die Erfindung ausführbar ist, kann dahingestellt bleiben. Sie beruht jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil sie sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem in Betracht gezogenen Stand der Technik in Verbindung mit seinem Fachwissen und -können ergibt, §§ 1, 4 PatG.
1. Aus der Druckschrift (1) ist eine Vorrichtung zum Aufnehmen eines thermooptischen Bildes der weiblichen Brust (Fig 1; anmeldungsgemäß also Untersuchung von Teilen des menschlichen Körpers) mit einer thermooptischen Folie 1, einem durchsichtigen Kühlkasten 7 mit Kühlmediumzulauf 12a, einer Digitalkamera 2 und einem Rechner 3 mit Bildschirm 16 (Fig 2, 3), sowie einer Zeitmesseinrichtung und einer Auslöseeinrichtung zum automatischen Auslösen der Kamera (vergl Zusammenfassung) bekannt.
Durch Zuführen von Kälte sollen die sich darstellenden Farbmuster schärfer konturiert und kontrastreicher werden. Die Hautwärme soll weggekühlt werden, und es sollen tiefer gelegene Wärmequellen zur Darstellung kommen (S 8 Abs 2). Die Dauer der Kühlung ist zwar nicht ohne Bedeutung, aus Gründen der Standardisierung ist jedoch zu verlangen, dass der Zeitpunkt des Anfangs (Flächenkontakt zwischen Sensorfolie 1 und Kühlkasten 7, S 9 Abs 1) und der des Endes des Kühlvorgangs definiert sind. Nach Ablauf einer vorgebbaren Kühldauer wird die Digitalkamera automatisch ausgelöst. Durch Standardisierung der Abläufe wird maximale Reproduzierbarkeit erreicht (S 8/9). Das thermooptische Bild wird in den Rechner übertragen, gespeichert (Anspruch 11) und durch eine Bildauswerteeinrichtung automatisch ausgewertet. Diese erkennt aufgrund von charakteristischen Strukturen anhand von Referenzdaten pathologische Veränderungen, und ggf kann ein Vergleich mit Voraufnahmen durchgeführt werden (S 9 Abs 2 - S 10, Ansprüche 13 bis 15). Durch Messung von beiden Seiten kann größere Sensivität erreicht werden (S 8 Abs 3).
Abweichend vom anmeldungsgemäßen Vorgehen wird nach einer vorgegebenen Abkühlzeit ein digitales Bild aufgenommen und ausgewertet.
2. Der mit Entwicklung und Bau von Untersuchungsgeräten der bekannten Art befasste Fachmann, ein Hochschul- oder Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik mit speziellen Kenntnissen der elektronischen Bildverarbeitung, ist stets auf bessere Reproduzierbarkeit von Untersuchungsergebnissen bedacht und wird hierzu die Anforderungen des diagnostizierenden Arztes beachten und dessen Rat insbesondere hinsichtlich diagnostisch brauchbarer Bilder einholen. Ihm bietet es sich an, zusätzlich oder anstelle eines Bildes während der Abkühlphase wenigstens ein Bild während der Wiedererwärmung aufzunehmen und auszuwerten, wie es die Druckschrift (2) angibt (vergl Anspruch 1). Auch bei (2) geht es um das Ausschließen von Einflüssen der Hauttemperatur (Sp 1 Z 32 bis 40). Dabei muss der Fachmann, da er den Vorteil eines automatischen zeitgesteuerten Ablaufs nach (1) beibehalten will, nach dem geeigneten Zeitpunkt für die Auslösung der Digitalkamera während der Wiedererwärmung suchen, wofür er Versuchsreihen in Betracht zieht, die ihm alsbald zeigen - wenn er es nicht schon aufgrund seiner Fachkenntnis weiß -, dass Abkühlzeit und Wiedererwärmungszeit gesetzmäßig zusammenhängen. Also ist zur Gewinnung reproduzierbarer Bilder kein fest vorgegebener Zeitpunkt der Wiedererwärmungsphase in Anschlag zu bringen, sondern einer, der von der Abkühlzeit abhängt, wobei als Ende der Abkühlung und zugleich als Beginn der Wiedererwärmung aus Gründen der Reproduzierbarkeit einzig das Verschwinden des Bildes (Nichtmehrwahrnehmung von Wärme durch den thermooptischen Sensor) als sinnvoll in Frage kommt. Sich dieses gefundenen Algorithmus des Abkühl- und Wiedererwärmungsvorgangs messtechnisch, rechnerisch und motorisch mittels eines speziellen Computerprogramms für den bei (1) bereits vorhandenen und einschlägig eingesetzten Rechner zu bedienen, liegt dann auf der Hand.
Dr. Anders Obermayer Martens Dr. Zehendner Be
BPatG:
Beschluss v. 29.11.2004
Az: 20 W (pat) 78/03
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