Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht:
Urteil vom 30. Januar 2013
Aktenzeichen: 11 LC 470/10

(Niedersächsisches OVG: Urteil v. 30.01.2013, Az.: 11 LC 470/10)

Tatbestand

Der Kläger begehrt Rechtsschutz gegen die Speicherung von ihn betreffenden personenbezogenen Daten in Datenverarbeitungssystemen der beiden beklagten Polizeibehörden. Im Berufungsverfahren begehrt die Beklagte zu 1.) die Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils, mit dem sie verpflichtet wird, die über den Kläger in der Datei NIVADIS gespeicherten Daten zu löschen.

Am 10. November 2006 wurde gegen 19.30 Uhr anlässlich des bevorstehenden Castor-Transportes eine Blockade mit 36 Traktoren und zwei Pkw auf der Kreuzung Bundesstraße 191/Kreisstraße 8 in B. errichtet. Anwesend waren 315 Personen, darunter der Kläger, der zu diesem Zeitpunkt Mandatsträger in mehreren Kommunalparlamenten im Landkreis Lüchow-Dannenberg war. Um 21.35 Uhr wurden die Anwesenden zum Zwecke der Identitätsfeststellung, ihrer erkennungsdienstlichen Behandlung und zur Sicherstellung der Traktoren von der Polizei eingeschlossen. Gegen alle anwesenden Personen wurden Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Nötigung eingeleitet, die sämtlich durch die Staatsanwaltschaft Lüneburg durch Verfügung vom 25. April 2008 gemäß § 153 StPO eingestellt wurden. Gegen die Einkesselung und die erkennungsdienstliche Behandlung suchte der Kläger erfolglos um Rechtsschutz nach (Beschluss des Amtsgerichts Dannenberg vom 31.10.2007 - 11 Gs 5102 AR 728/07 -; Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 10.12.2007 - 11 Qs 301/07 -).

Auf ein Auskunfts- und Löschungsersuchen des Klägers vom 24. Juli 2007/26. September 2007 teilte die Beklagte zu 1.) dem Kläger mit Schreiben vom 20. November 2007 mit, dass zu dem Ereignis am 10. November 2006 personenbezogene Daten des Klägers in der polizeilichen Datei NIVADIS (Nds. Vorgangsbearbeitungs-, Analyse-, Dokumentations- und Informations-System), parallel dazu in dem Auswertungssystem polizeilicher Staatsschutz (APS), welches von dem Beklagten zu 2.) betrieben werde, und in der Datei "Castortransporte-ISAS" (ISAS = Informations-, Sammlungs- und Auswertungsstelle), die der Sammlung von Informationen anlässlich von Castortransporten nach Gorleben aus frei zugänglichen Quellen und u.a. aus strafrechtlichen Verfahren diene, gespeichert worden seien. Eine Löschung der Daten könne der Kläger derzeit nicht verlangen, weil das Ermittlungsverfahren gegen ihn noch anhängig sei. Auch nach Abschluss dieses Verfahrens bestehe kein Anspruch auf sofortige Löschung der personenbezogenen Daten in dem System NIVADIS, das als elektronische Akte anzusehen sei. Unabhängig vom Ausgang des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens diene NIVADIS den Zwecken der Dokumentation und Verwaltung polizeilichen Handelns.

Mit Schreiben vom 27. November 2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten zu 1.) die Sperrung der über ihn in dem System NIVADIS gespeicherten Daten für andere Zwecke als die Vorgangsverwaltung, die Löschung der in APS und "Castortransporte-ISAS" gespeicherten Daten sowie die Übersendung der Errichtungsanordnung für die zuletzt genannte Datei. Diesen Antrag lehnte die Beklagte zu 1.) mit Schreiben vom 20. Dezember 2007 und vom 17. Januar 2008 ab.

Gegenüber dem Beklagten zu 2.) verlangte der Kläger mit Schreiben vom 19. Dezember 2007 die Löschung der über ihn u. a. in dem bundesweiten polizeilichen Informationssystem INPOL gespeicherten Daten. Diesen Antrag lehnte der Beklagte zu 2.) mit Bescheid vom 16. Januar 2008 ab.

Am 23. Januar 2008 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Klage erhoben und Anträge angekündigt, die auf eine Auskunftserteilung und darauf gerichtet waren, die präventivpolizeiliche Verarbeitung von ihn betreffenden Daten in polizeilichen Dateien zu Zwecken der Gefahrenabwehr zu unterbinden. Zur Begründung seines Begehrens hat er vorgetragen: Gerügt werde ein Eingriff in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Allein wegen seiner Anwesenheit in einer nicht aufgelösten Versammlung am 10. November 2006 werde er in präventivpolizeilichen Dateien als "Gefährder" bzw. "potentieller Straftäter" geführt. Von ihm gehe jedoch keine Gefahr aus. Die Auskunft über die Errichtungsanordnung für die Datei "Castortransporte-ISAS" und deren Dateibeschreibung benötige er zur Durchsetzung effektiven Rechtsschutzes. Ohne deren Kenntnis könne er als Betroffener nicht erkennen, inwieweit die verantwortlichen Stellen in dieser Datei Daten für Zwecke der Strafverfolgung und inwieweit für Zwecke der Gefahrenabwehr verarbeiteten. Außerdem könnten die Rechtsgrundlage der Speicherung, die zu ihrer Rechtmäßigkeit erforderlichen Abstimmungsvorgänge im Rahmen der Dateieinrichtung und die Einhaltung von Prüf- und Löschungsfristen nicht überprüft werden. Im System NIVADIS dürfe die Beklagte zu 1.) die über ihn erhobenen Daten nur zur Vorgangsverwaltung erfassen und speichern. Der "Automatismus" der Übernahme repressiv erhobener Daten in präventivpolizeiliche und staatsschützerische Dateien sei rechtswidrig.

Mit Schreiben vom 11. November 2009 hat der Beklagte zu 2.) gegenüber dem Kläger erklärt, dass er sämtliche personenbezogenen Daten über den Kläger in Dateien, für die er datenschutzrechtlich die Verantwortung trage, gelöscht habe.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 31. August 2010 haben die Vertreter der Beklagten zu 1.) erklärt, dass die über den Kläger in den Systemen "Castortransporte-ISAS" und APS gespeicherten Daten über den Kläger am heutigen Tag gelöscht worden seien. Die Daten in dem Informationssystem NIVADIS blieben hingegen bestehen.

Soweit die Beklagten dem Auskunftsbegehren des Klägers während des Verfahrens entsprochen haben, haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu 1. zu verpflichten, ihm die Errichtungsanordnung für die Datei €Castortransporte-ISAS€ zugänglich zu machen,

2. festzustellen, dass die Aufnahme und die weitere Speicherung bis zur Löschung der vom ihm geführten Daten in der Datei €Castortransporte-ISAS€ rechtswidrig gewesen ist,

3. die Beklagte zu 1. zu verpflichten, die über ihn in der Datei NIVADIS gespeicherten Daten zu löschen,

hilfsweise,

die Daten für andere Zwecke als die Vorgangsverwaltung und für Zwecke nach § 39 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz Nds. SOG zu sperren,

4. festzustellen, dass die Aufnahme der Daten über ihn und deren weitere Speicherung bis zur Löschung in der Datei APS rechtswidrig gewesen ist,

5. festzustellen, dass die Weitergabe der über ihn gespeicherten Daten an das bundesweite polizeiliche Informationssystem INPOL rechtswidrig gewesen ist;

6. die Berufung zuzulassen;

hilfsweise für den Fall, dass sein Sachantrag über die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Aufnahme und weiteren Speicherung bis zur Löschung seiner Daten in der Datei €Castortransporte-ISAS€ keinen Erfolg haben sollte, die Heranziehung der Errichtungsanordnung durch das Gericht und die Zugänglichmachung dieser Errichtungsanordnung und die Einsichtnahme durch das Gericht.

Die Beklagte zu 1.) hat beantragt,

die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen sie richtet.

Sie hat ihren Standpunkt bekräftigt, dass die Speicherung der über den Kläger erhobenen Daten in den von ihr verantworteten Dateien bis zur Löschung der Daten rechtmäßig gewesen sei. Ein Anspruch auf Löschung der personenbezogenen Daten des Klägers in NIVADIS bestehe nicht. In dem genannten System speichere die Polizei Datensätze zum Zweck der Vorgangsverwaltung. Nach Abschluss der Vorgangsbearbeitung erfolge eine Übernahme der Vorgangsgrunddaten in den Auskunftsdatenbestand. Hierbei handele es sich um ein Archiv, das nur noch eingeschränkt genutzt werden dürfe. Während der Anhängigkeit des gegen den Kläger geführten Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Nötigung habe die Speicherung der über den Kläger erhobenen Daten dem repressiven Zweck der Bearbeitung dieses Verfahrens gedient. Der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch auf Vorlage der Errichtungsanordnung für die Datei "Castortransporte-ISAS" sei ausgeschlossen, weil in diesem System eine Verarbeitung von Daten zur Erfüllung der Aufgaben nach dem Nds. SOG bzw. zu Zwecken der Strafverfolgung erfolge.

Der Beklagte zu 2.) hat beantragt, die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen ihn richtet.

Er ist dem Vorbringen des Klägers entgegengetreten.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 31. August 2010 das Verfahren eingestellt, soweit die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, und im Übrigen der Klage überwiegend stattgegeben. Es hat festgestellt, dass die Aufnahme der den Kläger betreffenden personenbezogenen Daten und deren Speicherung bis zum Zeitpunkt der Löschung in der Datei "Castortransporte-ISAS" und in der Datei "APS" und die Weitergabe der über den Kläger gespeicherten Daten an das bundesweite polizeiliche Informationssystem (INPOL) rechtswidrig waren. Es hat ferner die Beklagte zu 1.) verpflichtet, die den Kläger betreffenden Daten in der Datei NIVADIS zu löschen. Die weitergehende Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Feststellungsbegehren des Klägers seien als Feststellungsklage oder Fortsetzungsfestsetzungsklage zulässig. Die mehrjährige Speicherung von personenbezogenen Daten in polizeilichen Dateien stelle einen erheblichen Eingriff in das Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung dar. Der Kläger habe deshalb ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der langjährigen Speicherung seiner Daten in den Dateien "Castortransporte ISAS", "APS" und "INPOL". Die Aufnahme und weitere Speicherung der den Kläger betreffenden Daten in der Datei "Castortransporte-ISAS" sei rechtswidrig gewesen. Die genannte Datei diene allein präventiven Zwecken. Eine Speicherung der personenbezogenen Daten des Klägers in dieser Datei habe nicht auf die Vorschriften in §§ 38 und 39 Nds. SOG gestützt werden können. Die Daten über den Kläger seien für Zwecke der Strafverfolgung erhoben worden. § 38 Abs. 1 Nds. SOG scheide deshalb als Rechtsgrundlage für die Speicherung aus, da die Daten nicht nach dem Nds. SOG erhoben worden seien und ihre Speicherung und Verwendung zu präventiven Zwecken in Widerspruch zu der in dieser Vorschrift bestimmten Zweckbindung stünden. Die Speicherung der personenbezogenen Daten des Klägers sei auch nicht ausnahmsweise nach § 39 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 Nds. SOG möglich gewesen, der unter Durchbrechung des Grundsatzes der Zweckbindung die Speicherung zu präventiven Zwecken ausnahmsweise unter anderem unter der Voraussetzung zulasse, dass eine Wiederholungsgefahr bestehe. Eine solche sei hier zu verneinen, weil unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Geschehens im November 2006 und unter Würdigung der Persönlichkeit des Klägers keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass von dem Kläger aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur in der Zukunft konkrete erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen könnten. Mangels einer Wiederholungsgefahr sei auch die Aufnahme und Speicherung der Daten des Klägers in der Datei APS rechtswidrig gewesen. Die Übermittlung an das bundesweite polizeiliche Informationssystem INPOL zu präventivpolizeilichen Zwecken sei deshalb ebenfalls rechtswidrig gewesen. Der Kläger habe auch einen Anspruch auf Löschung seiner Daten in NIVADIS gemäß § 39 a Nds. SOG. Der Anwendbarkeit dieser Anspruchsgrundlage stehe nicht entgegen, dass die Daten des Klägers zum Zweck der Bearbeitung des gegen ihn geführten Strafermittlungsverfahrens in NIVADIS gespeichert worden seien. Diene der Datenbestand sowohl repressiven als auch präventiven Zwecken, verweise die Strafprozessordnung hinsichtlich des Rechtsschutzes eines von der Datenverarbeitung der Polizeibehörden Betroffenen auf die betreffenden Regelungen der jeweiligen Polizeigesetze. Nach Einstellung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens gebe es im Nds. SOG für die weitere Speicherung der Daten des Klägers zum Zweck der Vorgangsverwaltung keine hinreichende Rechtsgrundlage. Die Vorgangsverwaltung werde in § 38 Abs. 1 Nds. SOG nicht als Verwendungszweck genannt. Damit verstoße die weitere Speicherung der Daten des Klägers gegen verfassungsrechtliche Vorgaben, denen zufolge die Verwendungszwecke der Daten, die mit der Speicherung verfolgt werden, durch den Gesetzgeber bereichsspezifisch, präzise und normenklar zu regeln seien. Mit dem Verweis in § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Nds. SOG auf Daten, die ausschließlich zur zeitlich befristeten Dokumentation oder zur Vorgangsverwaltung gespeichert worden sind, könne eine konkrete gesetzliche Zweckbestimmung nicht ersetzt werden. Soweit der Kläger die Vorlage der Errichtungsanordnung für die Datei "Castortransporte-ISAS" beantrage, sei die Klage unzulässig. Insoweit fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis, da die Klage dem Kläger keine rechtlichen oder tatsächlichen Vorteile bringen könne. Sein Feststellungsbegehren bezüglich der Rechtswidrigkeit der Speicherung seiner Daten in der genannten Datei sei erfolgreich. Durch Kenntnis der diesbezüglichen Errichtungsanordnung könne er deshalb seine Rechtsposition nicht verbessern.

Gegen das den Berufungsbeteiligten am 1. Oktober 2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte zu 1.) am 26. Oktober 2010 die - vom Verwaltungsgericht zugelassene - Berufung eingelegt, soweit sie verpflichtet wird, die den Kläger betreffenden Daten in der Datei NIVADIS zu löschen. Sie trägt zur Begründung ihrer Berufung vor: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Löschung der über ihn erhobenen personenbezogenen Daten, soweit diese in NIVADIS gespeichert seien. NIVADIS setze sich aus den Systemkomponenten des Vorgangsbearbeitungssystems (VBS) und eines Analyse-, Dokumentations- und Informationssystems, das nach einem Datawarehousekonzept aufgebaut sei, zusammen. Die Systemkomponente VBS diene der Vorgangsbearbeitung im Rahmen des gesetzlichen Auftrages der Polizei. Bei Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens speichere die Polizei dort Eintragungen zur Person des Beschuldigten, den Sachverhalt des Ermittlungsverfahrens, Zeugenaussagen, polizeiliche Vermerke, das Aktenzeichen des Strafverfahrens und den Ausgang des Strafverfahrens. Zur Vermeidung einer Überlastung des VBS speichere die Polizei Daten zu Analysezwecken zusätzlich in dem Datawarehouse. Nach Abschluss des strafrechtlichen (Ermittlungs-)Verfahrens fasse das System die Vorgangsgrunddaten in einer Vorgangsübersicht zusammen, die bei Aufruf des elektronischen Vorgangs sichtbar werde. Der Bezug zur Person könne nur insoweit hergestellt werden, als bei Eingabe ihres Namens die Vorgangsübersicht erscheine. Es könne lediglich der Schluss gezogen werden, dass die Person mit dem in der Übersicht dargestellten Sachverhalt in irgendeiner Weise in Verbindung stehe, sei es als Zeuge, Anzeigender, Beschuldigter, Betroffener oder auch nur als Ansprechpartner. Die weiteren Unterlagen zum Vorgang blieben bis zur endgültigen Löschung des gesamten Vorganges in der Systemkomponente VBS, könnten aber nur im Rahmen einer zweckdurchbrechenden Suche abgerufen werden. Mit der Archivierung des Datensatzes in VBS nach Abschluss des strafrechtlichen (Ermittlungs-)Verfahrens gehe eine Löschung in dem Datawarehouse einher, sodass diese Daten nicht mehr für operative Auswertungen verwendet werden könnten. So sei auch im Falle des Klägers verfahren worden. Sowohl die Speicherung personenbezogener Daten des Klägers in NIVADIS während des anhängigen strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens als auch deren Speicherung nach Abschluss dieses Verfahrens sei rechtmäßig. Vertretbar sei es, das Recht zur Speicherung personenbezogener Daten des Klägers auf die die Vorgangsverwaltung für Zwecke des Strafverfahrens regelnde Vorschrift des § 485 StPO zu stützen, da dieser Verwendungszweck der Speicherung zugrunde gelegen habe. Jedenfalls sei die Speicherung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG zulässig. Die Polizei benötige die personenbezogenen Daten des Klägers nach Abschluss des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens weiterhin zur Aufgabenerfüllung im Sinne dieser Vorschrift für die Dokumentation polizeilichen Handelns, zur Vorgangsverwaltung, zur Datenschutzkontrolle und aus datentechnischen Gründen. Die fünfjährige Löschungsfrist nach der Niedersächsischen Aktenordnung sei noch nicht abgelaufen.

Die Beklagte zu 1.) beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 31. August 2010 abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit die Beklagte zu 1.) verpflichtet wird, die den Kläger betreffenden Daten in der Datei NIVADIS zu löschen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zu 1.) zurückzuweisen,

Der Kläger erwidert: Das Verwaltungsgericht habe seinem Klagantrag zu Recht stattgegeben. Für die weitere Speicherung der über ihn im Zuge des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens erhobenen personenbezogenen Daten zur Vorgangsverwaltung in Gestalt einer elektronischen polizeilichen Ermittlungsakte sei eine Rechtsgrundlage nicht vorhanden. In tatsächlicher Hinsicht sei zudem unklar, welche personenbezogenen Daten wo genau in welcher Form mit welchen Zugriffsrechten noch in NIVADIS gespeichert seien.

Der Kläger hat seinen Berufungsantrag, die Beklagte zu 1.) zu verpflichten, ihm die Errichtungsanordnung für die Datei €Castortransporte-ISAS€ zugänglich zu machen, im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat für erledigt erklärt. Die Beklagte zu 1.) hat sich der Erledigungserklärung angeschlossen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten zu 1.) (Beiakten A, C, D bis F), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten zu 1.) ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zu 1.), die ihn betreffenden Daten in der Datei NIVADIS zu löschen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist deshalb abzuändern und die Klage abzuweisen (1.). Soweit die Berufungsbeteiligten das Berufungsverfahren hinsichtlich des Antrages des Klägers, die Beklagte zu 1.) zu verpflichten, ihm die Errichtungsanordnung für die Datei €Castortransporte-ISAS€ zugänglich zu machen, für erledigt erklärt haben, ist noch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden (2.).

1. Die Berufung der Beklagten zu 1.) ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Löschung der ihn betreffenden Daten in der Datei NIVADIS.

Der mit der Verpflichtungsklage zu verfolgende Löschungsanspruch richtet sich nach § 39 a Satz 1 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung - Nds. SOG - in der Fassung vom 19. Januar 2005 (Nds. GVBl. Seite 9), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Dezember 2012 (Nds. GVBl. Seite 566). Nach dieser Vorschrift sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn eine Speicherung, Veränderung oder Nutzung zu einem der in den §§ 38 und 39 genannten Zwecke nicht mehr erforderlich ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor.

Personenbezogene Daten des Klägers wurden anlässlich der Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen ihn wegen des Verdachts, am 10. November 2006 in B. im Rahmen des bevorstehenden Castor-Transports durch Teilnahme an einer Blockadeaktion eine Nötigung begangen zu haben, in der Datei NIVADIS im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes - BDSG - bzw. des § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes - NDSG - (in der Fassung vom 29.1.2002, Nds. GVBl. Seite 22, zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.12.2012, Nds. GVBl. Seite 589) gespeichert. Neben Angaben zur Person wurden insbesondere der Sachverhalt des Ermittlungsverfahrens, Zeugenaussagen und polizeiliche Vermerke in die Datei aufgenommen. Die Datei NIVADIS setzt sich aus den Systemkomponenten der Vorgangsbearbeitung (VBS) und eines Analyse-, Dokumentations- und Informationssystems, das nach einem Datawarehouse-Konzept aufgebaut ist, zusammen.

Der Geltendmachung eines Löschungsanspruches nach § 39 a Satz 1 Nds. SOG steht nicht entgegen, dass die personenbezogenen Daten des Klägers durch die Polizei für Zwecke des Strafverfahrens im Sinne des § 483 Abs. 1 StPO gespeichert worden sind. Nach dieser Vorschrift dürfen unter anderem Strafverfolgungsbehörden personenbezogene Daten in Dateien speichern, verändern und nutzen, soweit dies für Zwecke des Strafverfahrens erforderlich ist. Die Zweckbestimmung der Vorschrift erfasst alle Verfahrensabschnitte des Strafverfahrens von der Einleitung des Ermittlungsverfahrens bis zum Abschluss des Verfahrens einschließlich der Vollstreckung (Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 483, Rn. 1; Petri in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Auflage, Buchstabe G, Rn. 374). Mit der Speicherung der personenbezogenen Daten des Klägers im Zuge des gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahrens hat die Polizei von ihrer Befugnis zur Datenverarbeitung im Sinne der vorgenannten Vorschrift Gebrauch gemacht.

Eine Datenverarbeitung zu Zwecken nach § 483 Abs. 1 StPO könnte es nahelegen, als Rechtsgrundlage für einen Löschungsanspruch § 489 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StPO in Erwägung zu ziehen. Nach dieser Vorschrift sind personenbezogene Daten, die nach § 483 StPO gespeichert wurden, mit der Erledigung des Verfahrens zu löschen, soweit ihre Speicherung nicht nach §§ 484, 485 zulässig ist. Das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wurde zwar am 25. April 2008 eingestellt. Die Vorschrift greift aber nicht ein. Sie wird verdrängt durch die Regelung in § 483 Abs. 3 StPO. Erfolgt in einer Datei der Polizei die Speicherung zusammen mit Daten, deren Speicherung sich nach den Polizeigesetzen richtet, so ist nach dieser Vorschrift für die Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten und die Rechte der Betroffenen das für die speichernde Stelle geltende Recht maßgeblich. Bei der Datei NIVADIS handelt es sich um eine sogenannte Mischdatei im Sinne dieser Vorschrift (Senatsbeschl. v. 8.8.2008 - 11 LA 194/08 -, Nds. VBl. 2008, 323, juris, Rn. 7 ff.; zum Begriff der Mischdatei: BVerfG, Urt. v. 11.3.2008 - 1 BvR 2074/05 u.a. -, BVerfGE 120, 378, juris, Rn. 151). In der Datei NIVADIS werden nicht nur personenbezogene Daten gespeichert, verändert oder genutzt, soweit dies für Zwecke des Strafverfahrens nach § 483 Abs. 1 StPO erforderlich ist, sondern auch dann, wenn die Daten für die den Polizeibehörden des Landes obliegende Gefahrenabwehr erforderlich sind. Dieser Zweck der Gefahrenabwehr ergibt sich aus § 38 Abs. 1 Satz 1 iVm § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Nds. SOG. Es liegt mithin ein Fall vor, in dem der polizeiliche Datenbestand der Verfolgung repressiver und präventiver Aufgabenstellungen dient. Bei dieser Gemengelage verweist § 483 Abs. 3 StPO hinsichtlich des Rechtsschutzes eines von einer Datenverarbeitung der Polizeibehörden Betroffenen auf das Recht, das für die speichernde Stelle maßgeblich ist, hier § 39 a Nds. SOG (Senatsbeschl. v. 8.8.2008 - 11 LA 194/08 -, a.a.O., juris, Rn. 9).

Die weitere Aufbewahrung von personenbezogenen Daten des Klägers dient einem Zweck nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei die von ihr im Rahmen der Aufgabenerfüllung nach diesem Gesetz rechtmäßig erhobenen personenbezogenen Daten speichern, verändern und nutzen, wenn dies zu dem Zweck erforderlich ist, zu dem sie erhoben worden sind. Zur Bearbeitung des gegen den Kläger eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sind die über ihn erfassten personenbezogenen Daten zwar nicht mehr erforderlich. Dieses Verfahren wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 25. April 2008 nach § 153 StPO eingestellt. Der Zweck nach § 483 Abs. 1 StPO ist somit entfallen. Die personenbezogenen Daten des Klägers werden aber zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben weiterhin benötigt. Zur Aufgabenerfüllung im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG gehört auch die Vorgangsverwaltung (Senatsbeschl. v. 8.8.2008 - 11 LA 194/08 -, a.a.O., juris, Rn. 11). Darunter sind Tätigkeiten zu verstehen, die dem Nachweis des Einganges, der Bearbeitung, des Ausganges und des Verbleibens von Vorgängen dienen (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 15.10.2012 - 16 B 174/12 -, juris, Rn. 13). Sie erfasst alle Datenverarbeitungsvorgänge, die typischerweise mit einer €Veraktung€ verbunden sind (Petri, a.a.O., Buchstabe G, Rn. 391). Bei der Vorgangsverwaltung handelt es sich um einen eigenständigen Zweck nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG (vgl. auch die Ausführungsbestimmungen zum Nds. SOG, Nr. 38.1, abgedruckt bei Saipa, Nds. SOG, Stand Dezember 2012, § 38).

Der Senat teilt nicht die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass mit dem Begriff der Aufgabenerfüllung die Verwendung der Daten in NIVADIS zum Zweck der Vorgangsverwaltung nicht bereichsspezifisch, präzise und normenklar umrissen worden sei und deshalb hinsichtlich der Speicherung, Veränderung und Nutzung von Daten eine Rechtsgrundlage, die verfassungsrechtlichen Anforderungen genüge, nicht gegeben sei. In anderen Länderpolizeigesetzen (vgl. die Übersicht bei Petri, a.a.O., Buchstabe G, Rn. 391) wird zwar ausdrücklich geregelt, dass Daten (auch) zu Zwecken der Vorgangsverwaltung gespeichert, verändert und genutzt werden dürfen. Eine solche Regelung fehlt im Nds. SOG. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass Anlass, Zweck und Umfang der Datenverarbeitung nicht gesetzlich konkret benannt worden sind (vgl. zu den Anforderungen: Bundesverfassungsgericht, Urt. v. 2.3.2010 - 1 BvR 256/08 u. a. -, juris, Rn. 226, 236, 266). Mit der Vorgangsverwaltung erfüllt die Polizei eine Aufgabe nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG. Die (polizeiliche) Vorgangsverwaltung ist notwendige Voraussetzung, um einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb zu gewährleisten und das polizeiliche Handeln transparent und nachvollziehbar zu machen (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 15.10.2012 - 16 B 174/12 -, a.a.O., Rn. 13; Bay.VGH, Beschl. v. 25.1.2006 - 24 ZB 05.3074 -, juris, Rn. 21). Sie ist deshalb zwangsläufig Teil der Aufgabenerfüllung und muss als Zweck für die Speicherung, Veränderung und Nutzung von Daten nicht gesondert im Gesetz erwähnt werden. Ein solches Behördenhandeln bedarf nicht des ausdrücklichen Ausspruchs im Gesetz (BVerfG, Beschl. v. 6.6.1983 - 2 BvR 244/83 u.a. -, NJW 1983, 2135, juris, Rn. 2, zur Führung von Ausländerakten ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage).

Dass die Vorgangsverwaltung als Eingriffsgrundlage hinreichend konkret im Gesetz benannt ist, ergibt sich auch aus § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Nds. SOG. Dort wird geregelt, dass Daten, die unter anderem zur Vorgangsverwaltung gespeichert worden sind, zu einem anderen als dem Zweck, zu dem sie erhoben oder gespeichert worden sind, nur gespeichert, verändert oder genutzt werden dürfen, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder zur Aufklärung einer Straftat von erheblicher Bedeutung erforderlich ist. Wie vom Verwaltungsgericht zutreffend erkannt, ist diese Vorschrift zwar nicht einschlägig, weil die personenbezogenen Daten des Klägers nicht ausschließlich zur Vorgangsverwaltung gespeichert worden sind. Zweck war auch die Bearbeitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger. Indem die Vorschrift für Daten, die ausschließlich zur Vorgangsverwaltung gespeichert worden sind, eine Zweckdurchbrechung für eine bestimmte Gefahrenlage zulässt, unterstellt sie aber, dass Daten von der Polizei auch zur Vorgangsverwaltung nach Maßgabe des § 38 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG aufbewahrt werden dürfen, wenn dies zu dem Zweck erforderlich ist, zu dem sie erhoben worden sind. Bei § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Nds. SOG handelt es sich erkennbar um eine Sonderregelung, die nicht verständlich wäre, wenn die Vorgangsverwaltung nicht von der die Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten regelnden Grundnorm des § 38 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG erfasst wäre.

Dieser Auslegung steht auch nicht entgegen, dass § 38 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG seinem Wortlaut nach die Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten auf diejenigen Daten beschränkt, die im Rahmen der Aufgabenerfüllung nach diesem Gesetz, also nach dem Nds. SOG, rechtmäßig erhoben worden sind. Die weitere Aufbewahrung von personenbezogenen Daten, die im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren beschafft worden sind, in einer polizeilichen Mischdatei regelt bereits das Bundesrecht. Der Bundesgesetzgeber hat mit den §§ 483 ff. StPO für alle im Strafverfahren gewonnenen Daten eine umfassende generalklauselartige Regelung geschaffen (BT-Drs. 14/1484, S. 31). Sie bezieht sich namentlich auf die Speicherung von personenbezogenen Daten, wie sich aus § 483 Abs. 1 StPO ergibt. Zur Tätigkeit des Speichern gehört auch das Aufbewahren (vgl. § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 BDSG, § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 NDSG). Für polizeiliche Dateien, die - wie hier NIVADIS - repressiven und präventiven Zwecken dienen, folgt daraus, dass die Speicherung und damit auch die weitere Aufbewahrung personenbezogener Daten in ihnen schon bundesgesetzlich eine Rechtsgrundlage findet. Denn die Verweisungsvorschrift des § 483 Abs. 3 StPO setzt mit dem vorangestellten, mit der Wendung €erfolgt€ eingeleiteten Nebensatz voraus, dass bereits eine Speicherung von personenbezogenen Daten stattgefunden hat. Lediglich hinsichtlich der nachfolgenden (weiteren) Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten, um die es hier nicht geht, und hinsichtlich der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der weiteren Aufbewahrung solcher Daten richten sich somit die Rechte des Betroffenen nach den maßgeblichen polizeirechtlichen Vorschriften des Landes.

Rechnet man - anders als hier vom Senat vertreten - die Vorgangsverwaltung nicht zur Aufgabenerfüllung im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG, ergibt sich die Berechtigung der weiteren Aufbewahrung von Daten des Klägers zu diesem Zweck ebenfalls aus Bundesrecht. § 485 Satz 1 StPO erlaubt unter anderem Strafverfolgungsbehörden, personenbezogene Daten in Dateien zu speichern, zu verändern und zu nutzen, soweit dies für Zwecke der Vorgangsverwaltung erforderlich ist, und erklärt in Satz 4 die Verweisungsvorschrift des § 483 Abs. 3 StPO mit dem vorstehend erörterten eingeschränkten Regelungsbereich für entsprechend anwendbar, soweit es sich - wie hier bei NIVADIS - um eine Mischdatei der Polizei handelt.

Die weitere Aufbewahrung personenbezogener Daten des Klägers ist für Zwecke der Vorgangsverwaltung gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG erforderlich. Ausweislich der dem Kläger mit Bescheid der Beklagten zu 1.) vom 20. November 2007 erteilten Auskunft und ausweislich der ergänzenden Stellungnahme der Beklagten zu 1.) vom 14. Februar 2008 im erstinstanzlichen Verfahren wurden mit der Einleitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens zu Zwecken der Strafverfolgung personenbezogene Daten des Klägers (Name, Vorname, Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeit und Wohnsitz), der im Tatbestand näher dargestellte Sachverhalt des Ermittlungsverfahrens, die sachbearbeitende Dienststelle und die Vorgangsnummer in der Datei NIVADIS gespeichert. Nach Abschluss des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wurden diese Daten in der Weise anonymisiert, dass bei Eingabe des Namens des Klägers in die Datei NIVADIS eine Übersicht mit den sogenannten Vorgangsgrunddaten erscheint, zu denen die vorstehend genannten personenbezogenen Daten des Klägers nicht gehören. Der im Falle des Aufrufes erscheinenden Übersicht kann deshalb nur entnommen werden, dass der Kläger mit dem dargestellten Sachverhalt in irgendeiner Weise in Verbindung steht. Ob er Beschuldigter, Zeuge, Anzeigender, Betroffener oder auch nur Ansprechpartner war, bleibt offen.

Die Aufbewahrung dieser Grunddaten nach Abschluss des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ist für einen gewissen Zeitraum zur Vorgangsverwaltung notwendig, um stattgefundenes Verwaltungshandeln zu dokumentieren. Mit Hilfe der Vorgangsübersicht kann festgestellt und rekonstruiert werden, welche Anzeigen, Sachverhalte und sonstigen Geschehnisse bearbeitet worden sind. Nur so kann beispielsweise nachgewiesen werden, dass eine bestimmte Anfrage eingegangen ist, dass eine bestimmte Anzeige erstattet oder sonstige Tatsachen sich ereignet haben (BayVGH, Beschl. v. 25.1.2006 - 24 ZB 05.3074 -, a.a.O., Rn. 21). Die Beklagte zu 1.) weist zu Recht darauf hin, dass sie die noch gespeicherten Daten auch benötigt, um im Falle der Wiederaufnahme eines Strafverfahrens oder im Rahmen der Geltendmachung von Haftungsansprüchen gegen die Polizei aus abgeschlossenen Strafverfahren den Nachweis ihres polizeilichen Vorgehens führen zu können.

Die Versagung der begehrten Löschung ist auch verhältnismäßig. Der Kläger wird durch die weitere Vorhaltung von Daten, mit denen er in Verbindung gebracht werden kann, nur in geringem Umfang belastet. Ein Rückschluss darauf, dass er Beschuldigter in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren war, ist bei Eingabe seines Namens aufgrund der Anonymisierung nicht mehr möglich. Weitere fachliche Auswertungen von einzelnen personenbezogenen Daten des Klägers in dem NIVADIS angeschlossenen Datawarehouse sind ausgeschlossen. Mit Abschluss des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wurde der Datensatz in dem Datawarehouse gelöscht. Nur leseberechtigte Nutzer des Systems sind befugt, die Vorgangsübersicht in NIVADIS aufzurufen. Eine unberechtigte Recherche ist zwar technisch nicht auszuschließen, wird aber vom System aufgezeichnet, kann daher nachvollzogen und ggf. disziplinarrechtlich oder strafrechtlich geahndet werden. Eine zweckdurchbrechende Suche ist nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 Satz 1 Nds. SOG möglich. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren weiterhin die Auffassung vertritt, dass die Beklagte zu 1.) in erheblichem Umfang ereignis- und verhaltensbezogene Daten zu seiner Person speichere, die sie für die von ihr angegebenen Zwecke u. a. der Vorgangsverwaltung und Dokumentation nicht benötige, finden sich hierfür keine durchgreifenden Anhaltspunkte. Der Senat hat keinen Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung der Beklagten zu 1.) zum Inhalt, Umfang und zur Sicherung der über den Kläger in NIVADIS nach Abschluss des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens noch gespeicherten Daten. Es bestand deshalb auch keine Veranlassung, den Sachverhalt in dieser Richtung weiter aufzuklären. Die jetzt noch gegebene Zugriffsmöglichkeit auf Vorgangsgrunddaten bei Eingabe des Namens des Klägers in NIVADIS berührt zwar das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Klägers. Der Eingriff wiegt aber nicht schwer. Es ist deshalb gerechtfertigt, dem öffentlichen Interesse der Polizei daran, ihr Verwaltungshandeln nachvollziehbar und transparent zu gestalten, den Vorzug zu geben.

Die Speicherungsdauer ist ebenfalls verhältnismäßig. Sie beträgt hinsichtlich der hier streitigen Eintragungen fünf Jahre und ist noch nicht abgelaufen. Nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben bedarf es im Rahmen der Aufbewahrung von Daten einer effektiven Sicherung zur Gewährleistung der Löschung von Daten (BVerfG, Urt. v. 2.3.2010 - 1 BvR 256/08 u.a. -, a.a.O., Rn. 222). Solche sind hier gegeben. Die Beklagte zu 1.) hat festgelegt, dass Daten in NIVADIS fünf Jahre nach Endabgabe eines Vorganges gelöscht werden. Sie lehnt sich dabei an eine Verwaltungsvorschrift des Landes zur Aktenordnung an (Nds. AktO vom 18.8.2006 - 12-02201/02202 -, dort Nr. 9.2), in der bestimmt ist, dass die Aufbewahrungsfrist fünfzehn Jahre beträgt, sofern Rechts- und Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen, und dass sie auf bis zu fünf Jahre verkürzt werden kann, soweit dies nach der Bedeutung des Akteninhalts ausreichend ist. Die hier angeordnete Mindestaufbewahrungsfrist von fünf Jahren ist nicht unangemessen. Sie trägt dem bereits dargestellten öffentlichen Interesse an der Nachvollziehbarkeit und Transparenz des Verwaltungshandelns Rechnung. Sie ist außerdem deutlich kürzer als die in § 47 Abs. 1 Nds. SOG vorgesehene Prüffrist für personenbezogene Daten, die in einer Datei gespeichert sind. Danach sind personenbezogene Daten von Erwachsenen spätestens nach zehn Jahren zu löschen. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die fünfjährige Aufbewahrungsfrist erst mit der Endabgabe eines Vorganges beginnt. Diese Festlegung steht in Einklang mit Nr. 9.2 Nds. AktO, wonach die Aufbewahrungsfrist frühestens mit der Schließung des Vorganges beginnt. Nach den Angaben der Beklagten zu 1.) wurde die Bearbeitung des unter zwei Vorgangsnummern geführten Verfahrens durch Endabgabe an die Staatsanwaltschaft am 30. April 2008 bzw. am 16. Juli 2008 abgeschlossen. Die fünfjährige Löschungsfrist läuft mithin am 30. April 2013 bzw. 16. Juli 2013 ab.

2. Das Berufungsverfahren ist hinsichtlich des Begehrens des Klägers, ihm die Errichtungsanordnung für die Datei €Castortransporte-ISAS€ zugänglich zu machen, einzustellen, so dass nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nur noch über die Verfahrenskosten zu entscheiden ist, weil der Kläger und die Beklagte zu 1.) insoweit das Berufungsverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Solche lediglich auf die Erledigung eines Rechtsmittelverfahrens bezogene Erklärungen sind in entsprechender Anwendung des § 161 Abs. 2 VwGO in gleicher Weise rechtlich zulässig wie die dort geregelte Erledigung des Rechtsstreits in seiner Gesamtheit (BVerwG, Beschl. v. 22.4.1994 - 9 C 456.93 -, NVwZ 1995, 372, juris, Rn. 2). Die Kostenentscheidung ist nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu treffen. Billigem Ermessen entspricht es, hinsichtlich des erledigten Teils des Berufungsverfahrens dem Kläger die Kosten aufzuerlegen. Denn er wäre im Falle einer streitigen Entscheidung über seinen Berufungsantrag voraussichtlich unterlegen gewesen.

Der Antrag wäre zwar als Verpflichtungsklage zulässig gewesen. Es handelt sich um ein Auskunftsbegehren, über das die Behörde durch Verwaltungsakt entscheidet (BVerwG, Urt. v. 24.3.2010 - 6 A 2.09 -, DVBl. 2010, 1307, zur Auskunft nach § 7 BNDG, juris, Rn. 25; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 4.12.2002 - 1 S 1639/00 -, NVwZ-RR 2003, 843, juris, Rn. 23). Das Rechtsschutzbedürfnis für den Klageantrag ist nicht dadurch entfallen, dass der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren den Antrag auf Feststellung, dass die Aufnahme der den Kläger betreffenden personenbezogenen Daten und deren Speicherung bis zum Zeitpunkt der Löschung in der Datei €Castortransporte-ISAS€ rechtswidrig war, gestellt hat, dieser Antrag erfolgreich war und zudem das Feststellungsurteil des Verwaltungsgerichts in Rechtskraft erwachsen ist. Der Antrag auf Erteilung einer Auskunft über die Errichtungsanordnung kann unabhängig von einem Begehren auf Löschung von personenbezogenen Daten gestellt werden. Hierfür besteht ein eigenständiges Rechtsschutzbedürfnis. Auch das Niedersächsische Datenschutzgesetz geht davon aus, dass die Kenntnis über eine Errichtungsanordnung rechtlich vorteilhaft sein kann. Es billigt grundsätzlich jedermann das Recht zu, die auf bestimmte Angaben beschränkte Einsicht in eine Verfahrensbeschreibung zu beantragen (vgl. § 8 a Abs. 3 Satz 1 NDSG).

Die Klage hätte aber als unbegründet abgewiesen werden müssen. Als Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers kommt § 16 NDSG in Betracht, der das Auskunftsrecht regelt. Die Beklagte zu 1.) hat dem Kläger nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 - 3 NDSG mit Bescheid vom 20. November 2007 und ergänzend im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 14. März 2008 umfassend Auskunft darüber erteilt, welche personenbezogenen Daten über seine Person aufgrund welcher Rechtsgrundlage zu welchem Zweck wo und aufgrund welcher Herkunft in der Datei €Castortransporte-ISAS€ gespeichert worden sind. Ein weitergehender Anspruch des Klägers auf Einsichtnahme in die Errichtungsanordnung dieser Datei besteht nach § 16 NDSG nicht. Der Begriff der Errichtungsanordnung findet sich in einzelnen Polizeigesetzen der Länder (z. B. in § 47 Abs. 1 bayPAG, in § 49 berlASOG). Er deckt sich mit dem der Verfahrensbeschreibung, den das Niedersächsische Datenschutzrecht (vgl. § 8 NDSG) und andere Polizeigesetze der Länder verwenden, und auch der Dateibeschreibung, den das Landespolizeirecht gebraucht (vgl. § 46 Nds.SOG). In der Verfahrensbeschreibung ist zu dokumentieren, welche personenbezogenen Daten mit Hilfe welcher automatisierter Verfahren auf welche Weise verarbeitet werden und welche Datenschutzmaßnahmen dabei getroffen wurden (Erläuterungen des Landesbeauftragten für den Datenschutz Niedersachsen zur Anwendung des NDSG, § 8, Nr. 1; Petri, a.a.O., Buchst. G, Rn. 383 ff.). Für die Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen Niedersachsens regelt § 8 Satz 1 NDSG im Einzelnen, welche Angaben eine Verfahrensbeschreibung zu enthalten hat. Nach Angaben der Beklagten zu 1.) wurde für die Datei €Castortransporte-ISAS€ eine Verfahrensbeschreibung von ihrer Rechtsvorgängerin, der Bezirksregierung Lüneburg, im August 2004 mit dem unter § 8 Satz 1 NDSG genannten Inhalt erstellt und Anfang September 2004 an den Landesbeauftragten für den Datenschutz Niedersachsen weitergeleitet.

Die Verfahrensbeschreibung für die Datei €Castortransporte-ISAS€ kann dem Kläger nicht zugänglich gemacht werden. Die örtlichen Beauftragten für Datenschutz haben gemäß § 8 a Abs. 3 Satz 1 NDSG zwar auf Antrag die Angaben gemäß § 8 Satz 1 NDSG jedermann in geeigneter Weise verfügbar zu machen. Nach § 8 a Abs. 3 Satz 2 NDSG sind hiervon aber u.a. Beschreibungen nach § 22 Abs. 5 NDSG ausgenommen. Es handelt sich dabei um Beschreibungen für Verarbeitungen, die der Erfüllung der Aufgaben nach dem Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetz (§ 22 Abs. 5 Nr. 1 NDSG) oder polizeilicher Aufgaben nach dem Nds. SOG (§ 22 Abs. 5 Nr. 2 NDSG) dienen. Mit dem Ausschlusstatbestand in § 8 a Abs. 3 Satz 2 NDSG hat der niedersächsische Gesetzgeber verdeutlicht, dass diese Verfahrensbeschreibungen aus übergeordneten Gründen des Allgemeinwohls nicht jedermann zugänglich zu machen sind. Insoweit weist das Gesetz dem Landesbeauftragten für den Datenschutz die Kontrolle der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften zu (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 22 Abs. 5 NDSG). Hier bezieht sich die Verfahrensbeschreibung auf eine Verarbeitung zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben nach dem Nds. SOG im Sinne des § 22 Abs. 5 Nr. 2 NDSG. Die Datei €Castortransporte-ISAS€ dient der Gefahrenabwehr. In ihr werden in den Phasen der Vorbereitung und Durchführung von Transporten hochradioaktiver Abfälle in das Zwischenlager Gorleben alle anlassbezogenen Erkenntnisse aus offen zugänglichen Medien gesammelt und bewertet. Bis in das Jahr 2010 wurden in der Datei auch personenbezogene Daten aus nicht öffentlich zugänglichen Quellen zu einzelnen Strafverfahren, Ordnungswidrigkeiten oder anderen polizeilichen Ereignissen gespeichert. Hiervon wurde nach dem Berufungsvorbringen der Beklagten zu 1.) vom 14. Dezember 2010 inzwischen Abstand genommen. Aus dem genannten Zweck der Datei ist ersichtlich, dass die Speicherung von Daten der Gefahrenabwehr dient. Hierbei handelt es sich um eine polizeiliche Aufgabe gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nds.SOG. Die Verarbeitung von Daten erfolgt somit zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben.

Hinsichtlich der Kosten des nicht erledigten Teils des Berufungsverfahrens und des erstinstanzlichen Verfahrens beruht die Entscheidung auf §§ 154 Abs. 1 und Abs. 2, 155 Abs. 1, 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat lässt nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Revision zu, weil der streitentscheidenden Frage grundsätzliche Bedeutung zukommt, ob die Speicherung personenbezogener Daten zum Zweck der Vorgangsverwaltung in einer landespolizeilichen Mischdatei bereichsspezifisch, präzise und normenklar geregelt ist.






Niedersächsisches OVG:
Urteil v. 30.01.2013
Az: 11 LC 470/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/96bf50480a98/Niedersaechsisches-OVG_Urteil_vom_30-Januar-2013_Az_11-LC-470-10




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