Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 28. Juli 2004
Aktenzeichen: 12 O 19/04

(LG Düsseldorf: Urteil v. 28.07.2004, Az.: 12 O 19/04)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Parteien vertreiben sogenannte Altersverifikationssysteme für Anbieter und Nutzer pornografischer Inhalte im Internet. Diese Systeme sollen die Nutzung pornografischer und sonstiger Erwachsenenangebote im Internet durch Minderjährige verhindern.

Das von der Beklagten angebotene Altersverifikationssystem "über 18.de" gibt es jedenfalls in den Versionen 1 und 2.

Bei der Version 1 muss der Nutzer zunächst die Postleitzahl des Ausstellortes seines Personalausweises (bzw. eine Reisepassnummer, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob in diesem Fall auch die Postleitzahl angegeben werden muss) eingeben. Mit der Abfrage der Postleitzahl des Ausstellungsortes wird überprüft, ob der Ausstellungsort demjenigen entspricht, der durch die Behördenkennzahl repräsentiert wird. Nach der Überprüfung der Postleitzahl und der Personalausweisnummer muss der Nutzer seine E-Mail-Adresse angeben sowie ein beliebiges Passwort festlegen. Wenn er dann die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten akzeptiert, ist die Anmeldung abgeschlossen und der Nutzer bekommt an die von ihm eingegebene E-Mail-Adresse eine Benutzerkennung zugeschickt. Der Anmeldevorgang der Version 2 unterscheidet sich zunächst nicht von der Version 1. Hinzu kommt, dass der Name, die Adresse und eine Zahlungsweise (z.B. Kreditkartenzahlung) angegeben werden muss, weil eine einmalige Geldtransaktion in Höhe von 4,95 EUR durchgeführt wird. In einer von der Beklagten als Abwandlung der Version 1 und von der Klägerin als "Version 0" bezeichneten Version muss sich der Nutzer nicht fest registrieren lassen. Vielmehr muss der Nutzer bei dieser Variante jeweils seine Personalausweisnummer eingeben, ansonsten erfolgt die Nutzprüfung wie bei der Version 1.

Das von der Klägerin angebotene System mit der Bezeichnung "X-Check" beruht auf einer persönlichen Identifikation unter Vorlage eines Personaldokuments, wobei das sogenannte POSTIDENT-Verfahren zum Einsatz kommt.

Die Klägerin trägt vor:

Das AVS der Beklagten "über 18 de" sei wegen eines Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 Satz 2 Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) sowie gegen § 184 StGB wettbewerbswidrig. Das System der Beklagten trage den gesetzlichen Anforderungen an geschlossene Nutzergruppen nicht annähernd Rechnung, da es pornografisches Material zugänglich mache, ohne das Alter der Empfänger zuverlässig zu verifizieren und ohne damit einen Zugang von Kindern und Jugendlichen zu pornografischem Material zuverlässig auszuschließen. "AVS über 18.de" leide insoweit an einem grundsätzlichen Mangel, der es für den eingesetzten Zweck untauglich mache. Es sei in besonderer Weise als unlauter anzusehen, dass die Beklagte irreführende Aussage, ihr System genüge den strafrechtlichen Anforderungen, Anbieter für ihr zweifellos nutzerfreundliches und daher gewinnträchtiges Low-Level-System "über 18.de" vereinnahme. Das Verhalten der Beklagten sei in jedem Fall als Anstiftung zumindest aber als Beihilfe pornografischer Schriften nach §§ 184, 26 bzw. 27 StGB anzusehen. Die Beklagte erlange gegenüber der Klägerin einen erheblichen Wettbewerbsvorteil, weil diese den Jugendschutzanforderungen in Deutschland gerecht werden müsse.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im Geltungsbereich des deutschen Rechts ein Jugendschutzsystem für pornografische Internetinhalte im Sinne des § 184 StGB, § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JMStV in Verkehr zu bringen, anzubieten, zugänglich zu machen, zu bewerben sowie, insbesondere gegenüber denjenigen Kunden, die bisher Zugang zu pornografischen Inhalten über das Jugendschutzsystem der Beklagten (sogenannte Bestandkunden) erlangen, zu betreiben und/oder zu betreuten, das nutzerseitig auf der Eingabe der Personalausweisnummer oder Reisepassnummer - auch in Kombination mit der Durchführung einer Kontobewegung und/oder der Abfrage einer Postleitzahl - sowie der hierauf beruhenden Verifikation des Alters basiert, ohne dass dabei eine persönliche Identifikation mit Altersüberprüfung des Nutzers, etwa im Rahmen des PostIdent-Verfahrens, bei seiner Registrierung erfolgt und die Weitergabe ausgegebener Zugangsdaten wirksam verhindert wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor:

Das AVS "über 18.de" werde seiner Aufgabe, Minderjährige von der Nutzung pornografischer Seiten im Internet wirksam auszuschließen, im vollen Umfang gerecht. Seit dem sie die Version 2 in Verkehr gebracht habe, sei ihr lediglich ein Fall eines angeblichen "Missbrauchs" des Systems durch einen Minderjährigen bekannt geworden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin kann von der Beklagten nicht verlangen, dass diese generell und umfassend wie beantragt den Vertrieb eines Jugendschutzsystems für pornografische Internetinhalte im Sinne des § 184 StGB, § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JMStV unterlässt.

Das Verbot des Handelns mit dem Altersverifikationssystem (AVS) ohne persönliche Identifikation mit Altersprüfung des Nutzers kann die Klägerin nicht aus § 1 UWG a.F. - der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltenden norm - herleiten, da nicht festgestellt werden kann, dass der Vertrieb eines Altersverifikationssystems ohne eine persönliche Identifikation mit Altersüberprüfung des Nutzers gegen die so guten Sitten verstößt.

Zweck des § 1 UWG a.F. ist es, die Lauterkeit des Wettbewerbs im Interesse der Marktbeteiligten und der Allgemeinheit zu schützen. Der Begriff der Sittenwidrigkeit im Sinne des § 1 UWG a.F. ist demgemäß wettbewerbsbezogen - d.h. entsprechend dem Zweck der Vorschrift auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogen - auszulegen (BGH 1. Zivilsenat, Urteil vom 4. März 2004, AZ: I ZR 221/01, JurisWebNr. KORE 302822004). Die Beurteilung, ob ein beanstandetes Wettbewerbsverhalten sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG ist, erfordert regelmäßig eine am Schutzzweck des § 1 UWG a.F. auszurichtende Würdigung des Gesamtcharakters des Verhaltens nach seinem konkreten Anlass, seinem Zweck, den eingesetzten Mitteln, seinen Begleitumständen und Auswirkungen (BGH a.a.O.).

Der Vertrieb eines AVS ohne persönliche Identifikation mit Altersüberprüfung des Nutzers stellt keine Maßnahme dar, von der eine besondere Gefahr für die Lauterkeit des Wettbewerbs ausgeht.

Die Anforderungen, die an Altersverifikationssysteme zu stellen sind, sind nicht gesetzlich geregelt. § 184 StGB regelt die Voraussetzungen, unter denen die Verbreitung pornografischer Schriften strafbar ist. Adressat dieser Norm ist der Beklagte nicht, da er keine pornografischen Werke verbreitet.

Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV sind Angebote mit pornografischen bzw. jugendgefährdendem Inhalt gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 JMStV dann zulässig, wenn von Seiten des Anbieters sichergestellt ist, dass sie nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden (geschlossene Benutzergruppe). Auch diese Norm ist nicht unmittelbar an die Beklagte gerichtet. Mittelbar betrifft die Norm den Beklagten zwar insoweit, als dass er Systeme vertreibt, die sicherstellen sollen, dass Angebote im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 JMStV nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden. Selbst wenn man aber unterstellt, dass die von der Beklagten vertriebenen Altersverifikationssysteme unzureichend sind, ergibt sich hieraus kein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch dahingehend, dass nur Altersverifikationssysteme mit einer persönlichen Identifikation des Nutzers vertrieben werden dürfen. Die Kammer verkennt insoweit nicht, dass ein Verstoß gegen Jugendschutznormen ein wettbewerbswidriges Verhalten begründen kann, da sie dem Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsgutes dienen. Allein durch das Angebot des AVS "über 18 de." ergibt sich indessen kein Verstoß gegen Jugendschutznormen. Die konkreten Anforderungen an Altersverifikationssysteme sind nicht gesetzlich geregelt. In § 4 Abs.2 JMStV heißt es, dass "sichergestellt" werdensoll, dass die Angebote pornographischen Inhalts nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden. Es ist aber nicht Sache des Wettbewerbsrechts, einen vom Gesetzgeber belassenen Freiraum durch ein allgemeines Verbot zu beschneiden (BGH GRUR 1996, 793, 795). Entsprechend ist es auch nicht Sache des Wettbewerbsrechts, einen unbestimmten Rechtsbegriff einer Norm auszufüllen. Es kann auch nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass nur eine persönliche Identifikation mit Altersüberprüfung des Nutzers den Anforderungen des § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV genügt. Zwar ist in der amtlichen Begründung zu § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV und der darin definierten "geschlossenen Benutzergruppe" ausgeführt, dass "ein verlässliches Altersverifikationssystem die Verbreitung an oder den Zugriff durch Minderjähriger hindern" müsse. Dies heißt aber nicht, dass nur die persönliche Identifikation mit Altersüberprüfung eine effektive Zugangsbeschränkung in diesem Sinne beinhaltet. Insoweit sind zwar Empfehlungen der Länderkontrollstelle Jugendschutz.net und der zuständigen Kommission für Jugendmedienschutz ausgesprochen worden. Eine verbindliche Festlegung der Anforderungen ist jedoch nicht erfolgt. Der Vertrieb von Systemen, die keine Identifikation mit Altersüberprüfung des Nutzers durchführen, kann deshalb nicht als wettbewerbswidrig angesehen werden.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Klägerin, dem Beklagten sei die Anstiftung bzw. die Beihilfe zur Verbreitung pornografischer Schriften im Sinne von §§ 184, 26, 27 StGB vorzuwerfen. Dies ist nicht der Fall. Anstiftung und Beihilfe scheiden schon deshalb aus, weil bei der Veräußerung der Systeme offen ist, wie diese und für welche Angebote diese eingesetzt werden. Allein der Umstand, dass der Beklagte das AVS über 18.de als kostenloses Jugendschutzsystem "nach 184 StGB" im Internet vorgestellt hat, ergibt sich nichts Gegenteiliges. Inwieweit dieser Internetauftrag eine irreführende Werbung darstellt, hat die Kammer vorliegend nicht zu entscheiden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Unterlassung einer bestimmten Werbemaßnahme begehrt, sondern die generelle Werbung für das Produkt verbieten will.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.

Streitwert: 500.000,00 EUR.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 28.07.2004
Az: 12 O 19/04


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