Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. April 2010
Aktenzeichen: 15 W (pat) 45/05
(BPatG: Beschluss v. 15.04.2010, Az.: 15 W (pat) 45/05)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Anmelderin reichte am 11. Dezember 2000 unter Inanspruchnahme der inneren Priorität 199 59 518.6 vom 9. Dezember 1999 beim Deutschen Patentund Markenamt eine Patentanmeldung ein, die am 21. Juni 2001 in Form der deutschen Offenlegungsschrift DE 100 61 515 A1 mit der Bezeichnung
"Verfahren zum Nachweis von Antikörpern oder Antigenen sowie zur Blutgruppenbestimmung"
veröffentlicht wurde.
Mit Beschluss vom 29. Juni 2005 wies die Prüfungsstelle für Klasse G 01 N des Deutschen Patentund Markenamts die Patentanmeldung aus den Gründen des Bescheides vom 12. Juli 2004 zurück.
Dem Beschluss lagen die Patentansprüche 1 bis 8 in der ursprünglich eingereichten Fassung zugrunde. Sie lauten gemäß der DE 100 61 515 A1 wie folgt:
In dem in Bezug genommenen Bescheid ist im Wesentlichen ausgeführt, dass das Verfahren gemäß Anspruch 1 mangels erfinderischer Tätigkeit gegenüber der EP 0 058 780 A1 und EP 0 305 337 B1 und das Verfahren gemäß nebengeordnetem Anspruch 2 mangels Neuheit gegenüber der DE 693 17 980 T2 nicht gewährbar seien. In diesem Bescheid wurde zudem auf den Inhalt der Druckschriften DE 43 13 603 A1, US 5 905 028 A sowie WO 95/30904 A1 verwiesen, aus denen weitere Verfahren zum Nachweis von Antikörpern oder Antigenen sowie zur Blutgruppenbestimmung hervorgingen, unter anderem das Merkmal des Anspruchs 4 einer automatischen Analyse mittels Videokamera sowie das Merkmal des Anspruchs 5 aus einem Gel bestehender Beads.
Gegen den Beschluss hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 27. Juli 2005 Beschwerde eingelegt. Zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung am 15. April 2010 hat sie mit Schriftsatz vom 12. April 2010 eine Beschwerdebegründung eingereicht und beantragt, das nachgesuchte Patent auf Grundlage angepasster Haupt-Patentansprüche 1 bis 5, hilfsweise mit gegenüber dem Hauptantrag geänderten Hilfs-Patentansprüchen 1 bis 4, zu erteilen. Demnach beruhe der Gegenstand gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag gegenüber der EP 0 058 780 A1 auf erfinderischer Tätigkeit, die Neuheit sei in dem angefochtenen Beschluss demgegenüber nicht in Abrede gestellt. Der entscheidende Vorteil der Erfindung gegenüber einem Flüssigkeitskissen des Standes der Technik liege in der Anwendung der Beads. Denn durch die Wahl unterschiedlicher Beads, beispielsweise solcher mit unterschiedlichen Durchmessern, könne in vorteilhafter Weise die aufzubringende Zentrifugalkraft dosiert und gesteuert werden. Dadurch könnten Zentrifugen mit geringerer Beschleunigung, geringerem g, zum Einsatz gelangen, wobei der Preis von Zentrifugen mit wachsender Beschleunigung erheblich (nichtlinear) anwachse. Ein weiterer Vorteil in der Verwendung von Beads gegenüber einem Flüssigkeitskissen bestehe in der erheblich leichteren Handhabbarkeit der Mikroröhrchen vor ihrem Einsatz. Die Beads könnten eingefüllt und die Mikroröhrchen bevorratet werden, was mit Mikroröhrchen mit wenigstens zwei unterschiedlichen Flüssigkeiten vor dem eigentlichen Testvorgang nicht möglich sei. Bei dem hilfsweise verteidigten Verfahren sei die Verwendung von Beads zusammen mit dem Aufbringen eines Schüttelschritts neu und erfinderisch. Das Ersetzen des Zentrifugenschritts durch einen Schüttelschritt sei keiner der Entgegenhaltungen zu entnehmen, auch nicht andeutungsweise. Das mache den Einsatz von teuren Zentrifugen überflüssig, weil Schüttelvorrichtungen erheblich preiswerter seien. Ebenso sei deren Handhabung einfacher und ungefährlicher als die Handhabung von Zentrifugen.
In der mündlichen Verhandlung am 15. April 2010 machte die Anmelderin den Hilfsantrag aus dem Schriftsatz vom 12. April 2010 zum Hauptantrag und überreichte einen neuen Hilfsantrag mit den Patentansprüchen 1 bis 4.
Die nunmehr gemäß Hauptantrag verteidigten Ansprüche lauten demnach: Die gemäß Hilfsantrag verteidigte Fassung der Ansprüche lautet demnach:
Der Vertreter der Anmelderin stellt den Antrag, den Beschluss des Patentamts aufzuheben und das Patent zu erteilen auf Grundlage der Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hauptantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung, hilfsweise auf Grundlage der Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hilfsantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung, jeweils Beschreibung Seiten 1, 3 und 4 gemäß Schriftsatz vom 12.4.2010, übrige Beschreibung und Zeichnungen, nämlich Seiten 2, 5 bis 12, wie ursprünglich eingereichte Unterlagen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist fristund formgerecht eingelegt worden und zulässig (PatG § 73). Sie hat jedoch aus nachfolgenden Gründen keinen Erfolg.
1. Der Erfindungsgegenstand betrifft in der Fassung gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ein 1) Verfahren zum Nachweis von Antikörpern und/oder Antigenen in einer Testflüssigkeit sowie 1.1) zur Blutgruppenbestimmung 2) durch Reaktion mit einem vorgegebenen spezifischen Bindungspartner, 3) das Antigen bzw. der Antikörper oder der spezifische Bindungspartner in der Testflüssigkeit liegen vor 3.1) ungebunden und/oder 3.2) trägergebunden, 4) bei positiver Antigen-Antikörper-Reaktion wird ein Agglutinat aus nachzuweisenden Antigenen bzw. Antikörpern, den entsprechenden Bindungspartnern und den Trägern gebildet, 5) das Agglutinat ist optisch als Sedimentationsbild detektierbar, 6) ein Mikroreaktionsgefäß mit einem sich wenigstens im Bodenbereich von oben nach unten verjüngenden bzw. bombierten Querschnitt wird verwendet, 6.1) das im Bereich der sich verjüngenden bzw. bombierten Wandung mit Fangstoffen codiert wird, 6.1.1) mit Protein A und/oder 6.1.2) mit Protein G und/oder 6.1.3) mit Antigenen und/oder 6.1.4) mit Antikörpern, 7) in das Mikroreaktionsgefäß wird eine Substanz in Form von feinen Kügelchen, sogenannten Beads, gefüllt, 8) in das Mikroreaktionsgefäß wird auf die Beads ein vorbestimmtes Volumen der Testflüssigkeit gegeben, 8.1) wobei der spezifische Bindungspartner entweder der Testflüssigkeit oder den Beads zugesetzt ist, oder 9) es wird eine weitere Flüssigkeit, die den spezifischen Bindungspartner enthält, in das Gefäß gegeben, entweder vor oder nach dem Zufügen der Testflüssigkeit, 10) das Mikroreaktionsgefäß wird einem Schüttelschritt ausgesetzt, 11) das sich ausbildende oder ausgebildete Sediment/Agglutinat wird in Aufsicht von oben oder unten ausgewertet, 11.1) ein flächiges Agglutinat (Rasenbildung) weist auf eine positive Antigen-Antikörper-Reaktion hin, 11.2) eine räumlich geringfügig ausgedehnte Ablagerung (Knopfbildung) von Trägern weist auf eine negative Reaktion hin.
An Stelle des gemäß Anspruch 1 durch die Teilmerkmale 6.1.1 bis 6.1.4 ausgebildeten Merkmals 6.1 ist gemäß Anspruch 2 nach Hauptantrag das Merkmal 7 ausgebildet durch die Teilmerkmale 7.1) die Beads werden mit Fangstoffen codiert, 7.1.1) mit Protein A und/oder 7.1.2) mit Protein G und/oder 7.1.3) mit Antigenen und/oder 7.1.4) mit Antikörpern, 7.2) und die kodierten Beads werden mindestens im Bereich der schrägen Wandung des Mikroreaktionsgefäßes gefüllt.
In der Anspruchsfassung nach Hilfsantrag ist der Wortlaut des Merkmals 10 geändert und lautet demnach: "das Mikroreaktionsgefäß wird statt einem Zentrifugationsschritt einem Schüttelschritt ausgesetzt".
2. Gegen die Zulässigkeit der geänderten Anspruchsfassungen nach Hauptund Hilfsantrag bestehen in formaler Hinsicht folgende Bedenken.
a) Sofern die Anmelderin in Anspruch 1 nach Hauptantrag die Offenbarung des Merkmals 10 (Schüttelschritt) aus dem ursprünglichen Anspruch 7 (vgl. z. B. DE 100 61 515 A1, Sp. 11 Z. 16 bis 19) herleitet, fehlt nunmehr darin der Passus "anstatt einem Zentrifugierschritt". Dieser Passus ist jedoch aufzunehmen um sicherzustellen, dass in dem Verfahrensablauf entsprechend dem ursprünglichen Anspruch 7 nun ein Zentrifugierschritt durch einen Schüttelschritt ersetzt wird. Was die Anspruchsfassung gemäß Hilfsantrag anbelangt, so wurde darin das Merkmal 10 durch den gesamten Inhalt des Anspruchs 7 in der ursprünglichen Fassung ausgestaltet, sodass der Hilfsantrag diesen Formalmangel des Hauptantrags nicht aufweist.
b) Bei den Merkmalen 7.1 bis 7.1.4 des Anspruchs 2 nach Hauptund Hilfsantrag handelt es sich um Alternativen zu den durch die Merkmale 6.1 bis 6.1.4 ausgebildeten Verfahren gemäß Anspruch 1 und damit um Merkmale, die deshalb nicht unter den Anspruch 1 subsummierbar sind. Denn die Ausgestaltung des in Anspruch 1 weiterhin vorhandenen Merkmals 6 durch die Untermerkmale 6.1 bis 6.1.4 fehlt im Anspruch 2. Damit besitzt Anspruch 2, ebenso wie in den ursprünglichen Unterlagen, unverändert weiterhin den Charakter eines Nebenanspruchs und ist deshalb als solcher, im Gegensatz zu einem echten Unteranspruch, unabhängig vom Gegenstand des Anspruchs 1 auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit zu prüfen.
3. Hinsichtlich des nunmehr einen Schüttelschritt umfassenden Verfahrens stellt sich die Frage, ob dieser Schüttelschritt so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann ihn ausführen kann (Ausführbarkeit des Verfahrens).
Der ursprüngliche Anspruch 7, aus dem die Anmelderin einen Schüttelschritt herleitet, gibt selbst keine Auskunft darüber, was genau unter einem Schüttelschritt zu verstehen ist, auch nicht in Verbindung mit den Verfahrensmerkmalen der übrigen Ansprüche. In der Beschreibung findet sich der Begriff "Schüttelschritt" in einer einzigen Textstelle, aus der hinsichtlich der Art und Ausführung eines Schüttelschritts jedoch nichts zu entnehmen ist (vgl. DE 100 61 515 A1 Sp. 7 Z. 36 bis 49). Demnach wird beim Antikörper-Suchtest, einer ganz speziellen Ausgestaltung des beanspruchten Verfahrens zur Blutgruppenbestimmung, auf den sich das beanspruchte Verfahren ersichtlich nicht beschränkt, das Patientenserum mit den bekannten Suchzellen entweder in Gegenwart der Beads inkubiert, wobei das Gemisch auf den Beads schwimmt, oder das Gemisch extra inkubiert und "erst unmittelbar vor dem Zentrifugierschritt oder auch dem Schüttelschritt zugefügt wird". Dabei erfolgt eine Beladung mit inkompletten Antikörpern IgG, und durch die folgende Zentrifugation werden die beladenen Suchzellen zwischen den Beads auf die Plastikwandung zu durchgedrückt (vgl. DE 100 61 515 A1 Sp. 7 Z. 36 bis 44). Damit fehlen in dieser Textstelle Angaben zur Durchführung der Zentrifugation ebenso wie Angaben zu Art, Ausmaß bzw. Dauer sowie zum Zweck des Schüttelschritts. In den sich daran anschließenden eigentlichen Ausführungsbeispielen finden sich zwar Angaben zur Durchführung des Zentrifugationsschrittes (g-Zahl und Zeit), jedoch keinerlei Hinweise auf einen Schüttelschritt oder gar Einzelheiten zu dessen experimenteller Ausführung (vgl. DE 100 61 515 A1 Sp. 7 Z. 55 bis Sp. 9 Z. 2, insbes. Sp. 8 Z. 58 bis Sp. 9 Z. 2). In der Beschreibung wird somit eine konkrete technische Lehre hinsichtlich Art, Ausmaß bzw. Dauer sowie zum Zweck eines Schüttelschritts nicht vermittelt, sodass es an einem nacharbeitbaren Weg zur Ausführung des Verfahrensschritts gemäß Merkmal 10 und damit zur Ausführung des beanspruchten Verfahrens in der geänderten Fassung insgesamt fehlt (vgl. hierzu BGH GRUR 2001, 813 -Taxol).
Sofern die Anmelderin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, es könne sich um jegliche Art des Schüttelns handeln, beispielsweise auch und insbesondere um eine Ultraschallbehandlung, so vermag der Senat den Anmeldeunterlagen Anhaltspunkte für jegliche beliebige Art und Ausgestaltung eines Schüttelschritts ebenso wenig zu entnehmen wie die spezielle Ausgestaltung in Form einer Ultraschallbehandlung.
4. Aber selbst wenn man die Zulässigkeit der Anspruchsfassungen und die Ausführbarkeit eines Schüttelschritts der nunmehr beanspruchten Verfahren zum Nachweis von Antikörpern und/oder Antigenen in einer Testflüssigkeit anerkennen wollte, mangelt es diesen Verfahren sowohl in der Fassungen der Ansprüche 1 als auch der Ansprüche 2 nach Hauptantrag und Hilfsantrag jedenfalls an der zur Patentierung erforderlichen erfinderischen Tätigkeit.
a) Die demnach beanspruchten Verfahren umfassen die für ein diagnostisches Verfahren auf Basis von Antigen-Antikörper-Reaktionen typischen Merkmale bzw. Teilmerkmale. Neben dem gattungsbildenden Merkmal 1 sind dies die Merkmale 2, 3, 3.1, 3.2, 4 und 5, die das Grundprinzip eines Immuntests darstellen, sowie die dem Fachmann geläufige Auswertung eines Immuntests gemäß Merkmalen 11, 11.1 und 11.2. Diese Grundprinzipien nebst üblicher Auswertung werden selbstverständlich auch zur Blutgruppenbestimmung (Merkmal 1.1) herangezogen.
Ein dementsprechender Nachweis von Antikörpern oder Antigenen in einer Testflüssigkeit sowie zur Blutgruppenbestimmung und damit ein gattungsgemäßes Verfahren ist auch in der im Prüfungsverfahren entgegengehaltenen Druckschrift DE 693 17 980 T2 (3) beschrieben, wobei eine Reaktion mit einem selbstverständlich vorgegebenen spezifischen Bindungspartner stattfindet, und das Antigen, der Antikörper oder der spezifische Bindungspartner in der Testflüssigkeit ungebunden oder trägergebunden sind. Bei positivem Immuntest bilden sich sogenannte Agglutinate aus dem zu bestimmenden Antigen oder Antikörper, dem entsprechenden spezifischen Bindungspartner und Trägern in Form eines optisch detektierbaren Rasens (vgl. (3) S. 2 Z. 5 bis 27 i. V. m. S. 3 Z. 3 bis 5, S. 9 Z. 1 bis 5; Merkmale 1 bis 5 sowie 11.1 und 11.2). Der Einsatz einer Substanz in Form von feinen, mit Proteinen als Fangsubstanz codierten Kügelchen geht aus dieser Druckschrift ebenso hervor (vgl. (3) S. 4 Z. 14 bis 22 i. V. m. Z. 35 bis S. 5 Z. 1; Merkmale 7 bis 7.1.4) wie der Einsatz eines Mikroreaktionsgefäßes mit einem üblichen, sich von oben nach unten verjüngenden Querschnitt (vgl. (3) S. 6 Abs. 1 i. V. m. der dort angezogenen EP 305 337 B1 (2); Merkmal 6). Die codierten Beads werden in das in (3) auch als Sedimentationsröhrchen bezeichnete Mikroreaktionsgefäß gegeben und in üblicher Weise mit Testflüssigkeit, in der sich der spezifische Bindungspartner befindet, versetzt und auf übliche Weise unter Anwendung eines Zentrifugationsschritts aufgearbeitet und ausgewertet (vgl. (3) S. 8 Z. 3 bis 13 i. V. m. Beisp. 1; Merkmale 7 bis 9 und 11).
Ein Schüttelschritt gemäß Merkmal 10, ob in der Formulierung nach Hauptantrag oder nach Hilfsantrag, ist dagegen in der Druckschrift (3) expressis verbis nicht beschrieben und auch nicht erwähnt.
Die Zurückweisung der Anmeldung aus den Gründen des Erstbescheids, in dem unter anderem die fehlende Neuheit des Verfahrens gemäß ursprünglichem Anspruch 2, der keinen Schüttelschritt als Verfahrensmerkmal aufwies, gegenüber der Druckschrift (3) festgestellt wurde, ist deshalb nicht zu beanstanden.
b) Was die Durchführung eines Schüttelschrittes gemäß Merkmal 10 in den nunmehr nach Hauptantrag oder Hilfsantrag formulierten Fassungen der Ansprüche 1 und 2 anbelangt, so schließen diese Formulierungen einen Zentrifugationsschritt nicht aus. Denn das Wort "einem" ist auch als unbestimmter Artikel und nicht, jedenfalls nicht ausschließlich, als Zahlwort zu lesen und limitiert deshalb weder die Anzahl der Zentrifugationsschritte noch die Anzahl der Schüttelschritte. Dies bedeutet aber, dass nicht nur von dem Merkmal 10 in der Formulierung des Hauptantrags sondern auch von dem Merkmal 10 in der Formulierung des Hilfsantrags ein (weiterer) Zentrifugationsschritt neben dem Schüttelschritt umfasst sein kann.
Damit ist ein Schüttelschritt gemäß Hilfsantrag mangels anderweitiger Offenbarung bzw. technischer Lehre nicht anders zu bewerten als ein Schüttelschritt gemäß Hauptantrag.
Nach Ansicht des Senats ist unter das Merkmal 10 "das Mikroreaktionsgefäß wird (statt einem Zentrifugationsschritt) einem Schüttelschritt ausgesetzt" auch das zur Inkubation der in ein Mikroreaktionsgefäss pipettierten Reaktionspartner, insbesondere bei Anwesenheit eines trägergebundenen Reaktionspartners, übliche kurze Schütteln des Mikroreaktionsgefäßes zu subsumieren. Mangels anderweitiger Offenbarung bzw. Definition eines erfindungsgemäßen Schüttelschritts in den Anmeldeunterlagen kann auch keine Unterscheidung und damit Abgrenzung von dem besonders bei Beteiligung partikelgebundener Reaktionspartner üblichen kurzen Schütteln getroffen werden.
Es ist deshalb bereits fraglich, ob dieses von dem Merkmal 10 umfasste übliche kurze Schütteln des Mikroreaktionsgefäßes, das in den im Verfahren befindlichen Druckschriften nicht erwähnt ist, dem beanspruchten Verfahren überhaupt zur Neuheit verhilft. Jedenfalls gehört ein kurzzeitiges Schütteln zum schnellen und vollständigen Inkontaktbringen der Reaktionspartner eines Immuntests insbesondere bei Beteiligung partikelgebundener Reaktionspartner zum routinemäßigen Handeln des Fachmanns, liegt für ihn somit auf der Hand und vermag deshalb eine erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Verfahrens gegenüber dem aus der Druckschrift (3) wie vorstehend unter Punkt 4a ausgeführt bekannten Verfahren nicht zu begründen.
Ein Verfahren zum Nachweis von Antikörpern und/oder Antigenen in einer Testflüssigkeit in dem Umfang der Merkmale gemäß dem als Nebenanspruch zu bewertenden Anspruch 2 nach Hauptantrag beruht deshalb gegenüber dem Inhalt der Druckschrift (3) in Verbindung mit dem Wissen und Können des Fachmanns nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
c) Ein übliches kurzes Schütteln liegt für den Fachmann aber auch bei der Ausführung des in der Druckschrift (3) in Bezug genommenen Verfahrens gemäß EP 305 337 B1 (2) auf der Hand. Aus der Druckschrift (2) geht unter anderem hervor, dass die Sedimentation des Reaktionsgemisches auch durch bloßes Stehenlassen und damit ohne Zentrifugationsschritt erreicht werden kann (vgl. (2) S. 3 Z. 38 bis 44). Auch bei dem Verzicht auf den Zentrifugationsschritt gemäß (2) ist ein solches übliches kurzes Schütteln des Reaktionsgemisches zum Inkontaktbringen der Reaktionspartner ebenso angeraten wie in (3) oder anderen Immuntest unter Beteiligung partikelgebundener Reaktanden, sodass die beanspruchte Lehre selbst in der Leseart ohne irgendeinen Zentrifugationsschritt (Hilfsantrag) im Hinblick auf die betreffenden Ausführungen in (2) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Insofern vermögen auch die Ausführungen der Anmelderin zu Vorteilen, die mit dem Weglassen eines Zentrifugationsschritts verbunden sind (vgl. Schrifts.
v. 12. April 2010 S. 2 vorle. Abs.), eine erfinderische Tätigkeit nicht zu begründen.
d) Was das zu Anspruch 2 alternative Verfahren gemäß Anspruch 1 sowohl nach Hauptantrag als auch nach Hilfsantrag anbelangt (vgl. die Merkmale 6.1 bis 6.1.4 statt der Merkmale 7.1 bis 7.1.4 sowie 7.2), ergibt sich die alternative Möglichkeit zur Beschichtung der Vertiefung des kegelförmigen Behälters (Mikroreaktionsgefäß) mit einer Igbindenden Komponente (Fangstoff) ebenso aus der gattungsgleichen Druckschrift EP 0 058 780 A1 (1) (vgl. (1) z. B. Abstr. i. V. m. S. 4 Abs. 2 und 3) wie die Form des Mikroreaktionsgefäßes (vgl. (1) S. 3 Z. 29 bis 33), sodass auch ein Verfahren gemäß Anspruch 1 nach Hauptantrag gegenüber der Lehre der Druckschrift (3) in Verbindung mit der Lehre der Druckschrift (1), gegebenenfalls unter Berücksichtigung des an sich bekannten Weglassens eines Zentrifugationsschritts gemäß Druckschrift (2), nicht erfinderisch ist. Im Übrigen wird auf die betreffenden Ausführungen unter 4a bis 4c verwiesen.
Auch Anspruch 1 sowohl nach Hauptals auch nach Hilfsantrag ist deshalb mangels erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar.
5. Auf die echten Unteransprüche der jeweiligen Anträge brauchte bei dieser Sachlage nicht gesondert eingegangen zu werden; sie teilen das Schicksal des jeweiligen Hauptanspruchs, hier die Ansprüche 1 und 2, auf den sie rückbezogen sind (vgl. BGH v. 27. Juni 2007 -X ZB 6/05, GRUR 2007, 862 -Informationsübermittlungsverfahren II; Fortführung von BGH v.
26. September 1996 -X ZB 18/95, GRUR 1997, 120 -Elektrisches Speicherheizgerät).
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BPatG:
Beschluss v. 15.04.2010
Az: 15 W (pat) 45/05
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