Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 22. August 2014
Aktenzeichen: 12 U 127/13

(OLG Hamm: Urteil v. 22.08.2014, Az.: 12 U 127/13)

1.

Für einen Wohn- und Betreuungsvertrag sieht § 9 Abs. 1 S. 1 WBVG eine Entgelterhöhung und eine Erhöhung der gesondert berechenbaren investiven Aufwendungen durch einseitige Erklärung des Unternehmers nicht vor.

2.

Eine hiervon zum Nachteil des Verbrauchers abweichende Vertragsklausel des Unternehmers ist gemäß § 16 WBVG und wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

3.

Gegen §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 309 Nr. 7 BGB verstößt eine Vertragsklausel des Unternehmers, die ihm nach Vertragsende und fruchtloser Nachfrist die Räumung des überlassenen Wohnraums und die Einlagerung der persönlichen Sachen des Verbrauchers auf dessen Gefahr und Kosten gestattet.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 27.08.2013 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, nachfolgende oder mit diesen inhaltsgleiche Bestimmungen in Pflegewohnverträge mit Verbrauchern einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1. April 1977, zu berufen:

1. Das XP kann die Abrechnung einer so genannten "Abrechnungsstelle" übertragen; der Bewohner erklärt - soweit erforderlich - sein Einverständnis hiermit. (Nr. 5.5 des Vertrages)

2. In den Fällen der zulässigen Entgelterhöhung nach Punkt 6.1 dieses Vertrages behält sich das XP vor, diese Veränderung durch einseitige Erklärung herbeizuführen. (Nr. 6.1 des Vertrages)

3. In den Fällen einer zulässigen Entgelterhöhung nach Punkt 6.2 dieses Vertrages behält sich das XP vor, diese Veränderung durch einseitige Erklärung herbeizuführen. (Nr. 6.2 des Vertrages)

4. Findet nach Vertragsende und trotz Verstreichens einer angemessenen vom XP gesetzten Nachfrist die Räumung und Abholung der persönlichen Sachen des Bewohners nicht statt, so kann das XP die Räumung und Lagerung der persönlichen Sachen auf Gefahr und Rechnung des Bewohners oder seiner Erben veranlassen. (Nr. 12.3 des Vertrages)

Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger 142,66 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.06.2013 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 10.000,00 Euro.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger, der als bundesweit tätiger Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen der Bundesländer und weiterer 26 verbraucher- und sozial orientierter Organisationen in Deutschland seit dem 16.07.2002 in die beim Bundesjustizamt geführte Liste gemäß § 4 UKlaG eingetragen ist, macht gegen die Beklagte Unterlassungsansprüche nach § 1 UKlaG geltend.

Die Beklagte betreibt eine Seniorenwohnanlage unter der Bezeichnung "XP". In der Anlage bietet die Beklagte die Möglichkeit des "Pflegewohnens" an. Für diesbezügliche Verträge mit den Bewohnern verwendet die Beklagte das Formular "Vertrag Pflege-Wohnen" (Anl. K 1 zur Klageschrift, Bl. 19ff. d.A.).

Mit Schreiben vom 08.04.2013 (Anl. K 2 zur Klageschrift, Bl. 54 ff.) machte der Kläger die Beklagte darauf aufmerksam, dass sie nach Auffassung des Klägers unzulässige Allgemeine Geschäftsbedingungen verwende, und forderte die Beklagte auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Diese fügte er als Formular dem Schreiben vom 08.04.2013 bei (Anl. K 3 zur Klageschrift, Bl. 72ff. d.A.).

Gegenstand des Schreibens vom 08.04.2013 waren folgende Vertragsklauseln:

1. [Vom Benutzer in seinem Wohnraum aufgestellte benutzte Elektrogeräte unterliegen der Überprüfung durch die Elektrogeräteverordnung und müssen den VDE-Sicherheitsstandards entsprechen.]

Das XP ist befugt, vom Bewohner auf dessen Kosten einen Prüfungsnachweis eines Fachbetriebs zu verlangen. (Nr. 2.2.4 des Vertragsformulars)

2. Wäschekennzeichnung: Mit Blick auf den vom XP übernommenen Wäschedienst gilt, dass für solche Kleidungsstücke, die nicht namentlich gekennzeichnet worden sind, keinerlei Haftung wegen Abhandenkommens übernommen werden kann. (Nummer 2.4.2.1 des Vertragsformulars)

3. [Privat versicherte Bewohner rechnen direkt mit ihrer Pflegekasse ab.]

Das XP kann die Abrechnung einer so genannten "Abrechnungsstelle" übertragen; der Bewohner erklärt - soweit erforderlich - sein Einverständnis hiermit. (Nr. 5.5 des Vertragsformulars)

4. [Das XP kann eine Erhöhung des Entgeltes verlangen, wenn sich die bisherige Berechnungsgrundlage verändert.]

In den Fällen der zulässigen Entgelterhöhung nach Punkt 6.1 dieses Vertrages behält sich das XP vor, diese Veränderung durch einseitige Erklärung herbeizuführen. (Nr. 6.1 des Vertragsformulars)

5. [Das XP darf eine Erhöhung der gesondert berechenbaren investiven Aufwendungen verlangen, wenn sich die bisherige Berechnungsgrundlage verändert.]

In den Fällen einer zulässigen Entgelterhöhung nach Punkt 6.2 dieses Vertrages behält sich das XP vor, diese Veränderung durch einseitige Erklärung herbeizuführen. (Nr. 6.2 des Vertragsformulars)

6. Findet nach Vertragsende und trotz Verstreichens einer angemessenen vom XP gesetzten Nachfrist die Räumung und Abholung der persönlichen Sachen des Bewohners nicht statt, so kann das XP die Räumung und Lagerung der persönlichen Sachen auf Gefahr und Rechnung des Bewohners oder seiner Erben veranlassen. (Nr. 12.3 des Vertragsformulars)

Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.04.2013 (Anl. K 4 zur Klageschrift, Bl. 79ff. d.A.) gab die Beklagte eine Unterlassungserklärung hinsichtlich der Vertragsklauseln Nr. 2.2.4 und Nr. 2.4.2.1 ab.

Ferner zahlte die Beklagte an den Kläger zur Erstattung der Abmahnungsauslagen einen Betrag in Höhe von 71,34 €.

Der Kläger meint, ihm stehe bezüglich der beanstandeten Vertragsklauseln ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1 UKlaG zu, da die Regelungen einer Inhaltsüberprüfung anhand der §§ 307ff. BGB nicht standhielten.

Im Einzelnen:

1. zu Nr. 5.5 des Vertragsformulars:

Die Klausel verstoße gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. §§ 134 BGB, 203 StGB, 67c SGB X, da sie eine Übermittlung personenbezogener Daten erforderlich mache, die durch die Unterschrift des Bewohners unter den Heimvertrag nicht hinreichend legitimiert sei.

2. zu Nr. 6.1 des Vertragsformulars:

Die Klausel verstoße gegen § 309 Nr. 1, § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. §§ 16, 9 Abs. 1 WBVG (Gesetz zur Regelung von Verträgen über Wohnraum mit Pflege- oder Betreuungsleistungen vom 29.07.2009).

Die genannten Vorschriften des WBVG seien auf das streitgegenständliche Vertragsformular anzuwenden. In § 9 WBVG sei ein einseitiges Erhöhungsrecht des Heimträgers nicht vorgesehen, da dieser ausdrücklich nur eine "Entgelterhöhung" und nicht ein "erhöhtes Entgelt" verlangen könne. Ein Anspruch des Unternehmers auf das erhöhte Entgelt bestehe erst dann, wenn nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen eine entsprechende Abänderungsvereinbarung zwischen den Parteien zustande gekommen sei; weise der Verbraucher die begehrte Erhöhung zurück, müsse der Unternehmer den Zivilrechtsweg beschreiten. Abweichungen von der gesetzlichen Regelung seien gemäß § 16 WBVG unzulässig.

Die früher in § 7 Abs. 2 HeimG enthaltene Möglichkeit des Unternehmers, ein einseitiges Preiserhöhungsrecht vereinbaren zu können, sei in das WBVG bewusst nicht übernommen worden.

Schließlich verwende die Beklagte in den Vertragsformularen eine widersprüchliche Regelung, da sie zunächst die Vorschriften des § 9 WBVG abbilde und sich mit der beanstandeten Klausel dann jedoch zu diesen Regelungen in Widerspruch setze.

3. zu Nr. 6.2 des Vertragsformulars:

Die Regelung verstoße ebenfalls gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. den §§ 16, 9 Abs. 1 WBVG.

Die Klausel beziehe sich auf die besonderen Entgeltbestandteile der "betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen". Der Gesetzgeber habe bewusst eine Differenzierung der einzelnen Entgelttatbestände im WBVG vorgenommen. Hintergrund sei, dass die Investitionen in Pflegeeinrichtungen teilweise öffentlich gefördert würden. Daher gelte es abzusichern, dass die öffentlichen Mittel letztlich den pflegebedürftigen Menschen zuflössen, was es erforderlich mache, dass die einzelnen Entgeltbestandteile differenziert behandelt würden. Die Beklagte differenziere in der Klausel Nr. 6.2 danach, ob eine entsprechende Förderung erfolgt sei. Im vorliegenden Vertrag sei - unstreitig - die entsprechende Passage angekreuzt. Unabhängig davon bestehe aber nach der Vertragskonstruktion auch die Möglichkeit, dass das Bedingungswerk auf Einrichtungen angewandt werde, bei denen eine Förderung der Investitionen nicht erfolgt sei. Das müsse sich auch auf die vorliegende Regelung auswirken.

Die beanstandete Klausel bestimme jedoch, dass die einseitige Erklärung generell auf Erhöhungen zu beziehen sei, also sowohl bei geförderten als auch nichtgeförderten Einrichtungen. Der Gesetzgeber habe im WBVG eine Ausnahme für das Erhöhungsverfahren bezüglich der betriebsnotwendigen Investitionskosten nicht vorgesehen. Daher sei nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen ein Vertragsschluss erforderlich. Die Erhöhung werde nur durch eine zustimmende Erklärung des Verbrauchers wirksam.

4. zu Nr. 12.3 des Vertragsformulars:

Die Klausel verstoße gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 858 BGB.

Nach den gesetzlichen Regelungen habe die Beklagte bei nicht rechtzeitiger Räumung ihren Anspruch ggf. gerichtlich durchzusetzen. Diesem gesetzlichen Grundgedanken laufe die Klausel zuwider, da die Beklagte das Recht erhalte, auf die im Eigentum der Erben stehenden Gegenstände Zugriff zu nehmen. Dies sei unzulässig, wie auch die Regelung des Mietrechts zeige, das dem Vermieter ebenfalls kein Entsorgungsrecht einräume.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

I. es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, nachfolgende oder mit diesen inhaltsgleiche Bestimmungen in Pflegewohnverträge mit Verbrauchern einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1. April 1977, zu berufen:

1. [Privat versicherte Bewohner rechnen direkt mit ihrer Pflegekasse ab.]

Das XP kann die Abrechnung einer so genannten "Abrechnungsstelle" übertragen; der Bewohner erklärt - soweit erforderlich - sein Einverständnis hiermit. (Nr. 5.5 des Vertrages)

2. [Das XP kann eine Erhöhung des Entgeltes verlangen, wenn sich die bisherige Berechnungsgrundlage verändert.]

In den Fällen der zulässigen Entgelterhöhung nach Punkt 6.1 dieses Vertrages behält sich das XP vor, diese Veränderung durch einseitige Erklärung herbeizuführen. (Nr. 6.1 des Vertrages)

3. [Das XP darf eine Erhöhung der gesondert berechenbaren investiven Aufwendungen verlangen, wenn sich die bisherige Berechnungsgrundlage verändert.]

In den Fällen einer zulässigen Entgelterhöhung nach Punkt 6.2 dieses Vertrages behält sich das XP vor, diese Veränderung durch einseitige Erklärung herbeizuführen. (Nr. 6.2 des Vertrages)

4. Findet nach Vertragsende und trotz Verstreichens einer angemessenen vom XP gesetzten Nachfrist die Räumung und Abholung der persönlichen Sachen des Bewohners nicht statt, so kann das XP die Räumung und Lagerung der persönlichen Sachen auf Gefahr und Rechnung des Bewohners oder seiner Erben veranlassen. (Nr. 12.3 des Vertrages)

II. an den Kläger 142,66 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, die von ihr verwendeten Vertragsklauseln seien wirksam.

Im Einzelnen:

1. zu Nr. 5.5 des Vertragsformulars:

Die Klausel beschränke sich auf die Abrechnung; daher sei § 402 BGB nicht anwendbar. Im Übrigen unterfielen Pflegeeinrichtungen nicht der Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG. Jedenfalls liege eine Einwilligung gemäß § 4a BDSG vor. Es würden überdies nur Daten zur Pflegeklasse und Pflegestufe übermittelt, die keinerlei Rückschlüsse auf Diagnosen, Behandlungs- oder Pflegemaßnahmen zuließen. Im Übrigen würden keine individualisierten Informationen übermittelt.

2. zu Nr. 6.1 des Vertragsformulars:

Das WBVG habe die Regelungen des Heimgesetzes weitgehend identisch übernommen. Angesichts des Umstands, dass die Pflegeentgelte insgesamt - also gleichermaßen für den Bereich der sozialen Pflegeversicherung wie auch für den Bereich der privat Versicherten - nicht frei vereinbar, sondern Gegenstand eines Festsetzungsverfahrens nach dem 8. Kapitel SGB XI seien, habe der Gesetzgeber den Heimträgern in § 7 Abs. 2 HeimG die Möglichkeit einer einseitigen Erhöhung gegeben. Diese Interessenlage habe sich durch das Inkrafttreten des WBVG nicht geändert.

Entgegen der Regelung in § 8 Abs. 2 WBVG behandele § 9 WBVG keine Fälle der Vertragsanpassung, wie schon die Überschrift und der Wortlaut zeigten. § 9 Abs. 2 S. 4 WBVG gewähre einen unmittelbaren schuldrechtlichen Anspruch aus der Entgelterhöhung; dies gehe auch aus der Gesetzesbegründung hervor. Der Bewohner habe lediglich die Möglichkeit, die Entgeltveränderung hinzunehmen oder von seinem Sonderkündigungsrecht gemäß § 11 Abs. 1 S. 2 WBVG Gebrauch zu machen.

Der Gesetzgeber habe das Verfahren der Vertragsänderung gerade nicht entsprechend § 558b BGB geregelt. Das erscheine angesichts der bereits im Pflegesatzverfahren enthaltenden Schutzmechanismen zugunsten der Bewohner und angesichts der alle Bewohner gleichmäßig treffenden Entgeltveränderungen (vgl. § 7 Abs. 3 WBVG) auch folgerichtig.

3. zu Nr. 6.2 des Vertragsformulars:

Die obigen Ausführungen gälten entsprechend. Angesichts eines behördlichen Genehmigungsverfahrens gemäß § 82 Abs. 3 SGB XI, das identische Prüfungsvoraussetzungen vorsehe, bedürfe es keines vertragsrechtlich verankerten neuerlichen Erhöhungsverfahrens. Im Hause der Beklagten würden auch nur die genehmigten Erhöhungen abgerechnet, schon weil § 7 Abs. 3 WBVG eine Differenzierung zwischen privat und gesetzlich versicherten Pflegebedürftigen untersage.

Der vorliegende Vertragsentwurf gelte ausweislich der in Nr. 6.2 angekreuzten Alternative ausschließlich für geförderte Einrichtungen.

4. zu Nr. 12.3 des Vertragsformulars:

Ein Vergleich mit der mietrechtlichen Situation komme nicht in Betracht, da die Pflegebedürftigen regelmäßig nur geringe Mengen privater Gegenstände einbrächten. Daher erfasse die Klausel nicht die Einlagerung eines gesamten Hausstandes, sondern nur eine geringe Menge persönlicher Gegenstände von geringem materiellem Wert. Insbesondere im Falle des Versterbens des Bewohners wäre der Träger aber an der weiteren Nutzung und Renovierung des Zimmers gehindert. Der entscheidende Unterschied zum Mietrecht liege darin, dass dem Heimträger eine nachwirkende Gegenleistung für diese Zeiten nicht zustehe: Klauseln, die eine Fortgeltung des Heimentgeltes über den Tod oder Auszug des Bewohners hinaus regeln, seien gemäß § 87a Abs. 1 S. 2 SGB XI unzulässig.

Bei einer Ausschlagung des Erbes durch die Angehörigen wären noch nicht einmal Schadensersatzansprüche realisierbar.

Schließlich ermögliche die Klausel Raum für eine Anpassung an besondere Umstände. Insbesondere bei weit entfernt lebenden Erben sei eine längere Nachfrist als angemessen anzusehen.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht Dortmund die Beklagte zur Unterlassung der Verwendung der Klausel Nr. 5.5 sowie zur Zahlung von 35,67 € nebst beantragter Zinsen seit dem 08.06.2013 verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Zur Begründung der Klageabweisung bezüglich der Vertragsklauseln Nr. 6.1 und 6.2 hat es im Wesentlichen ausgeführt, zwar gelte der allgemeine Grundsatz, dass Vertragsänderungen nur durch Willensübereinstimmung verbindlich würden; jedoch seien gesetzliche oder vertragliche (§ 315 BGB) Abweichungen zulässig. § 9 WBVG lasse eine einseitige Entgelterhöhung nicht ausdrücklich zu, untersage sie aber auch nicht, so dass keine unzulässige Abweichung im Sinne des § 16 WBVG vorliege. Im Gegensatz zu § 8 Abs. 1 WBVG ordne § 9 WBVG gerade keine vertragliche Änderung mit Angebot und Annahme an. Aus dem Umstand, dass die in der Vorgängernorm des § 7 Abs. 2 HeimG aufgeführte Möglichkeit einer vertraglichen

Einräumung des Rechts des Heimträgers zur einseitigen Entgelterhöhung nicht in § 9 WBVG übernommen worden sei, könne kein Rückschluss auf den Willen des Gesetzgebers geschlossen werden, da zugleich auch das Zustimmungserfordernis des § 7 Abs. 2 S. 1 HeimG nicht übernommen worden sei. Die Formulierung des § 9 Abs. 2 S. 4 WBVG spreche eher für einen Automatismus als für die Notwendigkeit einer vertraglichen Vereinbarung.

Aber auch eine Prüfung der §§ 307ff. BGB führe nicht zur Unwirksamkeit der beiden Klauseln. Die Klausel verstoße nicht gegen § 308 Nr. 4 BGB. Bei Personen, die Leistungen nach SGB XI und SGB XII erhielten, ergebe sich dies bereits aufgrund einer Parallele zu den §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 2 WBVG. Aber auch im Übrigen sei die Klausel wirksam. Falls das Wort "Verlangen" nicht als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung ausgelegt werde, bestehe eine Zustimmungspflicht des Verbrauchers, hingegen würde das Entgelt nicht vertraglich zwischen Heimbewohner und Heimträger neu ausgehandelt. Der Verbraucher habe in diesem Fall die Wahl, der Entgelterhöhung zuzustimmen oder zu kündigen. Die Möglichkeit der Kündigung bestehe jedoch auch im Falle der Entgelterhöhung durch einseitige Erklärung.

Zur Klageabweisung bezüglich der Klausel Nr. 12.3 hat das Landgericht ausgeführt, ein Verstoß gegen § 307 BGB liege nicht vor. Die Klausel stelle einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Bewohner bzw. ihrer Erben und den Heimbetreibern dar. Die Klausel regele selbst im verbraucherfeindlichsten Fall lediglich die Räumung von persönlichen Gegenständen, nicht hingegen den Auszug des Heimbewohners selbst. Bei den Gegenständen handele es sich zumeist um geringe Mengen persönlicher Dinge. Ließe man ein Einlagerungsrecht nicht zu, könnte der Heimbetreiber dringend benötigten Wohnraum nicht anderweitig belegen. Auch liege kein Verstoß gegen § 858 BGB vor, da der Besitz nicht entzogen werden solle. Der Betroffene könne jederzeit auf die Gegenstände zugreifen. Dass die Frist zur Räumung nicht genauer bestimmt werde, sei ebenso unschädlich wie der Umstand, dass die Einlagerung auf Gefahr des Heimbewohners erfolge.

Zu dem teilweise abgewiesenen Zahlungsanspruch hat das Landgericht ausgeführt, die Klägerin habe vorgerichtlich für die Abmahnung bezüglich der sechs Klauseln insgesamt 214,00 € verlangt, also 35,67 € je Klausel. Die Kosten seien nach dem Obsiegen bzw. Unterliegen zu quoteln.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, in der er sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft.

Der Kläger trägt hierzu bezüglich der Klauseln Nr. 6.1 und 6.2 vor, die Anwendung des § 308 Nr. 4 BGB auf den vorliegenden Fall sei fehlerhaft, da sich die Vorschrift nur auf die Leistungen des Sach- bzw. Dienstleistungsverpflichteten, jedoch nicht auf die Gegenleistung beziehe. Da auch § 309 Nr. 1 BGB nicht anwendbar sei, seien die Klauseln an den §§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, 16 WBVG zu messen. In diesem Zusammenhang sei die These des Landgerichts, dass eine einseitige Vertragsänderung generell zulässig sei, verfehlt. Grundlegende Wertung des

Gesetzgebers sei es, dass Vertragsänderungen ebenfalls einen Vertrag erforderten. Hätte der Gesetzgeber von diesem Grundsatz abweichen wollen, hätte er dies in § 9 WBVG klar zum Ausdruck bringen müssen. Unabhängig davon habe sich der Gesetzgeber durch den Wortlaut ("Der Unternehmer kann eine Erhöhung des Entgelts verlangen") klar im Sinne der Erforderlichkeit einer Änderungsvereinbarung geäußert. Die Abgrenzung des Landgerichts zu § 7 Abs. 2 HeimG sei nicht nachzuvollziehen. In der Gesetzesbegründung zum WBVG nehme der Gesetzgeber ausdrücklich darauf Bezug, dass der Heimträger einen Anspruch auf die Zustimmung des Bewohners erlange.

Zwar sei es richtig, dass § 9 WBVG nicht zwischen Beziehern von Leistungen nach SGB XI/SGB XII und nicht geförderten Bewohnern unterscheide; daraus könne jedoch keinesfalls der Schluss gezogen werden, dass eine Zustimmung des Bewohners insgesamt entbehrlich sei. Vielmehr müsse es umgekehrt beim Grundsatz des § 311 BGB verbleiben.

Ein abweichendes Ergebnis könne auch nicht aus § 9 Abs. 2 S. 4 WBVG gefolgert werden, der lediglich Regelungen zur Fälligkeit enthalte.

Insgesamt habe es der Gesetzgeber mit dem Modell einer vertraglich herbeigeführten Änderung zutreffend vermieden, den Heimbewohner zum Empfänger einer einseitigen Erklärung zu "degradieren". Dass dies ggf. die gerichtliche Konfliktlösung erforderlich mache, sei - auch bei eingeschränkten Entscheidungsspielräumen des Heimträgers bei der Preisfindung - nicht zu beanstanden.

Bezüglich der Klausel Nr. 12.3 hält der Kläger daran fest, dass die Klausel sachenrechtlich nicht zulässig sei. Im Übrigen meint er, die Klausel ermögliche dem Heimträger eine vollständige Räumung; lediglich die Befugnis zur Einlagerung sei auf die persönlichen Sachen beschränkt. Die Klausel sei zudem auch deswegen unwirksam, weil die persönlichen Gegenstände der Bewohner einer gesonderten Gefahr des unverschuldeten Untergangs im Zuge der Wegnahme ausgesetzt würden und sich die Beklagte hiervon freizeichne.

Schließlich sei die Abmahnpauschale nicht zu quotieren, auch wenn die Abmahnung nur teilweise berechtigt gewesen sein sollte.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Dortmund

I. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, nachfolgende oder mit diesen inhaltsgleiche Bestimmungen in Pflegewohnverträge mit Verbrauchern einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1. April 1977, zu berufen:

1. [Das XP kann eine Erhöhung des Entgeltes verlangen, wenn sich die bisherige Berechnungsgrundlage verändert.]

In den Fällen der zulässigen Entgelterhöhung nach Punkt 6.1 dieses Vertrages behält sich das XP vor, diese Veränderung durch einseitige Erklärung herbeizuführen. (Nr. 6.1 des Vertragsformulars)

2. [Das XP darf eine Erhöhung der gesondert berechenbaren investiven Aufwendungen verlangen, wenn sich die bisherige Berechnungsgrundlage verändert.]

In den Fällen einer zulässigen Entgelterhöhung nach Punkt 6.2 dieses Vertrages behält sich das XP vor, diese Veränderung durch einseitige Erklärung herbeizuführen. (Nr. 6.2 des Vertragsformulars)

3. Findet nach Vertragsende und trotz Verstreichens einer angemessenen vom XP gesetzten Nachfrist die Räumung und Abholung der persönlichen Sachen des Bewohners nicht statt, so kann das XP die Räumung und Lagerung der persönlichen Sachen auf Gefahr und Rechnung des Bewohners oder seiner Erben veranlassen. (Nr. 12.3 des Vertragsformulars)

II. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 106,99 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt in ihrer Berufungserwiderung das erstinstanzliche Urteil.

Sie meint, die Entscheidung zu den Klauseln Nr. 6.1 und 6.2 sei vor dem Hintergrund zutreffend, dass es im Gegensatz zu Fällen aus dem Mietrecht oder Dauerbezugsverträgen nicht um eine freie Preisfindung gehe, sondern um die Umsetzung nach öffentlichrechtlichen Vorschriften (§ 85 SGB XI) gemeinsam mit den Kostenträgern festgesetzter Preise. Die Beklagte dürfe ohnehin nur die so festgelegten Sätze gegenüber den Heimbewohnern abrechnen, wobei eine Differenzierung nach dem Kostenträgerstatus gemäß den §§ 7 Abs. 3 WBVG, 84 Abs. 3, Abs. 4 S. 2 SGB XI, 13 Abs. 2 PfG NRW (Landespflegegesetz) unzulässig sei. Für den Bereich der investiven Aufwendungen gelte gemäß den §§ 13 Abs. 2 PfG NRW, 9 S. 2, 82 Abs. 3 SGB XI ein einheitliches Genehmigungserfordernis.

Die im Verfahren nach dem 8. Kap. des SGB XI ausgehandelten Pflegesätze seien der Vertragsfreiheit entzogen, da sie gemäß den §§ 85 Abs. 6, 84 Abs. 4 S. 2 SGB XI auch im Verhältnis zwischen Heimträger und Heimbewohner unmittelbar gälten. Daher greife der vom Kläger angeführte Verweis auf die - von der Beklagten angezweifelte - gesetzgeberische Grundentscheidung zur Änderung von Verträgen nicht durch.

Unter Berücksichtigung dieser Situation unterbinde § 9 WBVG nicht die Möglichkeit, einseitig Preiserhöhungen vorzunehmen.

In der Folge wiederholt die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen zur Abgrenzung zu § 8 WBVG und zu § 7 HeimG. Auch sei dem Landgericht in seiner Bewertung des § 9 Abs. 2 S. 4 WBVG zuzustimmen. Schließlich ergebe sich aus der Gesetzesbegründung, dass der Gesetzgeber selbst keine Einigungslösung im Blick gehabt habe.

Das folge auch daraus, dass ein Erhöhungsverfahren, wie es in § 558b BGB für das Mietrecht vorgesehen sei, im WBVG gänzlich fehle. Dies sei auch folgerichtig angesichts der Tatsache, dass es vorliegend nicht um eine freie Preisentscheidung des Vermieters gehe, sondern um u.U. alljährlich anstehende Entgeltveränderungen im Bereich von 0,5 % bis 2 %, welche die Gehaltsentwicklung im Pflegebereich widerspiegelten. Der Gesetzgeber sei ersichtlich nicht davon ausgegangen, dass der Heimträger diese Entgeltveränderungen ggf. im Prozesswege durchzusetzen habe, nur weil der Bewohner auf ein Erhöhungsverlangen nicht reagiert habe (die Annahme einer konkludenten Zustimmung komme angesichts der in § 6 WBVG angeordneten Schriftform nicht in Betracht).

Die so angestoßenen Prozesse hätten ohnehin einen eindeutigen Ausgang, da in einem auf die Durchsetzung der Entgelterhöhung gerichteten Verfahren nur der Inhalt und das Ergebnis des Pflegesatzverfahrens verhandelt werden könne.

Berücksichtige man nun noch, dass die Pflegesätze nach den §§ 85 Abs. 3 S. 1, 82 Abs. 3 SGB XI, 13 PfG NRW zeitlich befristet seien und das einmalige Unterlassen einer Durchsetzung der Vergütungserhöhung sämtliche Folgeerhöhungen blockiere (vgl. § 9 Abs. 2 S. 1 WBVG, wonach die Erhöhungen selbst angemessen sein müssen), ergebe sich, dass der Gesetzgeber ersichtlich die Rechtslage nach § 7 Abs. 2 HeimG mit der Möglichkeit zur Vereinbarung einer einseitigen Erhöhungsbefugnis habe beibehalten wollen.

Hinsichtlich der Klausel Nr. 6.2 führt die Beklagte ergänzend aus, bei der Beklagten handele es sich um eine geförderte Einrichtung im Sinne des § 82 Abs. 3 SGB XI. Hierzu legt die Beklagte den entsprechenden Bescheid vor (Anl. B 2 zum Schriftsatz vom 10.03.2014). Daher seien die investiven Aufwendungen - unabhängig von der Inanspruchnahme von Pflegewohngeld durch den einzelnen Bewohner, vgl. § 7 Abs. 3 WBVG - ausschließlich im Umfang der Genehmigung durch den zuständigen Landschaftsverband abrechenbar. Auch für diesen Bereich existiere also ein behördliches Genehmigungsverfahren, so dass es keines vertragsrechtlich verankerten Vereinbarungsverfahrens mehr bedürfe.

Zur Klausel Nr. 12.3 trägt die Beklagte ergänzend vor, eine Abweichung von § 858 BGB sei zulässig. Die Interessenlage sei mit derjenigen im Mietrecht nicht vergleichbar, da weder der gesamte Hausrat behandelt werde (der Bewohner erhalte ein vollständig möbliertes und mit Bett- und Tischwäsche ausgestattetes Zimmer gestellt) noch eine Nutzungsentschädigung (§ 546a BGB) wegen § 87a Abs. 1 S. 1 SGB XI vereinbart werden könne.

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Dem nach §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 4 Abs. 1 UKlaG prozessführungsbefugten und aktivlegitimierten Kläger steht ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aus § 1 UKlaG zu.

Bei dem "Vertrag Pflege-Wohnen" der Beklagten handelt es sich um vorformulierte Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen mit Bewohnern des Pflegeheimes vorgesehen sind und von der Beklagten als Verwenderin der jeweils anderen Vertragspartei gestellt werden, § 305 Abs. 1 S. 1 BGB.

Die vom Kläger beanstandeten Vertragsklauseln sind unwirksam.

1. Klausel Nr. 6.1:

Hinsichtlich der Klausel Nr. 6.1 kann vorliegend offen bleiben, ob sich dies aus einem Verstoß gegen zwingendes Recht (§§ 9 Abs. 1, 16 WBVG) oder aus einem Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ergibt. Die Vorschriften des zwingenden Rechts und der §§ 307ff. BGB sind im Verbandsprozess nebeneinander zu prüfen (vgl. BGH NJW 1983, 1320, 1322; Ulmer/Brandner/Hansen/Schmidt, AGB-Recht, 11. Aufl., Teil 2 (16), Rn. 1; Palandt/Weidenkaff, BGB, 73. Aufl., § 1 WBVG, Rn. 3; Dahlem/Giese/Igl, Heimrecht (2012), § 4 WBVG, Rn. 28).

§ 9 WBVG sieht vor, dass eine Entgelterhöhung durch eine vertragliche Vereinbarung zustandekommen soll; er steht daher der Zulässigkeit der Vereinbarung eines einseitigen Entgelterhöhungsrechts des Heimträgers entgegen.

Dies ergibt sich aus einer Auslegung der Norm.

Ausgangspunkt des Auslegungsvorgangs ist zunächst die grammatikalische Auslegung. Ein eindeutiger Wortsinn, der allerdings durch Auslegung festgestellt werden muss, ist grundsätzlich bindend; von ihm darf nur abgewichen werden, wenn der aus der Entstehungsgeschichte zu ermittelnde Gesetzeszweck eine abweichende Auslegung nicht nur nahelegt, sondern gebietet (Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl., Einleitung, Rn. 41). Hierzu ist anhand der Gesetzesmaterialien im Wege historischer Interpretation zu prüfen, ob der semantisch naheliegende Wortsinn zutreffend verlautbart wurde, ob ein zu berichtigendes Redaktionsversehen oder eine sonstige, den Willen des Gesetzgebers zu weit oder zu eng wiedergebende Formulierung vorliegt (zu allem MünchKomm/Säcker, BGB, 6. Aufl., Einleitung, Rn. 136ff.). Bei verbleibenden Unklarheiten ist durch eine gesetzessystematische sowie nach dem Gesetzeszweck (teleologisch) fragende Interpretation dasjenige Auslegungsergebnis zu ermitteln, das die ausgelegten Rechtssätze zu einer möglichst widerspruchsfreien Bewertungseinheit zusammenfügt und ein mit dem Gesetzeszweck unvereinbares Ergebnis vermeidet (MünchKomm/Säcker, BGB. 6. Aufl., Einleitung, Rn. 139, 142).

Im Zuge des nach diesen Kriterien vorzunehmenden Auslegungsvorgangs ist vorab zu berücksichtigen, dass das WBVG einen besonderen Vertragstyp regelt, auf den wie zuvor unter Geltung des Heimgesetzes die Vorschriften des Allgemeinen Schuldrechts ergänzend anzuwenden sind (Palandt/Weidenkaff, BGB, 73. Aufl., § 1 WBVG, Rn. 3; Dahlem/Giese/Igl, Heimrecht des Bundes und der Länder (2012), § 4 WBVG, Rn. 1). Soll ein derartiger Vertrag abgeändert werden, bedarf es schon gemäß § 311 Abs. 1 BGB grundsätzlich eines Änderungsvertrages. Lehnt der Verbraucher eine Annahme der angebotenen Erhöhung des Entgelts ab, muss der Unternehmer Klage auf Abgabe der Annahmeerklärung erheben mit dem Ziel, durch ein stattgebendes Urteil die Abgabe der Erklärung zu fingieren (§ 894 ZPO).

Angesichts dieser systematischen Grundgegebenheiten bedürfte es daher keiner gesonderten Erwähnung im Gesetz, dass § 9 WBVG zur Herbeiführung der Entgelterhöhung eine vertragliche Änderung mit Angebot und Annahme voraussetzt.

Anders läge dies, wenn ausnahmsweise dem Heimträger das Recht eingeräumt werden sollte, durch einseitige Erklärung eine Erhöhung des Entgelts herbeizuführen.

Daher könnte nur bei einem eindeutigen Auslegungsergebnis von der Befugnis des Heimträgers zur einseitigen Entgelterhöhung ausgegangen werden.

Zusätzlich ist in Rechnung zu stellen, dass wegen § 16 WBVG nur ausdrücklich im Gesetz zugelassene Ausnahmen von den Vorschriften des WBVG zulässig sind (s.o. Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, AGB-Recht, 11. Aufl., Teil 2 (16 "Heimverträge/Wohn- und Betreuungsverträge"), Rn. 1).

Daraus folgt zugleich, dass sich § 9 WBVG in seinem Regelungsgehalt entweder auf eine konsensual herbeizuführende Erhöhung oder überhaupt nicht auf eine Vertragsänderung, sondern ausschließlich auf eine einseitig vom Unternehmer durchzuführende Erhöhung des Entgelts beziehen kann. Ein Mittelweg im Sinne einer "Neutralität" der Norm mit der Folge, dass die Parteien im Rahmen der Vertragsfreiheit ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vereinbaren könnten (§ 315 BGB), besteht im Regelungsbereich des § 9 WBVG gerade nicht. Denn wenn § 9 WBVG so auszulegen ist, dass er grundsätzlich eine vertraglich zu vereinbarende Regelung der Entgelterhöhung betrifft, ist jede hiervon zum Nachteil des Verbrauchers abweichende Vereinbarung (also auch bezüglich eines einseitigen Erhöhungsrechts) gemäß § 16 WBVG unwirksam.

In dem zuletzt genannten Fall ist zugleich ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB gegeben.

Danach ist eine entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders in Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird,

nicht zu vereinbaren ist oder wenn wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so eingeschränkt werden, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

Grundgedanke der gesetzlichen Regelung ist hier der vertragsrechtliche Grundsatz, dass Änderungen von Verträgen ebenfalls durch übereinstimmende Willenserklärungen erfolgen müssen. Gegen diesen Grundsatz verstößt die Klausel Nr. 6.1, wenn sich § 9 WBVG auf eine vertraglich zu vereinbarende Regelung der Entgelterhöhung bezieht.

Die unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen vorgenommene Auslegung der Norm ergibt nicht, dass § 9 WBVG ein einseitiges Erhöhungsrecht des Heimträgers vorsieht. Vielmehr betrifft er eine durch Vertragsänderung herbeizuführende Entgelterhöhung:

aa) Im Rahmen einer Untersuchung des Wortlauts lässt sich nicht schon aus dem Begriff des "Verlangens" in § 9 WBVG entnehmen, dass ein einseitiges Recht des Heimträgers zur Entgelterhöhung gemeint ist. Im Bereich des Besonderen Schuldrechts wird der Begriff des "Verlangens" sowohl für einseitig auszuübende Rechte (z.B. Verlangen der Nacherfüllung, §§ 437 Nr. 1, 635 BGB) als auch für das Begehren einer vertraglichen Änderungsvereinbarung benützt (so insbesondere im thematisch verwandten Bereich des Wohnraummietrechts, § 558 Abs. 1 BGB).

Dass § 9 Abs. 1 S. 2 WBVG und in § 9 Abs. 2 S. 4 WBVG auf ein nach Ablauf von vier Wochen geschuldetes erhöhtes Entgelt abstellt, nimmt ebenfalls kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht in Bezug. Die Formulierung mag sich ebenso gut auf eine bloße Fälligkeitsregelung beziehen. Umgekehrt lässt allerdings auch der in § 9 Abs. 2 WBVG verwendete Begriff der "Erhöhung des Entgelts" keine eindeutige Zuordnung als Anspruch auf Zustimmung zu einer Vertragsänderung zu.

bb) Ferner gibt die Systematik des Gesetzes keine hinreichend sicheren Anzeichen für den gesetzgeberischen Willen, in § 9 WBVG ein einseitiges Entgelterhöhungsrecht festzuschreiben:

(1) Dies gilt zunächst für den Umstand, dass die Angemessenheit der Erhöhung des Entgelts keine Rolle spielt, wenn der Verbraucher Leistungen nach dem SGB XI oder SGB XII in Anspruch nimmt und daher die Erhöhung bereits nach den Bestimmungen dieser Gesetze als angemessen gilt.

§ 9 Abs. 1 S. 3 WBVG betrifft die Frage, ob die im sozialrechtlichen Verfahren nach SGB XI ausgehandelten Pflegeentgelte einer Angemessenheitskontrolle durch die Gerichte unterliegen. Dies verneint § 9 Abs. 1 S. 3 WBVG in den Fällen, in denen die Preisvereinbarungen von den Heimträgern mit den gesetzlichen Sozialversicherungsträgern geschlossen werden. In den übrigen Fällen verbleibt es bei der Angemessenheitskontrolle.

Entgegen der Auffassung der Beklagten würde § 9 Abs. 1 S. 3 WBVG bei Annahme einer konsensualen Lösung (im Sinne der Erforderlichkeit einer Zustimmungserklärung des Verbrauchers) nicht etwa überflüssig, sondern führte dazu, dass im zivilrechtlichen Prozess über die Erteilung der Verbraucherzustimmung keine Überprüfung der Angemessenheit der Erhöhung vorzunehmen wäre. Für ein derartiges eingeschränktes Verständnis spricht auch, dass § 9 Abs. 1 S. 3 WBVG aus § 7 Abs. 2 S. 2 WBVG lediglich die Fiktion der Angemessenheit übernommen hat, nicht aber die weitere Bestimmung, dass die aufgrund der Bestimmungen des 7. und 8. Kapitel SGB XI festgelegte Höhe des Entgelts als vereinbart gelte.

(2) Dass der Unternehmer die Erhöhung des Entgelts begründen und dem Verbraucher Gelegenheit geben muss, die Angaben durch Einsichtnahme in die Kalkulationsunterlagen zu überprüfen, lässt für sich genommen keinen Rückschluss auf ein vertraglich begründetes oder einseitiges Entgelterhöhungsrecht zu. § 9 Abs. 2 WBVG kann sowohl die Vorbereitung einer Zustimmungsentscheidung durch den Verbraucher (so der Kläger) oder aber auch, wie die Beklagte meint, lediglich die Vorbereitung einer Entscheidung über die Inanspruchnahme des Kündigungsrechts gemäß § 11 Abs. 1 S. 2 WBVG betreffen.

(3) Weiterhin lässt sich aus der Differenzierung zwischen Vertragsanpassungen (§ 8 WBVG) und der Entgelterhöhung (§ 9 WBVG) nicht hinreichend sicher schließen, dass es sich bei der streitgegenständlichen Erhöhung des Entgelts wegen einer geänderten Berechnungsgrundlage nicht mehr um eine vertraglich begründete Änderung handeln soll.

Allerdings könnte hierfür der Wortlaut des § 8 Abs. 1 WBVG herangezogen werden, der im Gegensatz zu § 9 WBVG ausdrücklich von einem Angebot des Unternehmers und einer Annahme des Verbrauchers spricht. Da § 9 WBVG die Annahme eines Verlangens des Unternehmers durch den Verbraucher nicht vorsieht, bestünde auch kein Bedarf für eine dem § 8 Abs. 2 S. 1 WBVG entsprechende Ausnahmeregelung. Aus diesem Grund könnte auch nicht der Umkehrschluss gezogen werden, mangels ausdrücklicher Anordnung lasse § 9 WBVG ein einseitiges Erhöhungsrecht des Unternehmers nicht zu.

Dem steht jedoch entgegen, dass die separate Regelung von Änderungen der Berechnungsgrundlage möglicherweise auch lediglich wegen der unterschiedlichen Anforderungen an die Begründung der jeweiligen Vertragsänderung geboten war, ohne dass damit von der vertraglichen Grundlage der Änderungen abgewichen werden sollte.

Hierfür spricht, dass schon das Heimgesetz in § 6 und § 7 zwischen Anpassungen des Betreuungsbedarfs und Entgelterhöhungen wegen Änderungen der Berechnungsgrundlage unterschieden hat. Diese Differenzierung hat der Gesetzgeber ins WBVG übernommen. Die Vorgängernorm des § 9 WBVG (§ 7 HeimG) sah für Entgelterhöhungen aufgrund geänderter Berechnungsgrundlage ausdrücklich eine vertragliche Konstruktion mit einseitigem Abänderungsrecht vor.

(4) Obwohl in der Literatur zum WBVG überwiegend davon ausgegangen wird, dass die Entgelterhöhung durch Angebot und Annahme zustande komme (so Palandt/Weidenkaff, BGB, 73. Aufl., § 9 WBVG, Rn. 3; Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, AGB-Recht, 11. Aufl., Teil 2 (16 "Heimverträge/Wohn- und Betreuungsverträge"), Rn. 3; Graf von Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke (2010), Heimvertrag, Rn. 13; Rasch, WBVG (2012), § 9, Rn. 9; Iffland/Düncher, WBVG (2011), § 9, Anm. 13; ähnlich Gitter/Schmidt, Heimrecht des Bundes und der Länder, § 9 WBVG, S. 2, unter Verweis auf den Wegfall der einseitigen Erhöhungsmöglichkeit aus § 7 Abs. 2 HeimG), vertreten einige Autoren zugleich unter Bezugnahme auf § 15 WBVG und den darin angeordneten Vorrang des SGB XI die Auffassung, soweit die Entgelterhöhung und ihre Angemessenheit bereits aufgrund von Vereinbarungen mit den Trägern der Pflegeversicherung (§ 85 SGB XI) oder Sozialhilfe (§ 76 SGB XII) feststünden, sei eine (ausdrückliche) Zustimmung des Verbrauchers nicht notwendig (so Palandt/Weidenkaff, a. a. O.; Rasch, WBVG, a. a. O.; a.A. Iffland/Düncher, a. a. O., die aufgrund des Wortlauts der §§ 9 Abs. 1 S. 3, 7 Abs. 2 S. 2, S. 3 WBVG lediglich für die Erstvereinbarung des Pflegewohnvertrags eine automatische Geltung der nach § 85 SGB XI ausgehandelten Sätze annehmen, nicht aber für die Folgeänderungen).

Die Regelung des § 15 WBVG kann jedoch für die hier interessierende Frage nicht fruchtbar gemacht werden.

Die Norm regelt das Verhältnis zwischen dem zivilrechtlichen Wohn- und Betreuungsvertrag und den öffentlichrechtlichen Regelungen gemäß SGB XI/SGB XII nur, soweit die §§ 1-14 WBVG dazu keine Bestimmung enthalten (Palandt/Weidenkaff, BGB, 73. Aufl., § 15 WBVG, Rn. 1). Das WBVG regelt jedoch gerade zivilrechtlich den Vertragsschluss und die Möglichkeit von Vertragsänderungen, während das SGB kein Vertragsrecht enthält; allein die Ausgestaltung des Pflegesatzverfahrens lässt daher noch keine Rückschlüsse auf die Erforderlichkeit zivilrechtlicher Willenserklärungen der Vertragsparteien des Wohn- und Betreuungsvertrags zu. Dieses Verhältnis zwischen der sozialrechtlichen Bestimmung des Umfangs der Entgelterhöhung einerseits und ihrer zivilrechtlichen Umsetzung andererseits gilt auch für die Vorschrift des § 85 Abs. 6 S. 1 SGB XI, wonach die ausgehandelten Pflegesatzvereinbarungen zwischen Heimbewohner und Heimträger unmittelbar verbindlich sind.

Für ein derartiges Verständnis spricht auch § 11 Abs. 3 SGB XI, in dem angeordnet wird, dass die Bestimmungen des WBVG von den Vorschriften des SGB XI nicht berührt werden (Udsching/Behrend, SGB XI, 3. Aufl., § 11, Rn. 7).

Überdies erscheint es angesichts der Tatsache, dass wegen §§ 7 Abs. 3 WBVG, 84 Abs. 3 SGB XI für die Entgeltbemessung einheitliche Grundsätze gelten und der Gesetzgeber mit der Schaffung des WBVG neben dem verbesserten Verbraucherschutz eine Stärkung der Selbstbestimmung der Heimbewohner bezweckte (BT-Drucks. 16/12409, S. 10), auch eher fernliegend, hinsichtlich der Frage der Vertragsautonomie zwischen öffentlich geförderten Heimbewohnern und Selbstzahlern zu unterscheiden.

(5) Schließlich führt auch der Vergleich mit den gesetzgeberischen Regelungen im thematisch verwandten Bereich des Mietrechts entgegen der Auffassung der Beklagten nicht dazu, dass die Gestaltung des § 9 WBVG im Sinne eines einseitigen Entgelterhöhungsrechts aufzufassen sei.

Zwar ist in der Tat zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber im Wohnraummietrecht für die Mieterhöhung das Erfordernis einer vertraglichen Zustimmung des Mieters in § 558b BGB ausdrücklich geregelt hat; ebenso ist geregelt, dass und in welchem Zeitraum der Vermieter auf Erteilung der Zustimmung klagen muss (§ 558b Abs. 2 BGB). Eine entsprechende Regelung hat der Gesetzgeber in § 9 WBVG nicht getroffen.

Dennoch lässt sich nicht im Umkehrschluss folgern, dass § 9 WBVG keine Vertragsänderung behandeln könne. Schließlich hat der Gesetzgeber in § 8 WBVG ausdrücklich eine Annahmeerklärung des Heimbewohners aufgeführt, die zur Durchsetzung der Annahmeerklärung erforderliche Klage jedoch dennoch nicht geregelt.

cc) Die Auswertung der Materialien zur Gesetzesentstehung, insbesondere die Begründung in BT-Drucks. 16/12409, S. 23ff., ergibt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht, dass § 9 WBVG ein einseitiges Entgelterhöhungsrecht des Heimträgers vorsähe oder stillschweigend voraussetzte. Dies lässt sich insbesondere nicht aus den Anmerkungen zum Ablauf des Erhöhungsverfahrens und den Entscheidungsmöglichkeiten des Bewohners entnehmen.

Zwar nimmt die Gesetzesbegründung in der Tat als Wahlmöglichkeiten des Heimbewohners nur die Akzeptanz des erhöhten Entgelts oder anderenfalls die Kündigung gemäß § 11 WBVG in den Blick, nicht aber den Wunsch zur Beibehaltung des bisherigen Entgelts. Auch die diesbezügliche Wortwahl ("Inkaufnahme" der Entgelterhöhung; Anspruch des Heimträgers auf Zahlung des erhöhten Entgelts nach Ablauf von vier Wochen, hierdurch hinlängliche Wahrung der Interessen der Bewohner) stützt diese Auffassung.

Andererseits hat sich der Gesetzgeber ausdrücklich zur Frage des Erfordernisses einer Annahmeerklärung des Bewohners geäußert (S. 23: "Nur wenn diese Voraussetzungen vorliegen, hat der Unternehmer einen Anspruch auf die für die Wirksamkeit der Erhöhung erforderliche Zustimmung des Verbrauchers.").

Diese gesetzgeberische Bemerkung kann auch nicht damit abgetan werden, es handele sich nur um ein Versehen, die Konstruktion des § 7 Abs. 2 HeimG - der grundsätzlich eine Zustimmungserklärung des Bewohners verlangte, aber ausdrücklich eine hiervon abweichende Vereinbarung eines einseitigen Erhöhungsrechts des Heimträgers zuließ - habe insgesamt beibehalten werden sollen und es sei lediglich übersehen worden, dass die Möglichkeit der Einräumung eines einseitigen Entgelterhöhungsrechts in § 9 WBVG nicht mehr vorgesehen sei.

Im weiteren Gang des Gesetzgebungsverfahrens ist die hier interessierende Problematik nämlich erörtert worden. Unter dem 15.04.2009 erstellte der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (im Folgenden bpa) eine Stellungnahme zum Gesetzesentwurf, in der die Frage einer einseitigen Entgelterhöhung thematisiert wird.

Darin heißt es:

"Hochproblematisch ist allerdings, dass nun offenbar - anders als nach § 7 Abs. 2 HeimG - die Vereinbarung eines einseitigen Erhöhungsrechts nicht mehr zulässig sein soll. Der Wortlaut des § 9 legt zwar die Annahme nahe, dass dem Unternehmer bei Einhaltung der Voraussetzungen der Abs. 1 und 2 ein gesetzlicher Anspruch auf das erhöhte Entgelt zusteht; dem widerspricht allerdings die Begründung zu § 9 Abs. 1: ,Absatz 1 ist an § 7 HeimG angelehnt. Satz 1 formuliert die Berechtigung des Unternehmers, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen eine Erhöhung des Entgelts zu verlangen. Nur wenn diese Voraussetzungen vorliegen, hat der Unternehmer einen Anspruch auf die für die Wirksamkeit der Erhöhung erforderliche Zustimmung des Verbrauchers.€ Wird diese Zustimmung trotz Vorliegens aller Erhöhungsvoraussetzungen des § 9 vom Verbraucher nicht erteilt, weil dieser - grundsätzlich nachvollziehbar - an einem geringeren Entgelt festhalten will, heißt dies in der Konsequenz, dass der Unternehmer auf Abgabe der entsprechenden Willenserklärung klagen muss. Es ist vorhersehbar, dass dies zahlreiche unnötige Klageverfahren zur Konsequenz haben wird. [...] Der bpa hält es daher für dringend erforderlich, die bewährte Regelung des § 7 Abs. 2 HeimG in das WBVG zu übertragen [...]."

Der Gesetzgeber hat auf diese Einwände gleichwohl nicht reagiert; das lässt nur den Schluss zu, dass er am Ausschluss der einseitigen Entgelterhöhung festhalten wollte.

Es kommt hinzu, dass die relevanten sozialrechtlichen Normen, insbesondere die Vereinbarungsfiktion des § 85 Abs. 6 S. 1 SGB XI, bei Inkrafttreten des WBVG

bereits bestanden. Gleichwohl hat der Gesetzgeber nirgends ausgedrückt, dass die Regelung des § 9 WBVG gerade dem Zweck diene, die Entgelterhöhung nunmehr - entgegen dem vorherigen Rechtszustand nach § 7 HeimG - unmittelbar § 85 Abs. 6 S. 1 SGB XI zu unterstellen. Der allgemeine Hinweis auf eine Harmonisierung mit den Regelungen des SGB insbesondere in Fragen der Entgelterhöhung (S. 11 der Gesetzesbegründung) genügt dafür nicht.

Somit erscheint die Abkehr des Gesetzgebers von der in § 7 HeimG aufgeführten Möglichkeit der Vereinbarung eines einseitigen Entgelterhöhungsrechts als bewusster gesetzgeberischer Schritt (vgl. dazu auch KG, Beschluss vom 17.05.2013, Az.: 23 U 276/12, Umdruck, dort S. 2), wobei allerdings vom Landgericht zutreffend einschränkend darauf hingewiesen wird, dass auch die in § 7 Abs. 2 S. 1 HeimG ausdrücklich vorgeschriebene Zustimmungspflicht der Heimbewohner nicht in § 9 WBVG übernommen wurde.

dd) Betrachtet man die Regelung des § 9 WBVG zuletzt unter teleologischen Gesichtspunkten, spricht für die Auffassung der Beklagten, dass die Höhe des Entgelts aufgrund der "sozialrechtlichen Überformung" des WBVG (so Rasch, WBVG, Einführung, S. 17) ohnehin nach den gemäß § 85 SGB XI im Pflegesatzverfahren ausgehandelten Tarifen ermittelt und dadurch die Vertragsfreiheit beider Parteien erheblich eingeschränkt wird. Die hier streitrelevanten Preisveränderungen sind dem Regelungsregime der Parteien des Heimvertrages entzogen. Insofern ist in der Tat fraglich, welchen Sinn die Notwendigkeit der Durchführung eines Klageverfahrens zur Herbeiführung der Annahmeerklärung macht, wenn eine richterliche Bewertung der Angemessenheit der geforderten Erhöhung wegen § 9 Abs. 1 S. 2 WBVG nicht erfolgen muss. Das Gericht hätte dann lediglich das Vorhandensein und den Inhalt einer öffentlichrechtlichen Pflegesatzvereinbarung festzustellen. Hierin besteht auch ein entscheidender Unterschied zum Verfahren der Mieterhöhung.

Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass der Heimträger bei Annahme einer konsensualen Lösung mit dem Risiko belastet würde, gegenüber sämtlichen Heimbewohnern Entgelterhöhungen im Klagewege durchzusetzen, was eine erhebliche finanzielle und organisatorische Belastung darstellte. Denn Entgeltveränderungen treten wegen der Befristung der Pflegesatzvereinbarungen in jährlichen (§ 85 Abs. 3 S. 1 SGB XI) bis zweijährigen (§§ 82 Abs. 3 SGB XI, 13 Abs. 3 PfG NRW i.V.m. § 1 Abs. 3 GesBerVO NRW) Abständen auf.

Die Durchsetzung dürfte der Heimträger, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, auch nicht unterlassen, da er zum Einen anderenfalls dem nicht zustimmenden Bewohner einen unzulässigen Nachlass gewährte und zum Anderen das Zusammenfassen mehrerer Entgelterhöhungen in einer Klage dazu führte, dass es sich nicht mehr um eine angemessene Erhöhung im Sinne des § 9 Abs. 1 WBVG handelte.

Dieser letztlich auf die Praktikabilität der Regelung für die Heimträger gerichteten Argumentation ist jedoch entgegenzuhalten, dass der Gesetzgeber des WBVG insgesamt eine stärkere Orientierung an den allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen erreichen und die Selbstbestimmung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger stärken wollte (BT-Drucks. 16/12409, S. 10ff.). Folglich ist es nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber den Heimbewohnern im Bereich der Entgelterhöhung die Autonomie zur Zustimmung nehmen und ihre Interessen ausschließlich durch das öffentlichrechtlich ausgestaltete Verfahren geschützt sehen wollte. Vielmehr wird er eine mögliche stärkere Belastung der Heimträger mit Rechtsstreitigkeiten zur Durchsetzung von Entgelterhöhungen - eine tatsächliche (erhöhte) Belastung der Heimträger mit derartigen Prozessen seit Inkrafttreten des WBVG ist weder von der Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich - in Kauf genommen haben.

Darüber hinaus ist in Rechnung zu stellen, dass man zugunsten der Heimträger durchaus mit der Annahme konkludenter Zustimmungserklärungen der Heimbewohner operieren kann, so bei Zahlung des erhöhten Entgelts oder Verstreichenlassen der Kündigungsfrist des § 11 WBVG (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 73. Aufl., § 9 WBVG, Rn. 3; Iffland/Düncher, WBVG, § 9, Anm. 14). Hierdurch dürfte sich die Anzahl der Rechtsstreitigkeiten erheblich reduzieren.

Die Formvorschrift des § 6 WBVG stünde dem, anders als die Beklagte meint, nicht entgegen. Zwar ist danach für die Annahmeerklärung des Heimbewohners Schriftform erforderlich, so dass daran gedacht werden könnte, diese auch für Vertragsänderungen für notwendig zu erachten (zur Erfassung von Vertragsänderungen Palandt/Ellenberger, BGB. 73. Aufl. § 125, Rn. 10 sowie Weidenkaff, § 6 WBVG, Rn. 2).

Jedoch knüpft § 6 Abs. 2 S. 2 WBVG an Formverstöße nicht die Unwirksamkeit des Vertrags, so dass auch die Nichteinhaltung der Form bei einer Vereinbarung von Vertragsänderungen nicht dazu führte, dass die stillschweigende Entgelterhöhung unwirksam wäre.

Somit würde, wenn § 9 WBVG einen Änderungsvertrag erforderte, der Heimträger lediglich gehalten sein, gegenüber denjenigen Heimbewohnern - auch den Privatzahlern, da für sie dieselben Entgeltsteigerungen gelten, §§ 7 Abs. 3 WBVG, 84 Abs. 3 SGB XI - die anfallenden Entgeltsteigerungen gerichtlich durchzusetzen, die einer Entgelterhöhung ausdrücklich widersprochen haben (in diesem Fall könnte weder die Zahlung noch die Nichtausübung des Kündigungsrechts als konkludente Zustimmung gewertet werden).

ee) Betrachtet man die oben dargestellten Einzelemente in der Zusammenschau, ist trotz der zugunsten der Beklagten sprechenden - insbesondere teleologischen - Aspekte nicht zu verkennen, dass der Gesetzgeber gerade im Bereich der

Entgelterhöhung von der Vorgängerregelung des § 7 Abs. 2 HeimG bezüglich des einseitigen Preiserhöhungsrechts abgewichen ist, ohne dass zugleich klar erkennbar wäre, dass er das Entgelterhöhungsverfahren aus dem zivilrechtlichen Kontext des Gesetzes herausnehmen wollte. Es kann auch nicht unterstellt werden, dass der Gesetzgeber die Aufnahme einer entsprechenden Ausnahmeregelung in den Gesetzeswortlaut des § 9 WBVG nicht für erforderlich gehalten hätte, weil es sich ohnehin nicht mehr um eine vertragliche Änderung handele. Eine solche vollständige Loslösung von den allgemeinen vertragsrechtlichen Grundlagen des Bürgerlichen Rechts ist dem Sinnzusammenhang der Vorschrift nicht zu entnehmen.

Allein die unterschiedliche Ausgestaltung der §§ 8 und 9 WBVG genügt hierfür - trotz einiger Ansätze - ebenso wenig wie die Ausführungen in der Gesetzesbegründung zum Verfahren der Entgelterhöhung. Sofern der Gesetzgeber tatsächlich das Verfahren der Entgelterhöhung nicht den allgemeinen zivilrechtlichen Mechanismen der Vertragsänderung durch Konsens unterwerfen, sondern allein aufgrund der öffentlichrechtlichen Preisfestlegung nach den §§ 85 Abs. 6 S. 1, 84 Abs. 3, Abs. 4 S. 2 SGB XI eine automatisch eintretende und nur in ihrer Wirksamkeit zeitlich aufgeschobene Änderung des vertraglichen Entgelts begründen wollte, hat er diese Absicht im Gesetzeswortlaut jedenfalls nicht ausreichend niedergelegt.

Die ausdrücklich auf eine Zustimmung des Verbrauchers abzielende Passage zu Beginn der Gesetzesbegründung spricht jedenfalls ebenso deutlich dagegen wie der gesetzliche Grundgedanke der Stärkung der Selbstbestimmung der Heimbewohner.

Schließlich spricht entscheidend gegen die von der Beklagten verfochtene Auslegung, dass dem Gesetzgeber eine entsprechende Klarstellung ohne Weiteres möglich gewesen wäre, zumal er im Gesetzgebungsverfahren auch noch auf die Problematik hingewiesen wurde.

Insgesamt ist aus der Neuregelung abzuleiten, dass der Gesetzgeber die Grundkonstruktion von Angebot und Annahme beibehalten wollte und lediglich die Möglichkeit der vertraglichen Vereinbarung eines einseitigen Preiserhöhungsrechts aufgegeben hat. Somit ist als Ergebnis der Auslegung festzuhalten, dass § 9 WBVG eine vertragliche Vereinbarung hinsichtlich der Entgelterhöhung verlangt und daher wegen § 16 WBVG eine einseitig durch den Heimträger herbeigeführte Entgelterhöhung nicht zulässt. Zugleich läuft die Vereinbarung eines einseitigen Entgelterhöhungsrechts den Grundgedanken der gesetzlichen Regelung zuwider und verstößt daher gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

2. Für die investiven Aufwendungen (Klausel Nr. 6.2) gelten die obigen Ausführungen entsprechend. Sie verstößt ebenfalls gegen die §§ 9, 16 WBVG, 307 Abs. 2 BGB und ist unwirksam.

3. Unwirksam ist schließlich auch die Klausel Nr. 12.3:

a) Unabhängig von dem zwischen den Parteien streitigen Regelungsbereich - Ermöglichung der Räumung selbst oder nur des Ausräumens zurückgebliebener Sachen, s. sogleich unten - verstößt die Klausel Nr. 12.3 zunächst gegen § 309 Nr. 7 b) BGB.

Nach dieser Vorschrift sind ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen, unwirksam.

Durch die streitgegenständliche Klausel wird dem Heimträger das Recht eingeräumt, die Sachen des Bewohners auf dessen Gefahr einzulagern.

Dem Heimbewohner bzw. seinem Rechtsnachfolger wird mit einer derartigen Regelung ohne Einschränkung die Gefahr für die Beschädigung oder den Untergang eingelagerter Gegenstände auferlegt, so dass sich der Heimträger dadurch von jeglicher Haftung - auch von grob fahrlässigem Eigenverschulden und demjenigen seiner Erfüllungsgehilfen - freizeichnet (KG NJW 1998, 829, 831; Graf v. Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke (Loseblatt Stand Juni 2010), Heimvertrag, Rn. 34).

Das ist unzulässig.

Aus der Formulierung "Gefahr" kann nicht geschlossen werden, dass nur der zufällige Untergang bzw. die zufällige Beschädigung einer Sache, nicht aber ein Ausschluss der Haftung für Vorsatz oder Fahrlässigkeit gemeint sei. Der Begriff der Gefahr allein bietet hierfür keine Anhaltspunkte. Sofern das Gesetz im Rahmen des Gewährleistungsrechts, beispielsweise in § 447 BGB, den Begriff des Gefahrübergangs als Gefahr des zufälligen Untergangs oder des Verlusts und der zufälligen Verschlechterung meint (Palandt/Weidenkaff, BGB, 73. Aufl., § 447, Rn. 15), steht dies einer solchen Wertung nicht entgegen, da dieser Begriff der Gefahr in § 446 BGB gesondert definiert ist. An anderen Stellen, in denen das Gesetz den Begriff der Gefahr verwendet (z.B. § 300 Abs. 2 BGB), bezeichnet er lediglich das Risiko, eine vertragliche Primärleistung nicht mehr erhalten zu dürfen (sog. Leistungs- bzw. Preisgefahr, vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 300, Rn. 3). Dem Begriff der Gefahr ist in diesem Zusammenhang nicht immanent, dass er nur Situationen umfasst, in denen den Schuldner oder seine Erfüllungsgehilfen kein Verschulden trifft.

Jedenfalls verbleiben bei der gewählten Formulierung Unklarheiten, die gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders gehen, da im Verbandsprozess stets von der kundenfeindlichsten Auslegung auszugehen ist (BGH NJW 2009, 2051, 2053, Rn. 31).

b) Darüber hinaus verstößt die Klausel auch gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, da sie mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.

Bei der Bestimmung der wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ist in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Klägers anzunehmen, dass die Klausel - zumindest auch - eine vollständige Räumung des Heimplatzes regelt.

Der Klausel Nr. 11.2.5 des Vertrages kann bei der anzuwendenden kundenfeindlichsten Auslegung (s.o.; BGH NJW-RR 2012, 1333, veröffentlicht in juris, Rn. 22; Palandt/Bassenge, BGB, 73. Aufl., § 1 UKlaG, Rn. 6) nicht gefolgert werden, dass die hier streitgegenständliche Klausel Nr. 12.3 nicht den Auszug des Bewohners regele, sondern nur die Räumung seiner (dann wohl bei der vorhergehenden Räumung zurückgelassenen) Gegenstände. Die Klausel Nr. 11.2.5 behandelt eine Unwirksamkeit der Kündigung bei Nachzahlung des Entgelts binnen zwei Monaten nach Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs; ein Bezug zu den in Nr. 12 geregelten Folgen der Vertragsbeendigung besteht nicht.

Die Klausel Nr. 12.3 stellt zudem ersichtlich nicht nur auf den Fall ab, dass der Heimvertrag durch den Tod des Bewohners endet, sondern auch auf eine Beendigung durch Kündigung. Anderenfalls machte der Passus, dass die Einlagerung der Sachen auf Gefahr "des Bewohners oder seiner Erben" erfolge, keinen Sinn. Gerade für den Fall der Kündigung regelt die Klausel somit auch die Situation, in der eine Räumung durch den Bewohner "nicht stattgefunden hat". Dies mag z.B. in Situationen der Fall sein, in denen betreuende oder bevollmächtigte Angehörige des Bewohners die Kündigung ausgesprochen haben.

Die Klausel erfasst also nicht nur das Zurücklassen von Gegenständen durch den Bewohner nach der von diesem selbst durchgeführten Räumung, das als Eigentums- und Besitzaufgabe gedeutet werden könnte.

Ausgehend von der obigen Bestimmung des Anwendungsbereichs der Klausel sind die Grundgedanken der zugrunde liegenden gesetzlichen Regelung wie folgt zu ermitteln:

Wesentliche Wertung des Besitzrechts ist, wie die Vorschriften der §§ 861ff. BGB zeigen, die in § 858 BGB sanktionierte grundsätzliche Unrechtmäßigkeit der Besitzentziehung oder -störung (so auch KG NJW 1998, 829, 831). Eine Ersatzvornahme kennt das Besitzrecht ebenso wenig wie ein Selbsthilferecht zur Besitzentziehung, da der Gesetzgeber diesen Fall nicht geregelt, sondern im Gegenteil ein gesondertes Selbsthilferecht des Besitzers in § 859 BGB normiert hat. Die Versagung der Selbsthilfe gegen den Besitzer unabhängig vom Bestehen eines Anspruchs auf Besitzeinräumung und Verweisung des Berechtigten zur (Wieder-) Erlangung des Besitzes auf die Inanspruchnahme der Gerichte zeigt den Stellenwert, den das Gesetz dem Erhalt des Besitzes einräumt (MünchKomm/Joost, BGB, 6. Aufl., § 858, Rn. 1).

Vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Regelungen ist es nicht zulässig, dass sich der Heimträger die Befugnis einräumen lässt, Wohnräume ohne Weiteres (wieder) in Besitz zu nehmen - und zwar auch nicht bei Setzung einer Frist zur Räumung und Abholung (vgl. Graf von Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Heimvertrag, Rn. 33; Staudinger/Coester, BGB. 13. Aufl., § 307, Rn. 700).

Die von der Beklagten angeführten wirtschaftlichpraktischen Gründe (Notwendigkeit einer Neubelegung, wirtschaftliche Schäden des Leerstands) und insbesondere der Umstand, dass im WBVG keine dem § 546a BGB entsprechende Regelung einer Nutzungsentschädigung enthalten ist - und wegen § 87a SGB XI auch nicht enthalten sein kann - stehen dieser Bewertung nicht entgegen. Es ist nämlich keineswegs ausgeschlossen, dass der Heimträger den Bewohner bzw. seine Erben wegen der verspäteten Räumung auf Schadensersatz in Anspruch nehmen kann (§§ 280, 286 BGB). Hierauf muss sich die Beklagte verweisen lassen. Dass sie dabei das allgemeine Risiko trägt, nach einer Erbausschlagung ohne Schuldner dazustehen, gebietet keine andere Betrachtung. Vor diesem Risiko würde nämlich auch die Vertragsklausel Nr. 12.3 nicht vollständig schützen, da die Beklagte dann die Lagerungskosten nicht liquidieren könnte.

Es kann ferner nicht angenommen werden, dass gar keine Besitzentziehung der Gegenstände eintrete. Durch die Herausnahme aus den Wohnräumen und Übernahme in die Verwahrung des Heimträgers tritt ohne Weiteres ein Verlust der bisher seitens des Bewohners (§ 854 BGB) oder seines Erben (§ 857 BGB) bestehenden tatsächlichen Sachherrschaft "in anderer Weise" im Sinne des § 856 BGB ein. Dass der Bewohner einen Herausgabeanspruch gegen den Heimträger als nunmehrigen unmittelbaren Besitzer haben mag, ist hierfür unerheblich.

Auch die Voraussetzungen des Selbsthilferechts gemäß § 229 BGB liegen ersichtlich nicht vor, da obrigkeitliche Hilfe (vor allem durch Arrest und einstweilige Verfügung, vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., § 229, Rn. 4) zu erlangen ist.

Angesichts der obigen Ausführungen kann die Klausel Nr. 12.3 schließlich keine wirksame vorherige Zustimmung des Besitzers zu einer Besitzentziehung bezüglich des Wohnraums darstellen. Eine solche Einwilligung ist zwar grundsätzlich möglich (Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl., § 858, Rn. 5). Die Einwilligung in einer vertraglichen Vereinbarung ist jedoch unbeachtlich, wenn sie - wie hier - aus einer nach § 307 BGB unwirksamen AGB-Klausel folgt (OLG Hamm NJW-1992, 502, 503; Bamberger/Roth/Fritzsche, Beck€scher Online-Kommentar BGB (2014), § 858, Rn. 17).

c) Die von der Beklagten verwendete Klausel 12.3 verstößt darüber hinaus gegen § 307 Abs. 1 BGB, da sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.

Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass die Klausel hinsichtlich der Kostentragung nicht klar und verständlich ist.

Das sog. Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verpflichtet den Verwender, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners in den AGB möglichst klar, einfach und präzise darzustellen. Dabei gebieten Treu und Glauben auch, dass die Klausel wirtschaftliche Nachteile und Belastungen für einen durchschnittlichen Vertragspartner so weit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 307, Rn. 21; Bamberger/Roth/Schmidt, Beck€scher Onlinekommentar BGB, § 307, Rn. 43). Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein und verlangt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Klausel so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Eine Formularbestimmung genügt dem Bestimmtheitsgebot nur dann, wenn sie im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich umschreibt. Abzustellen ist bei der Bewertung der Transparenz auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (BGH NJW 2007, 1198ff., veröffentlicht in juris, Rn. 41).

Dabei ist es allerdings unschädlich, dass die Länge der im Einzelfall zu setzenden Nachfrist nicht konkret bestimmt ist, sondern lediglich eine angemessene Nachfrist angeordnet werden muss.

Der Verwender einer Klausel darf aus der Gesetzessprache grundsätzlich unbestimmte Rechtsbegriffe übernehmen (Palandt/Grüneberg, BGB, 73., § 107, Rn. 22).

Der Begriff der Angemessenheit einer Frist wird vom Gesetz an mehreren Stellen selbst verwendet (§§ 281, 323 BGB) und unterliegt der richterlichen Ausgestaltung.

Aus Transparenzgesichtspunkten ist es jedoch unzulässig, dass die Klausel Nr. 12.3 dem Bewohner oder seinen Erben die Kosten der Einlagerung auferlegt, ohne dass der anfallende Kostenaufwand für den Bewohner/Erben abschätzbar oder eingegrenzt ist.

Eine Begrenzung auf die objektiv erforderlichen oder üblichen Kosten (vgl. §§ 304, 693 BGB, 354 HGB) enthält die Klausel nicht; die tatsächliche Höhe ist damit in das Belieben der Beklagten gestellt und eröffnet ungerechtfertigte Beurteilungsspielräume (zu einer hinreichend formulierten Lagerkostenklausel BGH NJW 2007, 1198ff., veröffentlicht in juris, Rn. 43).

4. Ähnlich wie bei Wettbewerbsverstößen besteht bei der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die unzulässige Klauseln enthalten, eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr. Es liegt im Wesen allgemeiner Geschäftsbedingungen, dass sie in einer Vielzahl von Fällen, also wiederholt verwendet werden, wie sich bereits aus der gesetzlichen Definition in § 305 Abs. 1 S. 1 BGB ergibt. An die Beseitigung der Wiederholungsgefahr sind, wie im Wettbewerbsrecht, strenge Anforderungen zu stellen (OLG Hamm NJW-RR 1986, 927ff., veröffentlicht in juris, dort Rn. 121).

Hierzu hat die Beklagte nicht vorgetragen, so dass es bei der Vermutung verbleibt.

5. Der Zahlungsanspruch ergibt sich aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG i.V.m. § 5 UKlaG:

Die Beklagte hat die Kalkulation der Pauschale durch den Kläger nicht angegriffen.

6. Die Androhung der Zwangsvollstreckung beruht auf § 890 Abs. 2 ZPO.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen haben ihre Grundlage in den §§ 91 Abs. 1, 709 S. 1 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.






OLG Hamm:
Urteil v. 22.08.2014
Az: 12 U 127/13


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/972118355f82/OLG-Hamm_Urteil_vom_22-August-2014_Az_12-U-127-13




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