Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 1. Juli 2004
Aktenzeichen: 1 U 54/03
(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 01.07.2004, Az.: 1 U 54/03)
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 6.2.2003 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das vorbezeichnete Urteil abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die weiter gehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben zu tragen
- die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers dieser zu 61 %, die Beklagten zu 39 %,
- die außergerichtlichen Kosten der Beklagten diese zu 39 %, der Kläger zu 61 %,
- die außergerichtlichen Kosten der Drittwiderbeklagten die Beklagten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Parteien streiten um das dem Kläger zustehende Anwaltshonorar für seine Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Verkauf des €A€-..., O1. Vertragspartnerin des Klägers und der Drittwiderbeklagten war die Grundstückseigentümerin B C € nachfolgend als Beklagte bezeichnet €, die sich ständig durch ihren im gleichen Hause wie der Kläger ansässigen Hausverwalter D vertreten ließ, mit dem der Kläger gut nachbarschaftlichen Kontakt pflegte. C starb im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens und wurde von E F allein beerbt. Diese starb nach Zustellung des landgerichtlichen Urteils. Ihre vier Erben € die Erbenstellung ist unstreitig € haben den Rechtsstreit nach einer Aussetzung im Berufungsverfahren aufgenommen.
Wegen der Zusammensetzung der Klageforderung nimmt der Senat auf die Erklärung der Drittwiderbeklagten in der Berufungsverhandlung (S. 2 der Sitzungsniederschrift vom 6.5.2004, Bl. 1150 d. A.) und die Rechnungen vom 14.9.1987 (Bl. 57 f., 90 d. A.), vom 5.2.1988 (Bl. 59 f. d. A.) und vom 23.8.1988 (Bl. 61 ff. d. A.) Bezug. Der Kläger erhielt am 15.9.1987 von der Beklagten 70.000 DM in bar für die €Beratung in Sachen Verkauf/Vermietung€ des o. g. Anwesens; gegen einen Auskehranspruch der Beklagten in Höhe von 40.588,84 DM aus einer anderen Sache rechnete der Kläger mit seinem Honoraranspruch auf. Die Beklagte hat sich insbesondere mit einer auf Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages gestützten Aufrechnung und mit der Verjährungseinrede verteidigt.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug.
Das Landgericht hat der Klage auf Zahlung in Höhe von 219.855,50 € zzgl. Zinsen nur in Höhe von 18.127,54 € ohne Zinsen stattgegeben. Die Widerklage hat es abgewiesen, die Zinsen hat es im Tenor ersichtlich übersehen.
Gegen diese Entscheidung haben beide Parteien Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen Rechtsfehler gerügt.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagten zur Zahlung weiterer 201.727,96 € nebst 9 % Zinsen aus 219.855,50 € seit dem 5.1.1990 zu verurteilen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen,
das landgerichtliche Urteil teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen sowie den Kläger und die Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Beklagten als Gesamtgläubiger 41.204,42 € nebst 4 % Zinsen aus 20.451,68 € seit dem 19.11.1993 und aus dem erhöhten Betrag seit dem 7.10.1994 zu zahlen.
Der Kläger und die Drittwiderbeklagte beantragen,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
B. Beide Rechtsmittel sind zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufung des Klägers ist nicht, die der Beklagten ist teilweise begründet. Der Kläger kann von den Beklagten kein restliches Honorar mehr verlangen, weil seine Honorarforderung durch die Hilfsaufrechnung der Beklagten insgesamt erloschen ist. Die Widerklage ist unbegründet.
I. Dem Kläger stand gegen die Beklagte unter Berücksichtigung von dieser geleisteter Zahlungen ein Honoraranspruch in der Gesamthöhe von 241.084,28 DM zu.
1. Der Kläger ist allein Inhaber der Honorarforderung. Erstinstanzlich war unstreitig, dass die Drittwiderbeklagte ihr etwa zustehende Honoraranteile an den Kläger abgetreten hat. Es ist möglich, eine Honorarforderung, die einer Anwaltssozietät zusteht, dergestalt aus der gesamthänderischen Bindung zu lösen.
2. Für seine auf eine Abänderung des Vergleichs mit der C-Stiftung gerichtete Tätigkeit konnte der Kläger von der Beklagten ein Honorar in Höhe von 277.369,98 DM beanspruchen.
a) Die Beklagten zeigen keine Gesichtspunkte auf, die an der landgerichtlichen Feststellung zweifeln ließen, der Kläger sei beauftragt gewesen, auf eine solche Abänderung hinzuwirken. Unstreitig und nicht nur durch die im landgerichtlichen Urteil zitierten Schriftstücke belegt hat der Kläger auch in diesem Zusammenhang umfangreiche Tätigkeiten entfaltet, wozu ihn der von der Beklagten bevollmächtigte Verwalter D beauftragt hatte. Die geschäftlich erfahrene Beklagte konnte diese umfangreiche Tätigkeit nicht als nachbarschaftlichen Freundschaftsdienst auffassen.
b) Nicht zu beanstanden ist der Gegenstandswert von 26 Mio. DM, den das Landgericht für die Abrechnung der die Vergleichsänderung betreffenden Tätigkeit des Klägers zugrunde gelegt hat. Maßgebend ist das Interesse der Beklagten als Mandantin an der Vergleichsänderung, nicht der Wert der von ihr erbrachten Gegenleistung. Es beeinträchtigt den Kläger nicht, dieses Interesse in Anknüpfung an den erzielten Grundstückspreis zu bestimmen. Andererseits erläutern auch die Beklagten ihren niedrigeren Wertansatz nicht.
3. Außerdem konnte der Kläger Honorar für seine den Verkauf des €A€-Hauses betreffende Tätigkeit verlangen.
a) Beim Verkauf des €A€-Hauses und der Vergleichsabänderung handelte es sich um getrennte €Angelegenheiten€ mit der Konsequenz, dass der Kläger seine Tätigkeiten hierfür gesondert abrechnen kann.
(1) Unter einer €Angelegenheit€ im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird (vgl. etwa BGHR BRAGO § 13 Abs. 2 Angelegenheit 1). Um dieselbe Angelegenheit annehmen zu können, müssen demnach folgende drei Voraussetzungen erfüllt sein (vgl. Göttlich/Mümmler, BRAGO, 20. Aufl. (2001), Stichwort €Angelegenheit€):
(a) Es muss ein einheitlicher Auftrag vorliegen € dieser ist auch dann noch gegeben, wenn der Rechtsanwalt zu verschiedenen Zeiten beauftragt worden ist, aber Einigkeit besteht, dass die Ansprüche gemeinsam behandelt werden sollen;
(b) es muss der gleiche Rahmen bei der Verfolgung der mehreren Ansprüche eingehalten werden € dieses Erfordernis ist erfüllt, wenn die mehreren Gegenstände z. B. durch ein gemeinsames Mahnschreiben oder mit einer Klage verfolgt werden;
(c) es muss ferner zwischen den einzelnen Gegenständen ein innerer objektiver Zusammenhang bestehen, d. h. es muss sich um einen einheitlichen Lebensvorgang handeln, der im Falle seiner gerichtlichen Verfolgung in einer Klage oder in einem Verfahren geltend gemacht würde.
(2) Die beiden letztgenannten Voraussetzungen sind nicht gegeben. Die Verhandlungen mit dem Stiftungsvertreter Dr. G einerseits, den Käufern andererseits überschnitten sich nur geringfügig. Der Erfolg der Verkaufsbemühungen hing zwar vom Mitwirken der Stiftung ab, zu deren Gunsten eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen war. Dies ändert aber nichts daran, dass der Kläger weitgehend getrennte Verhandlungen mit der Stiftung und den Käufern führte, die dementsprechend in gesonderte Verträge mündeten. Beide Problemkomplexe sind kaum als gleichrangiger Gegenstand ein und desselben Verfahrens vorstellbar.
b) Für seine den Verkauf und die Vermietung des €A€-Hauses betreffende Tätigkeit standen dem Kläger die am 15.9.1987 gezahlten 70.000 DM zu, weil er mit der Beklagten eine entsprechende Honorarvereinbarung getroffen hatte. Die in anderem Zusammenhang aufgrund einer Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen des Landgerichts, mit dieser Zahlung habe die Rechnung vom 14.9.1987 über 126.232,20 DM (Bl. 90 d. A.) ausgeglichen werden sollen und der Kläger habe nach Erhalt des Barbetrages beim Verlassen des Büros erklärt, damit sei die Angelegenheit nun endgültig erledigt, sind in der Berufungsinstanz nicht angegriffen worden, auch nicht vom Kläger, der erstinstanzlich noch eingewandt hatte, der Vergleich sei wegen um einen Tag verspäteter Zahlung nicht zustande gekommen. Konkrete Zweifelsgründe sind insoweit auch nicht ersichtlich.
4. Für die Korrespondenz mit der Stiftungsaufsicht stand dem Kläger kein gesonderter Honoraranspruch zu. Das Landgericht hat diese Tätigkeit des Klägers zu Recht in die den Vergleich betreffende Angelegenheit einbezogen. Die Beklagte war an der Einrichtung des Stiftungskuratoriums allein deshalb interessiert, weil sie sich von dem mit der Stiftung abgeschlossenen, ihr lästig gewordenen Vergleich lösen wollte. Auf die Qualifizierung als öffentlich- oder privatrechtlich kommt es in diesem Zusammenhang nicht entscheidend an.
5. Der Kläger und die (ursprüngliche) Beklagte haben das klägerische Gesamthonorar nicht vergleichsweise auf 70.000 DM reduziert. Für ihre Behauptung einer am 14. oder 15.9.1987 getroffenen Abrede dieses Inhalts hat das Landgericht die Beklagte zu Recht als beweisfällig angesehen. Die insoweit in der Berufungsinstanz allein erhobene Rüge, der Kläger sei überhaupt nur bezüglich des Verkaufs beauftragt gewesen, greift in dem Sinne nicht durch, dass keine Gründe für Zweifel an der gegenteiligen landgerichtlichen Feststellung aufgezeigt sind (s. o. B.I.2.a)).
6. Insgesamt errechnet sich der klägerische Honoraranspruch unter Berücksichtigung der im Berufungsverfahren nicht mehr streitigen Positionen folgendermaßen:
BezeichnungBemerkungBetrag in DMTätigkeit für Vergleichsabänderung, Rechnung vom 5.2.1988 (Bl. 59 f. d. A.)Wie Landgericht, Gegenstandswert 26 Mio. DM277.369,98Tätigkeit bezügl. Regressanspruch der Erstkäuferin, aus Rechnung vom 23.8.1988 (GA 61 € 63)Nicht mehr geltend gemacht0 Grundbucheinsicht, aus Rechnung vom 23.8.1988Nicht mehr geltend gemacht0 Tätigkeit bezüglich Stiftungsaufsicht, aus Rechnung vom 23.8.1988In Angelegenheit €Vergleichsabänderung€ enthalten0 Tätigkeit bezüglich Kaufinteressent €, aus Rechnung vom 23.8.1988In Angelegenheit €Verkauf/Vermietung€ und hierfür vereinbartem Honorar enthalten0 Tätigkeit bezüglich des Rücktritts der Erstkäuferin, aus Rechnung vom 23.8.1988Nicht mehr geltend gemacht0 Tätigkeit bezüglich Kostennote Dr. GWie Landgericht1.005,14Tätigkeit bezüglich Kostennote Notar HWie Landgericht3.298,00abzüglich aus anderer Sache auszukehrender BetragWie Landgericht- 40.588,84Tätigkeit für Verkauf/VermietungGemäß Honorarvergleich vom 15.9.198770.000,00abzüglich Zahlung vom 15.9.1987Wie Landgericht- 70.000,00ergibt 241.084,28Das entspricht 123.264,44 €.
7. Die von den Beklagten erhobene Rüge zur Ordnungsmäßigkeit der Berechnung (§ 18 BRAGO) liegt neben der Sache. Eine Honorarrechnung kann auch an den vom bisherigen Mandanten bevollmächtigten Folgeanwalt übersandt werden; es schadet nicht, wenn dem notwendigen Rechnungstext zusätzlicher beigefügt wird.
II. Die Klageforderung ist nicht verjährt.
1. Die zweijährige Verjährung (§ 196 Abs. 1 Nr. 15 BGB a. F.) der klägerischen Ansprüche begann nach § 201 BGB a. F. am 31.12.1987, denn diese Ansprüche wurden im Laufe des Jahres 1987 fällig (§ 16 BRAGO); die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe seine Tätigkeit für sie am 1./2.7.1987 eingestellt. Auf den Zeitpunkt der Rechnungsstellung kam es insoweit nach § 18 Abs. 1 Satz 2 BRAGO nicht an. Die Verjährungsfrist lief demnach am 31.12.1989 ab.
2. Die Verjährung ist durch die am 5.1.1990, also €demnächst€ im Sinne des § 693 Abs. 2 ZPO a. F. erfolgte Zustellung des am 29.12.1989 beantragten Mahnbescheids unterbrochen worden. Der Mahnbescheid war geeignet, die Verjährung zu unterbrechen. Wenn ein Teilbetrag aus mehreren Forderungen, die nach Datum und Betrag genau bezeichnet sind, geltend gemacht und lediglich die Zusammensetzung der Klagesumme durch bestimmte Teilbeträge der schon zuvor ausreichend individualisierten Einzelforderungen nach Ablauf der Verjährungsfrist mitgeteilt wird, dann wird die Verjährung aller im Mahnbescheid ausreichend bezeichneten Einzelforderungen bis zur Höhe des geltend gemachten Teilbetrages unterbrochen (vgl. BGH NJW 2001, 305-307 [unter II 2 c) bb) der Entscheidungsgründe]; NJW 1996, 2152-2153 [unter 2 b) cc) der Entscheidungsgründe]; NJW-RR 1996, 885-886 [unter II 1 der Entscheidungsgründe]). So liegt der Fall. Die geltend gemachte Honorarforderung war durch die Bezugnahme auf die Rechnungsdaten hinreichend individualisiert. Der Klärung bedurfte allein die betragsmäßige Zusammensetzung der Klageforderung; dies konnte nachgeholt werden und ist nachgeholt worden.
3. Nach Zustellung des Mahnbescheids hat die Beklagte immer wieder befristet auf die Verjährungseinrede verzichtet, zuletzt bis zum 30.4.1993 (Bl. 971-977 d. A.). Der Kläger hat das Verfahren ab dem 29.4.1993 weiter betrieben, indem er die 2. Gerichtskostenhälfte eingezahlt, eine Abgabe ans Streitgericht beantragt und € am 30.4.1993 € den Anspruch begründet hat.
III. Die Honorarforderung des Klägers ist durch die von der Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung mit ihrem Schadensersatzanspruch wegen der fehlerhaften Belehrung über die rechtlichen Risiken eines doppelten Verkaufs des €A€-Hauses insgesamt erloschen.
1. Dass der Kläger wegen dieses Beratungsfehlers dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat das Landgericht ausführlich und überzeugend begründet; der Haftungsgrund ist im Berufungsverfahren nicht mehr streitig gewesen.
2. Die Beklagten können vom Kläger nicht nur als Schaden ersetzt verlangen, was am geltend gemachten Schaden der Erstkäuferin tatsächlich ersatzfähig war. Vielmehr entspricht der Schaden der Beklagten dem im Vorprozess mit der Erstkäuferin vereinbarten und gezahlten Vergleichsbetrag von 3,5 Mio. DM.
a) Eine willentliche Handlung des Geschädigten, die seinen Vermögensverlust mitverursacht hat, schließt nicht aus, den Schaden demjenigen zuzurechnen, der die schädigende Ursachenkette in Gang gesetzt hat. Der adäquate Ursachenzusammenhang zwischen dem Schaden und der Pflichtverletzung des Schädigers kann fehlen, wenn der Geschädigte in ungewöhnlicher und unsachgemäßer Weise in den Geschehensablauf eingreift und eine weitere Ursache auslöst, die den Schaden erst endgültig herbeiführt; diese Voraussetzung liegt nicht vor, wenn für die Zweithandlung des Geschädigten ein rechtfertigender Anlass bestand oder diese durch das haftungsbegründende Ereignis herausgefordert wurde und eine nicht ungewöhnliche Reaktion auf das Ereignis darstellt (vgl. BGH VersR 1995, 212-215 [unter I 3 b) der Entscheidungsgründe], st. Rspr.).
b) Nach diesen Grundsätzen ist die € mit den Anlagen (Bl. 626 ff. d. A.) zum Schriftsatz der Beklagten vom 14.2.1997 urkundlich belegte € Zahlung des Vergleichsbetrages von 3,5 Mio. DM zzgl. Zinsen dem Beratungsfehler des Klägers als Schadensfolge zuzurechnen. Die Beklagte schloss den zweiten Kaufvertrag über das €A€-Haus, weil der Kläger sie über die sich hieraus ergebenden rechtlichen Risiken, insbesondere über den möglichen Umfang der Schadensersatzansprüche der Erstkäuferin nicht sachgemäß aufgeklärt hatte. Der Beratungsfehler des Klägers setzte die schädigende Ursachenkette in Gang. Die Schadensersatzklage der Erstkäuferin beruhte auf dem vom Kläger dergestalt verursachten Doppelverkauf des Anwesens. Die Beklagte ließ sich in diesem Prozess anwaltlich vertreten, ohne dass ihr bezüglich der Auswahl ihres Prozessbevollmächtigten ein Verschulden vorgeworfen werden könnte. Der seinerzeit zuständige Senat empfahl ihr dringend den Abschluss eines Vergleichs, der sie zur Zahlung von 3,5 Mio. DM verpflichtete. Die Zahlung des Vergleichsbetrags stellte unter diesen Umständen eine nahe liegende, vernünftige und sachgemäße Reaktion auf die durch den Beratungsfehler des Klägers entstandene Lage dar.
c) Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, dass sich die Beklagte im Vorprozess mit der Erstkäuferin nicht mit dem nötigen Nachdruck verteidigt, insbesondere, dass sie deren angeblichen Schaden unzureichend bestritten hat. Selbst wenn die Beklagte ihren damaligen Prozessbevollmächtigten insoweit unzureichend unterrichtet und dieser den Prozess insoweit nachlässig geführt hat und diese anwaltlichen Pflichtverletzungen der Beklagten zuzurechnen sind, lässt dies den Zurechnungszusammenhang zum Beratungsfehler des Klägers doch nicht entfallen. Vielmehr stellt all dies allenfalls ein diesem Beratungsfehler in etwa gleichwertiges Mitverschulden der Beklagten dar; selbst wenn der Schadensersatzanspruch der Beklagten nach § 254 BGB um deutlich mehr als die Hälfte zu reduzieren wäre, würde er den berechtigten Teil der Klageforderung deutlich übersteigen.
d) Die vom Kläger erklärte Aufrechnung gegen die bereits durch Aufrechnung mit seinem Honoraranspruch erloschene Schadensersatzforderung der Beklagten ist unwirksam. Eine €Aufrechnungs-Replik€ in diesem Sinne sieht das Gesetz nicht vor.
IV. Die Widerklage ist unbegründet.
1. Soweit sie auf den Auskehranspruch in Höhe von 40.588,84 DM aus einer anderen Sache gestützt ist, ist jener durch die vom Kläger mit seiner Honorarforderung erklärte Aufrechnung erloschen. Der Betrag ist in der Rechnung oben B.I.6 berücksichtigt.
2. Den außerdem mit der Widerklage geltend gemachten, auf den klägerischen Beratungsfehler gestützten Teil-Schadensersatzanspruch in Höhe von 40.000 DM hat das Landgericht zu Recht als verjährt angesehen. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre ab Entstehung des Anspruchs, spätestens drei Jahre nach Mandatsende. Entstanden war der Regressanspruch am 18.5.1987, als die Beklagte infolge unzureichender Belehrung durch den Kläger den zweiten Kaufvertrag (mit der € Versicherung) schloss und damit die Schadensersatzforderung der Erstkäuferin begründete; das Ende der klägerischen Tätigkeit hat die Beklagte für den 1./2.7.1987 behauptet. Die Verletzung der Hinweispflicht bezüglich der Regressmöglichkeiten führt nur zu einer dreijährigen Verlängerung entsprechend § 51b BRAO (vgl. BGHZ 94, 380, 389 f.; BGH NJW 1994, 2822-2824 [unter III 2 der Entscheidungsgründe]). Die Schadensersatzforderung gegen den Kläger und die Drittwiderbeklagte verjährte danach spätestens im Mai 1993. Die Drittwiderklage und die Erweiterung der gegen den Kläger gerichteten Widerklage um den Schadensersatzanspruch datiert vom 11.11.1993.
V. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 2 ZPO.
VI. Der klägerische Schriftsatz vom 28.6.2004 war nach § 296a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. Ein Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO) bestand nicht.
OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 01.07.2004
Az: 1 U 54/03
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