Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. April 2004
Aktenzeichen: 17 W (pat) 21/03
(BPatG: Beschluss v. 15.04.2004, Az.: 17 W (pat) 21/03)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die vorliegende Patentanmeldung ist beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Bezeichnung:
"4-Spalten-Konto"
eingereicht worden.
Sie wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts aufgrund der am 3. August 2001 eingereichten Patentansprüche 1 und 2 mit dem in der Anhörung vom 6. November 2002 verkündeten Beschluss zurückgewiesen. In der Begründung ist ausgeführt, dass die Verfahren nach den Patentansprüchen 1 und 2 nicht als Erfindungen im Sinne von § 1 PatG angesehen werden könnten, da sich die beanspruchten Lehren in Geschäftsideen erschöpften, die als Computerprogramme implementiert seien.
Der Anmelder hat Beschwerde eingelegt und stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit den geltenden Unterlagen zu erteilen.
Die Patentansprüche 1 und 2 in der geltenden Fassung lauten:
1. Verfahren des 4-Spalten-Konto, gekennzeichnet neben anderen buchungsrelevanten Angaben durch zwei Spaltenpaare:
ein Soll- und Haben-Spaltenpaar zur Erfassung, Darstellung und Verarbeitung für die Werte unddas zweite Soll-/Haben-Spaltenpaar für die gleichzeitig zu erfassende, darzustellende und zu verarbeitende Menge der zu erfassenden und darzustellenden betrieblichen Bewegungen und Geschäftsvorfälle.
2. Verfahren der gleichzeitigen Buchungserfassung in einer/m einheitlichen Bildschirmmaske/Beleg, gekennzeichnet neben anderen buchungsrelevanten Angaben durch zwei Soll- und zwei Habenfelder zur Erfassung von Zu- oder Abgängen von Mengen und dazu gehörenden Wertensowie weiter Angaben von Mengeneinheiten, Posten-Nummern sowie bei notwendiger Simultanbuchung die Angaben von Kostenstellen- oder Kostenträgerkonten.
Zur Begründung seiner Beschwerde führt der Anmelder aus, dass der Gegenstand der Patentanmeldung nicht mit einem einfachen Dispositionsprogramm verglichen werden könne und auch nicht in einer raffinierten geschäftlichen Methode zu sehen sei, wie im Zurückweisungsbeschluss dargelegt. Zur Ausführung der vorgeschlagenen Verfahren sei der Einsatz von technischen Geräten aufgrund des Umfangs der erforderlichen Rechen- und Speicheroperationen unumgänglich. Die elektronischen Geräte selbst seien zwar schon entwickelt, aber die für die Ausführung der Verfahren noch zu erstellenden Programme erforderten große zeitliche und finanzielle Aufwendungen. Zur Stützung seiner Argumentation, dass der Anmeldungsgegenstand technischer Natur sei, überreichte der Anmelder eine "Nomenklatur der Integral-Buchhaltung zur Technizität". Dort seien die in der Buchhaltung verwendeten Begriffe in die Sprache des Technikers übersetzt und belegten damit den technischen Charakter des Anmeldungsgegenstandes. Aus diesen Ausführungen ergebe sich weiterhin, dass die Integral-Buchhaltung auf technischen Überlegungen beruhe.
II.
Die in rechter Form und Frist erhobene Beschwerde ist zulässig. Sie konnte jedoch nicht zum Erfolg führen, da die Verfahren nach den Patentansprüchen 1 und 2 keine technischen Erfindungen im Sinne des § 1 Abs 1 PatG sind.
1. Die Anmeldung geht davon aus, dass sich in jedem Unternehmen die einzelnen Geschäftsvorfälle in buchhalterischer Hinsicht nicht nur als Bewegungen von Werten in der Finanzbuchhaltung darstellen lassen, sondern untrennbar gekoppelt sind mit der Bewegung von Mengen, zB körperlich fassbaren Gegenständen oder immateriellen Wirtschaftsgütern wie Zeiteinheiten. Die Bewegung von Mengen wird zwar ebenfalls erfasst, jedoch in separaten Abrechnungskreisen, bspw der Lagerbuchhaltung. Durch diese Art der Buchführung ergibt sich ein erheblicher Abstimmungsbedarf zwischen den separaten Abrechnungskreisen, der oft zu erheblichen Verzögerungen bei der Fertigstellung von Abschlüssen führt (vgl Seite 1 der Beschreibung vom 23. September 1999).
Ausgehend von dieser Problemstellung schlägt der Patentanspruch 1 vor, die getrennten Abrechnungskreise in einem 4-Spalten-Konto zusammenzuführen, das 2 Spaltenpaare aufweist, nämlich ein erstes Soll- und Haben-Spaltenpaar zur Erfassung, Darstellung und Verarbeitung der Werte und ein zweites Soll- und Haben-Spaltenpaar für die gleichzeitig zu erfassende, darzustellende und zu verarbeitende Menge der betrieblichen Bewegungen und Geschäftsvorfälle.
Der Anspruch 2 schlägt zu demselben Zweck eine gleichzeitige Buchungserfassung von Zu- und Abgängen von Mengen und dazu gehörenden Werten vor sowie weiterer buchhalterischer Angaben, bspw der Kostenstellenkonten, in einem einheitlichen Beleg oder einer Bildschirmmaske mit zwei Soll- und Habenfeldern.
Die Ansprüche 1 und 2 lehren sonach im wesentlichen eine Zusammenführung bzw gleichzeitige Verbuchung der Zu- und Abgänge von Werten und Mengen in einem 4-Spalten-Konto für die Buchhaltung eines Unternehmens.
2. Die Verfahren nach den Ansprüchen 1 und 2 sind keine Erfindungen im Sinne des § 1 Abs 1 PatG.
Im deutschen und europäischen Patentrecht ist unumstritten, dass dem Patentschutz nur Erfindungen zugänglich sind, die technischen Charakter aufweisen (vgl Busse, Patentgesetz, 6. Aufl, § 1 Rdn 19 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). In der Entscheidung "Suche fehlerhafter Zeichenketten" führt der Bundesgerichtshof aus, dass die prägenden Anweisungen der beanspruchten Lehre der Lösung eines konkreten technischen Problems dienen müssen (BGH GRUR 2002, 143, 144).
Die vorliegende Anmeldung befasst sich mit der Problemstellung, den Abstimmungsbedarf zwischen den separaten Abstimmungskreisen für die Buchhaltung von Werten und Mengen dadurch erheblich zu vermindern, dass die beiden bisher getrennten Kreise zusammengeführt und gleichzeitig erfasst und verarbeitet werden. Eine konkrete technische Problemstellung ist hierin nicht erkennbar. Die in der Anmeldung genannte und auch objektiv zutreffende Problemstellung ist dem Gebiet der Buchhaltung von Unternehmen zuzuordnen und nicht dem Gebiet der Technik.
Der Anmelder führt hiergegen an, dass die Verfahren nach den Ansprüchen 1 oder 2, nämlich die gleichzeitige Erfassung, Darstellung und Verarbeitung der beiden Spaltenpaare für Werte und Mengen bzw die Schaffung einer einheitlichen Bildschirmmaske oder eines einheitlichen Belegs zur gleichzeitigen Erfassung von Mengen und Werten auf technischem Gebiet lägen, weil ihre Ausführung nur unter Benutzung technischer Geräte, insbesondere von Datenverarbeitungsanlagen möglich sei.
Es mag zutreffen, dass zur Ausführung der in den Ansprüchen 1 und 2 beschriebenen Verfahren schon wegen der anzunehmenden großen Anzahl von Erfassungs- und Verarbeitungsvorgängen vorteilhaft Datenverarbeitungsanlagen zum Einsatz kommen. Da aber Datenverarbeitungsanlagen geeignet sind, in nahezu allen (technischen und nichttechnischen) Bereichen des menschlichen Lebens nützlich zu sein, kann der Umstand, dass eine beanspruchte Lehre bestimmungsgemäß den Einsatz eines Computers fordert, nicht dazu führen, dass eine Lehre schon deshalb als patentierbar anzusehen ist (vgl BGH aaO).
Über den generellen Umstand hinaus, dass Datenverarbeitungsanlagen für die Erfassung, Darstellung und Verarbeitung der beiden Spaltenpaare zum Einsatz kommen können oder auch kommen, lassen sich den Ansprüchen keine Hinweise auf eine besondere Ausprägung der zum Einsatz kommenden Datenverarbeitungsanlage in technischer Hinsicht entnehmen. Die Patentfähigkeit der Verfahren nach den Ansprüchen 1 und 2 scheitert sonach daran, dass sie vorrangig durch Überlegungen auf dem Gebiet der Buchhaltung geprägt sind und nicht von solchen auf technischem Gebiet.
Auch das Argument, dass für die Ausführung der beanspruchten Verfahren mit Datenverarbeitungsanlagen die Entwicklung von speziellen Programmen erforderlich sei, die nur mit großem zeitlichen und finanziellen Aufwand möglich sei, kann angesichts der eindeutigen Rechtslage nicht durchgreifen. Programme für Datenverarbeitungsanlagen sind nach § 1 Abs 2 Nr 3 und Abs 3 PatG als solche ausdrücklich vom Patentschutz ausgenommen. Computerprogramme sind dem Urheberrechtsschutz zugänglich (vgl § 69a UrhG).
Der Anmelder hat eine "Nomenklatur der Integral-Buchhaltung" überreicht, in der den Begriffen der Buchhaltungs-Nomenklatur entsprechende Begriffe in Techniker-Nomenklatur gegenübergestellt sind, und angeregt, die Ansprüche unter Berücksichtigung der angegebenen Techniker-Nomenklatur zu werten. In dieser Aufstellung ist bspw dem Begriff "Buchhaltungssystem" der Begriff "Buchhaltungstechnik" zugeordnet.
Eine Formulierung der Ansprüche in der Weise, dass die dort verwendeten Buchhaltungsbegriffe durch die angegebenen Technikbegriffe ersetzt würden, kann jedoch zu keiner anderen Bewertung des technischen Charakters der Ansprüche führen. Denn nicht die sprachliche Einkleidung entscheidet darüber, ob eine Lehre technischer Natur ist oder nicht, sondern ihr sachlicher Gehalt (vgl BGH GRUR 77, 96,97 "Dispositionsprogramm"). Im vorliegenden Fall ist der sachliche Gehalt der Ansprüche, unabhängig von der verwendeten Nomenklatur, in Verfahren zur Buchhaltung zu sehen, die - wie dargelegt - nicht auf technischem Gebiet liegen.
Bei dieser Sachlage war die Beschwerde des Anmelders gegen den Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06F des Deutschen Patent- und Markenamts zurückzuweisen.
Dr. Fritsch Dr. Schmitt Bertl Prasch Bb
BPatG:
Beschluss v. 15.04.2004
Az: 17 W (pat) 21/03
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