Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. April 2000
Aktenzeichen: 30 W (pat) 225/99
(BPatG: Beschluss v. 10.04.2000, Az.: 30 W (pat) 225/99)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Eingetragen für die Waren
"Computerprogramme"
sowie weitere Waren der Klassen 9 und 16 und Dienstleistungen der Klassen 35, 41 und 42 ist die Marke 395 31 009 WINNER!PC Widerspruch ist erhoben aus der älteren Marke 2 024 917 ELSA WINnermit dem Warenverzeichnis:
"Computergrafikkarten sowie auf Datenträgern aufgezeichnete Programme und Informationen".
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit zwei Beschlüssen, einem davon im Erinnerungsverfahren, zurückgewiesen und die Gefahr von Verwechslungen zwischen den Marken verneint. Sie hat ausgeführt, "ELSA" werde zwar aufgrund großer Bekanntheit als Herstellerbezeichnung erkannt, "WINner" sei jedoch kennzeichnungsschwach und komme einem Qualitätshinweis nahe. Auch komme es bei Computerprogrammen und Graphikkarten zur Sicherung der Kompatibilität mit der Hardware vornehmlich auf den Herstellernamen an. Es sei daher nicht davon auszugehen, daß die Widerspruchsmarke auf den Bestandteil "WINner" verkürzt werde.
Zur Begründung der dagegen eingelegten Beschwerde trägt die Widersprechende vor, angesichts der teilweisen Identität der beiderseitigen Waren seien an den Abstand der Vergleichsmarken hohe Anforderungen zu stellen. "ELSA" werde aufgrund seiner Bekanntheit bei Graphikkarten und Computerprogrammen - im Bereich Computergraphik und Datenkommunikation sei die Widersprechende Marktführerin - von den beteiligten Verkehrskreisen innerhalb der Widerspruchsmarke als die Herstellerbezeichnung erkannt. Die Widerspruchsmarke werde daher der herrschenden Auffassung entsprechend durch den Produktnamen "WINner" geprägt, was - entgegen der Auffassung der Markenstelle - auch für den EDV-Bereich gelte. Die Widersprechende legt verschiedene Unterlagen zum Nachweis dafür vor, daß "WINNER" als Produktname gebraucht werde. Dies entspreche der Branchenübung. Es treffe auch nicht zu, daß "WINNER" nur über eine geringe Kennzeichnungskraft verfüge. Das folge schon daraus, daß der Schutz der angegriffenen Marke ausschließlich aus diesem klanglich mit der Widerspruchsmarke übereinstimmenden Bestandteil resultiere.
Sie beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die angegriffene Marke "WINNER!PC" zu löschen.
Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Es treffe nach ihrer Auffassung nicht zu, daß die Widerspruchsmarke durch den Bestandteil "WINner" geprägt werde. Es sei nicht branchenüblich, den Bestandteil "WINner" der Widerspruchsmarke zur Identifikation der entsprechenden ELSA-Graphikkarte zu verwenden. Es werde vielmehr - von Ausnahmen abgesehen - immer die komplette Bezeichnung "ELSA WINner(-NER)" verwendet. "WINNER" allein sei auch nicht schutzfähig.
Ergänzend wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der mit diesen vorgelegten Unterlagen sowie auf denjenigen der beigezogenen Amtsakte verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, kann jedoch nicht zum Erfolg führen. Die Markenstelle ist zutreffend davon ausgegangen, daß keine Gefahr von Verwechslungen der sich gegenüberstehenden Marken im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG besteht.
Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne dieser Bestimmung richtet sich nach der Gewichtung mehrerer jeweils in Wechselwirkung zueinander stehender Kriterien wie der Identität oder Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren, der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der Ähnlichkeit der zu vergleichenden Marken.
Die sich gegenüberstehenden Waren bzw Dienstleistungen sind zum Teil identisch (Computerprogramme/auf Datenträgern aufgezeichnete Programme), zum Teil auch eng benachbart. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit ist als durchschnittlich einzustufen, wobei es vorliegend - wie die nachfolgenden Erörterungen zeigen werden - nicht darauf ankommt, ob der Bestandteil "ELSA" aufgrund großer Bekanntheit für sich genommen über einen erhöhten Schutzumfang verfügt. Auf jeden Fall sind bei dieser Ausgangslage strenge Anforderungen an den Abstand der jüngeren, angegriffenen Marke gegenüber der älteren Widerspruchsmarke zu stellen.
Auch bei Anlegen eines strengen Maßstabs ist nicht davon auszugehen, daß beide Marken in zeichenrechtlich relevantem Umfang miteinander verwechselt werden.
In ihrer Gesamtheit sind die Marken aufgrund der neben dem gemeinsamen Bestandteil "WINNER(-ner)" jeweils in ihnen enthaltenen unterschiedlichen Zusätze hinreichend auseinanderzuhalten, denn die Anfügung "...!PC" nach dem Wort "WINNER" bei der angegriffenen Marke und die Voranstellung der selbständig kennzeichnenden Bezeichnung ""ELSA" vor dem Wort "WINner" bei der Widerspruchsmarke können weder in klanglicher noch in schriftbildlicher Hinsicht überhört bzw übersehen werden. Zudem stünde bzw steht der Annahme einer Verwechslungsgefahr sowohl in diesem Zusammenhang als auch unter dem von der Widersprechenden vorrangig herangezogenen Gesichtspunkt einer möglichen Verkürzung der Widerspruchsmarke auf den Bestandteil "WINner" der Umstand entgegen, daß es sich bei dem in beiden Marken enthaltenen Wort "Winner" um einen markenrechtlich selbständig nicht schutzfähigen Bestandteil handelt.
Der markenrechtliche Begriff der Verwechslungsgefahr ist ein Rechtsbegriff, was vorliegend insbesondere bedeutet, daß aus schutzunfähigen Bestandteilen einer älteren Widerspruchsmarke keine isolierten Rechte gegenüber einer jüngeren Marke hergeleitet werden können, auch wenn in dieser der selbe (schutzunfähige) Bestandteil ebenfalls enthalten ist (s zB Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 9 Rdn 137 mRsprNachw). Stehen der Registrierung z. B. einer Bezeichnung (vorliegend Winner) die Schutzausschließungsgründe des § 8 Abs 2 MarkenG entgegen, so können aus ihr auch dann keine Rechte gegenüber einer jüngeren Marke hergeleitet werden, wenn sie einer von mehreren Bestandteilen einer in ihrer Gesamtheit - oder gegebenenfalls auch in anderen Bestandteilen - schutzfähigen älteren Widerspruchsmarke ist.
Nach § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG sind Marken ua von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ihnen jegliche Unterscheidungskraft fehlt oder sie aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes ... oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren dienen können. Das Wort "Winner" hat aus dem Englischen auch in die deutsche Sprache Eingang gefunden. Als Bezeichnung für den das Spiel beendenden (Tennis-)Schlag des Siegers ist es in deutschen Nachschlagewerken zu finden (s zB Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 7. Aufl; Schönfeld, Alles easy, 1998). Unabhängig davon findet dieses Wort in der Bedeutung "Sieger" ebenso wie sein "Gegenüber", der "Looser" (Verlierer) bevorzugt über die Medien Eingang in die deutsche Umgangssprache (s zB Zeitschrift "Petra", H 6, 1995, s 122: "... daß die Abi-Looser von damals die Winner von heute sind", zitiert nach der Entscheidung BPatG 28 W (pat) 88/94 vom 24. 5. 1995, s PAVIS PROMA Kliems, CD-ROM Markenentscheidungen). Seine Bedeutung wird in Deutschland nicht zuletzt im Zuge der fortschreitenden Verwendung englischsprachiger Wörter und Aussagen (sog. Neuhochdeutsch) aufgrund seiner weitgehenden Übereinstimmung mit dem deutschen Wort "Gewinner" praktisch durchgehend ohne weiteres erkannt. Es kann somit einem deutschen Fremdwort gleichgestellt werden. Hinzu kommt, daß auf dem hier maßgebenden Warensektor Englisch Fachsprache ist und das Deutsch weitgehend verdrängt.
Im Zusammenhang mit den als "Winner" bezeichneten Waren stellt diese Bezeichnung eine das Produkt anpreisende Angabe im Sinne einer herausragenden Qualität bzw Spitzenstellung dar (dies verdeutlicht für das entsprechende deutsche Wort zB eine Anzeige der ADVANCE BANK in der SZ vom 23. Mai 2000: "WER AUF SIEGER SETZT, WIRD SCHNELLER REICH. ADVANCE MASTER PLAN IV. Erster Platz in der Performanceanalyse des Handelsblatts .....") und beschreibt damit unmittelbar dessen Beschaffenheit und Wert im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG. Ein solches Produkt macht darüber hinaus auch seinen Käufer zu einem Gewinner, wie es eine von der Widersprechenden vorgelegte eigene Werbeanzeige anschaulich verdeutlicht (s Anzeige "WINNER, das Graphikboard" in der Juni-Ausgabe 1992 der Zeitschrift CAD CAM - Anl 2 zum Schriftsatz der Widersprechenden vom 3. April 2000). Dort wird unter der hervorgehobenen Bezeichnung "WINNER" ein strahlender junger Mann durch einen akrobatisch anmutenden balettartigen Sprung in einer herausgehobenen Positur gezeigt, wodurch er erkennbar als der (Ge-)Winner dargestellt werden soll. "WINner" ist demnach in bezug auf die eingetragenen Waren der Widerspruchsmarke eine freihaltebedürftige beschreibende Angabe. Da sie von den angesprochenen (auch allgemeinen) Verkehrskreisen ohne weiteres als solche erkannt wird, fehlt es ihr darüber hinaus an der gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erforderlichen Unterscheidungskraft (so auch der 28. Senat in der genannten Entscheidung in bezug auf die dort beanspruchten Waren "muskelkraftbetriebene Zwei- und Dreiräder, insbesondere ...; Go-Carts; Roller, Tretroller, Handwagen usw").
Entgegen der von der Widersprechenden vertretenen Auffassung ergibt sich die Schutzfähigkeit der Bezeichnung "WINner" auch nicht aus der Eintragung der angegriffenen Marke. Zum einen entfaltet die Eintragung einer jüngeren Marke keine wie auch immer geartete rechtliche Bindung in bezug auf die Beurteilung der Schutzfähigkeit einzelner Bestandteile einer älteren Widerspruchsmarke. Zum anderen folgt aus der Eintragung von "WINNER!PC" nicht, daß die Markenstelle von der Schutzfähigkeit einzelner Teile dieser Marke (zB "WINNER") ausgegangen wäre.
Dahingestellt bleiben kann, ob die Schreibweise WINner schutzbegründend sein kann. Denn selbst wenn diese Eigenart hinreichend verfremdend wirken sollte, so führte dies nur zu einem auf diese besondere Gestaltung beschränkten Schutz (vgl zB BGH GRUR 1989, 264 REYNOLDS R1 (EREINTZ).
Ist demnach der Bestandteil "WINner" der Widerspruchsmarke schutzunfähig, ist die Bejahung der Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken aufgrund dieses auch in der jüngeren Marke enthaltenen Bestandteils bereits aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen. Der Widerspruch und damit auch die Beschwerde der Widersprechenden können damit keinen Erfolg haben.
Zu einer Kostenauferlegung gemäß § 71 Abs 1 MarkenG besteht keine Veranlassung.
Dr. Buchetmann Sommer Schwarz-Angele Mü/prö
BPatG:
Beschluss v. 10.04.2000
Az: 30 W (pat) 225/99
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