Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 26. Juli 2004
Aktenzeichen: 16 Wx 130/04

(OLG Köln: Beschluss v. 26.07.2004, Az.: 16 Wx 130/04)

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 19.05.2004 - 29 T 236/03 - wird

a)

als nicht begründet zurückgewiesen, soweit sie dagegen gerichtet ist, dass das Landgericht die sofortige Beschwerde der Antragstellerin in der Hauptsache als unzulässig verworfen hat,

b)

als unzulässig verworfen, soweit sie dagegen gerichtet ist, dass das Landgericht die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen die Kostenentscheidung des Amtsgerichts wegen des erledigten Teils als nicht begründet zurückgewiesen hat.

Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten erfolgt nicht.

Der Geschäftswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beläuft sich auf 1.300,00 EUR zuzüglich der Differenz der erst- und zweitinstanzlichen Gerichts- und Anwaltskosten der Beteiligten zwischen einem Geschäftswert von 1.300,00 EUR und einem solchen von 300,00 EUR.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist Miteigentümerin der im Rubrum bezeichneten Wohnungseigentumsanlage. Sie hat von dem Antragsgegner, einem weiteren Miteigentümer und früheren Verwalter, die Herausgabe eines Zentralschlüssels für alle in der Anlage befindlichen Schlösser an die derzeitige Verwalterin und eines Schlüssels zu ihrer Wohnung an sich selbst verlangt. Nach Zerstörung des Zentralschlüssels haben die Parteien insoweit das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Das Amtsgericht hat daraufhin wegen des Wohnungsschlüssels den Antrag zurückgewiesen, weil es einen - bestrittenen - Besitz des Antragsgegners an dem Schlüssel nicht feststellen konnte, und wegen des erledigten Teils die Antragstellerin mit den Verfahrenskosten belastet, weil ein etwaiger Herausgabeanspruch nur der Wohnungseigentümergemeinschaft zugestanden habe und die Antragstellerin von der Gemeinschaft nicht zur Geltendmachung ermächtigt gewesen sei.

Hiergegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt und zugleich mit der Behauptung, der Antragsgegner habe seinerzeit von dem Bauträger drei Hauptschlüssel erhalten, von ihm die Herausgabe von zwei weiteren Zentralschlüsseln an die Verwalterin verlangt.

Das Landgericht hat die Beschwerde in der Hauptsache als unzulässig verworfen, weil ein Austausch des Schlosses ihrer Wohnungstür allenfalls 300,00 EUR koste und deshalb der hieran zu orientierende Beschwerdewert von mehr als 750,00 EUR des § 45 Abs. 1 WEG nicht erreicht sei. Dies habe die weitere Folge, dass auch eine Antragserweiterung nicht zulässig sei. Soweit die Antragstellerin sich mit ihrer Beschwerde auch gegen die Kostenentscheidung wegen des erledigten Teils wende, sei das Rechtsmittel aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses nicht begründet.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist unzulässig, soweit die Antragstellerin sich ausweislich ihres Antrags, dem Antragsgegner "sämtliche Kosten des Rechtsstreits" aufzuerlegen, auch dagegen wendet, dass das Landgericht - im Übrigen zutreffend - ihre Erstbeschwerde gegen die Kostenentscheidung des Amtsgerichts wegen des bereits in erster Instanz erledigten Teils als nicht begründet zurückgewiesen hat; denn insoweit ist das Rechtsmittel gem. den §§ 20a Abs. 2, 27 Abs. 2 FGG nicht statthaft.

Im Übrigen ist das Rechtsmittel zulässig; insbesondere ist die 2-wöchige Beschwerdefrist der §§ 22 Abs. 1, 29 Abs. 2 FGG gewahrt. Das Original der Beschwerdeschrift vom 14.06.2004 gegen die am 02.06.2004 zugestellte Entscheidung des Landgerichts ist zwar ausweislich des Eingangsstempels erst am 18.06.2004 bei dem Landgericht eingegangen. Indes hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, dass sie die Beschwerdeschrift am 15.06.2004 und damit rechtzeitig per Fax übermittelt hat. Der Faxsendebericht und der handschriftliche Vermerk "vorab über Fax (Paraphe)" beweisen zwar nicht, dass das Fax auch beim Empfänger angekommen ist; indes gereicht eine etwaige technische Störung bei der Übermittlung den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin nicht zum Verschulden, so dass ihr wegen einer möglichen Versäumung der Beschwerdefrist gem. § 22 Abs. 2 FGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Ferner führt der Umstand, dass das Landgericht die Beschwerde der Antragstellerin als unzulässig verworfen hat, dazu, dass die weitere Beschwerde ohne Rücksicht darauf zulässig ist, ob der Beschwerdewert erreicht ist (vgl. BGH NJW 1992, 3305).

In der Sache hat das Rechtsmittel indes keinen Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis mit Recht die Erstbeschwerde, soweit sie den nicht erledigten Teil betrifft, als unzulässig verworfen. Der Beschwerdewert des § 45 Abs. 1 WEG ist nicht erreicht.

Wegen des Antrags auf Herausgabe des Wohnungsschlüssels stellt die Rechtsbeschwerde die Richtigkeit der tatsächlichen Annahme des Landgerichts nicht in Frage, dass der Austausch des Wohnungsschlosses der Antragstellerin höchstens 300,00 EUR kostet. Nur nach diesem Betrag ist in rechtlicher Hinsicht auch die Beschwer der Antragstellerin für diesen Antrag zu bemessen. Maßgeblich ist nämlich - wie im Zivilprozess - das vermögenswerte Interesse eines Beteiligten an der Abänderung einer Entscheidung zu seinen Gunsten (vgl. z. B. BGH a. a. O.; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Auflage, § 45 Rdn. 27). Zwar ist dann, wenn ideelle Komponenten das Rechtsschutzbegehren mit beeinflussen, eine großzügige Betrachtungsweise angezeigt. Indes kann gerade der Schutz ihrer Wohnung, auf den die Antragsteller in der Rechtsbeschwerde abstellt, mit dem vom Landgericht geschätzten Kostenaufwand von 300,00 EUR für den Austausch eines Schlosses effektiv, dauerhaft und sogar deutlich besser hergestellt werden als mit einer Herausgabe eines Schlüssels, von dem möglicherweise zuvor Duplikate angefertigt worden sind. Eine höhere Bemessung des Beschwerdewertes scheidet daher ersichtlich aus.

Zu bedenken ist indes, ob bei der Bemessung der Beschwer für das einheitlich eingelegte Rechtsmittel wegen der Anfechtung der Entscheidung in der Hauptsache und für die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung betreffend den erledigten Teil möglicherweise eine einheitliche Betrachtungsweise, also entsprechend § 5 ZPO eine Addition beider Werte zu erfolgen hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zwar nach teilweise übereinstimmender Erledigung einer Sache im Zivilprozess der Streitwert nur nach der restlichen Hauptforderung ohne Berücksichtigung der auf den erledigten Teil entfallenden Kosten zu bemessen (vgl. BGH NJW-RR 1995, 1089; Zöller/Gummer, ZPO, 24. Auflage, § 91a Rdn. 16, Stichwort "Erledigung der Hauptsache" mit Nachweisen auch zu der Gegenmeinung). Dies betrifft allerdings den ‚Fall eines Rechtsmittels nur in der Hauptsache. Für den Fall einer Revision gegen eine Entscheidung des Berufungsgericht in der Hauptsache und gegen eine den erledigten Teil betreffende Kostenentscheidung hat der Bundesgerichtshof dagegen den Kostenwert nur deswegen unberücksichtigt gelassen, weil die Kostenentscheidung im Revisionsverfahren nicht mehr überprüfbar ist (vgl. BGH MDR 2001, 648). Für eine Berufung sowohl gegen eine Entscheidung in der Hauptsache wie auch gegen eine auf § 91a ZPO beruhende Kostenentscheidung wird die Auffassung vertreten, dass beide Werte zu berücksichtigen seien (so OLG Rostock OLGReport 2003, 388 = NJOZ 2004, 368 für den Gebührenstreitwert). Ob dem zu folgen ist, wofür gerade im WEG-Verfahren viel sprechen könnte, da sowohl wegen der Anfechtung der Entscheidung in der Hauptsache wie auch für das gegen den Kostenpunkt ein Rechtsmittel, nämlich das der sofortigen Beschwerde eröffnet ist und zu beiden Punkten eine Beseitigung einer erstinstanzlich geschaffenen Beschwer angestrebt wird, kann letztlich offen bleiben; denn auch bei einer Addition beider Werte übersteigt die Beschwer der Antragstellerin nicht den Wert von 750,00 EUR.

Die Kostenbeschwer ist nach der Differenz zu dem ursprünglichen Geschäftswert und dem verbleibenden Geschäftswert in der Hauptsache zu ermitteln. Hierbei sind neben den Gerichtskosten nur die eigenen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin anzusetzen, da das Amtsgericht eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht angeordnet hat. Selbst für den Fall, dass vor Abgabe der Erledigungserklärungen die in dem Protokoll des Amtsgerichts enthaltenen Angaben den Anfall einer Erörterungsgebühr gem. §§ 31 Abs. 1 Nr. 4, 63 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO rechtfertigen, was zweifelhaft ist (vgl. OLG Köln - 11. ZS - OLGReport 2002, 103), ergäbe sich auf der Grundlage des von dem Landgericht zutreffend mit 1.000,00 EUR angesetzten Wertes für den Antrag auf Herausgabe des Zentralschlüssels nur eine Kostendifferenz von 222,28 EUR wie folgende Tabelle deutlich macht:

Gerichtskosten ursprünglicher Geschäftswert 1.300,00 EUR Gebühr gem. §§ 48 WEG, 32 KostO 18,00 EUR x 3 54,00 EUR verbleibender Geschäftswert 300,00 EUR Gebühr gem. §§ 48 WEG, 32 KostO 10,00 EUR x 3 30,00 EUR Differenz 24,00 EUR 24,00 EUR Anwaltskosten der Antragstellerin ursprünglicher Geschäftswert 1.300,00 EUR Gebühren gem. §§ 11, 32 Abs. 1 Nr. 1, 4 BRAGO 105,00 EUR x 2 210,00 EUR Pauschale gem. § 26 BRAGO 20,00 EUR 230,00 EUR 15 % Mehrwertsteuer 34,50 EUR 264,50 EUR verbleibender Geschäftswert 300,00 EUR Gebühren gem. §§ 11, 32 Abs. 1 Nr. 1, 4 BRAGO 25,00 EUR x 2 50,00 EUR Pauschale gem. § 26 BRAGO 7,50 EUR 57,50 EUR 15 % Mehrwertsteuer 8,63 EUR 66,13 EUR Differenz 198,38 EUR 198,38 EUR 222,38 EUR

Zuzüglich der 300,00 EUR wegen des Antrags auf Herausgabe des Wohnungsschlüssels verblieben lediglich 522,38 EUR. Damit überstieg der Wert der Beschwer der Antragstellerin in der Hauptsache nicht den Wert von 750,00 EUR mit der weiteren Folge, dass auch durch die Antragserweiterung in zweiter Instanz der gesetzliche Beschwerdewert nicht erreicht werden konnte (vgl. z. B. BayObLG NZM 2001, 244), wie ebenfalls bereits das Landgericht zutreffend entschieden hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, der unterlegenen Antragstellerin die Gerichtskosten des Verfahrens dritter Instanz aufzuerlegen. Für eine Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten bestand trotz der teilweisen Unzulässigkeit der sofortigen weiteren Beschwerde keine Veranlassung, weil der Senat die übrigen Beteiligten angesichts der eindeutigen Sach- und Rechtslage am Rechtsbeschwerdeverfahren nicht beteiligt hat.

Bei der von dem Beschwerdewert des § 45 Abs. 1 WEG zu unterscheidenden Festsetzung des Geschäftswertes gem. § 48 Abs. 3 WEG sind im Hinblick auf den Antrag der Antragstellerin, die gesamten Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner aufzuerlegen, neben den Gerichtskosten nicht nur die eigenen Anwaltskosten der Antragstellerin, sondern die beiderseitigen zu berücksichtigen. Ferner war - wie bereits im Erstbeschwerdeverfahren - die (unzulässige) Antragserweiterung gem. Ziff. 1 a) der Beschwerdeschrift vom 02.10.2003, welche die Antragstellerin ausweislich ihres Schriftsatzes vom 12.07.2004 weiterverfolgt, mit 1.000,00 EUR in Ansatz zubringen.






OLG Köln:
Beschluss v. 26.07.2004
Az: 16 Wx 130/04


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