Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. November 2007
Aktenzeichen: 26 W (pat) 170/05
(BPatG: Beschluss v. 14.11.2007, Az.: 26 W (pat) 170/05)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Gegen die Eintragung der Marke 303 54 842 LICAFE für die Waren
"Synthetisch hergestellte Süßstoffe und Süßungsmittel; Kasein, Albumin, Milch-, Molke- oder Kaseinhydrolysate, auch in Mischungen oder mit Zusätzen als Zwischenprodukte für gewerbliche Zwecke; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, insbesondere Erwachsenenmilchnahrung, Babykost, insbesondere Säuglingsmilchnahrung; Kaffeeweißer; Mittel aus pflanzlichen Rohstoffen zum Weißen des Kaffees; Milch und Milchprodukte, Sahne, Sahneerzeugnisse, Joghurt, Kefir, Buttermilch, Käse, Käsezubereitungen, Frischkäse, Frischkäsezubereitungen, Quark und Quarkzubereitungen, Butter, Butterzubereitungen, Brotaufstriche auf Milch-, Eiweiß- und/oder Fettbasis; sämtliche vorgenannten Waren (soweit möglich) auch in Instantform; Energy-Drinks auf Milchgrundlage, auch unter Zusatz von Aromatisierungsmitteln und/oder Süßungsmitteln, sämtliche vorgenannten Waren auch in Instantform; fertige Desserts und Speisen auf Milchgrundlage, Molke bzw. deren Bestandteile für Nahrungszwecke (soweit möglich) auch in Instantform; Fertigsuppen und Soßenbinder; Kaffee, Kaffee-Zusätze, nämlich Kaffeearomen und Kaffee-Ersatzstoffe sowie Extrakte aus diesen Produkten, Tee, Tee-Extrakte, Kakao, Schokolade, Schokolade- und Zuckerwaren, insbesondere Riegel, auch unter Zusatz von Milch- und Fruchtprodukten, Nüssen und/oder Getreideprodukten; feine Back- und Konditorwaren; Kaffee-, Kakao- und Schokoladengetränke, auch unter Zusatz von Milchprodukten und/oder Aromatisierungsmitteln und/oder Süßungsmitteln, diese Produkte auch in Instantform; Milchmischgetränke, auch mit Alkoholzusatz; Milchmischgetränke aus Kakao und/oder Malz und/oder Schokolade und/oder Milch; Energy-Drinks, auch unter Zusatz von Kaffee und/oder Kakao, Schokolade und/oder Milchprodukten und/oder Fruchtprodukten und/oder Aromatisierungsmitteln und/oder Süßungsmitteln, sämtliche vorgenannten Waren auch in Instantform; natürliche Süßstoffe und Süßungsmittel; Kaffee-, Kakao- und Schokoladenpräparate für die Herstellung von alkoholfreien Getränken, alkoholfreie Getränke, auch solche unter Zusatz von Kaffee, Kakao, Schokolade, Milchprodukten und/oder Fruchtprodukten, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte"
ist Widerspruch erhoben worden aus der für die Waren
"9 Distributeurs automatiques de cafe 11 Machines electriques pour faire du cafe 21 Cafetières non electriques 30 Cafe 33 Liqueurs au cafe"
in der Bundesrepublik Deutschland geschützten älteren IR-Marke R 600 696 ILLYCAFFE'.
Die Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen, weil zwischen den Marken keine Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG bestehe. Zur Begründung hat sie ausgeführt, ausgehend von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem durchschnittlichen Schutzumfang der Widerspruchsmarke bestehe selbst im Bereich der identischen Ware "Kaffee" nicht die Gefahr von Verwechslungen, weil die Marken in ihrem Gesamteindruck ausreichend unterschiedlich seien. Die Übereinstimmungen der Marken beschränkten sich im wesentlichen auf deren schutzunfähige und deshalb kennzeichnungsschwache Bestandteile "CAFE" bzw. "CAFFE'". Der Verkehr werde sein Augenmerk angesichts des rein warenbeschreibenden Charakters dieser Markenbestandteile verstärkt auf die Wortanfänge "Illy" und "LI" richten, die sowohl klanglich und als auch schriftbildlich deutliche Unterschiede aufwiesen.
Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Sie ist der Ansicht, im Bereich der identischen Ware "Kaffee" sowie der ähnlichen Waren der Klasse 32 reichten die Unterschiede der Marken zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr nicht aus. Der maßgebliche Gesamteindruck einer Marke werde auch durch schutzunfähige und kennzeichnungsschwache Markenteile mitbestimmt, so dass diese bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr nicht von vornherein außer Betracht bleiben dürften. Der in den Marken enthaltenen Bestandteile "CAFFE'" und "CAFE" dürften deshalb nicht vernachlässigt werden. Zudem wiesen auch die Wortanfänge der Marken Übereinstimmungen auf, weil beide die Silbe "LI" enthielten. Bis auf den Anfangsvokal "I" der Widerspruchsmarke seien die Marken klanglich identisch. Bei der mündlichen Bestellung eines Kaffees in einem Cafe seien Verwechslungen in Folge eines Hörfehlers nicht auszuschließen.
Die Widersprechende beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass zwischen den beiderseitigen Waren - abgesehen von "Kaffee" - keine Ähnlichkeit bestehe. Auch die Marken seien nicht ähnlich. Den übereinstimmenden Markenteilen "CAFE" bzw. "CAFFE" komme keinerlei kollisionsbegründende Wirkung zu. Die Anfangsbestandteile "LI" und "ILLY" der beiderseitigen Marken seien nicht nur in schriftbildlicher Hinsicht, sondern auch klanglich deutlich zu unterscheiden. Sowohl in der Silbenzahl als auch in der Vokalfolge bestünden auffällige Unterschiede. Auch die Betonung der Marken sei unterschiedlich.
II Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden erweist sich als unbegründet. Zwischen den Marken besteht nicht die Gefahr von Verwechslungen i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr hat unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu erfolgen, wobei eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren besteht, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Identität bzw. Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen, der Kennzeichnungskraft der älteren Marke sowie der Art des beteiligten Verkehrs und dessen zu erwartender Aufmerksamkeit gegenüber Warenkennzeichnungen (EuGH GRUR Int. 1999, 734 - Lloyd/Loints; BGH GRUR 2005, 513 - Ella May/MEY).
Hiervon ausgehend bedarf es im vorliegenden Fall im Bereich der in beiden Warenverzeichnissen übereinstimmend enthaltenen Ware "Kaffee" eines deutlichen Abstandes der Marken, um eine Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG verneinen zu können. Selbst diesen deutlichen Abstand hält die angegriffene Marke gegenüber der Widerspruchsmarke, bei der von normaler Kennzeichnungskraft auszugehen ist, da eine nachträgliche Steigerung weder behauptet noch nachgewiesen ist, in jeder Richtung ein. Im Bereich der ähnlichen Waren reicht der Abstand der Marken damit erst recht aus.
Die schriftbildlichen Gemeinsamkeiten der Marken sind äußerst gering. Den bildlichen Gesamteindruck einer Marke bestimmen in der Regel die Anfangselemente von Wörtern stärker als die Schlussteile oder die Wortmitte (BPatGE 17, 158, 159 f. - Proctavenon/Pentavenon). Gerade an den Wortanfänge "LI" bzw. "ILLY" weisen die vorliegend zu beurteilenden Marken aber erhebliche, für den angemessen aufmerksamen Durchschnittsverbraucher sofort erfassbare Unterschiede auf, die auch bei einer Einbeziehung der für "Kaffee" rein beschreibenden weiteren Markenteile "CAFE" bzw. "CAFFE'" ein sicheres Auseinanderhalten der Marken gewährleisten.
In klanglicher Hinsicht weisen die Marken ebenfalls keine die Gefahr von Verwechslungen begründende Ähnlichkeit auf. Auch insoweit ist von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass Wortanfänge im Allgemeinen stärker beachtet werden als die übrigen Markenteile. Dies gilt besonders in Fällen, in denen die Endungen nicht markant in Erscheinung treten oder wenig einprägsam gebildet sind (BGH GRUR 1992, 550, 551 - acpharma; GRUR 1999, 735, 736 - MONOFLAM/POLY-FLAM). Ferner ist bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr - auch wenn die weniger kennzeichnungskräftigen Teile einer Marke nicht völlig außer acht gelassen werden dürfen - generell in erster Linie auf die unterscheidungskräftigen und dominanten Elemente der Marken abzustellen (EuGH GRUR 2006, 237 ff., Nr. 19 - Picasso). Dies sind bei den im vorliegenden Fall einander gegenüberstehenden Marken deren Anfangsbestandteile "LI" bzw. "ILLY", weil die weiteren Markenteile "CAFE" bzw. "CAFFE'" für die hier maßgeblichen Waren angesichts ihres beschreibenden Charakters keine bzw. nur eine deutlich verminderte Kennzeichnungskraft aufweisen. Diese Wortanfänge weisen - obwohl sie beide die Silbe "LI" enthalten - keine ausreichende klangliche Ähnlichkeit auf, weil diese übereinstimmende Silbe innerhalb der Widerspruchsmarke nur als unbetonte Mittelsilbe fungiert, während sie in der angegriffenen Marke den betonten Wortanfang bildet. Die Bestandteile "ILLY" und "LI" der beiderseitigen Marken sind auch wegen ihrer unterschiedlichen Silbenzahl klanglich problemlos auseinander zu halten. Angesichts der unterschiedlichen Silbenzahl und der abweichenden Wortanfänge muss insbesondere auch unter ungünstigen Übermittlungsbedingungen nicht mit einem Verhören bei mündlichen Bestellungen in Cafes gerechnet werden. Dies alles gilt auch bei Einbeziehung der beschreibenden Markenteile in den Markenvergleich, weil dann, wenn sich die Gemeinsamkeiten der Marken im wesentlichen auf schutzunfähige oder kennzeichnungsschwache Elemente der älteren Marke beschränken, den abweichenden anderen kennzeichnungsstärkeren Markenteilen sowohl nach der subjektiven Aufmerksamkeit des Verkehrs als auch bei objektiver Bewertung der Kennzeichnungskraft eine stärkere und die Verwechslungsgefahr ausschließende Bedeutung zukommt (BGH GRUR 2000, 605, 606 - comtes/ComTel).
Für eine Verwechslungsgefahr in anderen Richtungen ist weder etwas vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Insbesondere ist die begriffliche Übereinstimmung der Marken in ihren Bestandteilen "CAFE" und "CAFFE'" wegen deren beschreibenden Begriffsgehalts nicht geeignet, eine begriffliche Verwechslungsgefahr oder die Gefahr einer gedanklichen Verbindung der Marken zu begründen. Der Beschwerde muss daher der Erfolg versagt bleiben.
Besondere Umstände, die es als billig erscheinen lassen könnten, einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Widerspruchsverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG aufzuerlegen, sind nicht ersichtlich. Somit bleibt es bei der durch § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG gesetzlich bestimmten Kostenfolge, wonach jeder Verfahrensbeteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt.
Dr. Fuchs-Wissemann Kopacek Reker Bb
BPatG:
Beschluss v. 14.11.2007
Az: 26 W (pat) 170/05
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