Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Dezember 2005
Aktenzeichen: 30 W (pat) 306/03
(BPatG: Beschluss v. 05.12.2005, Az.: 30 W (pat) 306/03)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die am 25. Juli 1998 angemeldete und am 26. November 1998 unter der Nr. 398 43 692 eingetragene Marke Levocarb hat nach Teillöschung noch Schutz für die Waren
"verschreibungspflichtige Arzneimittel, nämlich Medikamente zur Behandlung der Parkinsonschen Krankheit".
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der nachstehenden Widerspruchsmarken, nämlich 1. 39 815 509 Levocomp, die seit 29. Juni 1998 für die Warenpharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Desinfektionsmitteleingetragen ist und 2. der unter der Nr. 2 072 525 seit 25. Juli 1994 eingetragenen Marke LEVOPAR, die für die Waren
"pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege"
geschützt ist. Deren Schutzdauer ist mit Wirkung vom 23. April 2003 verlängert.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat beide Widersprüche zurückgewiesen. Auch die von der Widersprechenden eingelegte Erinnerung blieb ohne Erfolg. Begründend ist im wesentlichen dargelegt, die einander gegenüberstehenden Marken könnten sich zwar auf identischen Waren begegnen, verwechslungsmindernd wirke sich jedoch zum einen die auf Seiten der angegriffenen Marke bestehende Rezeptpflicht aus. Angesichts der Schwere der Krankheit, für die die angegriffene Marke bestimmt sei und im Hinblick auf die geringer wiegende Übereinstimmung der Marken in dem auf den Wirkstoff Levodopa hinweisenden Zeichenteil Levo reichten die Unterschiede zwischen den Zeichen aus, um ein sicheres Auseinanderhalten zu gewährleisten.
Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt und diese mit näheren Ausführungen vor allem darauf gestützt, dass den Widerspruchsmarken insgesamt eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zukomme. Gerade die Kombination von Wirkstoff und Indikation bewirke eine hinreichende phantasievolle Markenbildung. Die Vergleichsmarken seien klanglich sehr ähnlich. Dies gelte sowohl bezüglich der Endsilben PAR zu carb, die jeweils mit Verschlusslauten beginnen und auch noch die identische Buchstabenfolge ar aufwiesen, als auch bezüglich PAR zu comp wegen des identischen c, den einander ähnlichen Vokalen a und o sowie den ebenfalls ähnlichen Konsonanten b und p. Die Zeichen könnten insgesamt nicht sicher genug auseinandergehalten werden.
Die Widersprechende beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie trägt vor, der den Marken gemeinsame Bestandteil Levo sei äußerst kennzeichnungsschwach. Er weise auf vielfältige Wirkstoffe hin, insbesondere im Bereich der Parkinsonmittel auf den Wirkstoff Levodopa. Von daher könne der Zeichenübereinstimmung, insoweit sie auf den ersten beiden Silben beruhe, kaum Bedeutung beigemessen werden. Im restlichen Zeichenteil seien die Unterschiede jedoch hinreichend auffällig.
Die ursprünglich erhobene Nichtbenutzungseinrede hat die Inhaberin der angegriffenen Marke in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufrechterhalten.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, sachlich jedoch nicht begründet. Die Zeichen kommen einander nicht verwechselbar nahe im Sinn von § 9 Absatz 1 Nr. 2 MarkenG, so dass die Markenstelle die Widersprüche zu Recht zurückgewiesen hat.
Die für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr maßgebenden Umstände, insbesondere die Kennzeichnungskraft der älteren Marken, die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Waren und die Ähnlichkeit der Marken selbst führen in der gebotenen Gesamtbetrachtung hier nicht dazu, dass der den Widerspruchsmarken einzuräumende Schutzbereich durch die angegriffene Marke noch als tangiert anzusehen wäre.
Im einzelnen gilt Folgendes:
1. Zugunsten der Widersprechenden kann unterstellt werden, dass die Kennzeichnungskraft beider Widerspruchsmarken im Gesamtbild noch als normal einzustufen ist. Dies beruht vor allem darauf, dass der beschreibende Gehalt, den die Widerspruchsmarken aufweisen, nicht für alle Waren im gleichen Umfang eine Rolle spielt. Allerdings wird der INN Levodopa im Zusammenhang mit Parkinsonmitteln (und soweit ersichtlich nur dort) verwendet, so dass die Kennzeichnungskraft beider Widerspruchsmarken insoweit beeinträchtigt ist, als von ihnen solche Mittel erfasst sind. Insoweit gibt aber auch bei der Widerspruchsmarke LEVOPAR der Markenteil PAR, der abstrakt gesehen keinen Hinweischarakter aufweisen mag, einen sprechenden Hinweis auf Parkinson. Ähnliches gilt für die Widerspruchsmarke Levocomp, bei der der Markenteil comp, als Abkürzung für composition, auf eine Zusammenstellung verschiedener Wirkstoffe hinweist. Speziell bei den Parkinsonmitteln bilden aber Kombinationspräparate eine eigene Untergruppe (2.B.2 der Hauptgruppe 70), in der verschiedene Hersteller bei der Bezeichnung ihrer Präparate auch den Bestandteil comp verwenden.
2. Die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Waren besteht ohne weiteres. Die Widerspruchsmarken umfassen auch die identischen Mittel, die gegen die Krankheit Parkinson eingesetzt werden können.
3. Den unter diesen Umständen zur Vermeidung von Verwechslungen gebotenen Abstand hält die angegriffene Marke in Bezug auf beide Widerspruchsmarken jedoch noch ein, so dass insgesamt keine Verwechslungsgefahr besteht. Dafür sind folgende Gesichtspunkte maßgebend: Bezüglich der identischen Waren, nämlich Mittel zur Behandlung und Linderung der Parkinsonschen Krankheit, wiegt die Übereinstimmung der Marken in dem Bestandteil Levo nur noch gering, da dieser wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, auf den Wirkstoff Levodopa hinweist, der soweit ersichtlich nur im Zusammenhang mit der Parkinsonschen Krankheit Verwendung findet. Hinweise auf diesen Wirkstoff oder gar dessen vollständige Bezeichnung in Parkinsonmitteln bedingen zusätzlich auch eine erhöhte Bekanntheit innerhalb der beteiligten Kreise und zwar nicht nur bei den Fachkreisen selbst (Ärzte und Apotheker), sondern auch bei den interessierten Laien. Verwechslungsmindernd kommt aber auch hinzu, dass die Schwere der Krankheit Parkinson es mit sich bringt, dass die von ihr selbst oder mittelbar Betroffenen eine erhöhte Aufmerksamkeit im Umgang mit Mitteln, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen, anwenden. Diese bedingt zusätzlich auch die bei der angegriffenen Marke im Warenverzeichnis verankerte, bei den Widerspruchsmarken, soweit sie für Parkinsonmittel bestimmt sind, sich aus der Natur dieses Krankheitsbildes ergebenden Rezeptpflicht, die in solchen Fällen auch dann zugrunde gelegt werden kann, wenn sie nicht im Warenverzeichnis verankert ist (vgl. BGH MarkenR, 2000, 258, 261 - IMUNIKE/IMUKIN). Dort hat der Bundesgerichtshof bezüglich Interferon-Präparaten maßgeblich auf die Sicht der verordnenden Ärzte und Apotheker abzustellen gefordert, weil für diese Präparate von Rezeptpflicht auszugehen sei, auch ohne dass dies im Warenverzeichnis verankert werden müsse. Anders als bei anderen Arzneimitteln, bei denen die Rezeptpflicht wegfallen kann, ist dies bei Parkinsonmitteln nicht nahegelegt, sondern eher unwahrscheinlich. Berücksichtigt man aber aus diesem Grund eine beiderseits bestehende Rezeptpflicht, so steht der schriftbildliche Vergleich beider Marken jedenfalls deutlich im Vordergrund. Hier aber halten die beiden Marken ohne weiteres den zu fordernden Abstand ein, da sich die Schriftbilder der in erster Linie zu berücksichtigenden dritten Silben durch verschiedene Ober- bzw. Unterlängen sowohl in der bei Rezepten inzwischen hauptsächlich zu berücksichtigenden Maschinenschrift wie auch in handschriftlicher Wiedergabe sicher genug unterscheiden. Soweit daneben noch eine klangliche Wiedergabe (etwa im Bestellverkehr, wie auch bei der Übermittlung zwischen Arzt und Sprechstundenhilfe oder ähnlichem eine hier allerdings deutlich untergeordnete Rolle spielt, kann auch hier nicht von einer unterdurchschnittlichen oder auch nur normalen mehr oder weniger aufmerksamen Aussprache ausgegangen werden. Vielmehr bringt es die Art der Parkinsonkrankheit mit sich, dass hier aus dem gesteigerten Verantwortungsbewusstsein auch eine sorgfältige Aussprache unterstellt werden muss. Denn der nach der Rechtsprechung des EuGH angesprochene verständige und durchschnittlich informierte Verbraucher, dessen Aufmerksamkeit im Zusammenhang mit Gesundheitsfragen ohnehin bereits gesteigert ist, legt nochmals ein gesteigertes Verantwortungsbewusstsein an den Tag, wenn es um besonders schwere Krankheiten, wie die Parkinsonsche Krankheit, geht. Schließlich ist auch nicht außer Betracht zu lassen, dass der Bestandteil carb in der angegriffenen Marke einen deutlich sprechenden Hinweis auf den ebenfalls bei Parkinsonmitteln eingesetzten Wirkstoff Carbidopa gibt und Kombinationspräparate von Levodopa und Carbidopa nochmals eine eigene Untergruppe bei der Hauptgruppe 70 bilden (2.B.2.2). Dies erleichtert den hier beteiligtern Verkehrskreise zusätzlich die Unterscheidbarkeit.
Aber auch, soweit sich die beiderseitigen Zeichen nicht auf identischen Waren begegnen könnten, wovon nach der nicht mehr aufrechterhaltenen Benutzungseinrede auszugehen ist, halten die Zeichen einen ausreichend sicheren Abstand. Soweit bei solchen anderen Mitteln die ersten beiden Silben der Widerspruchsmarken keinen Hinweis auf einen INN geben, was zugunsten der Widersprechenden zu unterstellen ist, und demgemäss auch nicht von Rezeptpflicht auszugehen ist, stehen solche Waren jedoch zu den Waren der angegriffenen Marke nicht mehr in einem engen Bezug. Der Senat konnte nämlich nicht feststellen, dass es Mittel gibt, die selbst nicht zur Behandlung der Parkinsonschen Krankheit dienen, aber in einem engen Bezug zu dieser Krankheit stehen, als sie etwa wegen unklarer Diagnose oder ähnlichem deutliche Berührungspunkte zu Parkinsonmitteln aufweisen. Soweit die Rote Liste (Ausgabe 2005) unter der Hauptgruppe 70 neben Parkinsonmitteln auch andere Mittel gegen extrapyramidale Störungen umfasst, handelt es sich dabei ausschließlich um ebenfalls rezeptpflichtige Mittel, die auch nur bei entsprechend schwerem Krankheitsbild (Choprea Huntington) in Betracht kommen. In dieser Hauptgruppe kann jedoch die Widersprechende das Zeichen aber ohnehin wohl nur für solche Mittel einsetzen, die den Wirkstoff Levodopa enthalten, da der Zeichenanfang der Widerspruchsmarken wie oben dargestellt, deutlich auf diesen Wirkstoff hinweist. Soweit in anderen Hauptgruppen der Roten Liste weitere INNs eine Rolle spielen, die mit Levo beginnen, halten diese Hauptgruppen aber zur Hauptgruppe 70 einen für den Fachverkehr, aber auch für die hier betroffenen Laien ohne weiteres ersichtlichen recht deutlichen Abstand. Das Krankheitsbild der Parkinsonschen Krankheit scheint insoweit von anderen Erkrankungen auch solchen des Nervensystems hinreichend deutlich abgegrenzt, so dass Überschneidungen von Parkinsonmitteln mit anderen Mitteln jedenfalls nicht ohne weiteres mit in Betracht zu ziehen sind.
Insgesamt ist daher der Schutzbereich der Widerspruchsmarken (bei identischen Waren wegen ihrer Kennzeichnungsschwäche und der Rezeptpflicht, bei den übrigen Waren wegen des deutlichen Warenabstands) nicht stark genug, um ihnen gegenüber der angegriffenen Marke ein Verbietungsrecht gewähren zu können.
Eine Kostenauferlegung ist nicht veranlasst (§ 71 Abs. 1 MarkenG).
Dr. Buchetmann Paetzold Hartlieb Hu
BPatG:
Beschluss v. 05.12.2005
Az: 30 W (pat) 306/03
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