Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. März 2004
Aktenzeichen: 8 W (pat) 704/02

(BPatG: Beschluss v. 16.03.2004, Az.: 8 W (pat) 704/02)

Tenor

Auf den Einspruch der Einsprechenden wird das deutsche Patent 197 58 611 mit folgenden Unterlagen - Patentansprüche 1 bis 11, übergeben in der mündlichen Verhandlung - Beschreibung, Spalten 1 bis 4 und 9, übergeben in der mündlichen Verhandlung, Spalten 5 bis 8 wie Patentschrift - 7 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 7 wie Patentschriftbeschränkt aufrechterhalten.

Gründe

I Das Patent 197 58 611 (Teil aus 197 12 238.8) mit der Bezeichnung "Radial zustellbares rotierendes Schneidwerkzeug" wurde am 24. März 1997 beim Patentamt angemeldet. Mit Beschluss vom 30. November 2000 wurde hierauf das Patent erteilt und am 21. Juni 2001 dessen Erteilung veröffentlicht.

Gegen das Patent hat die Firma I... GmbH & Co. KG H...

in E...

am 21. September 2001 Einspruch erhoben.

Die Einsprechende stützt ihren Einspruch auf folgende Druckschriften:

1. DE 296 22 645 U1, 2. DE 40 15 509 C1.

Am 06. September 2002 (eingegangen am 09. September 2002) stellte die Patentinhaberin den Antrag auf patentgerichtliche Entscheidung.

Mit Eingabe vom 26. Februar 2004 hat die Einsprechende ihren Einspruch zurückgenommen.

Im Verfahren vor dem Patentamt sind zum Stand der Technik noch weitere Druckschriften genannt worden:

3. EP 0 654 315 A1, 4. DE 35 25 516 A1, 5. US 4 789 278.

In der Beschreibungseinleitung ist von der Patentinhaberin zusätzlich noch die 6. DE 40 21 090 A1 aufgeführt worden.

In der mündlichen Verhandlung vom 16. März 2004 vertritt die Patentinhaberin die Ansicht, dass der Patentgegenstand gegenüber der Lehre nach der DE 296 22 645 U1 neu sei und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, da in keiner der Druckschriften das Einbringen von Kühl-/Schmiermittel über eine als Hohlwelle ausgebildete Innenspindel beschrieben sei.

Die Patentinhaberin beantragt sinngemäß, das Patent 197 58 611 mit den in der mündlichen Verhandlung übergebenen Unterlagen sowie Beschreibung Spalte 5 bis 8, 7 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 7, wie Patentschrift, aufrechtzuerhalten.

II 1. Die Voraussetzungen des § 147 (3) Ziffer 2 PatG auf eine patentgerichtliche Entscheidung sind erfüllt. Der Einspruch war vor dem 01. Januar 2002 erhoben worden und eine Ladung durch die Patentabteilung zur mündlichen Verhandlung oder eine Entscheidung über den Einspruch ist innerhalb von zwei Monaten nach Zugang des Antrags nicht zugestellt worden.

2. Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist substantiiert und auf den Einspruchsgrund der fehlenden Patentfähigkeit gestützt. Er ist daher zulässig. Er ist jedoch nur insoweit begründet, als er zur Aufrechterhaltung des Patents in beschränktem Umfang führt.

3. Nach dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentanspruch 1 betrifft der Gegenstand des Patents ein radial zustellbares rotierendes Schneidwerkzeug, mit einer Werkzeugaufnahme (2, 32), die von einer Spindel (6) antreibbar ist und mit einer die Werkzeugaufnahme (2, 32) in Zustellrichtung bewegenden Stelleinrichtung, die eine Steuerfläche (26) hat, der ein Übertragungselement (28, 108) zugeordnet ist, über das bei einer Relativbewegung der Steuerfläche (26) mit Bezug zum Übertragungselement (28, 108) die Werkzeugaufnahme (2, 32) in Stellrichtung verschiebbar ist, mit einer koaxial zur Spindel angeordneten Innenspindel (25), an deren Außenumfang die Steuerfläche (26) ausgebildet ist, wobei die Innenspindel (25) mittels eines Zustellmotors (56) synchron mit der Spindel (6) oder mit einer vorbestimmten Drehzahldifferenz gegenüber der Spindel (6) antreibbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Innenspindel (25) als Hohlwelle ausgeführt ist, so dass Kühl-/Schmiermittel durch die Innenspindel hindurch zu einer Werkzeugschneide führbar ist.

Dem Patentgegenstand liegt gemäß Spalte 2, Zeile 64 bis Spalte 3, Zeile 1 der geltenden Beschreibung die Aufgabe zugrunde, ein radial zustellbares rotierendes Schneidwerkzeug zu schaffen, das eine präzise diskontinuierliche oder kontinuierliche radiale Zustellung bei hoher Zerspanungsleistung mit minimalem vorrichtungstechnischen Aufwand ermöglicht.

Wegen des Wortlauts der geltenden, in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche 2 bis 11 wird auf die Akten Bezug genommen.

4. Der in der mündlichen Verhandlung überreichte Patentanspruch 1 ist zulässig. Er ist auf der Grundlage des erteilten Patentanspruchs 1 formuliert. Hinzugefügt wurden die in Spalte 3, Zeilen 54 bis 58 der Patentschrift offenbarten Merkmale.

Das weitere Merkmal, dass die Innenspindel "koaxial" zur Spindel angeordnet ist, ist ohne weiteres den Figuren (zB Figur 2) zu entnehmen. Die Patentansprüche 2 bis 11 sind mit den erteilten Patentansprüchen 2 bis 11 identisch.

5. Das aufgrund seiner Zweckbestimmung ohne Zweifel gewerblich anwendbare radial zustellbare rotierende Schneidwerkzeug hat gegenüber dem im Verfahren befindlichen druckschriftlichen Stand der Technik als neu zu gelten, denn nach keiner dieser Druckschriften wird das Kühl-/und Schmiermittel durch die Innenspindel geführt.

Bei der DE 40 15 509 C1 ist die Kühlmittelzuleitung nicht durch die Innenspindel hindurch, sondern durch einen Grundkörper geführt und über eine Leitung ins Freie weitergeführt. Das Gebrauchsmuster 296 22 645, dessen Eintragungstag vor dem Anmeldetag des Streitpatents liegt und damit zum Stand der Technik gehört, weist wie die EP 0 654 315 A1, die DE 35 25 516 A1, die US 4 789 278 und die DE 40 21 090 A1 keine Zuführung für das Kühl-/Schmiermittel auf.

6. Das Schneidwerkzeug nach dem Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Bei dem radial zustellbaren rotierenden Schneidwerkzeug ist das Schneidwerkzeug mit einer Spindel und einer koaxial dazu angeordneten Innenspindel versehen, die unabhängig voneinander antreibbar sind. Die Innenspindel trägt an ihrem Außenumfang eine Steuerfläche, der ein auf eine Werkzeugaufnahme wirkendes Übertragungselement zugeordnet ist, damit eine Zustellbewegung des Werkzeugs durchführbar ist. Die Innenspindel ist als Hohlwelle ausgeführt, so dass ein Kühl-/ Schmiermittel durch die Innenspindel hindurch zu einer Werkzeugschneide führbar ist.

Für diese Maßnahme vermittelt der aufgezeigte Stand der Technik dem Durchschnittsfachmann, einem Diplom - Ingenieur (FH) mit Kenntnissen auf dem Gebiet der Herstellung von Schneidwerkzeugen, keine Anregungen.

Aus der DE 296 22 645 U1 geht ein radial zustellbares rotierendes Schneidwerkzeug als bekannt hervor, bei dem die Spindel als Hohlwelle ausgebildet ist, in der eine zu ihr koaxiale Innenspindel angeordnet ist, die in der Spindel mit Hilfe eines Lagers drehbar, jedoch axial unverschiebbar gelagert ist, so dass sie gleichfalls um eine Antriebswellenachse rotieren kann. An einem Ende der Innenspindel ist eine Kurvenscheibe befestigt. Ferner sind zwei Abtastrollen vorgesehen, die die Kurvenscheibe spielfrei zwischen sich aufnehmen.

Während einer Drehbearbeitung rotieren nun Spindel und Innenspindel mit gleicher und konstanter Drehzahl, so daß der Durchmesser des Flugkreises der Werkzeugschneide nicht verändert wird. Eine Verdrehung der beiden Spindeln relativ zueinander erfolgt also nicht. Soll nun während der Drehbearbeitung, d. h. solange die Spindel und die Innenspindel angetrieben werden, der Durchmesser des Flugkreises der Werkzeugschneide verändert werden, werden zunächst die beiden synchron angetriebenen Spindeln relativ zueinander verdreht, d. h. die Veränderung des Durchmessers des Flugkreises der Werkzeugschneide erfolgt über die Verdrehung der Kurvenscheibe. Die Innenspindel ist jedoch nicht als Hohlwelle ausgeführt und in dieser Druckschrift ist auch keine Zuführung von Kühl-/Schmiermittel beschrieben, so dass diese Druckschrift keinen Hinweis auf die patentgemäße Lösung geben kann.

In der DE 40 15 509 C1 ist ein Werkzeughalter beschrieben, der aus einem in der Hauptspindel der Werkzeugmaschine einzuspannenden Grundkörper besteht, auf dem drehbeweglich und konzentrisch zur Hauptspindeldrehachse ein Ringkörper gelagert ist. Am Ringkörper ist ein Bohrstangenkörper angeordnet in dem eine Stellwelle innerhalb und konzentrisch dazu geführt ist. An der Stellwelle ist ein Zustellnocken angeschliffen auf dem ein Druckstift anliegt. Dadurch ist eine Verstellung der Schneidplatte möglich. Zur Befestigung der Schneidplatte wird ein Biegeklemmhalter verwendet. Eine Kühlmittelzuleitung ist durch einen im Grundkörper eingearbeiteten Zylinderraum hindurchgeführt und über eine verengte Leitung ins Freie weitergeführt. Bei diesem Werkzeughalter wird somit die Kühlmittelleitung nicht durch die Stellwelle (Innenspindel) geführt, sondern außerhalb des Werkzeugs. Somit kann auch dieser Druckschrift kein Hinweis auf die Zuführung eines Kühl-/Schmiermittels durch die Innenspindel hindurch entnommen werden.

Mithin hat der Patentanspruch 1 in seiner beschränkten Fassung Bestand.

Die Patentansprüche 2 bis 11 sind als Unteransprüche ebenfalls bestandsfähig, da sie auf Ausgestaltungen des radial zustellbaren rotierenden Schneidwerkzeugs nach Anspruch 1 gerichtet sind.

Die EP 0 654 315 A1, die DE 35 25 516 A1, die US 4 789 278 und die DE 40 21 090 A1 sind in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffen worden. Sie liegen auch weiter ab und können daher keinen Hinweis auf die patentgemäße Lösung geben, wie der Senat überprüft hat.

Kowalski Dr. Huber Kuhn Hübner Cl






BPatG:
Beschluss v. 16.03.2004
Az: 8 W (pat) 704/02


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