Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Oktober 2001
Aktenzeichen: 17 W (pat) 44/00

(BPatG: Beschluss v. 09.10.2001, Az.: 17 W (pat) 44/00)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse H 01 H des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. April 2000 aufgehoben und das nachgesuchte Patent 39 24 988 unter der Bezeichnung "Schaltungsanordnung zur Ansteuerung des Sicherheitsrelais einer elektronisch geregelten Bremsanlage eines Kraftfahrzeugs" mit folgenden Unterlagen erteilt:

Einziger Patentanspruch, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Seiten 3 - 5, überreicht in der mündlichen Verhandlung und ursprünglich eingereichte Seiten 6 bis 9, sowie ursprünglich eingereichte 2 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 2d.

Gründe

I.

1. Die am 28. Juli 1989 beim Deutschen Patentamt eingegangene Patentanmeldung P 39 24 988.3 - 34 mit der Bezeichnung

"Schaltungsanordnung zur Ansteuerung eines Sicherheitsrelais"

wurde am 25. April 2000 durch Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse H01H mit der Begründung zurückgewiesen, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei nicht erfinderisch. Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie ihr Patentbegehren auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Patentanspruchs weiterverfolgt.

Der geltende Patentanspruch lautet:

"Schaltungsanordnung zur Ansteuerung eines Sicherheitsrelais einer elektronisch geregelten Bremsanlage eines Kraftfahrzeugs, mit mindestens zwei in Serie geschalteten, elektronisch betätigbaren Schaltern, insbesondere Transistoren, und mit einer Prüfschaltung, die beim Auftreten eines Fehlers oder einer Störung durch Betätigung der Schalter die Stromversorgung des Sicherheitsrelais unterbricht, wobei die Funktionsfähigkeit der Schalter (T1, T2) und der Prüfschaltung (5) in regelmäßigen Zeitabständen oder bei regelmäßig wiederkehrenden Ereignissen, z. B. bei jedem Einschalten der Motorzündung dadurch überprüfbar ist, daß bei jedem Prüfvorgang die Schalter (T1, T2) unabhängig voneinander auf Durchlaß und Unterbrechung überprüfbar sind, und daß die Prüfschaltung (5) einen Spannungsteiler (R1, R2) aufweist, der derart an die in Serie geschalteten Schalter (T1, T2) angeschlossen ist, daß sich während des Prüfvorgangs an einem Meßpunkt (Mon) des Spannungsteilers (R1, R2) bei ordnungsgemäßer Funktion der Schalter (T1, T2) ein Mittelwert, bei Kurzschluß eines Schalters ein oberer oder unterer Grenzwert einstellt, und daß die Einhaltung des Mittelwerts mit einem an dem Meßpunkt (Mon) angeschlossenen Fensterdiskriminator (6) feststellbar ist, dessen Ausgangssignal (F.D.) über eine Auswertelogik (7) bei ordnungsgemäßem Ablauf des Prüfvorganges die Schalter (T1, T2) betätigt und dadurch das Sicherheitsrelais (1) einschaltet."

2. Der angefochtene Beschluß stützt sich auf die Druckschrift

[1] DE 32 46 385 C2.

Die Anmelderin selbst ist ursprünglich von folgendem Stand der Technik ausgegangen:

[2] DE 26 12 356 C2

[3] DE 32 34 637 A1.

3. Die Anmelderin trägt vor, daß bei Schaltungsanordnungen zur Ansteuerung des Sicherheitsrelais elektronisch geregelter Bremsanlagen in Kraftfahrzeugen bisher schon Sensoren und Bauelemente der Regelung hinsichtlich ihrer Funktionsfähigkeit durch geeignete Prüfschaltungen überwacht würden, damit nicht bei einem Ausfall von Bauelementen des Regelsystems unbeherrschbare Fahrzustände entstünden. Hierbei werde das Sicherheitsrelais über zwei redundante in Serie liegende Schalter (Transistoren) angesteuert, so daß ggfs. die Regelung abgeschaltet werden könne. Die genannten Schalter selbst würden von der Sicherheitsüberprüfung aber nicht erfaßt, so daß bei einem dort evtl. auftretenden Kurzschluß die Bremsregelung weiter eingeschaltet bleibe, und nicht erkannt werde, daß die zur Sicherheit eingeführte Redundanz gar nicht mehr vorhanden sei. Mit der anmeldungsgemäßen Schaltung sei es nun möglich, auch die beiden Schalter unabhängig von einander zu überprüfen. Die Regelung werde nur dann eingeschaltet, wenn das ordnungsgemäße Funktionieren der Schalter sichergestellt sei. Damit werde ein Sicherheitskonzept für elektronisch geregelte Bremsanlagen (ABS) in Kraftfahrzeugen geschaffen, das ein höchstmögliches Maß an Sicherheit biete. Der Stand der Technik gebe hierzu keine Anregung.

Die Anmelderin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

einziger Patentanspruch, überreicht in der mündlichen Verhandlung Beschreibung Seiten 3 bis 5, überreicht in der mündlichen Verhandlung, ursprünglich eingereichte Seiten 6 bis 9, sowie ursprünglich eingereichte 2 Bl. Zeichnungen mit Figuren 1 bis 2d.

II.

Die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig und führt im Umfang des gestellten Antrags zum Erfolg, weil der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 die Kriterien der Patentfähigkeit gemäß §§ 1 bis 5 PatG erfüllt.

1. Der Fachmann, ein Fachhochschulabsolvent der Elektrotechnik mit Berufserfahrung in der Entwicklung von Kfz-Elektronik, entnimmt dem geltenden Patentanspruch eine Überwachungsschaltung für ein Sicherheitsrelais in geregelten Bremskraftanlagen (ABS) von Kraftfahrzeugen. Bei einem evtl. Ausfall von Bauteilen des Regelkreises könnten nämlich lebensgefährliche Fahrzustände entstehen. Um wenigstens noch konventionell bremsen zu können, muß deshalb in solchen Fällen das ABS-System abschaltbar sein. Dies geschieht üblicherweise mittels des gen. Sicherheitsrelais und zwei in Reihe liegender, redundanter Schalter (Transistoren), mit denen beim Auftreten von Störungen das Relais stromlos gemacht wird. Die Schalter können nun aber selbst wieder Ursache für Ausfälle sein, und sollen deshalb gemäß geltendem Patentanspruch regelmäßig, typischerweise beim Einschalten der Zündung, ebenfalls überprüft werden. Dies geschieht in der Weise, daß das Potential am Mittenabgriff (Mon) zwischen beiden Schaltern kontrolliert wird, wobei sich über einen parallel liegenden Spannungsteiler (R1, R2) nach dem Einschalten der Zündung (Zdg) bei ordnungsgemäßem Betrieb ein Mittelwert ergibt, dessen Unter- oder Überschreiten signalisiert, welcher der Schalter einen Kurzschluß hat. Zugleich ergibt sich dadurch die Möglichkeit, durch logische Auswertung der zeitlichen Abfolge von Potentialänderungen nach Betätigung der Zündung zu überprüfen, ob auch die Prüfschaltung fehlerfrei arbeitet. Nur bei ordnungsgemäßem Zustand der Transistoren und der zugeordneten Prüfschaltung wird die elektronische Regelung eingeschaltet.

2. Der geltende Patentanspruch faßt unter redaktioneller Anpassung die ursprünglichen Patentansprüche 1 bis 3 zusammen. Er ist somit durch die Anmeldeunterlagen gedeckt. Insoweit bestehen keine Bedenken.

3. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs ist neu. Keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften beschreibt eine Schaltungsanordnung mit allen in diesem Anspruch angegebenen Merkmalen. Sie beruht zudem auf erfinderischer Tätigkeit, denn sie ergibt sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

In der Druckschrift [2] ist anhand der einzigen Figur eine einschlägige Überwachungsschaltung mit einem Sicherheitsrelais (52) und zwei redundant vorgeschalteten Transistoren (50, 51) für ABS-Systeme in Kraftfahrzeugen beschrieben. Hierbei wird die Funktion der Drehzahl-Sensoren (10 - 13) und der diesen zugeordneten Rechen- und Prüfschaltung durch Vergleich und logische Auswertung der Sensorsignale überwacht (Sp. 5 Z. 66 bis Sp. 6 Z. 37). Bei Auftreten eines Fehlers wird das Sicherheitsrelais 52 durch Sperren eines oder beider Transistoren (51, 52) stromlos, so daß das ABS-System abschaltet.

Der im wesentlichen gleiche Stand der Technik ergibt sich aus der Druckschrift [3] (Figur 3 iVm ihrer Beschreibung und S. 7 Abs. 1 - 3), die ansonsten aber, soweit es die vorliegende Anmeldung anbelangt, nicht über den o.gen. Stand der Technik hinausgeht.

Von diesem Stand der Technik unterscheidet sich der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs dadurch, daß

- die Schalter hinsichtlich ihrer Funktionsfähigkeit, und zwar unabhängig voneinander überprüfbar sind,

- ein Spannungsteiler an die in Serie liegenden Schalter angeschlossen ist - mit einem Fensterdiskriminator feststellbar ist, ob an einem Meßpunkt des Spannungsteilers ein Mittelwert des Potentials nach oben oder unten überschritten wird,

- der Fensterdiskriminator ein Ausgangssignal liefert, das über eine Auswertelogik bei ordnungsgemäßem Ablauf des Prüfvorgangs die Schalter betätigt und dadurch das Sicherheitsrelais einschaltet.

Der Fachmann erfährt zwar aus der Druckschrift [2], daß zur Gewährleistung der Sicherheit sämtliche Elemente der ABS-Regelung und der zugehörigen Prüfschaltungen zu überwachen sind. Deshalb ist bspw. der dort vorgesehene letzte Vergleicher (7, 8), der nicht eigensicher ist, doppelt ausgeführt und jeweils mit einem der redundanten Transistoren (50, 51) verbunden, der bei einem Fehler des Vergleichers gesperrt wird, um so den Stromkreis des Sicherheitsrelais zu unterbrechen. Daß auch die Transistoren selbst fehlerhaft sein können, wird bei diesem Stand der Technik außer Acht gelassen.

Der Fachmann weiß jedoch, daß jede Kontrollmaßnahme ihrerseits wiederum neue Fehlerquellen schafft (Druckschrift [2] Sp. 2 Z. 29 - 42). Er wird daher in seinem Bestreben, die aus den Druckschriften [2] oder [3] bekannte Schaltung noch sicherer zu machen, auch die vorgenannten beiden redundanten Transistoren in analoger Weise in das Sicherungskonzept mit einbeziehen. Hierbei hilft ihm bei der Auffindung der beanspruchten Lösung die Druckschrift [1] aber nur teilweise weiter.

In der Druckschrift [1] ist anhand der Figur eine Schaltungsanordnung zur Überwachung der Schaltfunktion von Halbleiterschaltern beschrieben, die zwecks Überstromsicherung in einer Hochspannungsversorgung ein sog. Hilfsrelais betätigen. Dabei wird die Funktionsfähigkeit beider, in Serie mit dem Relais liegender, redundanter Transistoren während des Betriebs in der Weise überprüft, daß mit einem Fensterdiskriminator in Verbindung mit einem zu den Transistoren parallel liegenden Spannungsteiler durch Mittenabgriff (14) zwischen beiden Schaltern (4, 5) festgestellt wird, ob am Meßpunkt ein bestimmtes mittleres Potential über- oder unterschritten wird. Weiter reicht die Lehre der Druckschrift [1] aber nicht, denn dort ist es mit dem Erkennen der Schalterzustände getan. Es wird lediglich ein Über- oder Unterschreiten des mittleren Potentialniveaus, gleichbedeutend mit einem Kurzschluß im ersten rsp. zweiten Transistor angezeigt und zeitverzögert an eine Zentrale weitergemeldet (12, 13). Weder besteht die Möglichkeit, die Funktionstüchtigkeit der Prüfschaltung (9) selbst mit einzubeziehen, noch greift diese in irgendeiner Weise ein, wenn es um das Aus- und Einschalten des Relais geht. Dies besorgt eine andere Überwachungsschaltung (1, 2, 3), welche die Schalter und das Sicherheitsrelais nach anderen Kriterien (Überstrom im Versorgungsnetz) betätigt.

Der Fachmann erhält somit aus der Druckschrift [1] zwar Hinweise, wie er die redundanten Halbleiterschalter im laufenden Betrieb überprüfen kann. Er erhält daraus aber nicht die Anregung, zuerst - bspw. beim Einschalten der Zündung - zu überprüfen, ob Transistoren und zugehörige Prüfschaltung ordnungsgemäß arbeiten und darauf mittels der vom Fensterdiskriminator gelieferten Signale über eine logische Schaltung die Transistoren zu betätigen, die in der Folge dann das Sicherheitsrelais einschalten und damit erst die elektronische Regelung in Betrieb nehmen.

4. Aus den dargelegten Gründen ist die zweifellos gewerblich anwendbare Schaltungsanordnung zur Ansteuerung eines Sicherheitsrelais einer elektronisch geregelten Bremsanlage eines Kraftfahrzeugs nach dem geltenden einzigen Patentanspruch patentfähig.

Grimm Dr. Greis Püschel Schuster Bb






BPatG:
Beschluss v. 09.10.2001
Az: 17 W (pat) 44/00


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