Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. März 2001
Aktenzeichen: 27 W (pat) 241/99

(BPatG: Beschluss v. 13.03.2001, Az.: 27 W (pat) 241/99)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Den gegen die Eintragung der Markesiehe Abb. 1 am Endein den Farben rot und grau für "Datenverarbeitungsgeräte; Telekommunikation" eingelegten Widerspruch aus der prioritätsälteren Wortmarke 395 05 939 E-TALK eingetragen für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 37, 38 und 42, darunter "Datenverarbeitungsgeräte, Computer" sowie "Fernsprechdienst, insbesondere Mobilfunk, Betrieb eines Telekommunikationsnetzes, insbesondere Mobilfunknetzes" hat die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes durch Beschluß eines Beamten des höheren Dienstes zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, zwischen den einander gegenüberstehenden Dienstleistungen bestehe teils Identität, teils Ähnlichkeit. Die jüngere Marke halte jedoch den daher erforderlichen deutlichen Abstand zur Widerspruchsmarke ein. In ihrer Gesamtheit unterschieden sich die Vergleichsmarken in Wortlänge, Klang und Schriftbild schon durch die abweichenden Wortbestandteile "call emergency call" und "TALK" sowie die graphische Ausgestaltung der angegriffenen Marke deutlich. Selbst wenn man unterstelle, daß das jüngere Zeichen durch den Bestandteil "ecall" geprägt werde, so bestehe zwischen diesem und der Widerspruchsmarke weder eine schriftbildliche noch eine klangliche Ähnlichkeit. Begriffliche Verwechslungen seien auszuschließen, weil zum einen die Bedeutungen von "call" und "TALK" unterschiedlich seien, zum anderen diese Bestandteile der einander gegenüberstehenden Marken als jeweils die relevanten Waren und Dienstleistungen glatt beschreibende und damit allein nicht schutzfähige Angaben nicht Grundlage für die Annahme einer Verwechslungsgefahr sein könnten. Der jeweils übereinstimmende Bestandteil "e" bzw "E" sei nicht prägend und daher nicht geeignet, den Gesamteindruck einer der Marken zu bestimmen. Das "E" in der Widerspruchsmarke trete nicht mit hinreichender Eigenständigkeit als Wortstamm hervor, sondern sei mit dem Begriff "TALK" zu einem einheitlichen Ganzen verschmolzen; es weise daher nicht nach Art eines Serienzeichens auf die Inhaberin der älteren Marke hin und sei demzufolge nicht geeignet, eine Verwechslungsgefahr aufgrund gedanklichen In-Verbindung-Bringens zu begründen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie meint, die jüngere Marke werde durch "ecall" geprägt. Es bestehe die Gefahr klanglicher Verwechslungen, weil "ecall" und "E-TALK" jeweils aus zwei Silben mit demselben Anfang und derselben Vokalfolge bestünden. Auch sei begriffliche Verwechslungsgefahr zu bejahen, weil sowohl "ecall" wie auch "E-TALK" die Bedeutung "e-Gespräch", "e-Anruf" bzw "e-Ruf" hätten. Der Begriff "call" werde im Deutschen ohne weiteres ua als "Telefongespräch" verstanden. Auch das Wort "talk" verstehe der Verkehr als "Gespräch, Telefongespräch".

Jedenfalls sei mittelbare Verwechslungsgefahr gegeben, weil auf dem Gebiet der Telekommunikation der Bestandteil "E" dem von der Widersprechenden betriebenen E-Netz zugeordnet werde und daher den Charakter eines Stammbestandteils habe. Die jeweiligen weiteren Bestandteile "call" bzw "TALK" der einander gegenüberstehenden Marken seien beschreibend und daher kennzeichnungsschwach. Die Beschwerdeführerin sei Inhaberin einer Vielzahl von Marken mit dem Anfangsbestandteil "E", so "e shop", "e store", "E-Handy", "E-Mobil", "E-Phone", "E-Smart", "E-Star", "E-STYLE", "E-Super", "E-Tech", "E-TIME" und "E-World". Selbst wenn der Durchschnittsverbraucher die jüngere Marke nicht unmittelbar dem Unternehmen der Widersprechenden zuordne, so werde er sie wegen des gleichen Aufbaus der Zeichen jedenfalls einem wirtschaftlich mit der Widersprechenden verbundenen Unternehmen zuordnen.

Der Markeninhaber begehrt die Zurückweisung der Beschwerde. Er meint, zwischen den einander gegenüberstehenden Marken gebe es keine begrifflichen Übereinstimmungen und insofern auch keine Verwechslungsgefahr. "Call" bedeute in erster Linie "rufen, besuchen, bezeichnen, nennen", "talk" hingegen "sprechen, reden"; dies sei einem durchschnittlich unterrichteten Anwender der englischen Sprache bekannt. Ein der englischen Sprache Unkundiger werde die Markenwörter nicht übersetzen. Die Gefahr mittelbarer Verwechslungen scheide aus, weil der Buchstabe "E" nicht den Charakter eines Stammbestandteils für die bereits eingetragenen Marken der Widersprechenden habe.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet, weil auch in Anbetracht dessen, daß die mit der jüngeren Marke beanspruchten Waren und Dienstleistungen mit solchen aus dem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der Widerspruchsmarke identisch sind, die angegriffene Marke zur Widerspruchsmarke einen die Gefahr von Verwechslungen mit hinreichender Sicherheit ausschließenden Abstand einhält, so daß die Voraussetzungen des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG nicht vorliegen.

Die Gefahr von Verwechslungen ist von mehreren Komponenten abhängig, die miteinander in Wechselbeziehung stehen, und zwar insbesondere von der Ähnlichkeit oder Identität der Marken, der Ähnlichkeit oder Identität der von ihnen erfaßten Waren und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints), wobei bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Marken auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (EuGH MarkenR 1999, aaO).

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist hinsichtlich der entscheidungserheblichen Waren und Dienstleistungen allenfalls als durchschnittlich anzusehen. Denn sie besteht aus der Kombination der für Telekommunikationsdienstleistungen und die hierfür erforderliche Hardware, zu der auch Datenverarbeitungsgeräte gehören, einzeln glatt beschreibenden Bestandteile "E", das im einschlägigen Bereich als Abkürzung für "electronic" bzw "elektronisch" gebräuchlich ist, und "TALK".

Bei der Prüfung der Ähnlichkeit der Marken ist auf deren jeweiligen Gesamteindruck abzustellen; der Schutz eines einzelnen aus einer Kombinationsmarke herausgelösten Elements ist dem Markenrecht fremd. Allerdings kann einem einzelnen Bestandteil eines Zeichens besondere, das Gesamtzeichen prägende Kennzeichnungskraft beigemessen werden, so daß bei einer Übereinstimmung einer Bezeichnung mit dem so geprägten Zeichen die Verwechslungsgefahr zu bejahen ist (vgl BGH BlPMZ 1996, 415, 416 - Sali Toft; BGH BlPMZ 1998, 524 - ECCO II). Vorliegend ist das jedoch nicht der Fall.

In schriftbildlicher Hinsicht werden die angesprochenen Verkehrskreise, bei denen es sich um die große Masse der Verbraucher handelt, die Marken schon aufgrund der graphischen Gestaltung der jüngeren Marke und aufgrund des Bestandteils "emergency call", der in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung hat, deutlich auseinanderhalten. In klanglicher Hinsicht ist die jüngere Marke, wenn der Verkehr sie mit sämtlichen Wortbestandteilen benennt, ebenfalls aufgrund des Bestandteils "emergency call" deutlich länger als die Widerspruchsmarke, so daß auch in diesen Fällen die Gefahr von Verwechslungen ausscheidet. In den Fällen, in denen sich der Verkehr allein an dem Bestandteil "ecall" orientiert, wird er - im Hinblick darauf, daß der Anfangsbuchstabe "e" bei Waren und Dienstleistungen der hier in Rede stehenden Art ausgesprochen häufig ist - insbesondere auf die folgenden Wörter "call" bzw "TALK" achten, die in klanglicher Hinsicht in den Anfangs- und Endkonsonanten deutlich unterschiedlich sind, was gerade in Anbetracht der Kürze der Wörter dazu führt, daß Verwechslungen in einem rechtlich erheblichen Umfang nicht zu erwarten sind.

In begrifflicher Hinsicht ist zu berücksichtigen, daß die Begriffe "call" und "talk" keine Synonyme sind; "call" bedeutet in erster Linie "rufen, anrufen", "talk" dagegen "sprechen, reden". Auch wenn sie in Nebenbedeutungen mit ein- und demselben deutschen Wort übersetzt werden mögen, so wird in der Regel der Verkehr die unterschiedliche Bedeutung erkennen, zumal durch den vom Verkehr als "Notruf" verstandenen Zusatz "emergency call" in der jüngeren Marke die Bedeutung "rufen" für "call" auch noch besonders nahegelegt wird.

Die Gefahr mittelbarer Verwechslungen scheidet schon deshalb aus, weil der einzig übereinstimmende Bestandteil "e" bzw "E" als einzeln stehender Anfangsbuchstabe bei Marken auf dem vorliegenden Waren- und Dienstleistungssektor extrem häufig (vgl S 3048 bis 3057 des Markenlexikons 2000), damit verbraucht und als Herkunftshinweis nicht geeignet ist. Hinzu kommt seine - als gängige Abkürzung für "electronic" bzw "elektronisch" auf dem entsprechenden Produktsektor - originäre schwache Kennzeichnungskraft.

Auch unter Berücksichtigung dessen, daß die Widersprechende Inhaberin mehrerer Marken ist, die nach dem Muster "Buchstabe "e" bzw "E" + weiteres Wort" gebildet sind, ist es in Anbetracht der Vielzahl für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 38 eingetragener Marken mit dem einzeln stehenden Anfangsbuchstaben "e" bzw "E" und weiteren Bestandteilen auszuschließen, daß der Verkehr in rechtlich erheblichem Umfang diesem Buchstaben in der jüngeren Marke einen Hinweis auf die Widersprechende entnimmt.

Weiter ist zu berücksichtigen, daß - was den für die mittelbare Verwechslungsgefahr zu berücksichtigenden Verkehrskreisen, die fachlich orientiert oder zumindest interessiert sind, eine beachtliche Branchenkenntnis aufweisen und detaliierte Überlegungen anstellen (Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 RdNr 212), nicht verborgen bleiben wird - die angegriffene Marke gerade nicht wie die Marken der Widersprechenden nach dem Muster "e + weiteres Wort" gebildet ist, sondern noch weitere Wortbestandteile aufweist.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Hinsichtlich der Kosten verbleibt es bei der Regel des § 71 Abs 1 S 2 MarkenG. Gründe, hiervon abzuweichen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Albert Richter Schwarzkann wegen Urlaubsnicht unterschreiben.

Albert Friehe-Wich Pü

Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/27W(pat)241-99.1.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 13.03.2001
Az: 27 W (pat) 241/99


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