Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 5. Februar 2009
Aktenzeichen: 18 U 171/07
(OLG Köln: Urteil v. 05.02.2009, Az.: 18 U 171/07)
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 18.08.2006 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt vorbehalten, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger ist Aktionär und Aufsichtsrat der D. , die Telekommunikationsdienstleistungen erbrachte. Auf Antrag der D. AG vom 19.02.2002 wurde durch Beschluss des AG Bonn vom 30.04.2002 das Insolvenzverfahren über deren Vermögen eröffnet. Der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.
Die Schuldnerin gab im Oktober 2001 Namens-Schuldverschreibungen in Höhe von 2 Mio. € ("Schuldverschreibungen A") und im November 2001 weitere Schuldverschreibungen in Höhe von 700.000 € ("Schuldverschreibungen B") aus. In § 7 der jeweiligen Anlagebedingungen wurde die Bestellung von Sicherheiten geregelt und zwar
bei der "Schuldverschreibung A" die Abtretung der "Kundenforderungen aus den vermittelten Callby-Call-Telefongesprächen gegenüber ihren Kunden in Form der Kaufpreisforderung aus dem Factoringvertrag mit der Clearinggesellschaft, der Firma O. GmbH" und bei der "Schuldverschreibung B" die Abtretung der "Kundenforderungen aus Sprachtelefondienstleistungen im Rahmen von Preselectionsverträgen gegenüber denjenigen Kunden, deren Namen bzw. Firma mit den Anfangsbuchstaben A bis K, N und T bis Z beginnen".
Die Abtretung erfolgte jeweils an die T. Treuhand GmbH als Treuhänder.
Der Kläger erwarb in insgesamt vier einzelnen Geschäften, die am 05. und 23.10. sowie am 15. und 23.11.2001 vorgenommen wurden, für 500.000 € Schuldverschreibungen der Serie "A" und sämtliche Schuldverschreibungen der Serie "B". In der Zeit nach Stellung des Insolvenzantrages durch die Schuldnerin am 19.02.2002 sind aus den abgetretenen Forderungen 2.733.157,66 € bei der Schuldnerin eingegangen. Die Zahlungen bezogen sich auf Telefondienstleistungen, die nach dem 17.12.2001 erbracht und abgerechnet worden waren. Der Treuhänder hat in einem vom Landgericht Landshut am 29.09.2005 (23 O 3090/04) gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten Vergleich "sämtliche Ansprüche …, die ihr aus diesem Treuhandverhältnis gegenüber der D. AG in Insolvenz bzw. gegenüber deren Insolvenzverwalter … zustehen…", an den Kläger abgetreten. Der Kläger hatte bereits zuvor mit Schreiben vom 23.06.2003 den Gesamtanleihebetrag gekündigt.
Während der Beklagte zu 1) die Ansprüche der beiden anderen Inhaber der Schuldverschreibungen befriedigt hat, wurde dies gegenüber dem Kläger, der ein Aussonderungsrecht gemäß § 47 InsO geltend gemacht hat, mit der Begründung abgelehnt, dass es sich um eigenkapitalersetzende Darlehen gehandelt habe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Beklagte zu 1) zu Recht die Einrede der Anfechtbarkeit erhoben habe. Es hat die Auffassung vertreten, dass die Anleiheverträge gemäß § 131 InsO anfechtbar seien und deshalb über die Frage, ob es sich bei der Zeichnung der Anleihe durch den Kläger um ein eigenkapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen gehandelt habe, nicht entschieden. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien, der gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil vom 18.08.2006 Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers, der zudem die Klage dahin erweitert, dass er den Insolvenzverwalter auf Schadensersatz wegen Verletzung seines Absonderungsrechtes gemäß § 60 InsO in Anspruch nimmt. Der Kläger meint, dass die Voraussetzungen für eine Insolvenzanfechtung nicht vorgelegen haben, weil die Abtretung der Forderungen bereits mehr als drei Monate vor der Insolvenzantragstellung erfolgt sei. Auch sei die Schuldnerin bis Anfang 2002 nicht insolvenzreif gewesen. Der Beklagte habe dementsprechend auch früher sein Absonderungsrecht anerkannt. Jedenfalls sei er zur Gleichbehandlung verpflichtet, nachdem der Beklagte die Zeichner der anderen Anleihen befriedigt habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Bonn vom 18.08.2006 - 15 O 581/05 - aufzuheben und die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an ihn 1,2 Mio. € nebst 12 % Zinsen aus 250.000,00 € seit dem 05.10.2001, aus weiteren 250.000,00 seit dem 23.10.2001, aus weiteren 400.000,00 € und aus weiteren 300.000,00 € seit dem 23.11.2001 zu bezahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Es handele es sich bei dem Erwerb der Schuldverschreibungen durch den Kläger um kapitalersetzende Leistungen. Den Kläger treffe Finanzierungsverantwortung für die Schuldnerin, weil er unmittelbar und mittelbar über mehr als 25 % des Aktienkapitals verfüge und durch seine Leistungen an die Schuldnerin deren Fortbestand gewährleistet habe. Die Schuldnerin sei auch zumindest seit Oktober 2001 zahlungsunfähig und überschuldet gewesen, was im Einzelnen im Schriftsatz der Beklagten vom 28.07.2008 (Bl. 427 ff. d. A.) dargelegt wird; hierauf, die beigefügten Anlagen sowie die weiteren Erläuterungen in den Schriftsätzen vom 04.12.2008 und 05.01.2009 (Bl. 530 ff., 559 ff. d. A.) wird Bezug genommen. Außerdem sei die Forderungsabtretung jedenfalls gemäß §§ 130 ff. InsO anfechtbar.
II.
Die Berufung ist - auch unter Berücksichtigung der subjektiven Klageerweiterung - zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
1. Die Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 1) durch das Landgericht erweist sich im Ergebnis als zutreffend. Entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung ergibt sich die Anfechtbarkeit der Anleiheverträge allerdings nicht aus § 131 InsO. Die Sicherungsabtretung der Forderungen an die Treuhänderin stellt keine inkongruente Deckung dar, weil der Kläger hierauf gemäß den Anleihebedingungen Anspruch hatte (vgl. BGH, Urteil vom 29.11.2007 - IX ZR 30/07-, Rdnr. 24 ff.). Die Beantwortung der weiteren Frage, ob ein Fall der Anfechtbarkeit gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO vorliegt, hängt im Wesentlichen davon ab, ob die Schuldnerin bereits am 17.12.2001 zahlungsunfähig war, wie die Beklagten dies behaupten. Dies brauchte allerdings nicht aufgeklärt werden, weil die Klage bereits aus anderen, von den Beklagten in erster Linie angeführten Gesichtspunkten, keinen Erfolg hat.
a) Dem Anspruch des Klägers steht jedenfalls der Einwand entgegen, dass es sich bei den von ihm gezeichneten Anleihen um kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen handelt, so dass die Verwertung der hierfür gestellten Sicherheit gemäß § 32a GmbHG analog ausgeschlossen ist. Die Bestimmungen über kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen in den §§ 32a, 32b GmbHG sind sinngemäß auf die AG zu übertragen (Hüffer, AktG, 7. Aufl., 2006, § 57 Rdnr. 16 ff.).
b) Den Kläger traf bei Zeichnung der in Rede stehenden Anleihen im Oktober/November 2001 eine Finanzierungsverantwortung für die Schuldnerin, die Voraussetzung für die Annahme eines kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens eines Aktionärs ist. Er war zu diesem Zeitpunkt so maßgeblich an der Schuldnerin beteiligt, dass er unternehmerischen Einfluss ausüben konnte und er hat diese Finanzierungsverantwortung auch wahrgenommen.
aa) Die maßgebliche Beteiligung von 25 % des Aktienkapitals, die ein unternehmerisches Interesse vermuten lässt (vgl. BGH NZG 2005, 712, 713), hat der Kläger persönlich allerdings zu keinem Zeitpunkt gehalten. Er selbst war (nur) Eigentümer von 2126 von insgesamt 13.752 Aktien, das sind 15,46 %. Ihm sind allerdings weitere Aktien zuzurechnen, so dass er die Schwelle von 25 % des Aktienkapitals insgesamt überschreitet. Dies gilt zum einen für die 705 Aktien, die die J. Beteiligungs GmbH gehalten hat, und zum anderen für den wesentlichen Teil der von dem Mitgesellschafter Dr. A. treuhänderisch gehaltenen 2494 Aktien.
Hinsichtlich der von der J. GmbH gehaltenen Aktien erscheint dem Senat eine Zuordnung zum Kläger nicht zweifelhaft. Mit einem Beteiligung in Höhe von 95 % beherrschte der Kläger diese Gesellschaft. Würde man ihm deren Aktienbesitz im Rahmen der Beurteilung, ob Kapitalersatz vorliegt, nicht zurechnen, würde der Umgehung dieser Regelungen durch willkürliche Aufspaltung der Weg geebnet.
Darüber hinaus sind dem Kläger aber auch 1.995 der insgesamt 2494 der von Herrn Dr. A. treuhänderisch gehaltenen Aktien zuzurechnen. Herr Dr. A. hielt diese Aktien treuhänderisch für einen noch zu findenden künftigen Aktionär oder zur späteren Aufteilung - entsprechend ihrer Beteiligungsquote - an die Aktionäre J. , F. und Y. , so dass dem Kläger 80 % dieser Aktien bei einer Aufteilung zugefallen wären.
Insgesamt sind dem Kläger damit
- eigene Aktien 2.126 - Aktien der J. 705 - Anteil der treuhänderisch von Dr. A. gehaltene Aktien 1.995 4.826
Aktien zuzurechnen. Das sind 35,09 % des Aktienkapitals.
Zu einem im Wesentlichen gleichen Ergebnis kommt man im übrigen, wenn man der Darstellung des Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung folgt, wonach Dr. A. die Aktien "neutral" für einen zukünftigen Investor gehalten habe, dessen Entscheidungen man nicht habe vorgreifen wollen. Wenn diese Aktien im fraglichen Zeitraum aber "neutralisiert" gewesen wären, hätten sie bei Entscheidungen in der Hauptversammlung der Schuldnerin keine Auswirkungen auf die Mehrheit gehabt. Dann hätte der Kläger aber bereits aufgrund der übrigen unter seiner Kontrolle stehenden (2.126 + 705=) 2.831 Aktien über 25,15 % des "nicht neutralisierten" Aktienkapitals von dann noch (13752 - 2.494 =) 11.258 Aktien verfügt.
bb) Über diese erhebliche unmittelbare oder mittelbare Beteiligung hinaus, hat der Kläger auch tatsächlich Finanzierungsverantwortung für die Schuldnerin wahrgenommen und zwar bereits zu Zeiten als die L. noch (bis März 2001) die Mehrheitsgesellschafterin der Schuldnerin war.
Bis 1998 hatten der Kläger und die anderen Mitglieder der "Landshuter Gruppe" (F. , Y. , Dr. A. ) der Schuldnerin Darlehen in Höhe von über 16 Mio. DM zur Verfügung gestellt.
Im Jahr 1998 wurde ein Darlehensverzicht in Höhe von 6.959.642,04 DM erklärt.
Im Jahr 1999 erfolgte die Beteiligung der J. mit nominal 32.250 DM, wofür ein Aufgeld in Höhe von 1,964 Mio. DM gezahlt wurde.
Am 20.12.1999 verpflichtete sich der Kläger - ebenso wie Dr. A. - in einem "Keep Well Agreement" (Anlage B 6, künftig: "KWA") mit der Schuldnerin, dieser Darlehen zur Verfügung zu stellen. In dieser Vereinbarung heißt es (in deutschen Übersetzung):
"Angesichts der finanziellen und wirtschaftlichen Lage von L. D. besteht die Gefahr, dass L. D. entweder bereits überschuldet bzw. zahlungsunfähig ist oder in Zukunft überschuldet bzw. zahlungsunfähig werden könnte, jeweils im Sinne von § 92 Abs. 2 des Aktiengesetzes.
Die Darlehensgeber haben den Wunsch, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Bezug auf L. D. ... zu vermeiden.
In Anbetracht dessen vereinbaren die Parteien dieser Vereinbarung Folgendes:
1. Gewährung von Aktionärsdarlehen. (a) Die Darlehensgeber verpflichten sich hiermit, L. D. ein oder mehrere Aktionärsdarlehen (die ‚Aktionärtsdarlehen’) zu gewähren. Die Höhe des/der Aktionärsdarlehen(s) muss im allgemeinen dem jeweiligen Betrag entsprechen, der zu einem beliebigen Zeitpunkt benötigt wird, um (im Zusammenhang mit dem Rangrücktritt und Verzicht laut Abschnitt 2) (i) die Überschuldung von L. D. oder (ii) die Zahlungsunfähigkeit seitens L. D. zu vermeiden..."
Die J. gab der Schuldnerin im Jahr 2000 ein Darlehen über 10 Mio. DM, das mit einem Rangrücktritt versehen war. Der Umstand, dass dieser Betrag nicht beim Kläger refinanziert wurde, sondern einen Liquiditätsüberschuss der J. aus dem Verkauf von Aktien darstellt, ändert nichts daran, dass die J. dieses Geld der Schuldnerin zur Verfügung stellte, anstatt es als Gewinn an den Kläger auszuschütten.
Abgesehen von den hier interessierenden Schuldverschreibungen in Höhe von 1,2 Mio. € stellte der Kläger der Schuldnerin im Jahr 2001 auch noch einmal denselben Betrag in Form eines Darlehens zur Verfügung.
Schließlich war der Kläger seit März 2001 einer von drei Aufsichtsräten der Schuldnerin, die beiden anderen waren Dr. A. und Herr M. . In dieser Funktion wurde er vom Vorstand, der im Hinblick auf die finanziellen Schwierigkeiten der Schuldnerin für die Fortführung der Gesellschaft auf die Zuwendungen des Klägers angewiesen war, über die geschäftliche Entwicklung fortlaufend unterrichtet.
c) Im Oktober/November, bei Zeichnung der Anleihen durch den Kläger befand sich die Schuldnerin bereits in einer Krise, wie sie § 32a GmbHG voraussetzt. Auch für diese Feststellung kommt es nicht auf die zwischen den Parteien streitige Frage an, ob die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin - so der Beklagte - erst am 22.01.2002, oder bereits im Herbst/Winter 2001 eingetreten ist, denn Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft ist zwar eine hinreichende, keineswegs aber eine notwendige Voraussetzung für die Feststellung einer Krise. Die Schuldnerin war bereits bei Zeichnung der ersten Anleihe durch den Kläger überschuldet i. S. des § 19 InsO.
aa) Grundsätzlich ist es zwar zutreffend, wenn der Kläger geltend macht, dass die Feststellung der Überschuldung i. S. des § 19 InsO a. F. - § 19 InsO n. F. gilt gemäß § 103 d EGInsO nur für Insolvenzverfahren, die seit dem 01.11.2008 eröffnet worden sind - nicht gleichbedeutend mit der Überschuldung ist, wie sie sich aus der Handelsbilanz ergibt, und sie deshalb regelmäßig nur anhand eines gesonderten Überschuldungsstatus festsgestellt werden kann (BGH, Urteil vom 08.01.2001 - II ZR 88/99 -, Rdnr. 9f.). Die Handelsbilanz hat aber indizielle Bedeutung für die insolvenzrechtliche Überschuldung, wenn der Insolvenzverwalter die Ansätze der Handelsbilanz daraufhin überprüft und erläutert, ob und ggf. in welchem Umfang stille Reserven oder sonstige daraus nicht ersichtliche Veräußerungswerte vorhanden sind. Dabei muss er nicht jede denkbare Möglichkeit ausschließen, sondern nur naheliegende Anhaltspunkte - beispielsweise stille Reserven bei Grundvermögen - und die von dem Gesellschafter oder Geschäftsführer insoweit aufgestellten Behauptungen widerlegen (BGH, Urteil vom 07.03.2005 - II ZR 138/03 -, Rdnr. 5f.; Beschluss vom 05.11.2007 - II ZR 262/06 -). So liegt der Fall hier, denn die Bilanz der Schuldnerin zum 31.12.2000 (Anlage A 3) weist einen durch Eigenkapital nicht gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 44.452.597,43 DM auf. Über erhebliche - materielle oder immaterielle - Vermögenswerte, hinter denen sich stille Reserven verbergen könnten - verfügte die Schuldnerin nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten nicht.
bb) Die Überschuldung der Schuldnerin wird auch nicht durch das KWA ausgeschlossen, denn dieses war im Oktober 2001 und danach wertlos. Dies folgt daraus, dass für die Schuldnerin keine positive Fortführungsprognose mehr gestellt werden konnte. In der Insolvenz, für deren Vermeidung es Ende 2000 zwar noch Hoffnungen, aber keine tragfähigen Tatsachen mehr gegeben hat, war das KWA aber nichts wert.
Das Oberlandesgericht München hat in seinem rechtskräftigen Urteil vom 02.02.2005 (20 U 2976/04) entschieden, dass das KWA nur für den Fall der Fortführung der Schuldnerin gelten sollte und hieraus deshalb in der Insolvenz der Schuldnerin keine Ansprüche gegen u. a. den Kläger abgeleitet werden könnten. Den überzeugenden Überlegungen des Oberlandesgerichts München schließt sich der Senat an. Daraus folgt aber, dass dem KWA nur solange ein - die Feststellung der Überschuldung der Schuldnerin entgegenstehender - Wert beigemessen werden konnte, wie eine positive Fortführungsprognose für diese bestanden hat.
Eine solche positive Fortführungsprognose bestand jedenfalls ab Oktober 2001 nicht mehr. Entscheidend für die Fortführungsprognose ist eine Zahlungsfähigkeitsprognose, d. h. die Prognose, dass für einen Zeitraum von zwei Jahren die Zahlungsfähigkeit gesichert ist, wobei neben der Innenfinanzierung der Gesellschaft nur nachweislich verfügbare Möglichkeiten der Außenfinanzierung (Eigenkapitalzufuhr, Gesellschafterdarlehen, Kredite usw.) berücksichtigt werden dürfen (vgl. Drukarczyk, in: MünchKomm-Inso, 2. Aufl., 2007, § 19 Rdnr. 53). Auf der Grundlage des Vortrags des Klägers ist eine solche positive Zahlungsfähigkeitsprognose nicht möglich. Er führt im wesentlichen "Hoffnungswerte" an, denn um nichts anderes handelt es sich bei den verschiedenen Interessenten für eine Investition oder den für das Jahr 2002 beabsichtigten Gang an die Börse. Die Gesellschaft konnte im Herbst 2001 nicht im Sinne einer verlässlichen Planungsgrundlage davon ausgehen, dass ihr hierdurch in einem bestimmten Umfang Kapital zufließen würde, weil es keinerlei verbindliche Zusagen gab. Sämtliche Hoffnungen in diese Richtung erwiesen sich - möglicherweise infolge der Einbrüche am Kapitalmarkt nach dem 11.09.2001 - als verfehlt. Dementsprechend kann der Kläger auch nicht erläutern, welche wesentlichen Umstände sich in der Zeit zwischen der Zeichnung der ersten Anleihe am 05.10.2001 und der auch nach seiner Auffassung am 22.01.2002 eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geändert haben. Wenn sich die Sachlage in dem Zeitraum Oktober 2001 bis zum 22.01.2002 nicht wesentlich geändert hat, kann angesichts der am Ende dieses Zeitraums unstreitig gegebenen Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin aber schon am Anfang keine positive Prognosemehr möglich gewesen sein.
Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung liegt die Darlegungslast für eine positive Fortführungsprognose bei ihm. Dies ergibt sich aus der allgemeinen Regel, dass jede Partei grundsätzlich die Voraussetzungen der für sie günstigen Normen, hier § 19 Abs. 2 S. 2 InsO - darzulegen hat (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.02.2008 - I-15 U 10/07 -, Rdnr. 123 (juris)). Der Senat erkennt die Schwierigkeiten die mit dieser Verteilung der Darlegungs- und Beweislast verbunden sind, sieht jedoch keine Grundlage dafür, deswegen zu einer Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast dahin zu kommen, dass die Beklagten darlegen müssten, dass keine günstige Fortführungsprognose bestanden habe. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Beklagten auch nicht über wesentlich bessere Erkenntnismöglichkeiten verfügen als der Kläger, denn sie kennen die Situation nur aufgrund der dem Beklagten zu 1) vorliegenden Geschäftsunterlagen, nicht aber - anders als der Kläger, der im fraglichen Zeitraum immerhin Aufsichtsrat der Schuldnerin war - aus eigenem Erleben. In diese Unterlagen hätte bei Bedarf aber auch der Kläger Einsicht nehmen können. Rechnung getragen werden kann den Darlegungsschwierigkeiten desjenigen, der sich auf eine günstige Fortführungsprognose beruft, allein dadurch, dass an die Substantiierung des Vortrags keine (zu) hohen Anforderungen gestellt werden. Aber auch diesen niedrigen Anforderungen ist der Kläger in keiner Weise gerecht geworden, denn er hat allein auf Hoffnungen abgestellt, wo es auf gesicherte Erwartungen ankommt. Eine auf diesen Vortrag des Klägers ergehende Beweisanordnung würde nichts anderes als "Amtsermittlung" bedeuten, die dem Zivilprozess aber fremd ist.
cc) Der kapitalersetzende Charakter der gewährten Darlehen ist auch nicht aus sonstigen Gründen zu verneinen. Die Anleihen wurden allerdings außer vom Kläger und dem Mitaktionär F. auch noch von einer an der Gesellschaft nicht beteiligten Frau N. in Höhe von 500.000 € gezeichnet. Auch den Mitaktionär F. traf aufgrund seiner geringen Beteiligung auch aus Sicht des Beklagten keine Finanzierungsverantwortung. Die Anleihen waren durch Abtretungen werthaltiger Forderungen gesichert. Die Möglichkeit, werthaltige Sicherheiten für ein Darlehen zur Verfügung zu stellen und deswegen auf dem Kapitalmarkt noch Kapital aufnehmen zu können, spricht allerdings grundsätzlich gegen eine Krise i. S. des § 32a GmbHG (vgl. BGH., Beschluss vom 05.11.2007 - II ZR 298/06 -, DStR 2007, 2337). Auf die Frage der "Kreditunwürdigkeit" kommt es aber im - hier gegebenen - Fall der Überschuldung nicht an (BGH NZG 2004, 620, 621; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG 18. Aufl., 2006, § 32a Rdnr. 49), weil dann zusätzliche Fremdmittel, die nicht von vorneherein mit einem Rangrücktritt belegt sind, nur zu einer Intensivierung des Insolvenzgrundes "Überschuldung" führen.
Auch der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung angeführte Gesichtspunkt, dass kurzfristige Finanzhilfen ("Überbrückungskredite") nicht in den Anwendungsbereich des § 32a GmbHG fallen sollen, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Der Bundesgerichtshof hat seine Entscheidung vom 26.03.2984 - II ZR 171/83 - (NJW 1984, 1893), auf die sich der Kläger berufen hat, inzwischen deutlich relativiert. Die zeitliche Grenze für einen "Überbrückungskredit" liegt danach bei einem Zeitraum von drei Wochen, wie er sich aus § 64 Abs. 1 S. 1 GmbHG ergibt. Schon danach hatte die vom Kläger gezeichnete Anleihe, die mindestens bis zum 31.03.2002 lief, nicht den Charakter eines "Überbrückungskredits".
Schließlich ist dem Beklagten zu 1) die Berufung auf den eigenkapitalersetzenden Charakter der Anleihe auch nicht aus Gründen der Gleichbehandlung mit den beiden anderen Zeichnern der Anleihe verwehrt. Eine unzulässige Ungleichbehandlung liegt nicht vor, denn zwischen dem Kläger und den beiden anderen Geldgebern besteht ein wesentlicher Unterschied: Nur den Kläger trifft aufgrund des Umfangs seiner Beteiligung eine Finanzierungsverantwortung, die die analoge Anwendung des § 32a GmbHG überhaupt erst rechtfertigt.
2. Im Hinblick darauf, dass dem Kläger ein Aus- oder Absonderungsrecht gegen den Beklagten zu 1) nicht zusteht, kann auch der auf eine Verletzung eines solchen Rechts gestützte Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 2) keinen Erfolg haben.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
IV.
Die Revision wird zugelassen. Von streitentscheidender Bedeutung ist u. a. die Frage, unter welchen Voraussetzungen auch bei einer unmittelbaren Beteiligung von weniger als 25 % des Aktienkapitals von einer Finanzierungsverantwortung eines Aktionärs ausgegangen werden kann. Zwar hat der Gesetzgeber § 32a GmbHG mit Wirkung zum 01.11.2008 aufgehoben und durch Regelungen in der Insolvenzordnung ersetzt, für die es auf den kapitalersetzenden Charakter eines Gesellschafterdarlehens nicht mehr ankommt. Aufgrund der Übergangsregelung in Art. 103d EGInsO wird § 32a GmbHG aber noch für geraume Zeit Anwendung finden, so dass sich die hier aufgeworfene Frage auch noch in weiteren Fällen stellen kann.
V.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.2 Mio. € festgesetzt.
OLG Köln:
Urteil v. 05.02.2009
Az: 18 U 171/07
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