Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. November 2000
Aktenzeichen: 10 W (pat) 107/99

(BPatG: Beschluss v. 13.11.2000, Az.: 10 W (pat) 107/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Patentabteilung 16 - vom 28. Juni 1999 aufgehoben.

Gründe

I.

Auf eine Anmeldung vom 1. Dezember 1994 ist ein Patent mit der Bezeichnung "Auf- bzw. Unterlage (Pad)" erteilt worden. Veröffentlichungstag der Erteilung ist der 19. Juni 1997. Das Patent umfaßt 13 Ansprüche. Anspruch 1 lautet:

1. Auf- bzw. Unterlage (Pad) mit einer Trägerschicht (2) und einer auf der einen Seite der Trägerschicht (2) angeordneten dünnen Anti-Rutschbeschichtung (3) bestehend aus einem direkt und ohne den Einsatz eines Haftvermittlers auf die Trägerschicht aufgebrachten, bei normalen Belastungen des Pad annähernd abriebsicheren, Siliconkautschuk aufweisenden Haftmaterial, wobei die Trägerschicht (2) eine Stärke von weniger als etwa 2 mm, vorzugsweise weniger als etwa 1 mm besitzt, und die Anti-Rutschbeschichtung (3) mit einer im Vergleich zur Trägerschicht (2) relativ geringen Stärke von etwa 0,1 mm bis etwa 0,8 mm, vorzugsweise von etwa 0,1 mm bis etwa 0,3mm aufgetragen ist.

Gegen das Patent ist am 19. September 1997 Einspruch erhoben worden mit dem Antrag, das 44 42 748 gemäß § 21 PatG zu widerrufen. Die Einsprechende hat sich zur Begründung ihrer Ansicht, daß der Gegenstand des angegriffenen Patents der erfinderischen Tätigkeit entbehre, auf drei offenkundige Vorbenutzungen A, B und C sowie die Druckschriften DE 24 55 318 (A1) und DE 37 18 453 (A1) gestützt. Zur offenkundigen Vorbenutzung A hat sie vorgetragen, daß die U. ... Ges. m. b. H. bereits seit 1992 Maus-Pads herstelle, die aus einer Trägerschicht aus PVC-Kunststoff mit einer Stärke von weniger als 2 mm und einer auf der Unterseite der Trägerschicht direkt ohne den Einsatz eines Haftvermittlers aufgebrachten Anti-Rutschbeschichtung aus PVC-Polymerisat bestünden, wobei die aufgebrachte Schicht eine Stärke von etwa 0,04 mm aufweise. Die Maus-Pads seien seit 1992 ohne Vorbehalt der Geheimhaltung in großen Stückzahlen an Kunden ausgeliefert worden. Für die Richtigkeit dieser Tatsachen werde Beweis durch das Zeugnis des Inhabers der Firma U. ... Ges. m. b. H. angeboten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Einsprechenden wird auf den Inhalt der Einspruchsschrift verwiesen.

Die Patentinhaberin hat demgegenüber ausgeführt, daß der Einspruch unbegründet sei, weil das angegriffene Patent sowohl gegenüber den Vorbenutzungen als auch dem von der Einsprechenden genannten druckschriftlichen Stand der Technik neu und erfinderisch sei.

Durch Beschluß vom 28. Juni 1999 hat die Patentabteilung 16 des Deutschen Patent- und Markenamts den Einspruch als unzulässig verworfen, weil es die Einsprechende versäumt habe, die konkreten Umstände anzugeben, aus denen sich die behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen nicht nur nach Art und Zeit, sondern auch hinsichtlich ihres Zugänglichwerdens für die Öffentlichkeit nachvollziehbar ergäben. Dazu hätte vorgetragen werden müssen, welche Personen auf welche Art und Weise von dem Gegenstand der offenkundigen Vorbenutzung vor dem Anmeldetag Kenntnis erlangt hätten. Die Einsprechende habe aber nur ganz allgemein behauptet, daß die Maus-Pads an Kunden geliefert worden seien. Auch das pauschale Zeugenangebot reiche nicht aus, weil der mangelnde Tatsachenvortrag durch die Zeugenaussagen nicht behoben werden könne.

Mit der Beschwerde macht die Einsprechende geltend, daß die von ihr beschriebene Vorbenutzung durch die vorbehaltlose Lieferung an Kunden öffentlich zugänglich geworden sei. Eine Nennung von Namen sei nach der Rechtsprechung nicht erforderlich. Sie habe sich auch mit allen Merkmalen des Gegenstandes des Anspruchs 1 des angegriffenen Patents befaßt und aufgezeigt, in welcher Hinsicht sie diese bei den vorbenutzten Mauspads verwirklicht sehe.

Die Einsprechende beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Zulässigkeit des Einspruchs festzustellen.

Der Patentinhaber, auf den das angegriffene Patent am 5. April 2000 umgeschrieben worden ist, beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, daß Aussagen wie "vor dem Anmeldetag" oder "seither" nicht geeignet seien, den Zeitpunkt der Vorbenutzung genau anzugeben und damit eine Offenkundigkeit vor dem Anmeldetag nachprüfbar zu machen. Die Patentabteilung habe den Einspruch daher mit zutreffender Begründung als unzulässig erachtet.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Die Patentabteilung hat den Einspruch als unzulässig verworfen, obwohl der Gesichtspunkt der Unzulässigkeit im Verfahren vor dem Patentamt weder von der Patentinhaberin selbst geltend gemacht worden ist noch die Patentabteilung vor der Beschlußfassung zu erkennen gegeben hat, daß sie die zur Begründung des Einspruchs vorgebrachten Tatsachen nicht gemäß § 59 Abs. 1 Satz 4 und 5 PatG für ausreichend hält. Der angefochtene Beschluß ist damit unter Verletzung des rechtlichen Gehörs der Einsprechenden ergangen (vgl auch BPatG Mitt. 1989, 163, 164; BPatGE 31, 176).

Ungeachtet dieses Verfahrensmangels halten die Ausführungen der Patentabteilung aber auch in der Sache der rechtlichen Überprüfung nicht stand, denn der Einspruch gegen die Erteilung des Patents P 44 11 467 ist in einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Weise begründet worden.

Nach § 59 Abs. 1 Satz 4 und 5 PatG sind die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, innerhalb der Einspruchsfrist im einzelnen anzugeben. Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn die für die Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrundes maßgeblichen Umstände so vollständig dargelegt sind, daß der Patentinhaber und das Patentamt daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen des Widerrufsgrundes ziehen können (BGH GRUR 1972, 592 "Sortiergerät"; 1987, 513 "Streichgarn"; 1988, 364 Epoxidationsverfahren"; 1993, 651 "Tetraploide Kamille").

Diesen Anforderungen an die Begründungspflicht ist die Einsprechende in jeder Hinsicht nachgekommen. Sie hat ihre Behauptung, das angegriffene Patent entbehre aufgrund offenkundiger Vorbenutzungen der erfinderischen Tätigkeit, durch die genaue Schilderung des Gegenstandes der Benutzung belegt und auch im einzelnen angegeben, wo, wann, wie und durch wen die vorbenutzten Gegenstände der Öffentlichkeit zugänglich gemacht geworden ist (vgl BGH GRUR 1987, 513 "Streichgarn"; 1997, 740 "Tabakdose"; BPatG Mitt 1990, 35). Zu dem Mauspad gemäß der Vorbenutzung A hat die Einsprechende vorgetragen, daß es aus einer Trägerschicht aus PVC-Kunststoff mit einer Stärke von weniger als 2 mm bestehe. Auf der Unterseite der Trägerschicht sei eine dünne Anti-Rutschbeschichtung aus einem wässrigen PVC-Copolymerisat angebracht und zwar direkt ohne den Einsatz eines Haftvermittlers. Hinsichtlich des für die Anti-Rutschbeschichtung verwendeten PVC-Copolymerisats hat die Einsprechende darauf verwiesen, daß es in seinen physikalischen Stoffeigenschaften dem patentgemäßen Silikonkautschuk entspreche und daher nach der Beschreibung Spalte 3 Zeilen 8-14 des angegriffenen Patents statt des Silikonkautschuks als Material für die Ant-Rutschbeschichtung eingesetzt werden könne. Das Merkmal der im Verhältnis zur Dicke der Trägerschicht geringeren Dicke der Anti-Rutschbeschichtung hat die Einsprechende bei dem vorbenutzten Mauspad ebenfalls als erfüllt dargestellt, wobei der patentgemäße Abmessungsbereich aus ihrer Sicht nicht zur erfinderischen Leistung beiträgt. Damit hat die Einsprechende zu allen Merkmalen des Anspruchs 1 des angegriffenen Patents Stellung genommen und diese in Bezug zu dem vorbenutzten Gegenstand gesetzt.

Auch die Umstände und der Zeitpunkt des öffentlichen Zugänglichwerdens des Mauspads gemäß der Vorbenutzung A sind von der Einsprechenden nachvollziehbar dargelegt worden. Sie hat innerhalb der Einspruchsfrist ausgeführt, daß das betreffende Mauspad bereits seit 1992 von der U.... Ges.m.b.H. in K... hergestellt und an Kunden ausgeliefert worden sei. Damit ist entgegen der Ansicht des Patentinhabers nicht offengelassen worden, wann der Gegenstand der Vorbenutzung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist (vgl dazu auch BPatGE 3, 167, 169; 9, 192, 194)., denn der von der Einsprechenden genannte, ca zwei Jahre vor dem Anmeldetag liegende Zeitpunkt bezieht sich nicht nur auf die Herstellung, sondern auch auf die Auslieferung der Mauspads. Mit dem weiteren Vortrag, daß die Mauspads ohne Vorbehalt in großer Stückzahl an Kunden geliefert worden seien, wofür die Einsprechende Zeugenbeweis angeboten hat, ist auch konkret dargelegt, daß ein beliebiger Personenkreis vor dem Anmeldetag von dem Gegenstand der Vorbenutzung Kenntnis nehmen konnte. Soweit die Patentabteilung Angaben darüber verlangt, welche Personen auf welche Art und Weise von der Vorbenutzung Kenntnis erlangt haben, überschreitet sie den Rahmen der für die Zulässigkeit des Einspruchs erforderlichen Angaben. Für die Darlegung der öffentlichen Zugänglichkeit von Gebrauchsartikeln, die sich ihrer Art nach an breite Abnehmerkreise wenden, wie es bei Mauspads der Fall ist, genügt die Angabe, daß sie ohne Geheimhaltungsvorbehalt an eine Vielzahl von Kunden geliefert worden sind, denn damit liegt es auf der Hand, daß beliebige Dritte den betreffenden Gegenstand auf seine Merkmale untersuchen und sich Kenntnis von dem Wesen der Erfindung verschaffen konnten (vgl BPatGE 31, 174, 175). Die namentliche Benennung der Kunden spielt hier für die behauptete Tatsache der Offenkundigkeit keine Rolle, anders dies unter Umständen bei Einzelanfertigungen der Fall sein mag, die in Zusammenarbeit mit einem bestimmten Auftraggeber hergestellt und nur an diesen geliefert werden (vgl auch Busse, PatG, 5. Aufl, § 59 Rdn. 92).

Ob die Behauptung der Einsprechenden, daß sie Mauspads mit den im einzelnen geschilderten Merkmalen vor dem Anmeldetag an Kunden geliefert hat, tatsächlich zutrifft, ist eine ebenso eine Frage der Begründetheit des Einspruchs wie die Beurteilung, ob der vorbenutzte Gegenstand der Patentfähigkeit des angegriffenen Patents entgegensteht.

Bühring Dr. Schermer Schuster Pr






BPatG:
Beschluss v. 13.11.2000
Az: 10 W (pat) 107/99


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