Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Januar 2006
Aktenzeichen: 19 W (pat) 2/05

(BPatG: Beschluss v. 30.01.2006, Az.: 19 W (pat) 2/05)

Tenor

Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der Patentabteilung 51 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Oktober 2002 aufgehoben und das Patent 40 03 280 gemäß Hilfsantrag 2 mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 5, überreicht in der mündlichen Verhandlung, 8 Seiten Beschreibung, überreicht in der mündlichen Verhandlung, 1 Blatt Zeichnungen, wie Patentschrift.

Gründe

I.

Das Deutsche Patent- und Markenamt - Patentabteilung 51 - hat das auf die am 3. Februar 1990 eingegangene Anmeldung erteilte Patent 40 03 280 mit der Bezeichnung "Sicherheitseinrichtung für Kraftfahrzeuge", im Einspruchsverfahren durch Beschluss vom 11. Oktober 2002 mit der Begründung aufrechterhalten, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 patentfähig sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet unter Einfügung der nummerierten Gliederungsbuchstaben O1) bis O3) und K1), K2) entsprechend einer Merkmalsanalyse der Einsprechenden:

"Sicherheitseinrichtung für Kraftfahrzeuge, O1) mit einem im oder am Kraftfahrzeug installierten stationären Transponder zum Erzeugen eines Fragecodesignals und O2) mit einem tragbaren Transponder zum Empfang des Fragecodesignals und Aussenden eines Antwortcodesignals und O3) mit einem Codesignalvergleicher, der bei Übereinstimmung des Antwortcodesignals mit einem erwarteten Codesignal ein Entsicherungssignal an eine Entsicherungseinrichtung liefert, dadurch gekennzeichnet, K1) dass nur einer der Sender der beiden Transponder sein Codesignal über eine kurze Reichweite und K2) dass der andere Sender sein entsprechendes Codesignal über eine relativ große Reichweite aussendet."

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 nach Hauptantrag dadurch, dass an das Merkmal

"wobei der stationäre Transponder sein Fragecodesignal mit geringer Reichweite aussendet."

angehängt ist.

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 nach Hauptantrag dadurch, dass an ihn die mit den nummerierten Gliederungsbuchstaben K3) und K4) versehenen Merkmale

"K3) dass der tragbare Sender auch durch einen im Innenraum des Kraftfahrzeugs angeordneten und/oder bedienbaren Innen-Schalter auslösbar ist, durch den der stationäre Transponder zum Aussenden eines Befehlssignals für ein Zusatzsignal großer Reichweite an den transportablen Transponder veranlasst wird, und K4) dass der tragbare Sender bei Empfang des Befehlssignals ein Signal aussendet, das sich vom Antwortcodesignal unterscheidet."

angehängt sind.

Mit den im jeweiligen Patentanspruch 1 nach allen Anträgen angegebenen Merkmalen soll die Aufgabe gelöst werden, eine Sicherheitseinrichtung der oberbegrifflichen Art zu schaffen, bei der unter Beibehaltung der Abhörsicherheit eine weitergehende Nutzung der beiden Sender, insbesondere für Zwecke möglich ist, die mit der Benutzung des Kraftfahrzeugs im Zusammenhang stehen (Streit-PS Sp. 1 Z. 28 bis 33 bzw. S. 2 Abs. 2 der zum Hilfsantrag 1 und 2 eingereichten Beschreibung).

Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, die als ältere Anmeldung gemäß § 3 Abs. 2 zu berücksichtigende DE 39 00 494 A1 zeige in Figur 2 Ferritantennen, bei denen der Fachmann davon ausgehe, dass sie mit Niederfrequenz betrieben werden. Mit den dort gezeigten Ferritantennen würde ein Codesignal kurzer Reichweite ausgesandt. Sie meint unter Verweis auf Spalte 5, Zeilen 21 bis 30 der DE 39 00 494 A1 weiterhin, dass das vom tragbaren Transponder ausgesandte zweiteilige Codesignal genauso wie das von ihm abgestrahlte Signal für Zusatzfunktionen größere Reichweite habe als das vom stationären Transponder ausgesandte Codesignal.

Die Sicherheitseinrichtung des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag und Hilfsantrag 1 sei gegenüber der in der DE 39 00 494 A1 beschriebenen nicht neu.

Sie meint ferner, dass der in der US 4 688 036 beschriebene mobile Transponder ein hochfrequentes Codesignal mit großer Reichweite abstrahle, der stationäre Transponder dagegen Radiowellen, die alle Reichweiten umfassen. Der Fachmann wisse aber aus dem Aufsatz von Hirano, Motoki, et. al.: "Keyless Entry System With Radio Card Transponder" in der Druckschrift IEEE Transactions On Industrial Electronics, Vol. 35, No. 2, May 1988, Seite 208 bis 216, dass der stationäre Transponder nur ein Signal geringer Reichweite aussenden müsse.

Die Sicherheitseinrichtung des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag und Hilfsantrag 1 sei deshalb gegenüber der in der US 4 688 036 beschriebenen nicht neu, zumindest aber in Zusammenschau mit dem Aufsatz von Hirano a. a. O. nicht erfinderisch.

Die Beschwerdeführerin hat keine sachlichen Ausführungen zum Hilfsantrag 2 gemacht.

Die Beschwerdeführerin und Einsprechende stellte den Antrag, den Beschluss der Patentabteilung 51 vom 11. Oktober 2002 aufzuheben und das Patent 40 03 280 nach Haupt- und Hilfsanträgen 1 und 2 zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin und Patentinhaberin stellte den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise das Patentnach Hilfsantrag 1 mit den Patentansprüchen 1 bis 6 vom 3. Januar 2006 und angepasster Beschreibung vom 30. Januar 2006, Zeichnung wie Patentschrift, hilfsweisenach Hilfsantrag 2, das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen, Zeichnung wie Patentschriftbeschränkt aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerdegegnerin ist der Auffassung, die ältere Anmeldung DE 39 00 494 A1 sage nichts über die Reichweiten der Sender im stationären und tragbaren Transponder aus. Außerdem bestreitet sie, dass es sich bei den in der Figur 2 der DE 39 00 494 A1 dargestellten Antennen um Ferritantennen handele; sie hat aber in der mündlichen Verhandlung nicht angegeben, welcher Antennentyp dargestellt sei. Sie meint unter Bezugnahme auf Spalte 5, Zeilen 21 bis 30 der DE 39 00 494 A1 außerdem, der Sender 1' im tragbaren Transponder könne ein Signal für Zusatzfunktionen mit einer Reichweite aussenden, die größer sei als die des zweiteiligen Codesignals. Dass das zweiteilige Codesignal des Senders 1' eine relativ große Reichweite habe, gehe aus der Druckschrift nicht hervor.

Die Sicherheitseinrichtung nach Haupt- und Hilfsantrag 1 sei daher neu gegenüber der in der DE 39 00 494 A1 beschriebenen.

Sie meint, dass die Sicherheitseinrichtung des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag und Hilfsantrag 1 auch gegenüber der in der US 4 688 036 gezeigten Sicherheitsvorrichtung neu sei. Der Fachmann habe in Kenntnis der US 4 688 036 keinen Anlass unterschiedliche Reichweiten festzulegen. Auch aus der Frequenz und der Form der Antennen könne man nicht auf die Reichweite schließen. Auch der Aufsatz von Hirano a. a. O. sage nichts über unterschiedliche Reichweiten der Codesignale aus.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die Beschwerde ist zulässig und hat im Umfang des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 Erfolg. Denn die Sicherheitseinrichtung des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag und Hilfsantrag 1 ist jeweils nicht mehr neu.

Die Sicherheitseinrichtung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 ist dagegen patentfähig.

Als Fachmann ist ein Fachhochschul-Ingenieur der Hochfrequenztechnik mit Erfahrung in der Kraftfahrzeug-Sicherheitstechnik anzusehen.

1. Hauptantrag und Hilfsantrag 1 Die Sicherheitseinrichtung des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag und Hilfsantrag 1 ist nicht neu.

Aus der eine Ältere Anmeldung nach § 3(2) PatG darstellenden DE 39 00 484 A1 ist bekannt, eine

"Sicherheitseinrichtung für Kraftfahrzeuge, O1) mit einem im oder am Kraftfahrzeug installierten stationären Transponder (Sender/Empfänger der Auswerteeinheit 4, sowie Antennen 1 bis 3 in Figur 2; vgl. Sp. 5 Z. 1 bis 5) zum Erzeugen eines Fragecodesignals (Pfeil nach links) und O2) mit einem tragbaren Transponder (im Gehäuse 1) zum Empfang des Fragecodesignals (Pfeil nach links) und Aussenden eines Antwortcodesignals (Pfeil nach rechts; vgl. Sp. 5 Z. 6 bis 9) und O3) mit einem Codesignalvergleicher (4), der bei Übereinstimmung des Antwortcodesignals (Pfeil nach rechts) mit einem erwarteten Codesignal ein Entsicherungssignal an eine Entsicherungseinrichtung liefert (Sp. 5 Z. 9 bis 12)".

Die DE 39 00 494 A1 zeigt in Figur 2 Antennen 1 bis 3 die als Spulen mit Eisenkern schaltsymbolmäßig dargestellt sind. Der Fachmann erkennt nach Überzeugung des Senats in diesen Schaltsymbolen in Verbindung mit der Bezeichnung 'Antennen', dass es sich hier um Ferritantennen handelt, von denen er weiß, dass sie wegen ihrer kleinen Abmessungen (Einbau in Kraftfahrzeug-Türen oder -Rahmen) nur ein HF-Feld (Sp. 4 Z. 53) mit geringer Reichweite erzeugen, das aber genügt, um den tragbaren Transponder des ohnehin neben dem Fahrzeug befindlichen Benutzers zu erreichen. Sonach entnimmt der Fachmann aus der DE 39 00 494 A1, dass in Übereinstimmung mit dem letzten Merkmal des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 der stationäre Transponder (Transponder mit den Antennen 1, 2, 3) sein Fragecodesignal mit geringer Reichweite aussendet.

In der DE 39 00 494 A1 (Sp. 5 Z. 21 bis 30) ist weiterhin angegeben, dass der Sender 1' des tragbaren Transponders (im Gehäuse 1) neben einem zweigeteilten Codesignal auch ein Signal zur Auslösung von Zusatzfunktionen aussenden kann, das auch noch in größerer Entfernung zu empfangen ist (Garagentor). Da - entgegen der Auffassung der Patentinhaberin - die Druckschrift nicht offenbart, dass der Sender 1' des tragbaren Transponders Signale unterschiedlicher Reichweiten aussendet, ist sowohl das Signal für Zusatzfunktionen als auch das zweigeteilte Codesignal geeignet, größere Entfernungen als den Abstand zwischen dem stationären und dem tragbaren Transponder - während des Signalaustauschs - zu überbrücken. Damit entnimmt der Fachmann aus der DE 39 00 494 A1 auch noch, K1) dass nur einer der Sender (z. B. Antenne 1) der beiden Transponder (stationärer Transponder mit den Antennen 1, 2, 3) sein Codesignal über eine kurze Reichweite aussendet, und K2) dass der andere Sender (1') - nämlich der des tragbaren Transponders - sein entsprechendes Codesignal über eine relativ große Reichweite aussendet.

Mit dem Patentanspruch 1 nach Haupt- und Hilfsantrag 1 fallen auch die auf den jeweiligen Patentanspruch 1 direkt oder indirekt rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 7 bzw. 2 bis 6.

2. Hilfsantrag 2 2.1 Zulässigkeit Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist gebildet aus dem erteilten Patentanspruch 1 und den auf den erteilten Patentanspruch 1 rückbezogenen, erteilten Patentansprüchen 3 und 4, wobei alle erteilten Patentansprüche mit den ursprünglichen Patentansprüchen übereinstimmen.

2.2 Neuheit Die Sicherheitseinrichtung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 ist neu.

Aus der DE 39 00 494 A1 sind - wie unter Punkt 1 abgehandelt - die Merkmale O1) bis O3), sowie K1) und K2) des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 bekannt. Die Druckschrift beschäftigt sich jedoch nicht mit dem Aussenden eines Befehlssignals für ein Zusatzsignal großer Reichweite mittels eines Innen-Schalters. Somit ist aus der DE 39 00 494 A1 nicht bekannt,

"K3) dass der tragbare Sender auch durch einen im Innenraum des Kraftfahrzeugs angeordneten und/oder bedienbaren Innen-Schalter auslösbar ist, durch den der stationäre Transponder zum Aussenden eines Befehlssignals für ein Zusatzsignal großer Reichweite an den transportablenTransponder veranlasst wird, und K4) dass der tragbare Sender bei Empfang des Befehlssignals ein Signal aussendet, das sich vom Antwortcodesignal unterscheidet."

Die US 4 688 036 mag zwar die Merkmale O1) bis O3) zeigen (Fig. 1), ihr sind jedoch die Merkmale K3) und K4) nicht zu entnehmen. Denn der in der Druckschrift (Fig. 11) dargestellte Innen-Schalter 500 dient dazu, ein schlüsselloses Starten zu ermöglichen (Sp. 11 Z. 49 bis Sp. 12 Z. 4). Ein mittels eines Innen-Schalters ausgelöstes Befehlssignal für ein Zusatzsignal großer Reichweite gemäß den Merkmalen K3) und K4) ist in der Druckschrift aber nicht angesprochen.

Auch der Aufsatz von Hirano a. a. O., dem ebenfalls die Merkmale O1) bis O3) zu entnehmen sind (Fig. 4), beschäftigt sich nicht mit einem Innen-Schalter und einem Befehlssignal für ein Zusatzsignal großer Reichweite gemäß den Merkmalen K3 ) und K4).

Die von der Einsprechenden im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren weiterhin genannten Druckschriften wurden in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffen; sie liegen in Bezug auf den Patentgegenstand weiter ab als der abgehandelte Stand der Technik und konnten daher außer Acht bleiben.

2.3 Erfinderische Tätigkeit Die Sicherheitseinrichtung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.

Dieser mag zwar daran denken, bei der Sicherheitseinrichtung, wie sie die US 4 688 036 beschreibt, den zum Öffnen des Kraftfahrzeugs vorhandenen tragbaren Transmitter 100 auch zum Öffnen des Garagentors verwenden zu wollen und hierfür dessen Sendereichweite zu erhöhen, so dass die Merkmale K1) und K2) verwirklicht werden.

Dem Fachmann fehlt aber schon in der US 4 688 036 jeder Hinweis darauf, die Sicherheitseinrichtung so auszugestalten,

"K3) dass der tragbare Sender auch durch einen im Innenraum des Kraftfahrzeugs angeordneten und/oder bedienbaren Innen-Schalter auslösbar ist, durch den der stationäre Transponder zum Aussenden eines Befehlssignals für ein Zusatzsignal großer Reichweite an den Transponder veranlasst wird, und K4) dass der tragbare Sender bei Empfang des Befehlssignals ein Signal aussendet, das sich vom Antwortsignal unterscheidet."

Einen Hinweis auf diese Maßnahmen erhält der Fachmann auch nicht aus dem Aufsatz von Hirano a. a. O., weil sich auch diese Druckschrift nicht mit dem Aussenden von Zusatzsignalen über größere Entfernungen beschäftigt.

Zu einer anderen Sichtweise könnte der Fachmann nur mit einer in Kenntnis der Erfindung vorgenommenen, rückschauenden und deshalb unzulässigen Betrachtung kommen.

3. Mit dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 haben auch die auf ihn direkt oder indirekt rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 5 Bestand.






BPatG:
Beschluss v. 30.01.2006
Az: 19 W (pat) 2/05


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