Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg:
Beschluss vom 7. Februar 2006
Aktenzeichen: 1 S 787/05
(VGH Baden-Württemberg: Beschluss v. 07.02.2006, Az.: 1 S 787/05)
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 14. März 2005 - 11 K 233/05- teilweise abgeändert.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 6. Januar 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 23. Juni 2005 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000 EURfestgesetzt.
Gründe
I.
Die Beschwerde, mit der die Antragstellerin ihren Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Gebührenbescheid der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 06.01.2005 nicht mehr weiterverfolgt und sich auf den Antrag bezüglich der Sachentscheidung im dem anderen Bescheid vom selben Tag - nach Erlass des Widerspruchsbescheids nunmehr sachdienlich in dessen Gestalt - beschränkt, ist zulässig und auch begründet. Anders als das Verwaltungsgericht ist der Senat der Auffassung, dass im Rahmen der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffenden Abwägung das private Interesse der Antragstellerin, der angefochtenen Verfügung vorläufig nicht Folge leisten zu müssen, das von Gesetzes wegen (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 137 TKG) angenommene gegenläufige öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Die Erfolgsaussichten der von der Antragstellerin mittlerweile gegen den Bescheid erhobenen Klage erscheinen auf der Grundlage der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung zumindest als offen. Vor diesem Hintergrund gebührt dem Aufschubinteresse der Antragstellerin auch ungeachtet der geltend gemachten Belange des Beigeladenen der Vorrang.
II.
Mit der angefochtenen Verfügung hat die Regulierungsbehörde - deren Aufgaben werden nunmehr von der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen wahrgenommen (vgl. Art. 3 Abs. 2 Nr. 1 des Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 07.07.2005 <BGBl I, 1970, 2012>) - der Antragstellerin unter Berufung auf die Regelungen des Telekommunikationsgesetzes - TKG - vom 22.06.2004 (BGBl I, 1190) über die Frequenzordnung (§§ 52 ff. TKG) aufgegeben, in einem bestimmten örtlichen Bereich um die Wohnung des Beigeladenen beim Betrieb ihres PLC (Power Line Communication - Kommunikation über Stromleitungen) - Netzes die in der Nebenbestimmung (NB) 30 Abs. 1 Nr. 2 der Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung - FreqBZPV - vom 28.09.2004 (BGBl I, 2499) vorgesehenen Grenzwerte für Störfeldstärken einzuhalten.
Die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung begegnet Bedenken.
1. Dabei bedarf es keiner Erörterung, ob die Einwände der Antragstellerin gegen die Verlässlichkeit der Messungen durchgreifen, aufgrund derer die Antragsgegnerin die Störungen des Kurzwellenrundfunkempfangs beim Beigeladenen auf eine Überschreitung dieser Grenzwerte durch den Betrieb des PLC-Netzes zurückgeführt hat. Denn es spricht bereits viel dafür, dass die Anwendbarkeit der NB 30, auf der die Verfügung beruht, im vorliegenden Fall aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen gesperrt ist.
2. Die Regulierungsbehörde stützt die streitige Anordnung auf die Vorschrift des § 64 Abs. 2 TKG, wonach die Regulierungsbehörde, die die Frequenznutzung überwacht, zur Sicherstellung der Frequenzordnung eine Einschränkung des Betriebes oder die Außerbetriebnahme von Geräten anordnen kann. Vorbehaltlich abweichender Regelungen bedarf nach § 55 Abs. 1 Satz 1 TKG jede Frequenznutzung - hierzu zählt jede gewollte Aussendung oder Abstrahlung elektromagnetischer Wellen (vgl. § 3 Nr. 9 TKG) - einer vorherigen Frequenzzuteilung auf der Grundlage einer Frequenzbereichszuweisung für Funkdienste und andere Anwendungen elektromagnetischer Wellen sowie eines Frequenznutzungsplans (§§ 53 f. TKG). Abweichende Regelungen über eine freizügige Frequenznutzung in und längs von Leitern ohne vorherige Frequenzzuteilung (§ 55 Abs. 1 Satz 4 TKG) können aufgrund der Verordnungsermächtigung in § 53 Abs. 2 Satz 3 TKG in dem von der Bundesregierung erlassenen Frequenzbereichszuweisungsplan getroffen werden. Auf dieser Grundlage legt der Frequenzbereichszuweisungsplan in der Anlage zur FreqBZPV in NB 30 fest, unter welchen Voraussetzungen Frequenzen für Telekommunikationsanlagen und Telekommunikationsnetze im Frequenzbereich von 9 kHz bis 3 GHz freizügig genutzt werden können. Eine freizügige Nutzung ist demnach u. a. nur dann zulässig, wenn am Betriebsort und entlang der Leitungsführung im Abstand von drei Metern die Störfeldstärke (Spitzenwert) der Frequenznutzung bestimmte Werte nicht überschreitet.
Die Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung samt der NB 30 ist von der Bundesregierung in Übereinstimmung mit Art. 8 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft - Informations-RL - (ABl. EG Nr. L 204 S. 37), geändert durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 (ABl. EG Nr. L 217 S. 18), der Kommission als technische Vorschrift i.S. von Art. 1 Nr. 11 notifiziert worden und erst nach Ablauf der Sperrfrist (Art. 9 Abs. 2) in Kraft getreten.
Insoweit ist - im Gegensatz zur insoweit gleich lautenden Vorgängerregelung in der FreqBZPV vom 26.04.2001 (BGBl. I, 778) - den Verfahrensvorschriften Genüge getan, deren Nichtbeachtung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zur Folge hat, dass die betreffende Bestimmung von den Behörden und Gerichten des Mitgliedsstaates nicht anzuwenden ist (vgl. EuGH, Urteil vom 30.04.1996 - C-194/94 - CIA Security International SA, Slg. 1996 I, 2201, Randnr. 48, 54, zur im Wesentlichen inhaltsgleichen Richtlinie 83/189/EWG des Rates vom 28. März 1993 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften <ABl. EG Nr. L 109 S. 8>; im Anschluss hieran zuletzt Urteil vom 08.09.2005 - C-303/04 - Lidl Italia Srl, Randnr. 22 f., zur Richtlinie 98/34; Callies/Ruffert, Kommentar EUV, EGV, § 249 EGV Randnr. 78a).
3. Informationspflichten werden indessen auch in der Richtlinie 89/336/EWG des Rates vom 3. Mai 1989 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die elektromagnetische Verträglichkeit - EMV-RL - (ABl. EG Nr. L 139 S. 19) normiert; diese Richtlinie ist weiterhin anzuwenden, da die am 19.01.2005 in Kraft getretene Richtlinie 2004/108/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die elektromagnetische Verträglichkeit und der Aufhebung der Richtlinie 89/336/EWG (ABl. EU Nr. L 390 S. 24) die letztgenannte Richtlinie erst mit Wirkung vom 20. Juli 2007 aufhebt (Art. 14 Satz 1).
Es spricht viel dafür, dass die NB 30 auch vom Anwendungsbereich der EMV-RL erfasst wird (a), die Verfahrenspflichten nach dieser Richtlinie neben denjenigen aus der Informations-RL stehen (b), die NB 30 nach Art. 7 EMV-RL zu notifizieren ist (c), und ein Verstoß gegen die so begründeten Verfahrenspflichten in gleicher Weise sanktioniert wird wie bei der Informations-RL (d). Die Klärung der dabei aufgeworfenen Rechtsfragen ist zwar letztlich dem EuGH vorbehalten; eine Vorabentscheidung nach Art. 234 EGV, zu der der Senat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht verpflichtet ist (vgl. EuGH, Urteil vom 24.05.1977, C-107/76, Slg. 1977 I, 957, Randnr. 6; vom 27.10.1982, C-35 und 36/82, Slg. 1982 I, 3723 Randnr. 10), ist im vorliegenden Verfahren aber nicht angezeigt.
a) Der Senat teilt nicht die Auffassung der Antragsgegnerin, dass es sich auch bei der NB 30 ausschließlich um eine rein frequenzrechtliche Regelung handele, die insbesondere die Frage der Einhaltung der Schutzanforderungen nach Art. 4 EMV-RL nicht berühre. Nach Art. 2 Abs. 1 EMV-RL gilt die Richtlinie für Geräte - hierzu zählt die Richtlinie in Anhang III j) auch Telekommunikationsnetze -, die elektromagnetische Störungen verursachen können oder deren Betrieb durch diese Störungen beeinträchtigt werden kann; sie legt insbesondere die Schutzanforderungen auf diesem Gebiet fest. Diese Schutzanforderungen werden in Art. 4 a) EMV-RL näher umschrieben. Danach müssen die Geräte so hergestellt werden, dass die Erzeugung elektromagnetischer Störungen so weit begrenzt wird, dass ein bestimmungsgemäßer Betrieb von Funk- und Telekommunikationsgeräten sowie sonstiger Geräte möglich ist. In den Begründungserwägungen wird u. a. festgehalten, dass die nationalen Vorschriften, die insbesondere durch die Festlegung von zulässigen Grenzwerten für elektromagnetische Störungen ein bestimmtes Schutzniveau sicherstellen sollen, harmonisiert werden müssen. Die Bewältigung der von Telekommunikationsnetzen ausgehenden Störstrahlungen wird damit ersichtlich auch als Problem der elektromagnetischen Verträglichkeit eingeordnet. Soweit die Frequenzordnung die Nutzung von Frequenzen in und längs von Leitern (§ 53 Abs. 2 Satz 3 TKG, § 2 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 4 FreqBZPV) regelt, geht es - soweit ersichtlich - jedenfalls bei der Nutzung längs von Leitern der Sache nach um die Bewältigung von technisch zwar - in Grenzen - unvermeidlichen, aber im Vergleich zur €originären€ Frequenznutzung bei Funkdiensten, denen bestimmte Frequenzbereiche zugewiesen werden (§ 3 Abs. 1, § 4 FreqBZPV), letztlich unerwünschten Abstrahlungen. Dies wird zum vordringlichen Problem, wenn wie bei der PLC-Technik zur (drahtgebundenen) Übertragung von Daten ein Niederspannungsnetz genutzt wird, was aufgrund der technischen Gegebenheiten - mangelnde Dämpfung wegen ungeschirmter, nicht verseilter/verdrillter Leitungen sowie vieler Verzweigungen im nicht symmetrischen Netz - bei der Einspeisung von hochfrequenten Signalen im Gegensatz zu hierzu spezifizierten DSL-Leitungen verstärkte Abstrahlungen zur Folge hat (siehe hierzu der Vergleich der Techniken in EEC <Electronic Communications Committee / CEPT> Report 24: PLT, DSL, cable communications (including cable TV), LANs and their effect on radio services, May 2003, S. 16 ff.). Die Europäische Kommission - Generaldirektion Unternehmen - geht in ihrem an die europäische Normierungsinstitutionen CEN, CENELEC und ETSI gerichteten Normungsauftrag vom 07.08.2001 (M 313) ohne weiteres davon aus, dass die Problematik der von ortsfesten Einrichtungen wie Telekommunikationsnetzen ausgehenden Störungen im Funkverkehr die Schaffung harmonisierter Normen auf der Grundlage der EMV-RL erfordere (siehe hierzu auch Bundesgesetzagentur, Tätigkeitsbericht 2004/2005 vom Dezember 2005, 15.9.1, wo unter Bezugnahme auf dieses Mandat von der €EMV von TK-Netzen€ die Rede ist). Ergänzend ist zum Beleg einer vom jetzigen Vortrag abweichenden Einordnung seitens der Antragsgegnerin darauf hinzuweisen, dass das störungsfreie Nebeneinander von Funk- und Kabeldiensten in einem von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post herausgegebenen Leitfaden vom Juni 2000 unter dem Titel €Elektromagnetische Verträglichkeit von TV-Kabelnetzen€ dargestellt und darin auch auf die mittlerweile in der NB 30 normierten Grenzwerte verwiesen wird.
b) In der EMV-RL wird den Mitgliedsstaaten neben den in Art. 6 Abs. 2 und Art. 9 Abs. 1 auf Einzelmaßnahmen bezogenen Unterrichtungspflichten in Art. 7 Abs. 2 eine Mitwirkungspflicht auferlegt; diese betrifft nationale Normen, die bei Fehlen harmonisierter Normen nach Auffassung des Mitgliedstaats den Schutzanforderungen nach Art. 4. EMV-RL entsprechen (Art. 7 Abs. 1 b), und unterwirft diese dem in Art. 8 Abs. 2 geregelten Kontrollverfahren. Diese Mitteilungspflicht tritt ausweislich der unterschiedlich ausgeformten Reaktionsmöglichkeiten der Kommission selbstständig neben die Verfahrenspflichten, die sich aus der Informations-RL ergeben.
c) Die Voraussetzungen der Notifizierungspflicht nach Art. 7 Abs. 2 EMV-RL dürften auch hinsichtlich der NB 30 vorliegen. Denn die NB 30 beschreibt die Anforderungen für eine nach Maßgabe des Art. 4 a) EMV-RL noch hinzunehmende Ausstrahlungsfestigkeit des für die Datenübertragung benutzten Stromnetzes. Zwar ist die Bestimmung mit ihren Grenzwerten nur ergebnisbezogen und legt keine spezifizierten technischen Anforderungen insbesondere an die zu verwendenden Kabel und die Konfiguration des Netzes fest. Auch wenn sie insoweit unvollkommen sein mag (siehe auch Bundesgesetzagentur, Tätigkeitsbericht 2004/2005 vom Dezember 2005, 15.9.1), so schließt dies indessen nicht aus, auf die Einhaltung der Vorschrift eine Konformitätsvermutung nach Art. 7 Abs. 1 EMV-RL zu stützen (vgl. hierzu Koenig/Capito, TMR 2002, 195 <198>).
Dieser Pflicht dürfte die Antragsgegnerin nicht genügt haben. Dem steht wohl nicht entgegen, dass die Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung nach Maßgabe der Informations-RL der Kommission notifiziert worden ist. Denn Mitteilungspflichten aufgrund unterschiedlicher Richtlinien stehen isoliert nebeneinander; es spricht nämlich viel dafür, dass sie die ihnen zukommende spezifische Anstoßwirkung nur dann entfalten, wenn die Mitteilung in streng formalisierter Weise auf eine je genau benannte Richtlinie bezogen ist.
d) Beim Verstoß gegen diese Mitteilungspflicht dürfte es sich bei Anlegung der in der Rechtsprechung des EuGH entwickelten Kriterien um einen wesentlichen Verfahrensfehler handeln, der die Unanwendbarkeit der nicht ordnungsgemäß notifizierten Vorschrift nach sich zieht (vgl. Koenig/Capito, TMR 2002, 195 <199>). Der Zweck dieser Pflicht erschöpft sich nämlich nicht darin, die Kommission lediglich von der jeweiligen Vorschrift in Kenntnis zu setzen, ohne Reaktionsmöglichkeiten der Kommission zu spezifizieren; dies könnte die Sanktion der Unanwendbarkeit nicht rechtfertigen (vgl. EuGH, Urteil vom 13.07.1989 - C-380/87 - Enichem Base Spa, Slg. 1989 I, 2491, Randnr. 19 ff.; Urteil vom 06.06.2002 - C-159/00 - Sapod Audic -, Slg. 2002 I, 5031, Randnr. 62). Vielmehr ermöglicht das in Art. 8 Abs. 2 EMV-RL vorgesehene Verfahren eine präventive Kontrolle der nationalen Normen seitens der Kommission und im Anschluss daran die Feststellung, ob bei ihnen von der Vermutung einer Übereinstimmung mit den Schutzanforderungen des Art. 4 EMV-RL auszugehen ist und die Veröffentlichung als Wirksamkeitsvoraussetzung erfolgen darf.
4. Angesichts dieser Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit einer auf die frequenzrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen gestützten Verfügung überwiegt das Aufschubinteresse der Antragstellerin, nicht allein im Interesse der Abwehr abstrakter Gefahren zur Einhaltung der Grenzwerte ihr PLC-Netz ggfs. durch wirtschaftlich aufwändige Maßnahmen - etwa durch die Verringerung der Sendepegel und den Einbau einer größeren Anzahl von Repeatern - modifizieren zu müssen. Insbesondere eine Störung sicherheitsrelevanter Funkdienste behauptet die Antragsgegnerin nicht. Das demgegenüber konkrete Interesse des Beigeladenen an einem ungestörten Kurzwellenrundfunk- und Amateurfunkempfang gebietet keine abweichende Abwägungsentscheidung. Denn insoweit ist ein Ausgleich nach den Regelungen über die elektromagnetische Verträglichkeit zu suchen. Der Bundesnetzagentur steht - wie im Verwaltungsverfahren bereits erwogen - die Möglichkeit des €nachträglichen Störungsmanagements€ nach § 8 Abs. 6 des Gesetzes über die elektromagnetische Verträglichkeit von Geräten - EMVG - vom 18.09.1998 (BGBl. I, 2882) in Übereinstimmung mit der EMV-RL (Art. 6 Abs. 1) zu (siehe hierzu die Empfehlung der Kommission vom 6. April 2005 zur elektronischen Breitband-Kommunikation über Stromleitungen - 2005/292/EG - <Abl. EU Nr. L 93 S. 42>, Erwägungsgrund Nr. 6). Die Antragstellerin kann in diesem Rahmen allerdings nicht geltend machen, dass bei ihrem Netz deswegen von einer Vermutung der Konformität mit den Schutzanforderungen der EMV-RL auszugehen sei, weil die verwendeten Betriebsmittel wie Modems und Repeater von einer EG-Konformitätserklärung gedeckt sind und über ein CE-Kennzeichen verfügen (vgl. § 4 Abs. 1 EMVG); denn auf das Netz als Ganzes kann diese Konformitätsvermutung schon wegen der Verschiedenheit der verwendeten Verkabelungssysteme und der je unterschiedlichen Netzkonfiguration nicht erstreckt werden (siehe hierzu ECC Report 24, S. 17; BAKOM, NT-2721, Inverkehrbringen und/oder Betreiben von PLC-Anlagen in der Schweiz, Ausgabe 1.4, Ziff. 5.2). Die Empfehlung der Kommission vom 6. April 2005 trägt dem in Ziff. 3 Rechnung und macht die Konformitätsvermutung - wie auch die Regelung in § 6 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 8 EMVG - von der Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik bei Errichtung und Betrieb des Netzes abhängig. Gerade dieses Erfordernis scheint derzeit insbesondere wegen der Verwendung ungeschirmter Leitungen fraglich. Im Einzelfall können indessen Maßnahmen ungeachtet der Frage der Konformität des Netzes ergriffen werden. Dies setzt jedoch immer die Würdigung der gegenläufigen Interessen des Verursachers der elektromagnetischen Störung und des Gestörten voraus, die sich auch dann nicht erübrigt, wenn im Anschluss an Empfehlungen internationaler Expertengremien die Grenzwerte der NB 30 zur Bestimmung der zulässigen Spitzenwerte der Störfeldstärken herangezogen werden. Eine Prüfung, ob seitens des Beigeladenen Möglichkeiten einer Verbesserung der Empfangsbedingungen durch relativ einfache Maßnahmen bestehen, hat die Antragsgegnerin bislang nicht vorgenommen (vgl. zu den Vorschlägen auf internationaler Ebene ECC Recommendation (05)04, Criteria for the assessment of radio inferences caused by radiated disturbances from wire-line telecommunication networks, vom 22.06.2005).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 sowie § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
VGH Baden-Württemberg:
Beschluss v. 07.02.2006
Az: 1 S 787/05
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