Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 13. September 2002
Aktenzeichen: 6 U 218/00

(OLG Köln: Urteil v. 13.09.2002, Az.: 6 U 218/00)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 02.11.2000 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 1081/99 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahren hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklage darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in der nachstehend jeweils bestimmten Höhe abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Sicherheit beträgt bei Vollstreckung des

Unterlassungsausspruchs: 50.000,00 EUR;

Zahlungsausspruchs: 150,00 EUR;

Kostenausspruchs: 15.000,00 EUR.

Den Parteien wird nachgelassen, die von ihnen jeweils zu stellenden Sicherheiten durch Hinterlegung von Geld oder in Form der schriftlichen, unwiderruflichen, unbedingten und unbefristeten Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts zu erbringen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Die mit diesem Urteil für die Beklagte verbundene Beschwer übersteigt die Summe von 20.000,00 EUR.

Tatbestand

Der Kläger ist ein Verein zur Förderung gewerblicher Interessen, der sich gemäß seiner Satzung u.a. der Aufgabe widmet, Wettbewerbsverstöße zu verfolgen und ggf. mit gerichtlicher Hilfe zu unterbinden.

Die Beklagte unterhält bundesweit Baumärkte, in denen sie neben diversen Baumaterialien sowie Heimwerkerbedarf auch Fußbodenbeläge vertreibt. Zu ihrem in der K.er Filiale angebotenen Sortiment zählt u.a. ein mit der Bezeichnung "LAMINAT P." versehener Bodenbelag, der zunächst unter dem Produktnamen "LAMILUX P." vertrieben wurde. Bei dem erwähnten Bodenbelag handelt es sich um sog. Laminat-Dielen, die indessen - anders als dies der herkömmlichen Laminattechnologie entspricht - nicht aus einer oder mehreren mit aminoplastischen Harzen getränkten, auf einem Trägermaterial aufgebrachten Papierschichten bestehen, die dann unter Druck aushärten. Der vorbezeichnete Bodenbelag ist vielmehr mit einer sog. ELESGO-Beschichtung versehen, bei der auf ein dekorbedrucktes Papier eine ESH-gehärtete Acrylharzschicht appliziert und mit Elektronenstrahlen ausgehärtet wird.

Zur Ermittlung u.a. der Abriebfestigkeit von "dekorativen Hochdruck-Schichtpressstoffplatten (HPL)....bestehend aus Schichten von Faserstoffbahnen (z.B. Papier), imprägniert mit härtbaren Harzen und bei hoher Temperatur und einem Druck von nicht weniger als ...verpresst..." wurde die DIN EN 438 - Teil 2 - herausgegeben; diese legt ein Verfahren zur Ermittlung des Verhaltens bei Abriebbeanspruchung fest, welches auch als sog. "Taber-Test" bezeichnet wird. Bezüglich der näheren Einzelheiten dieses Testverfahrens wird auf den als Anlage B 1 zum Schriftsatz des Klägers eingereichten Text der erwähnten DIN - dort Abschnitt 6 - verwiesen.

Auf einem dem Produkt "LAMINAT P." beigefügten Einlegeetikett, hinsichtlich dessen Aufmachung im einzelnen auf Bl. 3 f d.A. Bezug genommen wird, ist u.a. ein stempelartiger Aufdruck angebracht, in dem es wie folgt heißt: "GEPRÜFTE QUALITÄT IP 20.000 Umdrehungen nach EN 438.2, Taber-Test".

Der letztgenannte Hinweis ist Gegenstand der wettbewerblichen Beanstandung des klagenden Vereins, der hierin eine i.S. von § 3 UWG irreführende Aussage sieht.

Der Kläger hat die Beklagte mit Schreiben vom 13.10.1998 abgemahnt und zur Abgabe einer vertragsstrafegesicherten Unterlassungsverpflichtungserklärung aufgefordert. Nachdem die Beklagte dieser Aufforderung nicht nachgekommen ist, nimmt der Kläger sie nunmehr klageweise auf Unterlassung sowie außerdem auf Ersatz der durch die erwähnte vorprozessuale Abmahnung entstanden Kosten in Anspruch.

Unter Vorlage diverser Fachveröffentlichungen hat der Kläger behauptet, es treffe nicht zu, dass der mit der erwähnten Aussage beworbene Bodenbelag einen IP-Wert von mehr als 20.000 Umdrehungen nach EN 438-2 Taber-Test erreiche. Der tatsächlich erreichte IP-Wert sei viel niedriger und erreiche höchstens 13.650 bei einem Schleifpapierwechsel alle 500 Umdrehungen. Eine Irreführung, so hat der Kläger im Verlauf des Verfahrens zusätzlich geltend gemacht, ergebe sich weiter aber auch daraus, dass die DIN EN 438 - Teil 2 - auf ELESGO- beschichtete Böden keine Anwendung finde. Das von der Beklagten vertriebene Produkt werde daher mit einem Testergebnis beworben, das auf der Grundlage einer für das solchermaßen angepriesene Erzeugnis überhaupt nicht anwendbaren Norm ermittelt worden sei.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1,

es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 500.000,00 DM, ersatzweise von Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs, wie nachstehend wiedergegeben, für das Produkt "Laminat P." mit dem Hinweis

"IP20.000 Umdrehungen nach EN 438-2 Taber-Test"

zu werben:

pp.

2. an ihn - den Kläger - 250,56 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 25.11.1999 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, dass die in Frage stehende Werbeangabe zutreffend sei, der angegebene IP-Wert werde erreicht. Die DIN EN 438 -Teil 2 - sei dabei auch auf das in Frage stehende Produkt "LAMINAT P." anwendbar. Unabhängig davon sei das auf die verschiedenen Irreführungsaspekte gestützte Unterlassungsbegehren aber schließlich auch verjährt, was die Beklagte ausdrücklich geltend gemacht hat.

Mit Urteil vom 02.11.2000, auf welches zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Es könne offen bleiben, so hat das Landgericht zur Begründung dieser Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, ob der für den streitbefangenen Bodenbelag werblich behauptete IP-Wert tatsächlich erreicht werde. Die zulässige Klage sei jedenfalls schon deshalb begründet, weil die als Testnorm herangezogene DIN EN 438 - Teil 2 - auf ein solches Produkt keine Anwendung finde, der angesprochene Verkehr daher jedenfalls insoweit im Sinne von § 3 UWG wettbewerblich relevant in die Irre geführt werde.

Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung stützt die Beklagte darauf, dass das Landgericht die klagestattgebende Verurteilung schon deshalb nicht auf eine Irreführung wegen der vermeintlichen Unanwendbarkeit der DIN EN 438 - Teil 2 - hätte stützen dürfen, weil insoweit eine unzulässige Klageänderung vorliege. Auch in der Sache könne die Klägerin aber mit dem dargestellten Irreführungsaspekt nicht durchdringen: Zum einen treffe es nicht zu, dass die DIN EN 438- Teil 2 - auf Bodenbeläge der in Frage stehenden Art nicht anwendbar sei; zum anderen greife jedenfalls die Einrede der Verjährung.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 02.11.2000 - 31 O 1081/99 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und hält im übrigen an seiner erstinstanzlichen, in der Berufung vertiefend ausgeführten Behauptung fest, dass der für den streitbefangenen ELESGO-Boden ausgelobte IP-Wert nicht erreicht werde, die Werbeaussage daher aus diesem Grund irreführend sei.

Hinsichtlich der Einzelheiten im Vorbringen der Parteien wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 23.05.2001 durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das schriftliche Sachverständigengutachten des Dr. -Ing. B. E. aus Mai 2002 sowie die hierzu vorgenommenen mündlichen Erläuterungen, wie sie im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.07.2002 protokolliert worden sind.

Gründe

Die in formeller Hinsicht einwandfreie, insgesamt zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Beklagte in dem angefochtenen Urteil zur Unterlassung verurteilt, mit dem Hinweis "IP20.000 Umdrehungen nach EN 438-2 Taber-Test" für den streitbefangenen, unter der Bezeichnung "LAMINAT P." in den Verkehr gebrachten Bodenbelag zu werben. Ebenfalls zu Recht erfolgte die Verurteilung der Beklagten zum Ersatz der dem klagenden Verein durch die vorprozessuale Abmahnung vom 13.10.1998 entstandenen, mit 250,56 DM geltend gemachten Kosten.

I.

Der gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG prozessführungsbefugte und aktivlegitimierte Kläger kann von der Beklagten Unterlassung des o. g. Hinweises verlangen, weil dieser geeignet ist, einen mehr als nur unbeachtlichen Teil des angesprochenen Verkehrs i.S. von § 3 UWG in wettbewerblich relevanter Weise über die Qualität des beworbenen Bodenbelags in die Irre zu führen.

Die dargestellte Irreführung des Verkehrs lässt sich allerdings nicht schon aus dem klägerseits angeführten und von dem Landgericht in dem angefochtenen Urteil für maßgeblich gehaltenen Aspekt einer Irreführung über die Anwendbarkeit der als Testnorm herangezogenen DIN EN 438 - Teil 2 - herleiten.

Entgegen dem prozessualen Standpunkt der Beklagten folgt dies zwar nicht schon daraus, dass es sich - soweit der Kläger den erwähnten Gesichtspunkt erst nachträglich zur Begründung seines Unterlassungsbegehrens in das Verfahren eingeführt hat - um eine unzulässige Klageänderung handelte. Zwar spricht alles dafür, in der Einführung dieses neuen zusätzlichen Klagegrundes eine nach den Regeln über die Klageänderung (§ 263 ZPO) zu beurteilende objektive Klagenhäufung zu erblicken. Da diese indessen einen zwischen den Parteien bestehenden, auf dem im wesentlichen gleichen Sachverhalt beruhenden Streitpunkt miterledigt und damit einem neuen Rechtsstreit vorbeugt, entspricht sie der Sachdienlichkeit und ist sie daher zuzulassen.

Jedoch liegen die sachlichen Voraussetzungen des in Frage stehenden Irreführungsaspekts nicht vor. Dass ein mehr als unbeachtlicher Teil des angesprochenen Verkehrs, dem die Mitglieder des erkennenden Senats als potentielle Erwerber von Bodenbelägen auch des hier betroffenen Typs angehören, in diesem Sinne durch die Werbeangabe "...Umdrehungen nach EN 438-2, Taber-Test" einer Fehlvorstellung bzw. einer Täuschung erliegt, ist nicht ersichtlich. Soweit das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung ausführt, die angesprochenen Verkehrskreise erwarteten, dass es sich bei der genannten Norm um eine solche handele, die für Böden der konkret beworbenen Art eigens geschaffen worden sei, ist das zu nuancieren: Zweifellos wird der Verkehr erwarten, dass die in einer Werbung - zudem in Verbindung mit dem in der Art eines Prüfsiegels gestalteten Hinweis "GEPRÜFTE QUALITÄT" - angegebenen Testergebnisse, die auf der Grundlage einer technischen Norm ermittelt worden sein sollen, einen für das beworbene Produkt aussagkräftigen und zutreffenden Wert darstellen. Dies setzt weiter voraus, dass die genannte Norm "passt", d.h. die in ihr geregelten Prüfverfahren und normierten Werte - auf das in Frage stehende Erzeugnis angewendet - eine die zutreffende Einordnung des Produkts ermöglichende Aussage zulassen. Der Verkehr erwartet danach allerdings nicht, dass die technische Norm eigens für das beworbene Produkt geschaffen worden ist. Der dargestellten Vorstellung des Verkehrs wird vielmehr Genüge getan, wenn die genannte Norm, selbst wenn sie nicht unmittelbar auf das betroffene Produkt anwendbar ist, in der Sache zutreffende Ergebnisse und zuverlässige Aussagen über die dort im einzelnen definierten Eigenschaften und Prüfverfahren ermöglicht. Dass dies vorliegend nicht der Fall sei, lässt sich dem Vortrag des für die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Irreführungstatbestandes darlegungs- und beweispflichtigen Klägers nicht entnehmen. Dabei trifft es im Ansatz zwar zu, dass der hier in Rede stehende ELESGO Boden nach den unter den Abschnitten 1 und 3 der DIN EN 438 - Teil 2 - vorgenommenen Definitionen nicht unmittelbar vom Anwendungsbereich der genannten Norm erfasst wird. Danach legt die DIN EN 438 die Prüfverfahren zur Bestimmung der Eigenschaften der unter Abschnitt 3 beschriebenen dekorativen Hochdruck-Schichtpressstoffplatten (HPL) fest. In Abschnitt 3, 2. Absatz, ist wiederum u.a. bestimmt, dass HPL, wie in dieser Norm definiert, mit Kernschichten, imprägniert mit Phenol- und/oder Aminoplastharzen, und einer Deckschicht oder Deckschichten, imprägniert mit Aminoplastharzen (...), hergestellt werden. Bei dem im Streitfall beworbenen Bodenbelag ist die Beschichtung indessen aus Acrylatharzen hergestelt, bei denen es sich unstreitig nicht um Phenol- oder Aminoplastharze handelt. Hinzu kommt, dass es zumindest zweifelhaft erscheint, ob - wie dies Abschnitt 3, 1. Absatz der EN 438 fordert - die erwähnten härtbaren Harze mit Druck und bei hoher Temperatur verpresst werden, da die Acrylatharze bei dem beworbenen ELESGO-Boden elektronenstrahlgehärtet sind. Unterfällt der streitbefangene Bodenbelag somit nicht unmittelbar dem Anwendungsbereich der DIN EN 438 - Teil 2 -, so besagt dies indessen nicht auch, dass andere, ähnliche Bodenbeläge, insbesondere aber die hier betroffenen, für die in dieser DIN normierten Prüfverfahren ungeeignet sind und - werden sie anhand dieser Verfahren geprüft - Ergebnisse erzielt werden, welche die tatsächlichen Eigenschaften der Produkte im Vergleich zu anderen Bodenbelägen, insbesondere zu den vom Anwendungsbereich der Norm unmittelbar erfassten, objektiv unzutreffend widerspiegeln. Die vom Kläger selbst eingeholten Gutachten und vorgelegten Publikationen wenden die DIN EN 438 -2. Teil - vielmehr übereinstimmend zur Ermittlung u.a. der Abriebfestigkeit u.a. der ELESGO-Böden an. Auch wenn dabei darauf hingewiesen wird, dass es sich bei den ELESGO-Böden nicht um Laminatböden i.S. der DIN EN 438 - 2 - handele und "...die Eignung der Prüfung für diese Produkte bislang ...wissenschaftlich nicht nachgewiesen" sei (Bl. 29 d.A.), wird dabei nicht etwa davon abgesehen, die in dieser Norm vorgesehenen Prüfverfahren anzuwenden und danach den die Abriebfestigkeit indizierenden IP-Wert zu ermitteln. Es wird lediglich eine Einschränkung dahin zum Ausdruck gebracht, dass die Abriebfestigkeit "...in Anlehnung an DIN EN 438 Teil 2..." (Bl. 13 d.A.) geprüft worden sei. Entsprechendes geht aus den von der Beklagten vorgelegten Gutachten der Landesgewerbeanstalt C. (vgl. Bl. 35 ff/94 ff d.A.) sowie der Forschungs- und Materialprüfungsanstalt B. (Bl. 90 ff d.A.) hervor, in denen jeweils "in Anlehnung an DIN EN 438 Teil 2" bzw. "nach DIN EN 438..." das Verhalten u.a. eines Laminat-Bodens mit ELESGO-Beschichtung bei Abriebbeanspruchung geprüft wurde. Zwar fällt in diesem Zusammenhang auf, dass in dem Gutachten der Landesgewerbeanstalt C. von einer "Prüfung und Klassifizierung "..in Anlehnung an die europäische Normvorlage für Laminatböden E DIN 13 329, Ausg. 11.1998, klassifiziert sowie nach DIN EN 43, Ausg. 02.1997..." vorgegangen worden ist; auch nach den Angaben in der Zeitschrift Öko-Test Nr. 10/Oktober 2000 (Anlage BB 3, Bl. 173 ff d.A.) wurde das Abriebverhalten "...gemäß prEN 13329" ermittelt. Unabhängig davon, ob es sich bei der erwähnten europäischen Normvorlage um einen sachlich in die DIN EN 438 - Teil 2 - überführten Normentwurf handelt, lassen sich aber auch diesen Gutachten keine Einschränkungen dergestalt entnehmen, dass die Kriterien und Prüfmethoden, wie sie in der EN 438- 2 festgelegt sind, bei ELESGO-Laminatböden zu verfälschten bzw. unzutreffenden Ergebnissen führten. In diese Richtung weisen schließlich auch die Ausführungen des Sachverständigen Dr.-Ing. E. in seinem im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits erstellten schriftlichen Gutachten (dort. S. 5 = Bl. 219 d.A.), wonach es grundsätzlich gerechtfertigt sei, im ELESGO-Verfahren hergestellte Oberflächen nach dem seit langer Zeit in verschiedenen Variationen bei der Bestimmung des Abriebverhaltens von Oberflächenbeschichtungen angewendete Taber-Abraser-Prinzip zu prüfen.

Vermag die behauptete Täuschung betreffend die Anwendbarkeit der DIN EN 438 - Teil 2 - dem Kläger daher schon aus den aufgezeigten Erwägungen nicht zum Erfolg zu verhelfen, kommt es auf die beklagtenseits erhobene Verjährungseinrede nicht entscheidungserheblich an.

Die vom klagenden Verein angegriffene Werbeaussage stellt sich jedoch deshalb als i S. von § 3 UWG irreführend dar, weil der damit beworbene LAMINAT P.-Bodenbelag die versprochene Abriebfestigkeit von IP 20.000 tatsächlich nicht erreicht.

Die Beklagte leitet die Richtigkeit ihrer Werbebehauptung ausschließlich aus einem Bericht der Landesgewerbeanstalt (im folgenden: LGA) C. vom 09.11.1998 ab, deren Test - im Gegensatz zu allen anderen vorliegenden Testergebnissen für den in Rede stehenden Bodenbelag - einen über 20.000 liegenden IP-Wert ergeben hat.

Nach dem Gutachten des Sachverständige Dr. E. steht indessen fest, dass der durch die LGA C. festgestellte IP-Wert von 25.500 nicht aussagekräftig ist, weil alles dagegen spricht, dass er im Wege einer den Anforderungen der DIN EN 438 -Teil 2 - entsprechenden Weise ermittelt wurde. Nach dem als Anlage zur Klageschrift vorgelegten Untersuchungsbericht der LGA C. vom 09.11.1998 (vgl. GA 39) wurde der erwähnte Wert auf der Grundlage eines Schleifpapierwechsels nach jeweils 500 Umdrehungen ermittelt, ohne dass irgendwelche Feststellungen zum etwaigen vorherigen Zusetzen des verwendeten Schmirgelpapiers getroffen wurden. Ein solches Prüfverhalten steht nicht in Einklang mit Ziff. 6.6.3. der DIN EN 438 -2.Teil, wonach das Schleifpapier dann auszuwechseln ist, wenn es zugesetzt ist oder nach 500 Umdrehungen, je nachdem was zuerst eintritt. Vor diesem Hintergrund hat der nach jeweils 25 Umdrehungen zur Überprüfung des Zusetzungsgrades des Schmirgelpapiers angehaltene Prüfer nicht die freie Wahl des Turnus, in dem er das Schleifpapier auswechselt, sondern maßgeblich ist dessen jeweiliger Zusetzungsgrad, so dass das Schleifpapier erst und nur dann nach 500 Umdrehungen ausgewechselt werden darf, wenn es nicht schon vorher zugesetzt ist. Aus diesem Grund verfängt auch der in anderem Zusammenhang vorgebrachte Einwand der Beklagten nicht, das Schmirgelpapier sei "im Regelfall" erst nach 500 Umdrehungen zu wechseln. Im Gegenteil hat der Sachverständige Dr. E. bei der mündlichen Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens bekräftigt, dass es nach seinen Erfahrungen praktisch immer zu einer Zusetzung des Schleifpapiers gekommen sei, bevor die Höchstzahl von 500 Umdrehungen erreicht gewesen sei. Bereits Mitte der 90er sei daher an den Normenausschuss die Anregung herangetragen worden, die Höchstzahl herabzusetzen. Dementsprechend ist in EN 13329 seit September 2000 generell ein Wechsel des Schleifpapiers nach 200 Umdrehungen festgelegt worden (vgl. S. 6 des schriftlichen SV-Gutachtens). Das in dem Untersuchungsbericht der LGA C. auf der Grundlage eines pauschalen Schleifpapierwechsels nach erst 500 Umdrehungen ermittelte, den IP-Wert von 20.000 überschreitende Ergebnis ist in bezug auf das tatsächliche Abriebverhalten daher nicht verwertbar und nicht geeignet, die den Wert von 20.000 jeweils unterschreitenden Prüfergebnisse der anderen Institute zu relativieren. Dass diese, jeweils die Marge von 20.000 unterschreitenden Prüfergebnisse untereinander ebenfalls abweichen, ist demgegenüber unschädlich. Diese Schwankungsbreite lässt sich mit dem auch von dem Sachverständigen E. angeführten Umstand erklären, dass die den ermittelten IP-Wert maßgeblich beeinflussende Frage des "Zusetzens" des Schleifpapiers von der individuellen Einschätzung der Prüfperson abhängt und daher aus diesem Grunde die Prüfergebnisse entsprechend individuell abweichen lassen. Hinzu kommt, dass - wie dies der Sachverständige im Rahmen der mündlichen Erörterung seines schriftlichen Gutachtens ausgeführt hat - die in Frage stehenden Produkte bestimmten entwicklungs- und fertigungsbedingten Schwankungen und Veränderungen unterliegen, was ebenfalls das jeweilige Abriebverhalten beeinflussen kann.

Angesichts dessen kommt es auf die von der Beklagten angezweifelte Verwertbarkeit des durch den Sachverständigen E. veranlassten Testes, in dem ein Zusetzen des Schleifpapiers schon nach 25 Umdrehungen bei einem IP-Wert von (nur) 1500 bejaht worden ist, nicht an. Entscheidend ist vielmehr, dass dem Test der LGA C. aus den genannten Gründen keine Aussagekraft zukommt und alle anderen Testergebnisse, wie dies in der Tabelle 1 des schriftlichen Sachverständigengutachtens anschaulich festgehalten ist, im Hinblick auf den streitgegenständlichen Bodenbelag Liminat 20.000 (Elesgo) einen Abriebwert von weniger als 20.000 auswiesen.

Erweist sich nach alledem, dass der Bodenbelag LAMINAT P. tatsächlich nicht die werblich ausgelobte Abriebfestigkeit von "IP 20.000 Umdrehungen nach EN 438-2, Taber Test" aufweist, so wird ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Adressaten relevant in die Irre geführt: Denn bei der Abriebfestigkeit eines Bodenbelags handelt es sich um einen Umstand, der in die Prüfung eines Angebots in aller Regel einbezogen wird und das wirtschaftliche Interesse zu bestimmen vermag. Die Vorstellung, dass ein Bodenbelag eine bestimmte, höhere Abriebfestigkeit aufweist, ist daher geeignet, die Kaufentscheidung des Publikums zu beeinflussen.

Der danach den Voraussetzungen nach zu bejahende Anspruch aus § 3 UWG ist auch nicht verjährt. Unabhängig davon, ob die Beklagte die in erster Instanz auch gegenüber dem auf den hier maßgeblichen Irreführungsaspekt gegründeten Unterlassungsanspruch vorgebrachte Verjährungseinrede in der Berufung noch aufrecht erhält, ist die Verjährung (§ 21 UWG) angesichts des Umstandes nicht eingetreten, dass die Beklagte die Werbeangabe mit Schriftsatz vom 21.09.2000 ausdrücklich als zutreffend bezeichnet hat, worin die selbständige Berühmung des Rechts liegt, diese Aussage zukünftig verwenden zu dürfen, die eine Erstbegehungsgefahr begründet. Der danach drohende Wettbewerbsverstoß ist nicht verjährt.

II.

Der auf den Ersatz der für die vorprozessuale Abmahnung aufgewandten Kosten gerichtete Zahlungsanspruch ergibt sich unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag aus den §§ 683, 677, 670 BGB.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 108, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat sah schließlich keinen Anlass für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO i.V. mit § 26 Nr. 7 EGZPO). Der vorliegend zu beurteilenden Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revisionszulassung. Streitentscheidend ist vorliegend allein die Feststellung des tatsächlichen Sachverhalts, dessen rechtliche Subsumtion keine Fragen aufwirft oder berührt, die in höchstrichterlicher Rechtsprechung noch keine Klärung erfahren hätten.

Die gemäß § 544 Abs. 1 ZPO i.V. mit § 26 Nr. 8 EGZPO festzulegende Beschwer orientiert sich am Wert des Unterlassungs- und Zahlungsanspruchs, hinsichtlich der die Beklagte verurteilt worden ist.






OLG Köln:
Urteil v. 13.09.2002
Az: 6 U 218/00


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