Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Juni 2009
Aktenzeichen: 12 W (pat) 341/06

(BPatG: Beschluss v. 18.06.2009, Az.: 12 W (pat) 341/06)

Tenor

Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten: Patentansprüche 1 bis 16, Beschreibung Seiten 2 bis 5, sämtlich überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 18. Juni 2009, 4 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 4 gemäß Patentschrift.

Gründe

I Gegen das unter Inanspruchnahme der deutschen Priorität 297 16 464.3 vom 15. September 2007 am 19. September 1997 angemeldete und am 26. Januar 2006 veröffentlichte Patent 197 41 476 mit der Bezeichnung "Maschine zum Behandeln von Gefäßen" hat die K... AG, in D...

am 26. April 2006 Einspruch eingelegt.

Die Einsprechende hat folgende Druckschriften genannt:

D1: DE3136510A1 D2: EP0132901A2 D3: US 5 188 696 D4: DE 297 04 419 U1 D5: DE4312605A1 D6: DE3642724A1 D7: DE4115327A1 D8: DE 39 28 451 A1.

Die Einsprechende hat zunächst ausgeführt, dass der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe. Sie ferner geltend gemacht, der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei nicht neu, zumindest beruhe er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Mit Eingabe vom 2. Juni 2009 hat die Einsprechende den Einspruch zurückgenommen.

Die Patentinhaberin hat dem Vortrag der Einsprechenden widersprochen. Sie beantragt, das Patent aufrechtzuerhalten, hilfsweise das Patent mit den aus dem Tenor ersichtlichen Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten.

Die verteidigten Patentansprüche 1 nach den gestellten Anträgen lauten:

Hauptantrag Maschine zum Behandeln von Gefäßen (10) mit wenigstens einem als Karussell ausgebildeten Transporteur (1) zum kontinuierlichen Befördern der Gefäße in der Maschine und synchron zu diesem antreibbaren Gefäßtransportelementen (5, 6, 7, 8, 37, 38, 39) zum Heranund Abführen der zu behandelnden Gefäße, wobei geschwindigkeitsund stellungssynchron zum Karussell antreibbare Gefäßtransportelemente als mit den Gefäßen (10) formund/oder reibschlüssig in Eingriff bringbare, mit Aufnahmetaschen oder Halteorganen ausgestattete Sternräder (5, 6) ausgebildet sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Sternräder (5, 6) durch eigene, Drehstellungsgeber (D5, D6) aufweisende Motoren (M5, M6) antreibbar und diese mit einer Steuerung (21) verbunden sind.

Hilfsantrag Maschine zum Behandeln von Gefäßen (10) mit wenigstens einem als Karussell ausgebildeten Transporteur (1) zum kontinuierlichen Befördern der Gefäße in der Maschine und synchron zu diesem antreibbaren Gefäßtransportelementen (5, 6, 7, 8, 37, 38, 39) zum Heranund Abführen der zu behandelnden Gefäße, wobei geschwindigkeitsund stellungssynchron zum Karussell antreibbare Gefäßtransportelemente als mit den Gefäßen (10) formund/oder reibschlüssig in Eingriff bringbare, mit Aufnahmetaschen oder Halteorganen ausgestattete Sternräder (5, 6) ausgebildet sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Sternräder (5, 6) durch eigene, Drehstellungsgeber (D5, D6) aufweisende Motoren (M5, M6) antreibbar und diese mit einer Steuerung (21) verbunden sind, und wobei jede durch einen eigenen Motor angetriebene Baugruppe als kombinierbares Modul ausgebildet ist.

Hinsichtlich der Unteransprüche 2 bis 16 gemäß Hauptund Hilfsantrag und zu weiteren Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

Im Prüfungsverfahren sind neben der D4 noch folgende Druckschriften berücksichtigt worden:

DE 3241435C2 DE 4419578A1 DE 4308836A1 DE 4216113A1 DE 3137201A1 US 5478422A US 50 46 599.

In der Beschreibung sind zudem noch folgende Druckschriften genannt:

DE 3112067C2 DE 2141306A DE 2254466A.

II Nach der Rücknahme des Einspruchs ist das Verfahren von Amts wegen ohne die Einsprechende fortzusetzen (§ 61 Abs. 1 Satz 2 PatG).

1.

Der formund fristgerecht eingelegte Einspruch war zulässig.

2.

Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 (Hauptantrag) ist nicht patentfähig.

Fachmann ist ein Dipl.-Ing. Maschinenbau (FH oder TU) mit langjähriger Erfahrung in der Konstruktion von Gefäßbehandlungsmaschinen. Er wird einen Dipl.-Ing. Elektrotechnik hinzuziehen, wenn es um die Auswahl geeigneter Motoren und deren Steuerung geht.

a) Der erteilte Anspruch 1 ist zulässig.

Die Einsprechende macht geltend, dass der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe. Ursprünglich sei im Anspruch 5 lediglich ein "umlaufend antreibbares" Karussell offenbart. Auch sei ursprünglich lediglich offenbart, dass sämtliche Gefäßtransportelemente mit einem eigenen Motor versehen seien und geschwindigkeitsund stellungssynchron angetrieben werden müssten, mithin nicht nur die Sternräder. Gleiches gelte für die Drehstellungsgeber, die nur in Verbindung mit sämtlichen Antrieben der Gefäßtransportelemente beschrieben seien.

Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Der Begriff Karussell ist mehrfach in der Beschreibung offenbart, verwiesen wird beispielsweise auf Spalte 1, Zeile 7, der Offenlegungsschrift. Die Beschränkung auf Sternräder als Gefäßtransportelemente ist ebenfalls zulässig, da die weiteren im ursprünglichen Anspruch 5 genannten Transportelemente deutlich als Alternativen ("oder") erkennbar sind. Demgemäß ist auch die Beschränkung auf Drehstellungsgeber aufweisende Motoren für die Sternräder zulässig.

b) Gefäßbehandlungsmaschinen wie Etikettiermaschinen bestehen in der Regel aus mehreren Baugruppen (Karussell, Förderschnecken, Sternräder, Etikettieraggregate) die wegen der häufig formschlüssig erfolgenden Gefäßübergabe und lagerichtig auszuführenden Behandlungsvorgänge, beispielsweise dem Anbringen eines Etiketts auf ein Gefäß, nicht nur geschwindigkeitssynchron, sondern auch stellungs-, d. h. winkelsynchron angetrieben werden. Deswegen besitzen Maschinen dieser Art einen zentralen Antriebsmotor, der über Zahnräder, Ketten, Zahnriemen, Kardanwellen oder dgl. die einzelnen Baugruppen geschwindigkeitsund stellungssynchron zueinander mit veränderbarer Geschwindigkeit antreiben kann. Zusätzlich sind häufig schaltbare Kupplungselemente vorhanden, um in speziellen Betriebssituationen einzelne Maschinengruppen vom Zentralantrieb abtrennen zu können, z. B. Etikettieraggregate, die für bestimmte Ausstattungsvarianten nicht benötigt werden. Ferner sind zum Schutz bestimmter Maschinengruppen Überlastkupplungen vorhanden, die im Falle von Verklemmungen oder dgl. mechanische Schäden verhindern sollen (Abs. [0002] der Patentschrift).

Dieses konventionelle Antriebskonzept verursacht aufgrund der bisweilen sehr großen Zahnraddurchmesser, Zugmittelbzw. Kardanlängen und der zahlreichen Kupplungselemente hohe Herstellund Montagekosten. Ferner erzeugen die Kraftübertragungselemente häufig Geräusche, deren Beseitigung zusätzlichen Aufwand erfordert (Abs. 0004])

Die D4 zeigt und beschreibt eine derartige Maschine, nämlich eine Vorrichtung 1 zur Bearbeitung von wieder verwendbaren Kunststoffflaschen. Es sind ein Bearbeitungsstern 3 (= Karussell) sowie ein Einlaufstern 7 und ein Auslaufstern 21 (= Sternräder) vorgesehen. Die Sternräder sind -wie bei Gefäßbehandlungsmaschinen üblich -geschwindigkeitsund stellungssynchron zum Karussell antreibbar, was sich zudem ohne weiteres aus der Fig. 1 ableiten lässt. Die Merkmale des Oberbegriffs sind daher verwirklicht, was auch die Patentinhaberin einräumt (Abs. [0005]). Ähnliche Maschinen sind auch aus der D3 und der in der Beschreibung genannten DE 31 12 067 C2 (Abs. [0003]) bekannt.

Der Erfindung liegt die Aufgabe zu Grunde, ein flexibles Antriebskonzept mit hoher Betriebssicherheit für Gefäßbehandlungsmaschinen anzugeben (Abs. [0006]).

Gelöst wird diese Aufgabe in Verbindung mit den Merkmalen des Oberbegriffs dadurch, dass die Sternräder einer gattungsgemäßen Gefäßbehandlungsmaschine durch eigene, Drehstellungsgeber aufweisende Motoren angetrieben werden. In Zusammenarbeit mit einer Steuerung ist ein sehr exakter, stellungssynchroner Gleichlauf bei gleichzeitig flexibler Maschinengestaltung möglich (Abs. [0007]).

In der Verpackungsmittelindustrie war es vor dem Prioritätstag des angegriffenen Patents bekannt, mechanisch verkettete Antriebe durch einzeln angetriebene Elektromotoren zu ersetzen, die über eine Steuerung angesteuert werden. Dieses war dem hier zuständigen Fachmann bekannt, was auch die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat. Auch in Anlagen für die Abfüllung von Getränken war es am Anmeldetag bekannt, mechanische Steuerorgane durch elektrische Einzelantriebe zu ersetzen, wie die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat. Jeder Drehteller einer Etiketiermaschine wird dabei durch einen eigenen, hinsichtlich Drehwinkel und Drehgeschwindigkeit exakt steuerbaren Motor direkt angetrieben. Dieser Vortrag wird durch den im Prüfungsverfahren berücksichtigten Stand der Technik nach der DE 31 37 201 A1 und der US 54 78 422 A bestätigt.

Der Fachmann hatte daher eine Veranlassung, auch hinsichtlich des mechanisch aufwändigen Antriebs der Sternräder von Gefäßbehandlungsmaschinen nach einer einfacheren und kostengünstigeren Lösung zu suchen.

Die D8 betrifft ein Steuerund Regelsystem für komplexe Antriebe (vgl. Bezeichnung). Dieses System ist für Antriebe mit mehreren Motoren geeignet, die einen hohen Gleichlauf erfordern (vgl. Spalte 1, Zeile 16 bis 20). Die D8 sieht hierzu Vorrichtungen zur Lageerkennung -und damit einen Drehstellungsgeber im Sinne des angegriffenen Patents -und zur Drehzahlerfassung (= Geschwindigkeit) vor, die im Motorgehäuse angeordnet sind (vgl. Spalte 1, Zeile 43 bis 49). Dieses System ermöglicht es über eine Steuerung, geschwindigkeitsund stellungssynchron Teile von Maschinen anzutreiben. Eine Übertragung der aus der D8 bekannten Einzelantriebslösung auf eine Gefäßbehandlungsmaschine nach der D4 ist nahe liegend, da die D8 auf den Gleichlauf sämtlicher Motoren auch bei unterschiedlicher Belastung hinweist (Spalte 1, Zeile 67 bis 68). Diese Übertragung führt zum Gegenstand des Anspruchs 1, der daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Soweit die Patentinhaberin den fehlenden Hinweis auf die Getränketechnik in dieser Druckschrift anführt, ist anzumerken, dass die Anspruchsfassung dort allgemein gehalten ist.

Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung außerdem vorgetragen, in der Getränkemittelindustrie sei ein extremer Gleichlauf der Anlagenteile erforderlich, was durch teilweise hohe Massenträgheit und unterschiedliche Beschleunigungsmomente erschwert werde. Dies mag zutreffend sein, eine Lösung dieser Probleme enthält der erteilte Anspruch 1 aber nicht.

3. Das Patent ist -wie hilfsweise beantragt -beschränkt aufrechtzuerhalten.

a.

Die geltenden Patentansprüche 1 bis 16 gemäß Hilfsantrag sind zulässig. Patentanspruch 1 leitet sich aus dem erteilten Patentanspruch 1 und der Beschreibung (Abs. [0014] und [0015]) ab. Die kennzeichnenden Merkmale der Patentansprüche 2 bis 16 entsprechen denen der erteilten Patentansprüche 2 bis 16.

b.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist patentfähig. Gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik ist dieser Gegenstand neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die gewerbliche Anwendbarkeit ist gegeben.

c.

Die Gegenstände der unmittelbar oder mittelbar auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 16 sind ebenfalls patentfähig.

4. Einer näheren Begründung hierzu bedarf es nicht, da der einzige Einspruch zurückgenommen wurde und somit nur noch die Patentinhaberin am Verfahren beteiligt ist, deren Hilfsantrag stattgegeben wurde (§ 47 Abs. 1 Satz 3 PatG i. V. m. §§ 59 Abs. 4).

Dr. Ipfelkofer Hövelmann Dr. Frowein Sandkämper Me






BPatG:
Beschluss v. 18.06.2009
Az: 12 W (pat) 341/06


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/995bcf634e96/BPatG_Beschluss_vom_18-Juni-2009_Az_12-W-pat-341-06




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share