Landgericht Flensburg:
Beschluss vom 12. Mai 2005
Aktenzeichen: 6 O 139/03
(LG Flensburg: Beschluss v. 12.05.2005, Az.: 6 O 139/03)
Tenor
Die Anträge der Antragsteller werden als unzulässig abgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Die Antragsteller beantragen die Festsetzung einer Abfindung wegen behaupteten Beherrschungsvertrages gemäß § 305 Abs. 5 S. 2 AktG i.V.m. § 1 Nr. 1 SpruchG.
Die Antragsteller sind ununterbrochen mindestens seit dem 01.01.2000 Aktionäre der Firma ... AG (nachfolgend: AG), eine beim Amtsgericht S. unter HRB 0734 eingetragenen börsennotierten Aktiengesellschaft. Die AG bietet auf den Geschäftsfeldern Mobilfunk, Festnetz und Internet Telekommunikationsleistungen an, ohne über ein eigenes Mobilfunk-Telefonnetz zu verfügen. Sie benutzt die Mobilfunk-Telefonnetze der vorhandenen Netzbetreiber. Von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Vorstandsvorsitzender der AG war zunächst Herr ... (nachfolgend: GS). GS war mit ca. 60 % des Aktienkapitals mehrheitlich an der AG beteiligt. Seit dem 24.11.2000 besitzt die Antragsgegnerin (nachfolgend: FT) 28,3 % des Grundkapitals, GS blieb zunächst mit ca. 40 % Beteiligung weiterhin größter Einzelaktionär.
1999 entschloss sich die AG, ein eigenes Mobilfunknetz aufzubauen und sich an der Versteigerung von UMTS-Lizenzen (sog. dritte Mobilfunkgeneration) in Deutschland zu beteiligen. Dieses Vorhaben konnte sie jedoch nicht aus eigener Kraft verwirklichen. Es bedurfte der finanziellen Unterstützung eines anderen größeren Unternehmens. Die AG, vertreten durch GS, schloss noch im Jahr 1999 einen Kooperationsvertrag mit dem Service-Provider D. AG, der den gemeinsamen Einstieg der AG und der D. AG in das UMTS-Geschäft zum Gegenstand hatte - so der Vortrag der Antragsgegnerin -, bzw. sollte diese Zusammenarbeit ermöglichen "ggf. an der UMTS-Versteigerung teilzunehmen" - so der Vortrag der Antragsteller. Die beiden Gesellschaften gründeten ein Gemeinschaftsunternehmen, das sich für eine UMTS-Lizenz bewerben sollte. Die Zusammenarbeit mit D. wurde jedoch im März 2000 beendet.
Die AG kooperierte anschließend mit FT. Am 22.03.2000 wurde ein Kooperationsvertrag (Cooperation Framework Agreement (nachfolgend: CFA)) zwischen der AG und GS einerseits und der FT andererseits geschlossen. In der Präambel dieses Vertrages heißt es wie folgt:
Präambel
FT und M. sind übereingekommen, auf dem deutschen Markt der Festnetz- und Mobil-Telekommunikation sowie verwandten Multimediadiensten zu kooperieren, um das weitere Wachstum von M. zu gewährleisten und FT in die Lage zu versetzen, M. in seine Gesamtstrategie für Deutschland und Europa zu integrieren. Die geplanten Dienste finden sich in den Bereichen Internet, mobiles Internet sowie Festnetz- und Mobiltelefonie. Zu diesem Zweck
- haben M. und FT vereinbart, gemeinsam ein UMTS/IMT 2000 (universal mobile Telekommunikationssystem) - Lizenz für den Mobilfunk zu erwerben, um M. mit Unterstützung von FT in die Lage zu versetzen, ein vollwertiges Mobilfunknetz zu betreiben.
- werden M. und FT bei Aufbau und Betrieb von Infrastruktur und Netzdiensten Hand in Hand zusammenarbeiten, um ihre europaweiten und nationalen Aktivitäten zu unterstützen.
- werden FT (oder ein mit ihm verbundenes Unternehmen) und M. zunächst ein von FT zu finanzierendes Jointventure-Unternehmen gründen, das dem Zweck dient, eine UMTS-Lizenz zu erwerben, ein UMTS-Netz aufzubauen und ein vollwertiges Mobilfunknetz in Deutschland zu betreiben.
- wird FT am Ende des Gebotsverfahrens oder früher - sofern dies möglich ist, ohne die Teilnahme des Jointventure-Unternehmens an der Versteigerung zu gefährden, seine Anteile am Jointventure-Unternehmen im Austausch gegen M.-Aktien in M. einbringen, um auf diesem Wege der zweitgrößte M.-Aktionär zu werden, sodass GS und FT die beiden Hauptaktionäre sein werden.
- verpflichtet sich FT, die Entwicklung von M. mit Nachdruck zu unterstützen.
- wird FT, nachdem es diese Einlage vorgenommen hat, auf der Grundlage einer Vereinbarung mit GS nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums Mehrheitsaktionär von M..
- wird die Geschäftstätigkeit von M. in einer Art und Weise ausgeweitet, dass M. ein führender Anbieter von Telekommunikations- und Multimediadienstleistungen in Deutschland wird.
- wird M. das Hauptmedium werden, um die Aktivitäten des FT-Konzerns in Deutschland weiter auszubauen, mit Ausnahme der Aktivitäten, die durch Global One Germany abgedeckt werden, dessen Ziel die Bereitstellung von Telekommunikationsdienstleistungen für große Firmenkunden ist.
In Anbetracht des Vorhergesagten kommen die Parteien wie folgt überein:
I. Vereinbarung
Abschnitt 1
Ziele und Phasen der Kooperation
1.1 Ziele und Basis der Kooperation
M. und FT sind der Meinung, dass M. in die deutsche und europäische Gesamtstrategie von FT passt. Daher erwägen M. und FT, M. zu einem der führenden Telekommunikations- und Multimedia-Dienstanbieter in Deutschland aufzubauen. Zu diesem Zweck
- sollen eine UMTS-Lizenz erworben und ein Multimedia-Netz ausgebaut und
- attraktive Multimedia-Inhalte durch internes Wachstum und weitere Akquisitionen entwickelt werden.
...
II. Gesellschaftervereinbarungen
Abschnitt 4
Verwaltungs- und Leitungsstruktur von M.
Die Parteien vereinbaren, dass M. so schnell wie möglich nach dem Second Closing eine Verwaltungs- und Leitungsstruktur erhält, die der Tatsache Rechnung trägt, dass GS und FT die Hauptaktionäre und FT der zweitgrößte Aktionär von M. sind/ist. Die Parteien werden - ohne die Absicht, die Rechte und Befugnisse der Hauptversammlung, des Aufsichtsrates und des Vorstands von M. zu beeinträchtigen und unter Beachtung von §§ 95 ff, 84 des deutschen Aktiengesetzes, ihre Rechte und ihren Einfluss nutzen, um innerhalb der gesetzlich....und insbesondere durch das Aktienrecht und die Satzung von M. vorgegebenen Grenzen folgende Verwaltungs- und Leitungsstruktur von M. einzurichten:
...
4.2 Vorstand
Ein Mitglied des Vorstands wird in Absprache mit GS und FT benannt. Dieses Mitglied ist für die Unternehmensentwicklung und Strategie von M. und für die Einbindung von M. in den FT-Konzern zuständig, jedoch unter der Bedingung, dass die gemeinsame Verantwortung des M.-Vorstands für Entscheidungen unberührt bleibt.
Nach Ziffer 4.3 des CFA soll ein Koordinationsausschuss der Parteien (gemeint sind FT und GS) eingerichtet werden. Dieser Ausschuss soll gemäß Ziffer 4.3.3 über alle "Wichtigen Angelegenheiten" beraten und eine einstimmige Entscheidung erreichen. Ziffer 4.4 regelt, welche Angelegenheiten als "Wichtige Angelegenheiten" anzusehen sind. Es heißt hier:
Die folgenden Angelegenheiten (nachstehend: "Wichtige Angelegenheiten") sind vom Koordinationsausschuss der Parteien zu beraten und zu koordinieren:
4.4.1 Änderung der Satzung von M..
4.4.2 Ernennung oder Abberufung von einem, mehreren oder allen Mitgliedern des Aufsichtsrats und des Vorstands.
4.4.3 Erhöhung oder Herabsetzung des Kapitals von M. oder Ausgabe von neuen Aktien oder eines anderen Wertpapiers, wodurch Zugang zum Eigenkapital von M. ermöglicht wird.
4.4.4 Öffentliche Notierung von Aktien oder sonstigen Wertpapieren von M.-Tochtergesellschaften.
4.4.5 Auflösung oder Liquidation von M. oder Kauf, Verkauf, Vermietung, Übertragung, hypothekarische Belastung oder Veräußerung aller oder eines erheblichen Teils seiner Vermögenswerte, seiner Unternehmen oder von Anteilen an anderen Unternehmen.
4.4.6 Fusion oder Konsolidierung (Umstrukturierung) von M. in eine oder mit einer andere(n) Organisation.
4.4.7 Jährliche Genehmigung von Budget und Geschäftsplan, Investitionsplan oder Finanzplan.
4.4.8 Anbahnung, Ausfertigung, Kündigung oder Änderung von Verträgen oder Vereinbarungen mit einem Dritten, die Beträge oder Laufzeiten beinhalten, die 10 Millionen Euro bzw. 5 (5) Jahre übersteigen.
In Ziffer 4.5 ist ausgeführt, dass alle in den Absätzen 4.4.1 bis einschließlich 4.4.7 genannten Angelegenheiten als "fundamentale Angelegenheiten" im Sinne dieses Vertrages gelten, "wenn sie im Einzelfall von solcher Bedeutung sind, dass man bei realistischer Betrachtung davon ausgehen kann, dass sie eine wesentliche nachteilige Auswirkung haben auf und von zentraler Bedeutung sind für die Fortführung und zukünftige Entwicklung der Geschäftstätigkeit von M.".
Ziffer 4.3.5 regelt, wie zu verfahren ist, wenn in einer "fundamentalen Angelegenheit" keine Einstimmigkeit erzielt wird. Letztendlich kann nach Ziffer 4.3.5 FT den Mitaktionär GS überstimmen. GS soll dann das Recht haben, gemäß Ziffer 5.3 seine Verkaufsoption auszuüben, also zu verlangen, "dass FT 21.600.000 Aktien seiner M.-Aktien (aber nicht Teile davon) zum Ausübungspreis (wie nachstehend definiert) an den folgenden Daten oder bei Eintreten eines der folgenden Ereignisse kauft:"
Wegen seines weiteren Inhalts wird auf den von den Antragstellern eingereichten Kooperationsvertrag vom 3.4.2000 Bezug genommen.
Das nach Ziffer 2.1 CFA gegründete Unternehmen (vehicle), nämlich die M. M. GmbH, ersteigerte im August 2000 eine UMTS-Lizenz für 8,4 Milliarden Euro.
Am 11.06.2002 kündigte FT das CFA gegenüber der AG und GS aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung mit der Behauptung, wegen verschiedener Vertrags- und Gesetzesverletzung durch GS sei es zu einem unwiederbringlichen Vertrauensverlust zwischen den Parteien gekommen; überdies habe sich herausgestellt, dass das UMTS-Geschäft nicht profitabel betrieben werden könne. Am 20.11.2002 schlossen die AG und FT mit Zustimmung von GS einen als "MC Settlement Agreement" bezeichneten Vergleich, in dem u.a. vereinbart ist, gegeneinander auf sämtliche Ansprüche und Rechte zu verzichten, was das CFA mit einschloss.
GS wurde am 21.06.2002 mit sofortiger Wirkung als Vorstandsvorsitzender der AG entbunden.
Die Antragsteller sind der Auffassung, bei dem CFA handele es sich um einen Beherrschungsvertrag gemäß § 291 AktG, der zu seiner Wirksamkeit nach §§ 293, 294 AktG der Zustimmung der Hauptverhandlung und der Eintragung in das Handelsregister bedurft hätte. Entsprechend den Ausführungen in der Präambel hätten die Vertragsbeziehungen zwischen der AG und FT nicht auf die Ersteigerung der UMTS-Lizenz beschränkt sein sollen, sondern seien als langfristige wirtschaftliche Eingliederung der AG in die Gesamtstrategie des FT-Konzerns angelegt gewesen. Im Gegenzug zur Unterwerfung der AG unter die Leitung von FT habe diese im CFA die unbedingten Verpflichtungen zur Unterstützung des Aufbaus und zur Finanzierung des UMTS-Geschäfts der AG übernommen. Das vereinbarte UMTS-Geschäft und die entsprechende Finanzierungspflicht der FT habe ein Investitionsvolumen und sonstige Aufwendungen der AG im Wert von mehr als 18 Milliarden Euro zum Gegenstand gehabt. Ohne die Kooperation mit FT wäre dieses Geschäft nicht möglich gewesen. Die AG allein hätte es auch nie in Angriff genommen.
Die Antragsteller sind der Auffassung, das CFA habe es der FT ermöglicht, die AG zu beherrschen. So hätten die AG und FT in Abschnitt 4 des Vertragswerks die "Verwaltungs- und Leitungsstruktur von M." festgelegt. Hierbei handele es sich - rechtlich betrachtet - um die Vereinbarung einer Beherrschung der AG durch FT. Bei konsequenter Anwendung der in Abschnitt 4 niedergelegten Bestimmungen ergebe sich in fundamentalen Angelegenheiten, also in den entscheidenden geschäftspolitischen Fragen, ein Weisungsrecht von FT gegenüber dem Vorstand der AG über den Kopf des Mitaktionärs und Vertragspartners GS. Gleiches gelte hinsichtlich der "Wichtigen Angelegenheiten" i.S.d. Ziffer 4.3.4. Im Übrigen sei das "Blockaderecht" dieser Ziffer kein Recht des Vorstandes, der die AG vertrete, gewesen, sondern des Aktionärs GS in seiner Eigenschaft als Partei des CFA.
Die Antragsteller tragen vor, das CFA sei auch entsprechend seinen Vereinbarungen praktiziert worden. So habe FT z.B.
- ab 2000 den Businessplan der AG bestimmt, in dem die Investitionen und Finanzierungen festgelegt worden seien;
- den Koordinationsausschuss der Parteien eingesetzt, der in der im CFA vorgesehenen Weise die Entscheidungen über die "Wichtigen Angelegenheiten" gefasst habe;
- ihren Mann mit Zuständigkeiten für die Einbindung der M. in den FT-Konzern in den Vorstand der M. geschickt;
- durch ihren Mitarbeiter im Bieterzimmer der UMTS-Versteigerung vom 31. Juli bis 18. August 2000 die Gebote der M. für die UMTS-Lizenz abgegeben, ohne dass der M.-Vorstand ihn bzw. die FT dabei habe kontrollieren können.
Sie führen weiter aus, FT habe auf der Grundlage des CFA im Übrigen aktiv das Geschäft der AG bestimmt. So seien ab 2000 maßgebende Vertreter der FT an allen wichtigen Verhandlungen der AG federführend beteiligt gewesen. Auch habe FT die AG durch ihre Wirtschaftsprüfer prüfen lassen, wie dies bei einer Konzerngesellschaft üblich sei. Das UMTS-Engagement, ein überaus risikoreiches Geschäft, sei von FT auf der Grundlage des CFA veranlasst worden. Beim Aufbau dieses Geschäfts sei die AG von der Einhaltung der von FT im CFA übernommenen unbedingten und unlimitierten Finanzierungsverantwortlichkeit abhängig gewesen. FT sei dieser und anderen im CFA übernommenen Verpflichtungen jedoch nur unzureichend nachgekommen. Wegen des Vortrags der Antragsteller im Einzelnen hierzu wird auf die Ausführungen in der Anlage AST 6 a zur Antragsschrift verwiesen.
Sie meinen ferner, das CFA sei zwar wegen mangelnder Zustimmung der Hauptversammlung und Eintragung in das Handelsregister grundsätzlich nichtig. Es sei aber nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft als wirksamer Beherrschungsvertrag anzusehen, der einen Abfindungsanspruch aus § 305 AktG für die außenstehenden Aktionäre der AG begründet.
Die Antragsteller beantragen,
gemäß § 305 AktG i.V.m. dem SpruchG die angemessene Barabfindung zugunsten der außenstehenden Aktionäre der M. AG mit Sitz in S. aufgrund des mit der Antragsgegnerin am 22. März 2000 geschlossenen Beherrschungsvertrag festzusetzen.
Hilfsweise,
gemäß analog § 305 AktG i.V.m. dem SpruchVG die angemessene Barabfindung zugunsten der außenstehenden Aktionäre der M. AG im Hinblick auf die qualifizierte faktische Beherrschung/existenzvernichtende bzw. existenzgefährdende Nachteilszufügung zulasten der M. AG in der Zeit von März 2000 bis Januar 2003 festzusetzen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag als unzulässig, jedenfalls aber als unbegründet abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der Antrag sei unzulässig, da das CFA kein Beherrschungsvertrag im Sinne des § 305 Abs. 5 S. 2 AktG i.V.m. § 1 SpruchG sei. Dies schon deshalb nicht, weil diese Vereinbarung wegen der Zustimmung der Hauptversammlung und Eintragung im Handelsregister nichtig sei. Ferner enthalte das CFA keine Regelung über einen angemessenen Ausgleich der außenstehenden Aktionäre, wie es § 304 AktG vorsehe. Dies führe nach § 304 Abs. 3 S. 1 AktG ebenfalls zur Nichtigkeit dieser Vereinbarung.
Sie führt weiter aus, das CFA sei kein Beherrschungsvertrag, sondern eine reine Aktionärsvereinbarung. Es enthalte keinen Beherrschungsmechanismus. So sei den Vertragsparteien die zwingende aktienrechtliche Kompetenzordnung, insbesondere die gesetzlich festgelegte Unabhängigkeit des Vorstands und des Aufsichtsrats bewusst gewesen, wie sich aus dem Einleitungssatz zu Ziffer 4 und aus Ziffer 3.2, 4.1.1 und 4.2 ergebe. Diese Kompetenzen lasse das CFA unangetastet.
Die Antragsgegnerin ist ferner der Ansicht, das CFA bleibe nichtig. Denn entgegen der Auffassung der Antragsteller könnten Beherrschungsverträge im Aktienrecht bei fehlender Handelsregistereintragung oder fehlender Hauptversammlungszustimmung keinesfalls nach den Grundsätzen über fehlerhafte Gesellschaften als wirksam behandelt werden. Letztlich seien eventuelle Ansprüche aus § 305 AktG auch untergegangen. Denn das CFA sei spätestens im Februar 2003 wirksam beendet worden, wenn nicht schon bereits durch die Kündigung am 11.06.2002 und in jedem Fall aber vor Anhängigkeit des Spruchverfahrens.
Sie ist im Übrigen der Auffassung, das CFA regele die Eingehung und Umsetzung einer Jointventure Partnerschaft hinsichtlich des UMTS-Geschäfts zwischen der AG und FT wie sich aus Ziffer 1 - 3 des CFA ergebe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze der Antragsteller vom 15.12.2003 (Bl. 42 - 82 nebst Anlagen), vom 30.09.2004 (Bl. 224 - 302 nebst Anlagen), vom 23.06.2005 (Bl. 393 - 439 nebst Anlagen) vom 01.07.2005 (Bl. 442 - 444) sowie v. 08.08.2005 und auf die Schriftsätze der Antragsgegnerin vom 25.06.2004 (Bl. 127 - 210 nebst Anlagen), vom 09.05.2005 (Bl. 243 - 382 nebst Anlagen) sowie vom 19.07.2005 (Bl. 457 - 465) und vom 25.7.2005 verwiesen.
Die Anträge der Antragsteller sind als unzulässig zurückzuweisen.
A. Hauptantrag
I. Das Landgericht Flensburg ist international zur Entscheidung über den Hauptantrag zuständig.
Die internationale Zuständigkeit ist nach der EG-VO Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) zu beurteilen. Diese Verordnung verdrängt das nationale Recht. Für den Fall, wie hier, dass der Wohnsitz des Beklagten - hier Antragsgegnerin - in einem anderen Mitgliedstaat (Art. 3 Abs. 1) liegt, wird auch die örtliche Zuständigkeit grundsätzlich durch die genannte Verordnung (Art. 5 ff) geregelt (Zöller-Geimer, ZPO, 25. Aufl., Rn. 6 zu Art. 2 EuGVVO.
Nach Artikel 2 EuGVVO sind vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedsstaats zu verklagen. Nach Art. 5 Ziff. 1 a EuGVVO kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats hat, in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden; wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre.
Vorliegend stützen die Antragsteller ihren Anspruch auf den Kooperationsvertrag (CFA) vom 22.03.2000. Dieser Vertrag ist unstreitig geschlossen worden. Streit besteht zwischen den Parteien darüber, ob er als Beherrschungsvertrag i.S.d. § 291 AktG zu qualifizieren ist. Die Zuständigkeit - auch die internationale Zuständigkeit, ist von Amts wegen zu prüfen. Grundlage für die Prüfung sind die Angaben des Klägers in der Klageschrift und sein weiteres Vorbringen. Nach h.M. in Rechtsprechung und Literatur ist beim Vorliegen von sog. doppelrelevanten Tatsachen, also sowohl zuständigkeits- als auch anspruchsbegründende Tatsachen allein auf den vom Kläger unterbreiteten (schlüssig vorgetragenen) Tatsachenvortrag abzustellen, sog. Schlüssigkeitstheorie (u.a. BGH NJW 1996, 3012).
Vorliegend werden vertragliche Ansprüche aus §§ 291, 305 AktG, also Ansprüche i.S.d. Art. 5 Ziff. 1a EuGVVO, die am Sitz des beherrschten Unternehmens zu erfüllen gewesen wären, geltend gemacht. Somit ist der Sitz der Firma M. AG, der bei Antragstellung im Landgerichtsbezirk Flensburg lag, maßgebend.
Im Übrigen wird ein Gericht zuständig, wenn sich der Beklagte - hier die Antragsgegnerin - auf das Verfahren einlässt, Art. 24 EuGVVO. Vorliegend hat sich die Antragsgegnerin auf den Antrag der Antragsteller eingelassen i.S.d. dieser Vorschrift. Denn sie hat sachlich zum Antrag und dessen Begründung innerhalb der eingeräumten Frist Stellung genommen, ohne die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Flensburg zu rügen (BGH WM 2001, 2121).
II. Der Antrag ist nicht verfristet.
Nach § 4 Abs. 1 Ziff. 1 SpruchG kann der Antrag auf gerichtliche Entscheidung in einem Verfahren nach § 1 nur binnen 3 Monaten seit dem Tag gestellt werden, an dem in den Fällen des § 1 Ziff. 1 (Ausgleich für außenstehende Aktionäre gem. §§ 304 und 305 AktG) die Eintragung des Bestehens oder einer unter § 295 Abs. 2 AktG fallenden Änderung des Unternehmensvertrags im Handelsregister nach § 10 HGB eingetragen ist. Das CFA, das von den Antragstellern als Beherrschungsvertrag i.S.d. deklariert wird, ist nicht im Handelsregister eingetragen worden. Eine Veröffentlichung erfolgte infolge dessen naturgemäß nicht. Ein Fristbeginn nach der genannten Vorschrift ist nicht feststellbar. Die Kammer geht deshalb davon aus, dass die Frist nicht begonnen hat.
Das CFA ist zwar am 11.06.2002 gekündigt worden, der Vertrag wurde im Januar 2003 aufgehoben. Man könnte deshalb davon annehmen, die Frist habe Anfang Februar 2003 zu laufen begonnen. Dies würde jedoch voraussetzen, dass das CFA offiziell den außenstehenden Aktionären bekannt gegeben worden ist. Dieses ist jedoch unstreitig nicht der Fall. Allein die Möglichkeit, das CFA anlässlich der Hauptversammlung der AG im Januar 2003 einzusehen, reicht nicht, um die Ausschlussfrist des § 4 SpruchG in Lauf zu setzen.
III. Der Hauptantrag der Antragsteller ist auch rechtzeitig begründet worden. Gemäß Abs. 2 des § 4 SpruchG ist er innerhalb der Frist des § 4 Abs. 1, also der Dreimonatsfrist, zu begründen. Der Antrag ist mit Einreichung begründet worden. Die Frist ist deshalb gewahrt, siehe II. Er ist auch zur Höhe hinreichend begründet. Die Antragsteller haben ihren Schaden an den Aktienkursen orientiert. Der Börsenkurs der Aktie kann als Mindestwert des Unternehmens angesetzt werden (Fritzsche-Dreier-Verfürth (nachfolgend: Fritzsche) SpruchG, Rn. 216 - 219 zu § 1). Auch nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 100, 289, 309 f. kann der Börsenkurs als Stichtags- oder Durchschnittskurs bestimmt werden (so auch BGHZ 147, 108, 117 ff). Die Antragsteller haben die Anzahl der Aktien, die sie in Besitz hatten oder haben, angegeben, sodass eine angemessene Abfindung oder ein angemessener Ausgleich bestimmt werden könnte.
IV. Der Antrag ist jedoch unzulässig, weil kein Beherrschungsvertrag zwischen der AG und der Antragsgegnerin geschlossen worden ist.
1. Nach § 305 Abs. 5 S. 2 AktG hat das in § 2 des SpruchG bestimmte Gericht auf Antrag die vertraglich zu gewährende Abfindung zu bestimmen, wenn der Beherrschungsvertrag überhaupt keine oder eine den Absätzen 1 - 3 nicht entsprechende Abfindung vorsieht. Voraussetzung für die Abfindung ist zunächst das Bestehen eines wirksamen Beherrschungs- bzw. Gewinnabführungsvertrags i.S.v. § 291 Abs. 1 AktG. Wirksamkeitsvoraussetzung für einen Unternehmensvertrag nach dieser Vorschrift sind die Zustimmung der Hauptversammlung nach § 293 AktG, die Eintragung in das Handelsregister, § 294 AktG sowie ein angemessener Ausgleich gemäß § 304 AktG. Unstreitig liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Das CFA ist weder in Hauptversammlung der AG zur Zustimmung vorgelegt, noch ist es im Handelsregister eingetragen worden. Eine Abfindungsregelung enthält das Vertragswerk ebenfalls nicht. Somit liegt kein rechtswirksamer Beherrschungsvertrag vor.
2. Das CFA ist auch nicht nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft als wirksam zu behandeln. Dieses deshalb nicht, weil das CFA bereits kein Unternehmensvertrag gemäß § 291 AktG ist.
Durch den Unternehmensvertrag in der Form des Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages (§ 291 AktG) werden u.a. die abhängige Gesellschaft der Leitung durch das herrschende Unternehmen unterstellt, das die organschaftliche Verantwortung bei Ausrichtung des Gesellschaftszweckes am Konzerninteresse für die Konzernleitung übernimmt (§§ 308 ff AktG). Das herrschende Unternehmen erlangt dadurch das Recht, der abhängigen Gesellschaft nachteilige, die Interesse des herrschenden Unternehmens oder des Konzerns verfolgende Weisungen zu erteilen (§ 308 Abs. 1 AktG). Eine Unterstellung im Sinne des § 291 AktG liegt vor, wenn die Gesellschaft aufgrund des Vertrages nach dem Willen des anderen Unternehmens geleitet werden, d.h. die Geschäftsleitung so handeln soll, wie das andere Unternehmen es verlangt oder wünscht. Das Essentielle des Vertrages ist, dass der Vorstand die Leitungsbefugnis (§ 76 AktG) an das herrschende Unternehmen abgibt, § 308 AktG. Nur ein Vertrag, der diese Unterstellung der Leitung der Gesellschaft zum Gegenstand hat, ist ein Beherrschungsvertrag im Sinne der genannten Vorschrift (Münchner Kommentar, Aktiengesetz, Rn. 54 zu § 291; Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, § 31 III 2, Hüffer, AktG, 3. Auflage, Rn. 10 zu § 291). Wie sich aus § 291 Abs. 1 Ziff. 1 AktG ergibt, muss die Leitung der Gesellschaft dem anderen Unternehmen vertraglich unterstellt sein (Hüffer, a.a.O. Rn. 11 zu § 291). Denn der Beherrschungsvertrag ist nicht nur Machtinstrument, sondern er soll die Herrschaft der Obergesellschaft legitimieren (Schmidt, a.a.O., § 31 Ziff. III 2 c). Das herrschende Unternehmen übernimmt die organschaftliche Verantwortung, § 309 AktG (Großkommentar Aktiengesetz Anmerkung 12 zu § 291).
Legt man diese Kriterien zugrunde, ist das CFA nicht als Beherrschungsvertrag zu qualifizieren. Ihm fehlt als wesentliche Voraussetzung die vertragliche Übernahme der Leitung der AG durch die Antragsgegnerin. Diese Übernahme ergibt sich auch nicht aus Abschnitt 4 des CFA, der mit "Gesellschaftervereinbarungen" überschrieben ist. Insbesondere dient die Vereinbarung des Koordinationsausschusses gemäß Ziffer 4.3 nicht der Übernahme der Leitung durch die Antragsgegnerin. Denn zunächst handelt es sich hierbei lediglich um Vereinbarungen der beiden Hauptaktionäre, also um eine Aktionärsvereinbarung. Im Übrigen ergibt sich aus dem ersten Absatz des Abschnitts 4, dass die Parteien nicht die Absicht hatten, "die Rechte und Befugnisse der Hauptversammlung, des Aufsichtsrats und des Vorstands von M. zu beeinträchtigen", vielmehr ihre Rechte und ihren Einfluss "unter Beachtung von §§ 95 ff, 84 AktG) nutzen wollten. Ziffer 4.2 spricht aus, "dass die gemeinsame Verantwortung des M.-Vorstands für Entscheidungen unberührt bleibt".
Diese Regelungen im CFA zeigen, dass der Antragsgegnerin keine Leitungsmacht im Sinne des § 308 AktG übertragen werden sollte und sie auch nicht bereit war, eine organschaftliche Verantwortung gemäß § 309 AktG zu übernehmen. Diese Rechte bzw. Pflichten gehören aber zu den wichtigsten Kriterien eines Beherrschungsvertrages (s.o.).
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Antragsteller auch nicht aus Ziffer 1.2.2 des Vertragswerkes. Dort heißt es:
In Phase 2 der Transaktion, die nach Abschluss von Phase 1 beginnt, wird M. in Einklang mit Vereinbarungen geleitet, die zwischen GS und FT als den beiden Hauptaktionären getroffen worden, ...
Diesem Abschnitt lässt sich nicht entnehmen, dass der Antragsgegnerin die Leitung der AG im Sinne des § 308 AktG übernehmen sollte. Vielmehr ist diese Regelung so zu verstehen, dass Schmidt und FT ihren Einfluss als Großaktionäre entsprechend ihren Vereinbarungen o.a. in Abschnitt 4 des CFA ausüben wollten. Eine vertragliche Übernahme der Leitung durch die Antragsgegnerin bzw. die vertragliche Unterstellung der AG unter die Leitung der Antragsgegnerin kann diesem Satz nicht entnommen werden.
2. Die Regelungen des CFA führten möglicherweise zu einer faktischen Beherrschung der AG. Eine faktische Beherrschung durch die Antragsgegnerin ist jedoch nicht die Rechtsfolge des § 305 Abs. 5 S. 2 AktG aus, sondern ist nach §§ 311 f AktG zu beurteilen. Diese Rechtsfolgen können jedoch nicht Gegenstand des Spruchverfahrens sein.
V. Bei dieser Sachlage kann es dahingestellt bleiben, ob das Spruchstellenverfahren auch deshalb unzulässig ist, weil das CFA gekündigt bzw. durch das MC-Settlement Agreement vom 22.11.2002 mit Zustimmung der Hauptversammlung der AG am 21.01.2003 inzwischen aufgehoben ist.
B. der Hilfsantrag der Antragsteller ist ebenfalls unzulässig.
I. Es fehlt bereits an der internationalen Zuständigkeit des Landgerichts Flensburg. Mit diesem Antrag werden keine vertraglichen Ansprüche i.S.d. Art. 5 Ziff. 1 a EuGVVO geltend gemacht. Denn als Anspruchsgrundlagen kommen § 317 Abs. 1 S.2, 4 AktG i.V.m. § 309 Abs. 4 AktG oder unerlaubte Handlung in Betracht , so dass es bei der Zuständigkeitsregelung des Art. 2 EuGVVO verbleibt. Hinsichtlich der unerlaubten Handlung bestimmt Art. 5 Ziff. 3 EuGVVO zwar, dass das Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, Europäischen Gerichtshofs vom 10.06.2004 - C-168/02 - ist der Ort, an dem das zuständig ist. Nach der von der Antragsgegnerin vorgelegten Entscheidung des schädigende Ereignis eingetreten ist, nicht der Ort des Klägerwohnsitzes anzusehen, sondern der Sitz des Schädigers, hier der Antragsgegnerin.
II. Im Übrigen ist dieser Antrag auch bereits deshalb unzulässig, weil Ansprüche aus faktischer Beherrschung bzw. eine Ausfallhaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs nicht im Spruchstellenverfahren geltend zu machen sind, sondern nach § 317 AktG in ordentlichen Zivilverfahren. Gleiches gilt für Ansprüche aus existenzgefährdenden Eingriffen (OLG Zweibrücken, ZIP 2005, 948; OLG Stuttgart, DB 2000, 709).
III. Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO, wie von den Antragstellern beantragt, kommt bereits aus den Gründen zu I. und II. nicht in Betracht. Im Übrigen ist das Verfahren vor dem Landgericht Kiel nicht vorgreiflich, weil es sich nicht um die gleichen Parteien handelt. Das Urteil wäre für die Kammer nicht bindend.
LG Flensburg:
Beschluss v. 12.05.2005
Az: 6 O 139/03
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