Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 6. November 2014
Aktenzeichen: I-6 U 16/14

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 06.11.2014, Az.: I-6 U 16/14)

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsbehelfs das am 25.02.2013 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf, soweit es das Prozessrechtsverhältnis zu dem Beklagten zu 1) betrifft, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger € 200.000,- nebst Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 30.12.2004 bis zum 24.09.2011 und ab dem 25.09.2011 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

Im Übrigen wird die gegen den Beklagten zu 1) gerichtete Klage abgewiesen.

De Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Kläger und der Beklagte zu 1) jeweils zur Hälfte. Seine eigenen außergerichtlichen Kosten trägt der Beklagte zu 1) entselbst. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten zu 1) bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter der A-AG, über deren Vermögen am 01.09.2006 - 505 IN 159/06 - das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Er nimmt die Beklagten als Aufsichtsratsmitglieder wegen des von der A-AG an die B-GmbH aufgrund des am 08.11.2004 vereinbarten und vollzogenen Erwerbs eines Geschäftsanteils an der C-GmbH am 29.12.2004 gezahlten Teilkaufpreises von € 600.000,- auf Schadensersatz in Anspruch, wobei die Klage auf den Ersatz eines erstrangigen Teilbetrags in Höhe von € 200.000,- beschränkt ist.

Die A-AG befasste sich nach ihrem Satzungszweck unter anderem mit dem An- und Verkauf von Immobilien und dem Erwerb von Beteiligungen. Sie gab zu ihrer Finanzierung Inhaber-Teilschuldverschreibungen in insgesamt siebzehn Tranchen mit einem Gesamtvolumen von ca. € 145 Millionen heraus, von denen im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch über 90 Millionen zur Rückzahlung offen standen. Alleiniger Vorstand der A-AG war bis zur Insolvenzeröffnung der Zeuge D.. Als Aufsichtsrat waren zunächst die Zeugen E. (Vorsitzender), F. und von G. bestellt.

Die C-GmbH wurde am 18.12.2002 aus dem Vermögen der B-GmbH mit Sitz in Nürnberg errichtet. Das von der B-GmbH vollständig gehaltene Stammkapital betrug € 25.000,-. Die C-GmbH befasste sich mit der dreidimensionalen Abbildung von Waren zu deren Präsentation im Internethandel. Mit notariellem Vertrag vom 17.04.2003 beteiligte sich Herr H. an der C-GmbH durch Übernahme eines Geschäftsanteils in Höhe von nominal € 2.500,-. Nachdem die Gesellschafterversammlung der C-GmbH mit Beschluss vom 12.06.2003 beschlossen hatte, das Kapital der Gesellschaft um € 50.000,- zu erhöhen, wurden die dem Nürnberger Kaufmann J. gehörende J-GmbH und die seiner damaligen Lebensgefährtin V. gehörende K-GmbH mit notarieller Urkunde vom 31.10.2003 zugelassen, die vorgenannte Kapitalerhöhung zu vollziehen, indem die J-GmbH für einen Geschäftsanteil von nominal € 20.000,- die entsprechende Stammeinlage mit einem Aufgeld von € 20.000,- und die K-GmbH die restliche Stammeinlage von € 5.000,- mit einem Aufgeld von € 5.000,- übernahmen. Am 31.12.2003 veräußerte die J-GmbH ihren Geschäftsanteil von nominal € 20.000,- an die A-AG zu einem Kaufpreis von € 5.240.000,-. Ferner veräußerte die K-GmbH an diesem Tag ihren Geschäftsanteil von nominal € 5.000,- an die A-AG zu einem Kaufpreis von € 1.310.000,-. Aufgrund eines von Herrn J. im Namen der J-GmbH erteilten Auftrags verfasste der Wirtschaftsprüfer L. am 19.01.2004 auf Basis einer von ihm übernommenen Planrechnung der C-GmbH ein Gutachten, demzufolge der Ertragswert der C-GmbH € 13,1 Mio. zum 31.12.2003 betrug. Am 02.05.2004 erstellte die M-GmbH ihren Prüfbericht zum Jahresabschluss 2003 der A.AG (auf den Inhalt der Anlage B2 der beigezogenen Akte I-6 U 71/11 (Bl. 89 ff BA) wird verwiesen). Am 10.05.2004 unterbreitete die J-GmbH der A-AG ein unwiderrufliches Kaufangebot, die von der A-AG gehaltenen 118.125 Stück Inhaberaktien an der N-AG und das von der A-AG der N-AG damals in Höhe von € 1.554.770,41 gewährte Darlehen zu einem Kaufpreis von € 10.233.945,73 zu erwerben, sofern es der J-GmbH gestattet würde, diesen Kaufpreis u.a. mit ihrer Gegenforderung aus dem vorgenannten Verkauf des Anteils in Höhe von nominal € 20.000,- an der C-GmbH zu verrechnen. Am 02.07.2004 beauftragte der Aufsichtsrat der A-AG, vertreten durch den Zeugen von F., die O-KG zu dem vorgenannten Gutachten des Wirtschaftsprüfers L. Stellung zu nehmen. Unter dem 16.07.2004 gelangte die O-KG im Rahmen ihrer Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass das Gutachten des Wirtschaftsprüfers L. zur Ermittlung eins Kaufpreises ungeeignet sei, weil es den Unternehmenswert aus einer ungeprüften Prognoserechnung ableite. Am 04.08.2004 bat der Zeuge D. als Vorstand der A-AG den Wirtschaftsprüfer P. eine Stellungnahme zum Unternehmenswert der C-GmbH zum 01.01.2004 abzugeben. In seiner Stellungnahme vom 09.08.2004, S. 3, verwies der Wirtschaftsprüfer P. darauf, dass er nicht die Rolle eines neutralen Gutachters innehabe, da er beauftragt worden sei, für den Vorstand der A-AG den vereinbarten Kaufpreis für 50 % der Geschäftsanteile an der C-GmbH "nachträglich zu plausibilisieren". Auf der Grundlage der im Mai 2003 erstellten Unternehmensplanung für die Jahre 2003 bis 2008 schätzte der Wirtschaftsprüfer P. den Unternehmenswert der C-GmbH am 01.01.2004 auf € 13,5 Mio.

Nachdem die Zeugen G. und von F. in der Aufsichtsratssitzung vom 16.07.2004 ihren Rücktritt mit Wirkung zum 15.08.2004 und der Zeuge E. mit Schreiben vom 11.08.2004 die sofortige Niederlegung seines Aufsichtsratsmandats erklärt hatten, wählte die erste Hauptversammlung, die am 12.08.2004 stattfand, den zwischenzeitlich insolvent gewordenen Herrn W. sowie die beiden Beklagten als neue Mitglieder des Aufsichtsrats. In der anschließenden Aufsichtsratssitzung vom selben Tage ist Herr W. zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats gewählt worden. Ferner hat der Aufsichtsrat einstimmig beschlossen, die Feststellung des Jahresabschlusses 2003 der anschließenden Hauptversammlung zu übertragen, da in der Kürze der Zeit der Geschäftsbericht und der Jahresabschluss nicht hinreichend beraten werden könnten (siehe Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung am 12.08.2004 - Bl. 275 GA). In der anschließenden zweiten Hauptversammlung vom 12.08.2004 wurde dieser Bericht zusammen mit dem Jahresabschluss 2003 und dem Bericht des Vorstands übergeben sowie der Jahresabschluss 2003 genehmigt (Anlage TW12). Mit Schreiben vom 14.09.2004 forderte der Beklagte zu 1) den Vorstand auf, ihm die Jahresabschlüsse und WP-Berichte vorzulegen.

Nachdem Herr J. und der Alleingesellschafter der B-GmbH, Herr Q., sich einig geworden waren, dass Herr J. eine Provision in Höhe von € 2,7 Mio. erhalten würde, wenn er der B-GmbH einen Käufer für einen Teil von nominal € 12.500,- des ihr in Höhe von nominal € 22.500,-,- gehörenden Geschäftsanteils an der C-GmbH vermittelte, erstellte Herr Prof. Dr. R. am 25.10.2004 ein im Namen der Q. + Friends GmbH beauftragtes Wertgutachten zu dem Unternehmenswert der C-GmbH zum 31.12.2003, das auf den Geschäftszahlen des Jahres 2003 (Gutachten, S. 8 und 14) und auf den Planungsdaten für die Jahre 2004 bis 2008 (Gutachten, S. 8) beruht und zu einem Unternehmenswert von € 12.302.000,- gelangt (Gutachten, S. 24). Am 08.11.2004 verkaufte und übertrug dann die B-GmbH von ihrem Geschäftsanteil in Höhe von nominal € 22.500,- an die A-AG einen Anteil in Höhe von nominal € 12.500,- zu einem Kaufpreis in Höhe von € 3,0 Mio. Gegen Ende des Jahres 2004 überwies die A-AG der B-GmbH in verschiedenen Teilbeträgen den gesamten Kaufpreis, u.a. mit Überweisung vom 29.12.2004 von dem Konto der A-AG bei der X-Bank mit der Konto-Nr. ... einen Teilbetrag in Höhe von € 600.000,-.

In der Aufsichtsratssitzung vom 20.12.2005 forderte der Aufsichtsrat den Vorstand auf, beim Rechtsberater der A-AG eine Geschäftsordnung für den Aufsichtsrat und sich entwerfen zu lassen.

Am 01.12.2009 ist über das Vermögen der C-GmbH durch das Amtsgericht Nürnberg - 8331 IN 1806/09 das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

Der Kläger hat behauptet, der wahre Wert des von der A-AG am 08.11.2004 erworbenen Geschäftsanteils der C-GmbH habe allenfalls € 12.500,- betragen, da nur ein Jahr zuvor die J-GmbH und die K-GmbH die Kapitalerhöhung bei der C-GmbH zuzüglich Aufgeld in Höhe des Nominalwerts übernommen hätten. Tatsächlich habe sich die C-GmbH und die B-GmbH im Jahr 2003 wegen des Wegfalls der Kunden S. und T. in Liquiditätsschwierigkeiten befunden. Keinem der Gutachter habe der Geschäftsführer der C-GmbH, der Zeuge Q., konkrete Geschäftszahlen zur Verfügung gestellt, weil er danach gar nicht gefragt worden sei. Schon unmittelbar nach ihrer Unterrichtung von dem ersten Anteilserwerb hätten die vorherigen Mitglieder des Aufsichtsrats die Wertlosigkeit der Beteiligung an der C-GmbH erkannt und die A-AG als einen Sanierungsfall eingestuft, wie sich aus dem Schreiben des Zeugen von F. an den Zeugen E. vom 10.07.2004 ergebe (Anlage TW6). Da die O-GmbH die Einschätzung der vorherigen Aufsichtsratsmitglieder zu dem geringen Wert der Beteiligung an der C-GmbH bestätigt habe und sich die vorherigen Aufsichtsratsmitglieder mit ihren Forderungen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der A-AG nicht hätten durchsetzen können, hätten in der Aufsichtsratssitzung am 16.07.2004 die Zeugen G. und von F. ihren Rücktritt erklärt und der Zeuge E. für die Zeit nach Einberufung der nächsten Hauptversammlung diesen angekündigt (Anlage TW1). Der Beklagte zu 2) sei von dem Zeugen D. über die Rücktrittsgründe der vorherigen Aufsichtsratsmitglieder informiert worden. Der Kläger hat gemeint, die Beklagten hätten es nach Übernahme der Aufsichtsratsmandate unterlassen, sich über die A-AG umfassend zu informieren. Hätten sie dies getan, hätten sie den Zeugen D. als Vorstand der A-AG wegen des ersten Erwerbs eines Anteils an der C-GmbH abberufen müssen und so den zweiten Anteilserwerb verhindert. Ferner hätten es die Beklagten unterlassen, Zustimmungsvorbehalte zu setzen. Auch dadurch hätten sie den zweiten Anteilserwerb verhindern können.

Der Kläger hat zunächst vor dem Landgericht Düsseldorf - 33 O 158/09 und dem Senat - I 6 W 10/10 Prozesskostenhilfe für eine gegen die Beklagten nur im Entwurf eingereichte Schadensersatzteilklage über € 1,5 Mio. wegen des am 08.11.2004 vereinbarten Erwerbs eines Geschäftsanteils an der C-GmbH beantragt. Sein Prozesskostenhilfeantrag vom 10.07.2009 ist den Beklagten aufgrund der von der Geschäftsstelle am 20.07.2009 ausgeführten Verfügung des Kammervorsitzenden vom 17.07.2009 mit der Post übermittelt worden. Mit Beschluss des Senats vom 24.02.2011 - I -6 W 10/10 ist dann der Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen worden. Dieser Beschluss ist dem Kläger formlos durch die Post übermittelt worden. Der entsprechende Abvermerk datiert vom 24.02.2011. Die auf einen Betrag von € 200.000,- reduzierte Teilklage ist dem Beklagten zu 1) am 24.09.2011 und dem Beklagten zu 2) am 04.01.2012 zugestellt worden.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils insoweit Bezug genommen, als diese den Feststellungen des Senats nicht widersprechen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehe kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten gemäß §§ 92 Abs. 2 Satz 1, 116 Satz 1 AktG zu. Der Kläger habe nicht schlüssig dargelegt, dass sich die Beklagten bei dem Erwerb des Geschäftsanteils an der C-GmbH möglicherweise pflichtwidrig verhalten hätten. Erstens müsse die Werthaltigkeit des Anteilserwerbs aus der exante-Sicht beurteilt werden. Zum Zeitpunkt des Erwerbs hätten drei Gutachten der C-GmbH einen Unternehmenswert von mindestens € 12,3 Mio. zugesprochen. Das vierte Gutachten der O-GmbH habe lediglich das erste Gutachten des Wirtschaftsprüfers L. als unzureichend kritisiert, ohne eine eigene Bewertung entgegenzusetzen. Diese unterschiedlichen Bewertungen der Fachleute ließen den Anteilserwerb allenfalls als spekulativ erscheinen, ohne jedoch eine fehlende Werthaltigkeit der Beteiligung nahezulegen. Zweitens sei nicht ersichtlich, dass der Erwerb des Geschäftsanteils an der C-GmbH vom 08.11.2004 den Beklagten zu einem Zeitpunkt zur Kenntnis gelangt sei, an dem er noch durch aufsichtsrechtliche Maßnahmen hätte verhindert werden können. Nach dem Protokoll der Hauptversammlung vom 12.08.2004 (Anlage TW12) sei der beabsichtigte zweite Erwerb eines Geschäftsanteils an der C-GmbH kein Thema gewesen. Eine Sitzung des Aufsichtsrats habe dann erst nach diesem Anteilserwerb am 30.11.2004 stattgefunden. Abgesehen davon sei auch in dieser Sitzung ausweislich des Protokolls nicht über den Anteilswerb gesprochen worden. Drittens könne nicht festgestellt werden, dass das den Beklagten gemäß §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zustehende Ermessen bei der Ausübung ihrer Kontrollbefugnisse soweit reduziert gewesen sei, dass sie nach Maßgabe der §§ 84 Abs. 3, 111 Abs. 4 Satz 2 AktG zum Einschreiten verpflichtet gewesen wären, weil nicht angenommen werden könne, dass den Beklagten der von dem Kläger behauptete veruntreuende und betrügerischere Charakter der in Rede stehenden Transaktion erkennbar gewesen sei. Schließlich sei eine Haftung der Aufsichtsratsmitglieder der Gesellschaft gegenüber gemäß § 254 BGB wegen überwiegenden Mitverschuldens der nach dem eigenen Vortrag des Klägers auf Betrug angelegten Gesellschaft ausgeschlossen, wenn die Aufsichtsratsmitglieder der in sie seitens der Gesellschaft gesetzten Erwartung einer nachlässigen Kontrolle gerecht würden.

Gegen diese rechtliche Würdigung richtet sich der Kläger mit dem Rechtsmittel der Berufung. Das Landgericht habe den von ihm vorgetragenen Sachverhalt nicht richtig unter die §§ 116, 93 Abs. 2 Satz 1 AktG subsumiert. Vielmehr habe er den Beklagten als pflichtwidriges Unterlassen ihre vollständige Tatenlosigkeit als neu bestellte Aufsichtsratsmitglieder vorgeworfen. So habe er den Beklagten weder eine Kenntnis von dem zweiten Anteilserwerb noch eine Kenntnis von den Gutachten zu dem Unternehmenswert unterstellt. Allerdings habe der Zeuge D. den Beklagten bereits in der konstituierenden Aufsichtsratssitzung vom 12.08.2004 über die Beteiligungen der A-AG und dabei auch über die Beteiligung an der C-GmbH berichtet. Es sei unstreitig, dass die Beklagten jegliche Kontrolle des Vorstands unterlassen hätten. Zu Ihrer Entschuldigung hätten die Beklagten nichts vorgebracht. Die Wertlosigkeit der Beteiligung an der C-GmbH hätte das Landgericht entweder durch Sachverständigengutachten oder im Wege der Schadensschätzung selbst feststellen müssen, weil ein hinreichendes Indiz für deren weitgehende Wertlosigkeit sei, dass die als erstes von der A-AG erworbenen Geschäftsanteile der C-GmbH von den beiden Verkäufern nur zwei Monate zuvor für nicht mehr als dem Doppelten des Nominalwerts übernommen worden seien. Ferner habe das Landgericht verkannt, dass zum einem für die von ihm zu beweisende Schadensursächlichkeit die Beweiserleichterung des § 287 ZPO gelte und zum anderen die Beklagten die Darlegungs- und Beweislast für den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens trügen. Für die Schadensursächlichkeit spreche angesichts der vollständigen Tatenlosigkeit der Beklagten ein Anscheinsbeweis. Ein rechtmäßiges Alternativverhalten der Beklagten hätte den Schadenseintritt auch verhindert, da die Beklagten bei pflichtgemäßer Überwachung des Vorstands den Schadenscharakter des ersten Anteilserwerbs ohne Weiteres hätten feststellen und dann die erforderlichen Maßnahmen zur Verhinderung derartiger Geschäfte hätten ergreifen können. Wenn sich die Beklagten über die Rücktrittsgründe des ersten Anteilserwerbs informiert hätten, hätten sie durch den dem Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 16.07.2004 beigefügten Forderungskatalog (Anlage TW16 = Bl. 140 GA) erfahren, dass die vorherigen Aufsichtsratsmitglieder die sofortige Rückgängigmachung des ersten Anteilserwerbs verlangt hätten, da dieser von dem Vorstand eigenmächtig vollzogen worden sei, ohne zuvor die nach der am 18.10.2002 in der Aufsichtsratssitzung in Nürnberg beschlossenen Geschäftsordnung für den Vorstand erforderliche Zustimmung des Aufsichtsrats zu jedem Beteiligungserwerb im Wert von mehr als € 50.000,- einzuholen (Bl. 261, 278 GA). Es sei auch nichts dafür ersichtlich, dass ihnen der Zeuge D. die begehrte Auskunft verweigert hätte. So habe der Zeuge D. die im Anschluss an die Aufsichtsratssitzung vom 21.05.2004 (Anlage TW18) gestellten Fragen der vorherigen Aufsichtsratsmitglieder zu dem Jahresabschluss 2003 (Anlage TW19) mit Schreiben vom 28.05.2004 (Anlage TW20) beantwortet. Schließlich seien die Überlegungen des Landgerichts zum Mitverschulden nicht sachgerecht. Pflichtwidriges Handeln anderer Gesellschaftsorgane führe allenfalls zu einer gesamtschuldnerischen Haftung, nicht jedoch zu einer Unterbrechung der Kausalität.

Der Kläger beantragt,

abändernd die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn € 200.000,- nebst Zinsen in Höhe von 4 % p.a. seit dem 29.12.2004 bis zur Rechtshängigkeit sowie nebst weiterer Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit Rechtshängigkeit zu zahlen

Der Beklagte zu 1) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte zu 1) verteidigt die rechtliche Würdigung des Landgerichts vor den Angriffen der Berufung. Ihm sei über die Differenzen zwischen den vorherigen Aufsichtsratsmitgliedern und dem Vorstand der A-AG nichts berichtet worden. Von dem ersten und zweiten Erwerb eines Geschäftsanteils an der C-GmbH sei ihm erst im Sommer 2005 berichtet worden. Selbst der zweite Anteilserwerb vom 08.11.2004 habe noch vor seiner ersten Aufsichtsratssitzung stattgefunden. Auch der Vorwurf völliger Tatenlosigkeit sei unbegründet, da er mit dem Schreiben vom 14.09.2004 schon zwei Monate vor der ersten Aufsichtsratssitzung den Vorstand aufgefordert habe, Bericht zu erstatten und ihm die Jahresabschlüsse mit Abschlussberichten der Wirtschaftprüfer vorzulegen. Zudem habe sich der Aufsichtsrat in den vier Aufsichtsratssitzungen, an denen er teilgenommen habe, auch von dem Steuerberater Y. und bei zwei der vier Sitzungen zusätzlich auch noch von dem Wirtschaftsprüfer Z. berichten lassen. Ferner habe der Aufsichtsrat in der Sitzung vom 20.12.2005 eine Verdopplung der Aufsichtsratssitzungen verlangt und einen Auftrag zum Entwurf einer Geschäftsordnung vergeben. Da drei der vier Gutachten den Unternehmenswert der C-GmbH im Bereich der von der A-AG gezahlten Kaufpreise angesetzt hätten, seien die jeweiligen Entscheidungen des Zeugen D., die Anteile an dem Startup-Unternehmen wegen dessen hervorragenden Zukunftsaussichten zu erwerben, trotz ihres spekulativen Charakters von seiner Kompetenz gedeckt gewesen. Da der Zeuge D. nach seinem eigenen Bekunden keine Kenntnis von dem betrügerischen Hintergrund der Transaktion gehabt habe, habe er sich auch auf die Richtigkeit der Gutachten verlassen dürfen. Wegen der vorliegenden Gutachten habe der Vorstand auch keine due diligence durchführen müssen. Da beide Anteilserwerbe auch bereits vor seiner ersten Aufsichtsratssitzung abgeschlossen gewesen seien, habe für ihn keine Veranlassung bestanden, sich mit ihnen zu beschäftigen. Zudem lasse sich gegen einen Vorstand, der wesentliche Dinge nicht berichte, wenig ausrichten. Im Übrigen hätte das Setzen eines Zustimmungsvorbehalts keine Wirkung entfaltet, weil der zweite Anteilserwerb noch vor seiner ersten Aufsichtsratssitzung stattgefunden habe und zudem ihre verweigerte Zustimmung durch einen zustimmenden Beschluss der Hauptversammlung hätte ersetzt werden können.

Ergänzend wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat den Parteien mit Beschluss vom 28.05.2014 ausführliche Hinweise zur Sach- und Rechtslage erteilt. Wegen der vom Senat beigezogenen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verfahrensakten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.10.2014 Bezug genommen.

II.

Auch wenn das Verfahren in dem Prozessrechtsverhältnis des zwischenzeitlich verstorbenen Beklagten zu 2) gemäß § 239 Abs. 1 ZPO unterbrochen ist und deshalb eine Gefahr widersprechender Entscheidungen besteht, darf gemäß § 301 ZPO in dem Prozessrechtsverhältnis des Beklagten zu 1) ein Teilurteil ergehen. Wenn das Verfahren wegen des Tods einer Partei unterbrochen ist, kann gegen den einfachen Streitgenossen der verstorbenen Partei bei entsprechender Entscheidungsreife ein Teilurteil erlassen werden, weil die ungewisse Dauer der Unterbrechung zu einer faktischen Trennung der Verfahren führt (BGH, Urteil vom 07.11.2006 - X ZR 149/04, NJW 2007, S. 156, 157f). Wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt, ist die Klage im Prozessrechtsverhältnis des Beklagten zu 1) entscheidungsreif.

Die gegen den Beklagten zu 1) gerichtete Berufung ist zulässig und auch - mit Ausnahme eines wegen § 187 Abs. 1 BGB um einen Tag später als beantragt einsetzenden Beginns der Zinsnebenforderung - begründet, da der Kläger gegen den Beklagten zu 1) gemäß §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und 2 AktG, 249 BGB einen Anspruch auf Ersatz des mit der Klage geltend gemachten erstrangigen Teilbetrags von € 200.000,- der am 29.12.2004 von der A-AG (im Folgenden: "A-AG") an die B-GmbH bewirkten Teilkaufpreiszahlung über € 600.000,- hat. Wegen seines - im Vergleich zum PkH-Verfahren deutlich vertieften - Sachvortrags hat der Kläger der ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast genügt und sich der Beklagte zu 1) nicht entlastet. Nach §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und 2 AktG trifft die Gesellschaft die Darlegungs- und Beweislast für einen Schaden und dessen Verursachung durch ein Verhalten des Aufsichtsrats in seinem Pflichtenkreis, das sich als "möglicherweise" pflichtwidrig darstellt, während der Aufsichtsrat zu seiner Entlastung darlegen und beweisen muss, dass er seinen ihm gemäß §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG obliegenden Sorgfaltspflichten nachgekommen ist oder schuldlos nicht nachkommen konnte oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßen Alternativverhalten eingetreten wäre (BGH, Urteil vom 04.11.2002 - II ZR 224/00, Rz. 8 (zum GmbH-Geschäftsführer)). Der Beklagte zu 1) hat sich "möglicherweise" grob pflichtwidrig verhalten, indem er nach Übernahme des Aufsichtsratsmandats am 12.08.2004 es entgegen der ihm gemäß §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG obliegenden Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtsrats unterlassen hat, sich mit den wirtschaftlichen Verhältnissen der A-AG vertraut zu machen (s. hierzu 1.). Der Beklagte zu 1) hat sich nicht gemäß §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 2 Satz 2 AktG exkulpiert (s. hierzu 2.). Der A-AG ist auch durch die Teilkaufpreiszahlung vom 29.12.2004 ein Schaden entstanden (s. hierzu 3.). Ferner ist dieser Schaden durch das "möglicherweise" pflichtwidrige Verhalten des Beklagten zu 1) verursacht worden (s. hierzu 4.). Des Weiteren hat der Beklagte zu 1) weder dargelegt noch bewiesen, dass dieser Schaden auch bei einem rechtmäßigen Alternativverhalten eingetreten wäre (s. hierzu 5.). Entgegen der Meinung des Landgerichts ist der vorgenannte Schadensersatzanspruch auch nicht gemäß § 254 BGB wegen ursächlichen Mitverschuldens an der Schadensentstehung gemindert oder ausgeschlossen (s. hierzu 6.). Schließlich ist der Schadensersatzanspruch auch nicht verjährt (s. hierzu 7.).

1. Den Aufsichtsrat trifft gemäß §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG die Verpflichtung, sich von der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft ein genaues Bild zu verschaffen (BGH, Urteil vom 16.03.2009 - II ZR 280/07, Rz. 15). Gegen diese Verpflichtung hat der Beklagte zu 1) "möglicherweise" gröblich verstoßen, indem er es bei Übernahme seines Aufsichtsratsmandats am 12.08.2004 unterlassen hat, den Jahresabschluss 2003 der A-AG zusammen mit dem Prüfbericht der M-GmbH vom 02.05.2004 zu prüfen (s. hierzu a)) und sich auch nicht über die Arbeit der vorherigen Aufsichtsratsmitglieder informiert hat (s. hierzu b)). Soweit der Beklagte zu 1) in diesem Zusammenhang in seinem Schriftsatz vom 24.09.2014 vorgetragen hat, er sei nach Protokolllage in der Aufsichtsratssitzung nicht präsent gewesen, so ist dies nicht nachvollziehbar. Die Wahl von ihm fand in der Hauptversammlung und nicht in der Aufsichtsratssitzung statt. Ferner ist er entgegen seiner Behauptung in dem von dem Beklagten zu 2) gefertigten Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 12.08.2004 als Anwesender geführt (Bl. 434a GA).

a) Gemäß § 171 Abs. 1 Satz 1 AktG ist der Aufsichtsrat verpflichtet, den Jahresabschluss, den Lagebericht und den Vorschlag für die Verwendung des Bilanzgewinns zu prüfen. So hat der Aufsichtsrat anhand des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichts des Vorstands die Geschäftsführung zu überprüfen und in diesem Zusammenhang auch den Abschlussprüfungsbericht heranzuziehen (BGH, Urteil vom 15.11.1982 - II ZR 27/82, Rz. 16). Diese Prüfung hat der Beklagte zu 1) "möglicherweise" grob pflichtwidrig unterlassen, da er nach Annahme des Aufsichtsratsmandats in seiner ersten Aufsichtsratssitzung vom 12.08.2004 zugestimmt hat, die Feststellung des Jahresabschlusses 2003 der Hauptversammlung der A-AG zu überlassen, ohne zuvor den Jahresabschluss und Geschäftsbericht 2003 selbst zu überprüfen, wie sich aus dem Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 12.08.2004 ergibt.

b) Gemäß § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG hat jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied das pflichtgebundene Recht, Berichterstattung an den Aufsichtsrat zu verlangen (Spindler in MünchKommAktG, 4. Auflage, § 90 Rz. 40, 42). Gegenstand der Berichterstattung sind auch organisatorische Vorgänge innerhalb der Gesellschaft (a.a.O., Rz. 34). Dieses pflichtgebundene Recht, von dem Vorstand Bericht zu verlangen, hat der Beklagte zu 1) "möglicherweise" grob pflichtwidrig nicht ausgeübt, indem er es zeitnah zu der konstituierenden Aufsichtsratssitzung vom 12.08. 2004 unterlassen hat, von dem Vorstand Bericht über die bisherige Tätigkeit des Aufsichtsrats zu verlangen und sich insbesondere die Protokolle nebst Anlagen der vorhergehenden Aufsichtsratssitzungen vorlegen zu lassen.

2. Der Beklagte zu 1) hat sich nicht gemäß §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 2 Satz 2 AktG exkulpiert, da er weder dargelegt hat, dass die Nichtprüfung des Jahresabschlusses 2003 rechtmäßig gewesen ist (s. hierzu a)), noch, dass kein Anlass bestanden hat, sich über die bisherige Tätigkeit des Aufsichtsrats ins Bild zu setzen (s. hierzu b)).

a) Der Beklagte zu 1) hat keine Umstände dargelegt, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, dass er in der konstituierenden Aufsichtsratssitzung vom 12.08.2004 auf eine eigene Prüfung des Jahresabschlusses 2003 verzichtet hat:

aa) Den Beklagten zu 1) entlastet nicht, dass er ausweislich des Protokolls der Aufsichtsratssitzung vom 12.08.2004 zugestimmt hat, der Hauptversammlung zu "übertragen", den Jahresabschluss 2003 festzustellen. Wie sich aus dem Zusammenspiel der §§ 171 - 173 AktG ergibt, ist der Aufsichtsrat in jedem Fall gemäß § 171 Abs. 1 und 2 AktG verpflichtet, den Jahresabschluss selbst zu prüfen und über das Ergebnis seiner Prüfung der Hauptversammlung zu berichten. Wenn der Aufsichtsrat auf der Grundlage dieser Prüfung den Jahresabschluss billigt, kann er gemäß § 172 Satz 1 AktG entweder den Jahresabschluss selbst feststellen oder aufgrund eines gemeinsamen Beschlusses mit dem Vorstand (s. dazu Spindler, a.a.O., § 172 Rz. 28) die Feststellung der Hauptversammlung überlassen. Billigt er den Jahresabschluss nicht, fällt die Feststellungskompetenz gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. AktG der Hauptversammlung zu. Die Übertragung der Feststellung des Jahresabschlusses auf die Hauptversammlung gemäß §§ 172, 173 AktG setzt demnach gerade voraus, dass sich der Aufsichtsrat mit dem Jahresabschluss inhaltlich befasst hat. Dieser Zusammenhang wird auch durch die Regelung in § 171 Abs. 3 Satz 3 AktG bestätigt, nach der fingiert wird, der Aufsichtsrat habe den Jahresabschluss nicht gebilligt, wenn er seinen Bericht dem Vorstand nicht fristgerecht vorgelegt hat. Gegen diese Prüfpflicht hat der Beklagte zu 1) - bei Anlegung des gebotenen objektiven Sorgfaltsmaßstabs - gröblich verstoßen, da er eine eigene Prüfung des Jahresabschlusses unterlassen und auch auf eine inhaltliche Befassung des Aufsichtsrats mit dem Jahresabschluss vor der Übertragung der Feststellung des Jahresabschlusses auf die Hauptversammlung verzichtet hat. Es entlastet ihn nicht, dass er nach seiner Darlegung in dem Schriftsatz vom 24.09.2014 im Vertrauen auf die Reputation des Beklagten zu 2) als ehemaligem Bankdirektor dessen angebliche "Blanko"-Erklärung in der Aufsichtsratssitzung vom 12.08.2004 vertraut hat, wonach dieser, den Jahresabschluss ausreichend geprüft habe, und sich damit einverstanden erklärte, die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung zu übertragen, ohne dass der Aufsichtsrat den Jahresabschluss selbst geprüft hat. Nach seinem Vortrag in der Berufungserwiderung hat er den Jahresabschluss 2003 sogar erst nach der Aufsichtsratssitzung vom 12.08.2014 angefordert. Soweit er in seinem Schriftsatz vom 24.09.2014 davon abweichend vorgetragen hat, er und Herr W. hätten den Jahresabschluss 2003 bereits in der Sitzung vom 12.08.2004 ausgehändigt erhalten, entlastet ihn das nicht, weil er nicht substantiiert dargelegt hat, dass es ihm trotz der Kürze der Zeit bis zur Beschlussfassung dennoch möglich gewesen ist, sich inhaltlich angemessen mit dem Jahresabschluss 2003 zu befassen. Für einen ins Geratewohl hinein gefassten Beschluss, die Feststellung des Jahresabschlusses 2003 auf die Hauptversammlung zu "übertragen", spricht indiziell auch sein allgemein auf alle Jahresabschlüsse bezogenes Schreiben vom 14.09.2004 und das von ihm mit Schriftsatz vom 24.09.2014 vorgelegte Schreiben des Beklagten zu 2) an den Vorstand vom 17.09.2004, in dem als Tagesordnungspunkt für die nächste auf den 12.08.2004 folgende Aufsichtsratssitzung die - am 12.08.2004 unterlassene -"Erläuterung und Diskussion über den Jahresabschluss 2003" vorgeschlagen wird.

bb) Den Beklagten entlastet auch nicht, dass "aufgrund der Kürze der Zeit der Geschäftsbericht und der Jahresabschluss" nicht hinreichend beraten werden konnten. Wie sich aus § 171 Abs. 3 Satz 1 AktG ergibt, hat der Aufsichtsrat einen Monat Zeit, den Jahresabschluss und den Geschäftsbericht zu prüfen und den Bericht an die Hauptversammlung zu verfassen. Diese Frist beginnt erst, wenn der Vorstand seine Vorlagepflicht gemäß § 170 Abs. 1 und 2 AktG erfüllt hat (Hüffer, AktG, 10. Auflage, § 171 Rz. 15). Am 12.08.2004 hat daher gegenüber dem Beklagten zu 1) die Frist des § 171 Abs. 3 Satz 1 AktG noch gar nicht zu laufen begonnen, wenn man entsprechend dem ursprünglichem Vortrag in der Berufungserwiderung zu Grunde legt, dass der Vorstand ihm noch gar nicht den Jahresabschluss und den Geschäftsbericht 2003 ausgehändigt hatte. Folgt man dem dazu widersprüchlichen Vortrag in dem Schriftsatz vom 24.09.2014, hätte die Monatsfrist erst mit der Aushändigung des Jahresabschlusses in der Sitzung vom 12.08.2004 zu laufen begonnen.

b) Im Rahmen der §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 2 Satz 2 AktG gilt ein objektiver Sorgfaltsmaßstab. Der Aufsichtsrat muss daher für die normalerweise zu verlangenden Fähigkeiten eines Aufsichtsrats einstehen (Spindler, a.a.O., § 93 AktG, Rz. 176 f). Es kann dahinstehen, ob gemessen daran der dem Beklagten zu 1) angeblich genannte Grund für den vollständigen Austausch der Aufsichtsratsmitglieder, die vorherigen Aufsichtsratsmitglieder seien aus Altersgründen geschlossen zurückgetreten, plausibel gewesen ist. Jedenfalls hätte ihn diese Information als ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtsrat nicht von der Verpflichtung enthoben, sich gemäß § 90 Abs. 3 AktG über die bisherige Tätigkeit des Aufsichtsrats insbesondere durch Vorlage der Aufsichtsratsprotokolle Bericht erstatten zu lassen. Dies war schon deshalb zwingend geboten, weil die vorherigen Aufsichtsratsmitglieder geschlossen zurückgetreten waren und es ihm ohne Kenntnis der Protokolle der bisherigen Aufsichtsratssitzungen nicht möglich gewesen ist, sich ein genaues Bild über die Beschlusslage zu verschaffen, deren Gültigkeit im Übrigen durch die Neubesetzung des Aufsichtsrats nicht in Frage gestellt worden ist. Aufgrund dieses - unter Anlegung des objektiven Sorgfaltsmaßstabs - grob fahrlässigen Unterlassens hat der Beklagte beispielsweise nicht gewusst, dass nach der Bekundung des ehemaligen Aufsichtsratsmitglieds G. in der Aufsichtsratssitzung vom 18.10.2002 eine Geschäftsordnung für den Vorstand beschlossen worden sein soll, nach der dieser verpflichtet gewesen sein soll, die vorherige Zustimmung des Aufsichtsrats für alle Beteiligungsgeschäfte von über € 50.000,- einzuholen. Soweit der Beklagte zu 1) die Existenz einer solcher Geschäftsordnung und auch die Existenz von Aufsichtsratsprotokollen in seinem Schriftsatz vom 24.09.2014 mit Nichtwissen bestreitet, entlastet ihn das ebenso wenig wie seine Behauptung, der Vorstand hätte ihm solche Protokolle, insbesondere dasjenige über die Sitzung, in der die vorherigen Aufsichtsratsmitglieder ihren Rücktritt erklärten, niemals vorgelegt, um unter allen Umständen Irritationen und unliebsame Fragen oder den sofortigen weiteren Rücktritt des neuen Aufsichtsrats zu vermeiden. Entscheidend ist der unstreitige Umstand, dass sich der Beklagte zu 1) nicht nachhaltig darum gekümmert hat, sich zeitnah nach seiner Ernennung über die Beschlusslage des bisherigen Aufsichtsrats zu informieren, sondern sich mit der von ihm selbst erkannten Desinformationspolitik des Vorstands zufrieden gegeben und in die von ihm erwartete Rolle eines nicht unliebsamen Aufsichtsrats eingefügt hat.

3. Der A-AG ist, als sie der B-GmbH am 29.12.2004 einen Teilkaufpreis in Höhe von € 600.000,- überwies, jedenfalls in Höhe von € 200.000,- ein Schaden im Sinne des § 249 BGB entstanden, weil der Kaufpreiszahlung keine adäquate Gegenleistung der B-GmbH gegenüber gestanden hat. Eigentlich ist es zwischen den Parteien unstreitig, dass der von der A-AG gezahlte Gesamtkaufpreis in Höhe von € 3,0 Mio. gänzlich außer Verhältnis zu dem Wert des Geschäftsanteils von nominal € 12.500,- steht, den die B-GmbH der A-AG aufgrund des Kaufvertrags vom 08.11.2004 übertragen hat. Der Beklagte zu 1) bestreitet nämlich aufgrund seines heutigen Kenntnisstandes den betrügerischen Charakter dieses Geschäfts nicht mehr (s. z. B. Berufungserwiderung, S. 11). Selbst wenn man entgegen den vorstehenden Überlegungen annähme, der Beklagte zu 1) hätte die von dem Kläger substantiiert behauptete weitgehende Wertlosigkeit der Beteiligung hinreichend gemäß § 138 Abs. 1 und 2 ZPO bestritten, gelangte man zu keinem anderen Ergebnis, weil dann der Senat gemäß § 287 Abs. 1 ZPO den tatsächlichen Verkehrswert des am 08.11.2004 veräußerten Geschäftsanteils auf das Doppelte seines Nominalwerts, d.h. auf € 25.000,- schätzen würde. Ein maßgebliches Indiz hierfür ist, dass die seinerzeitigen Gesellschafter der C-GmbH, die B-GmbH und der Zeuge H., der J-GmbH am 31.10.2003 gestattet haben, eine Kapitalerhöhung von nominal € 20.000,- mit einem Aufgeld von lediglich € 20.000,- zu übernehmen. Für einen solchen geringen Wert spricht weiter entscheidend, dass sich der Alleingesellschafter und Geschäftsführer der B-GmbH, Herr Q., nach seinem eigenen Bekunden bereitgefunden hat, von dem gegenüber der A-AG erzielten Kaufpreis in Höhe von € 3,0 Mio. als Provision für die erfolgreiche Vermittlung nicht weniger als € 2,7 Mio., d.h. 90 % (!), abzuführen. Mangels anderer Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass sich Herr Q. auf dieses nur auf den ersten Blick so unvorteilhafte Geschäft eingelassen hat, weil er mit den restlichen 10 % des Kaufpreises den wahren Wert seines Geschäftsanteils noch mehr als reichlich abgegolten gesehen hat. Schließlich steht der Annahme des vorgenannten Verkehrswerts nicht entgegen, dass die Gutachten des Wirtschaftsprüfers L. vom 19.01.2004, des Wirtschaftsprüfers P. vom 09.08.2004 und des Prof. Dr. R. vom 25.10.2004 den Wert des Unternehmens in einen Bereich angesetzt haben, der in etwa dem am 08.11.2004 für den Teilgeschäftsanteil von € 12.500,- vereinbarten Kaufpreis entspricht, wenn man diesen auf die volle Stammkapitalziffer hochrechnet. Wie sich nämlich aus den vorgenannten Gutachten selbst ergibt, sind deren Anknüpfungstatsachen für eine verlässliche Unternehmensbewertung gänzlich unzureichend gewesen. So beruhte das Gutachten L. ausschließlich auf einer nicht weiter plausibilisierten Gewinnplanung (Gutachten L., S. 15 f). Das Gutachten AA. hat diese Gewinnplanung nur auf seine Schlüssigkeit hin überprüft, ohne sie mit der realen Entwicklung abzugleichen (Gutachten AA., S. 12). Prof. Dr. R. lagen zwar zusätzlich die Auswertungen des Rechnungswesens für das Jahr 2003 und die Monate Dezember 2003 sowie Juni 2004 vor (Gutachten R., S. 4). Er hat jedoch seine nicht näher erläuterte Analyse der Vergangenheit auf das Jahr 2003 beschränkt (Gutachten, S. 8) und auch hier die Berechnung des Unternehmenswerts auf die schon aus den anderen Gutachten bekannte und bis in das Jahr 2008 reichende Planrechnung abgeleitet, obwohl dieser weitreichenden Planrechnung jegliche verlässliche empirische Basis gefehlt hat, weil sie schon im Mai 2003 (vgl. Gutachten AA., S. 4) und damit bloß 6 Monate nach Unternehmensgründung erstellt worden ist.

4. Auch hinsichtlich der Frage, ob durch das dem Aufsichtsrat vorgeworfene Verhalten der Gesellschaft ein Schaden entstanden ist, gilt gemäß § 287 ZPO das abgesenkte Beweismaß der Schadensschätzung (BGH, Urteil vom 04.11.2002 - II ZR 224/00, Rz. 15). Ausgehend hiervon bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass das "möglicherweise" pflichtwidrige Unterlassen der Beklagen, sich über die wirtschaftliche Lage der A.AG unmittelbar nach Übernahme ihrer Aufsichtsratsmandate am 12.08.2004 ein genaues Bild zu verschaffen, für den Eintritt des vorgenannten Schadens ursächlich geworden ist. Sowohl die pflichtgemäße Überprüfung des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichts 2003 (s. hierzu a)) als auch das pflichtgemäße Verlangen an den Vorstand, die bisherigen Aufsichtsratsprotokolle vorzulegen (s. hierzu b)), hätte dem Beklagten zu 1) die Erkenntnis verschafft, dass bei der A-AG eine Sonderlage bestand, die es verlangte, die Kontrolle gegenüber dem Vorstand zu intensivieren und zu verhindern, dass sich die A-AG erneut an der C-GmbH beteiligt (s. hierzu c.).

a) Hätte der Beklagte zu 1) pflichtgemäß gemäß § 171 Abs. 1 Satz 1 AktG den Jahresabschluss und den Geschäftsbericht des Vorstands überprüft und in diesem Zusammenhang auch den Prüfbericht der M-GmbH vom 02.05.2004 herangezogen, hätte er bei Einsatz der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtsrats erkannt, dass die A-AG die Inhaber-Teilschuldverschreibungen im "Schneeballsystem" ausgibt. Wie dem Senat zum Beispiel aus dem Verfahren I-6 U 71/11 gerichtsbekannt ist, dessen Entscheidung der Kläger in dem vorliegenden Verfahren als Anlage TW14 vorgelegt hat, lässt sich dem Prüfbericht der M-GmbH vom 02.05.2004 zum Jahresabschluss 2003 der A-AG entnehmen, dass die A-AG bereits am 31.12.2002 mehr als € 10 Mio. und am 31.12.2003 mehr als € 37 Mio. Inhaber-Teilschuldverschreibungen ausgegeben hatte (S. 12 des Prüfberichts der M.). Diese Zuführung von € 27 Mio. Fremdkapital im Jahr 2003 diente zu einem großen Teil (rechnerisch exakt € 10.615.000,-) nur dazu, die im Jahr 2004 in Höhe von € 860.000,- fälligen Anleihezinsen und die in diesem Jahr in Höhe von € 9.755.000,- fälligen Rückzahlungen der Inhaber-Teilschuldverschreibungen (S. 24 der Anlage zum Prüfbericht der M-GmbH) zu finanzieren. Dementsprechend fiel die Investition in Finanzanlagen im Vergleich zu der Fremdkapitalzufuhr sehr gering aus. Der Wert der Anteile an verbundenen Unternehmen wurde allenfalls um € 3,5 Mio. und der Wert der Beteiligungen um € 3,9 Mio. gesteigert (Seite 11 des Prüfberichts). Zwar gab es auch noch eine Ausleihung an die N-AG in Höhe von € 1,6 Mio. Diese nur mit 6 % verzinste Darlehensforderung (Seite 19 des Anhangs zum Prüfbericht) stellt jedoch unabhängig von der zwischen den Parteien streitigen Frage der Werthaltigkeit dieser Forderung keine gewinnbringende Investition des zugeführten Fremdkapitals dar, da die im März 2003 ausgegebenen Inhaber-Teilschuldverschreibungen mit 7 % verzinst worden sind. Aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der A-AG konnte kein Beitrag zur Rückzahlung der fälligen Anleihen erwartet werden. Die Umsatzerlöse beliefen sich nur auf € 395.000,- (S. 14 des Prüfberichts). Nur durch die sich rein bilanziell auswirkende Aktivierung von Ingangsetzungskosten und durch den Verkauf von Finanzanlagen in Höhe von € 8.692.939,20 konnte das Rohergebnis im Jahr 2003 gesteigert werden. Letzteres führte jedoch der A-AG jedenfalls zunächst kein Geld zu, wie die im Umsatzvermögen neu gebuchte Forderung aus Unternehmensanteilsverkauf in Höhe von € 8.760.000 (S. 21 des Anhangs zum Prüfbericht) belegt und der enorm negative Cashflow von € 11.858.940,- (S. 13 des Prüfberichts) verdeutlicht. Es sei daher an dieser Stelle dahingestellt, ob diese nach dem Prüfbericht erst zum 31.12.2004 fällige Forderung überhaupt werthaltig gewesen ist. Sofort das Ergebnis belasteten zudem die im Verhältnis zu den Umsatzerlösen außerordentlich hohen sonstigen Betriebsaufwendungen in Höhe von € 7,5 Mio., die Aufwendungen für Personal in Höhe von € 1,4 Mio. und das negative Finanzergebnis in Höhe von € 507.800,-. Der Jahresüberschuss von € 403.870,22 wäre daher ohne die oben erwähnte Bilanzierungshilfe durch die Aktivierung von Ingangsetzungskosten in Höhe von € 2,0 Mio. mit minus € 1.796.130,- klar negativ ausgefallen.

b) Hätte der Beklage zu 1) sich pflichtgemäß gemäß § 90 Abs. 3 AktG zeitnah nach der Übernahme ihrer Aufsichtsratsmandate am 12.08.2004 vom Vorstand über die bisherige Tätigkeit der vorherigen Aufsichtsratsmitglieder berichten und die Protokolle der vergangenen Aufsichtsratssitzungen vorlegen lassen, hätte er unschwer erkannt, dass sich die A-AG nicht zuletzt aufgrund des Verschuldens des Vorstands in einer ernsten Schieflage befunden und der Vorstand mit dem bisherigen Aufsichtsrat nur gänzlich unzulänglich zusammengearbeitet hat. So ergibt sich aus dem dem Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 16.07.2004 beigefügten "Feststellungen und Forderungen des Aufsichtsrats", dass nach Meinung der bisherigen Aufsichtsratsmitglieder die A-AG nur saniert werden könnte, wenn u.a. der im Dezember 2003 abgeschlossene Erwerb von Geschäftsanteilen an der C-GmbH rückgängig gemacht und die J-GmbH abweichend von ihrem am 10.05.2004 erklärten Kaufangebot die Aktien der N-AG gegen Barzahlung übernehmen würden, sowie die Kosten im Bereich der Werbung und des Personals drastisch reduziert werden würden (Anlage TW16). Ferner ergibt sich aus dieser Unterlage (wie auch dem Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 21.05.2004), dass der Zeuge D. als Vorstand der A-AG mit der M-GmbH einen anderen als vom Aufsichtsrat gewählten Abschlussprüfer mit der Prüfung des Jahresabschlusses 2003 beauftragt hatte. Des Weiteren hat danach die A-AG durch den Zeugen D. im Dezember 2003 die ersten Geschäftsanteile an der C-GmbH erworben, ohne zuvor die Zustimmung des Aufsichtsrats einzuholen.

c) Gemäß § 111 Abs. 1 AktG hat der Aufsichtsrat seine Überwachungspflicht zu intensivieren, wann immer Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Sonderlage eintreten wird (Habersack in MünchKommAktG, 4. Auflage, § 111 Rz. 46). Geboten ist dann, dass er sich unter Ausschöpfung aller ihm nach §§ 90 Abs. 3, 111 Abs. 2 Satz 1 AktG zur Verfügung stehenden Informationsquellen ein genaues Bild von der Lage verschafft (BGH, Urteil vom 16.03.2009 - II ZR 280/07, Rz. 15), um sodann durch das Setzen von Zustimmungsvorbehalten gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG oder durch die Ausübung seiner Personalhoheit gemäß § 84 AktG einen Schadenseintritt zu verhindern (Habersack, a.a.O.). Schon aufgrund der Kenntnis des Jahresabschlusses 2003 oder auch aufgrund der Kenntnis der vorgenannten Aufsichtsratsprotokolle vom 21.05.2004 und 16.07.2004 hätten für den Beklagten zu 1) genügend Anhaltspunkte dafür bestanden, dass sich die A-AG im August 2004 in seiner solchen Sonderlage befand. Folglich hätte der Beklagte zu 1) sich durch gemäß § 90 Abs. 3 AktG angeforderte aussagekräftige Berichte des Zeugen D. oder gemäß § 111 Abs. 2 Satz 1 AktG durch die Einsicht in die Geschäftsunterlagen der A-AG ein noch genaueres Bild von dem Ernst der Lage machen müssen. Spätestens danach wäre ein sorgfältiger Aufsichtsrat zu der Erkenntnis gelangt, dass der Zeuge D. mit dem ungenehmigten Anteilserwerb vom Dezember 2003 der A-AG einen massiven wirtschaftlichen Schaden zugefügt hat, weil es sich bei der C-GmbH nach allen vorgenannten Gutachten zu deren Unternehmenswert nur um ein Startup-Unternehmen gehandelt hat, dessen Gewinnaussichten letztlich rein spekulativ gewesen sind. Schon wegen der damit verbundenen Unsicherheiten ist dieser Anteilserwerb gänzlich ungeeignet gewesen, um das aus den Inhaberschuldverschreibungen stammende Kapital zu refinanzieren, da es nach den Bedingungen der Inhaberschuldverschreibungen innerhalb weniger Jahre in voller Höhe zuzüglich Zinsen an die Anleger zurückgezahlt werden musste. Es ist hinreichend wahrscheinlich, dass ein sorgfältiger Aufsichtsrat aus all diesen Umständen die Konsequenz gezogen hätte, die Bestellung des Zeugen D. zum Vorstand gemäß § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG zu widerrufen und durch die Bestellung eines geeigneten Vorstands gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG die Voraussetzung für eine Sanierung oder Abwicklung der A-AG zu schaffen.

5. Der Beklagte zu 1) hat entweder schon nicht hinreichend dargelegt oder jedenfalls nicht bewiesen, dass der von dem Kläger ersetzt verlangte Schaden auch dann eingetreten wäre, wenn er sich in der vorgenannten Weise rechtmäßig verhalten hätte.

a) Soweit der Beklagte zu 1) in diesem Zusammenhang geltend macht, dass die von ihm oder den anderen Aufsichtsratsmitgliedern pflichtgemäß angeforderten Berichte ohnehin nicht oder nur nichtssagend erstattet worden wären, reicht dies zur Widerlegung der Schadensursächlichkeit nicht aus. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, sind für eine ordnungsgemäße Aufsichtsratstätigkeit des Beklagten zu 1) sowohl die Kenntnis des Jahresabschlusses 2003 nebst Geschäfts- und Prüfbericht als auch die Kenntnis der Protokolle der vorhergehenden Aufsichtsratssitzungen unabdingbar gewesen. Hätte der Zeuge D. ihnen diese Kenntnisse nicht durch die pflichtgemäß angeforderten Berichte zeitnah verschafft, hätte der Beklagte zu 1) auf eine Beschlussfassung des Aufsichtsrats hinwirken müssen, sich gemäß § 111 Abs. 2 Satz 1 AktG diese Kenntnisse durch Einsichtnahme in die vorgenannten Unterlagen selbst zu verschaffen.

b) Zwar geht auch der Senat davon aus, dass das zuvor skizzierte Verhalten des Aufsichtsrats von dem eigentlichen Inhaber der A-AG, Herrn J., nicht gewünscht war. Ob er deshalb, wie der Beklagte zu 1) vermutet, über Frau U. die Abberufung der neuen Aufsichtsratsmitglieder veranlasst hätte, erscheint jedoch dem Senat nicht hinreichend wahrscheinlich. Zum einen schließt der Senat nicht aus, dass sich die von Herrn J. zur Tarnung seiner Stellung als der eigentliche Inhaber der A-AG eingesetzte Frau U. einer erneuten Abberufung des gesamten Aufsichtsrats innerhalb kürzester Zeit aus Sorge um ihre eigene Haftung widersetzt hätte. Ferner ist der Aufsichtsrat für die seriöse Außendarstellung der A-AG von großer Bedeutung gewesen. Die Auswechslung des kompletten Aufsichtsrats innerhalb kürzester Zeit wäre ein sehr auffälliger und ungewöhnlicher Vorgang gewesen, der die A-AG nicht nur im Kreis der Anleger ins Zwielicht gebracht hätte, sondern auch von Seiten der Wirtschaftspresse einem unliebsamen Recherchedruck ausgesetzt hätte, die wahren Gründe herauszufinden. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass Herr J. vor einem sorgfältig arbeitenden Aufsichtsrats insoweit kapituliert hätte, als er einem Wechsel im Vorstand und einer Sanierung oder Abwicklung der A-AG zugestimmt hätte, nur um eine weitere Eskalation und insbesondere eine sich für ihn daraus eventuell ergebende strafrechtliche Verfolgung zu vermeiden.

6. Entgegen der Meinung des Beklagten zu 1) ist der Schadensersatzanspruch des Klägers auch nicht insoweit gemäß dem allgemeinen Gedanken § 254 BGB wegen eines Mitverschuldens der A-AG ausgeschlossen oder gemindert, als dem wirtschaftlichen Inhaber der A-AG, Herrn J. oder seiner Treuhänderin, Frau U., gerade nicht an einer ernsthaften Kontrolle des Vorstands durch den Aufsichtsrats gelegen gewesen ist. Wie die spezielle Regelung der §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 4 AktG zeigt, wirkt im Bereich der Organhaftung der Aktiengesellschaft das Einverständnis der übrigen Gesellschaftsorgane nur unter ganz bestimmten Umständen wie ein Haftungsausschluss. So setzt der Haftungsausschluss des § 93 Abs. 4 AktG voraus, dass das schadensursächliche Verhalten des Vorstands oder des Aufsichtsrats auf einen Beschluss der Hauptversammlung beruht, der bereits vor der Maßnahme ergangen ist (Spindler in MünchKommAktG, a.a.O., § 93 Rz. 242). Einen solchen förmlichen Beschluss, dass der Aufsichtsrat keine Kontrolle über den Vorstand auszüben solle, hat die Hauptversammlung der A-AG unstreitig nicht gefasst. Auf einen solchen Beschluss könnte sich der Beklagte zu 1) auch aus rechtlichen Gründen nicht berufen, weil der Aufsichtsrat nur gehalten ist, einen rechtmäßigen Hauptversammlungsbeschluss zu beachten (vgl. zur Haftung des Vorstands Spindler in MünchKommAktG, a.a.O., § 93 Rz. 237). Ein Beschluss der Hauptversammlung dahin, der Aufsichtsrat solle entgegen seiner gesetzlichen Verpflichtung den Vorstand nicht kontrollieren, wäre daher für den Beklagten zu 1) ohnehin nicht bindend gewesen. Soweit der Beklagte zu 1) des Weiteren in der Bestellung des "neuen" Aufsichtsrats eine konkludente Beschlussfassung dahin sehen will, weitere Anteile an der C-GmbH zu erwerben, ist sein Vortrag bereits aus rechtlichen Gründen unerheblich und im Übrigen auch unsubstantiiert und in sich widersprüchlich. Ein nur konkludent gefasster Beschluss der Hauptversammlung reicht schon aus formalen Gründen nicht aus, gemäß § 93 Abs. 4 AktG einen Haftungsausschluss zu begründen (OLG Köln, Urteil vom 25.10.2012 - I-18 U 37/12, Rz. 19). Davon abgesehen trägt der Beklagte zu 1) nicht vor, aus welchen Umständen ein solche, konkret auf einen zweiten Anteilserwerb bei der C-GmbH bezogene Beschlussfassung geschlussfolgert werden sollte. Schließlich hat sich der Beklagte zu 1) zur Verteidigung gegenüber der Klage gerade darauf berufen, erst im Nachhinein überhaupt von dem zweiten Anteilserwerb erfahren zu haben. Von daher kann er sich auch nicht darauf berufen, sich als verpflichtet angesehen zu haben, eine solche, ihm gänzlich unbekannte, Beschlusslage ausführen zu müssen.

Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte zu 1) in diesem Zusammenhang auch auf die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung gemäß § 242 BGB. Auch hier zeigt die gesetzliche Wertung der §§ 116, Satz 1, 93 Abs. 4 AktG, dass das Einverständnis der übrigen Gesellschaftsorgane mit der schädigenden Handlung des Aufsichtsrats für sich allein betrachtet nicht schon zu einer Haftungsbefreiung führen kann, da die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung den Aufsichtsrat wirtschaftlich betrachtet nicht anders wie ein Haftungsausschluss vor einer Schadensersatzhaftung bewahren würde. Im Ergebnis liefe daher die Zulassung des Einwands der unzulässigen Rechtsausübung in den Fällen, in denen kein haftungsbefreiender Hauptversammlungsbeschluss gefasst worden ist, darauf hinaus, die formalen Voraussetzungen des § 93 Abs. 4 AktG auszuhöhlen (OLG Köln, a.a.O.).

Unerheblich für die Haftung des Beklagten zu 1) im Verhältnis zu dem Kläger ist schließlich, dass sich ggf. der Beklagte zu 2) gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 1) schadensersatzpflichtig gemacht hat. Sofern der Verschuldensbeitrag des Beklagten zu 2) höher gewesen sein sollte, wie der Beklagte zu 1) behauptet, hätte dies allenfalls für das Innenverhältnis des Beklagten zu 1) und des Beklagten zu 2) und für die Frage eine Bedeutung, inwieweit diese untereinander Ausgleich schulden.

7. Ohne Erfolg hat schließlich der Beklagte zu 1) die Einrede der Verjährung erhoben. Gemäß §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 6 AktG i.V.m. § 200 BGB verjährt zwar der Schadensersatzanspruch in 5 Jahren nach Entstehung des Anspruchs. Da der geltend gemachte Schaden mit der Überweisung vom 29.12.2004 entstanden ist, wäre die Verjährungsfrist eigentlich am 29.12.2009 abgelaufen. Mit der am 20.07.2009 vom Landgericht veranlassten Bekanntgabe des Prozesskostenhilfeantrags des Klägers in dem Verfahren 33 O 158/09 ist jedoch der Ablauf der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB erstmalig gehemmt worden. Nachdem der Senat den PKH-Antrag mit Beschluss vom 24.02.2011 zurückgewiesen hatte, lief zwar gemäß § 204 Abs. 2 BGB die Verjährungsfrist nach 6 Monaten erneut an. Da jedoch die Klage dem Beklagten zu 1) bereits am 24.09.2011 zugestellt worden ist, ist gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB erneut eine Hemmung der Verjährungsfrist eingetreten.

III.

Die Teilkostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen. Das Urteil hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 43, 47, 48 GKG, 3 ZPO auf € 200.000,- festgesetzt.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 06.11.2014
Az: I-6 U 16/14


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/9a40d0c10322/OLG-Duesseldorf_Urteil_vom_6-November-2014_Az_I-6-U-16-14




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