Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. Januar 2013
Aktenzeichen: 29 W (pat) 565/12

(BPatG: Beschluss v. 29.01.2013, Az.: 29 W (pat) 565/12)

Tenor

Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 14. August 2012 wird aufgehoben.

Der Anmeldetag für die Marke 30 2011 026 221.7 ist auf den 17. Dezember 2012 festzusetzen.

Gründe

I.

Das Zeichen (rot, grau)

ist am 10. Mai 2011 als Positionsmarke (sonstige Markenform) zur Eintragung in das Markenregister für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 35, 38, 41 und 42 angemeldet worden.

Die der Anmeldung beigefügte Beschreibung lautete zunächst wie folgt:

"Die Marke besteht aus zwei roten Schenkeln, die einen nach links und unten offenen rechten Winkel bilden und sich auf gedruckten und/oder auf elektronisch abrufbaren Informationsverzeichnissen befinden, so wie in der Abbildung dargestellt. Die Marke ist im rechten oberen Eck des Informationsverzeichnisses positioniert. Die Höhe des horizontalen Schenkels steht im Verhältnis 3:1 zur Breite des vertikalen Schenkels. Neben dem vertikalen Schenkel schließt sich parallel links ein grauer Balken an. Das stilisiert dargestellte Informationsverzeichnis ist nicht Teil der Marke."

Die Markenstelle hat durch Beanstandungsbescheid vom 16. August 2012 unter anderem fehlende eindeutige Angaben in der Markenbeschreibung über die gleichbleibende Größe der Marke auf den beanspruchten Waren gerügt. Die Anmelderin wurde unter Fristsetzung und Hinweis auf die Folgen der Nichtbehebung gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 MarkenG aufgefordert, eine entsprechend präzisierte Markenbeschreibung einzureichen.

Die Anmelderin hat das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis daraufhin auf "elektronische Informationsverzeichnisse" und "gedruckte Informationsverzeichnisse" eingeschränkt und die Beschreibung ergänzt um die Sätze:

"Das Verhältnis der Schenkel zur übrigen Fläche des Informationsverzeichnisses entspricht dem Verhältnis, wie in der Abbildung dargestellt. Die exakte Positionierung des grauen Balkens sowie dessen Größe in Relation zu den Schenkeln sowie der übrigen Fläche entsprechen ebenfalls dem Verhältnis, wie es in der Abbildung dargestellt ist."

Die Markenstelle der Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Eintragung durch Beschluss vom 14. August 2012 fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Zeichen weise nicht die erforderlichen über die technischfunktionelle oder über die typische Gestaltung der Ware hinausreichenden aus dem Rahmen fallenden charakteristischen Merkmale auf. Die Positionierung von farbigen Rändern auf Druckereierzeugnissen sei gebräuchlich. Anhaltspunkte dafür, dass diese Gestaltungselemente markenmäßig verwendet würden, fehlten. Der Verkehr werde darin keine Herstellerhinweise erkennen und auch künftige Kaufentscheidungen nicht auf die Erinnerung an diese Ausgestaltung stützen. Die Streifen dienten lediglich der Ausschmückung. Auch der Einsatz der Farbe Rot oder anderer auffälliger Farben sei gängige Werbepraxis, die der Verkehr auch nur als solche wahrnehme.

Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Auf Hinweis des Senats hat sie mit bei Gericht am gleichen Tag eingegangenem Schriftsatz vom 17. Dezember 2012 das Warenverzeichnis weiter eingeschränkt und um Zahlenangaben zur Größe des Zeichens im Verhältnis zur Gesamtgröße des Telefonverzeichnisses ergänzt.

Am 25. Januar 2013 hat die Beschwerdeführerin das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis auf die Waren der Klasse 16 "gedruckte Telefonverzeichnisse" beschränkt.

In der mündlichen Verhandlung vom 29. Janaur 2013 hat sie sich mit der Verschiebung des Anmeldetages auf den 17. Dezember 2012 einverstanden erklärt und die Beschreibung wie folgt gefasst:

"Die Marke besteht aus zwei roten Schenkeln, die einen nach links und unten offenen rechten Winkel bilden und sich auf der Titelseite gedruckter Telefonverzeichnisse befinden, so wie in der Abbildung dargestellt. Neben dem vertikalen Schenkel schließt sich zudem parallel links ein grauer Balken an, welcher nach oben durch den horizontalen Schenkel begrenzt ist. Die Marke ist im rechten oberen Eck des Telefonverzeichnisses positioniert. Die Höhe des horizontalen Schenkels steht im Verhältnis 3:1 zur Breite des vertikalen Schenkels. Das Verhältnis der Schenkel sowie des grauen Balkens zur übrigen Fläche des Telefonverzeichnisses entspricht dem Verhältnis, wie in der Abbildung dargestellt. Demnach beträgt das Verhältnis zwischen der Höhe des horizontalen Schenkels und der Gesamthöhe der Titelseite des Telefonverzeichnisses 1:20, während das Verhältnis der Breite des vertikalen Schenkels zur Gesamtbreite der Titelseite des Telefonverzeichnisses 1:55 beträgt. Die exakte Positionierung des grauen Balkens sowie dessen Größe in Relation zu den Schenkeln sowie der übrigen Fläche entsprechen ebenfalls dem Verhältnis, wie es in der Abbildung dargestellt ist. Demnach beträgt das Verhältnis zwischen der Breite des grauen Balkens zur Gesamthöhe des horizontalen Schenkels 1:1. Das stilisiert dargestellte Telefonverzeichnis ist nicht Teil der Marke."

Die Beschwerdeführerin stellt den Antrag, den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 14. August 2012 aufzuheben und die Eintragung der Marke zu verfügen, mit der Maßgabe, dass der Anmeldung die berichtigte Fassung der Beschreibung vom 29. Januar 2013 zugrunde zu legen ist.

Sie trägt vor, das Positionszeichen sei als betrieblicher Herkunftshinweis geeignet. Schon die bildliche Darstellung an sich verfüge über hinreichende Unterscheidungskraft. Zudem seien die angesprochenen Verkehrskreise an die Verwendung von Farben und Farbkombinationen als Herkunftshinweis gewöhnt. Telefonverzeichnisse verfügten üblicherweise auch nicht über eine besondere dekorative oder ornamentale Aufmachung, sondern seien bloße Arbeitsmittel, sodass die Verbraucher die farbigen rechtwinkligen Schenkel nicht als Verzierung wahrnähmen. Jedenfalls aber durch die konkrete Positionierung weiche das Zeichen von der branchenüblichen Gestaltung ab, wobei auf gedruckte Publikationen im Allgemeinen und Telefonverzeichnisse im Besonderen abzustellen sei. Zudem sei es in diesem Bereich üblich, Farb- und Formenkombinationen auf den Titelseiten als betrieblichen Herkunftshinweis zu benutzen. Gerade bei Telefonverzeichnissen setzten sich die Hersteller durch Verwendung bestimmter Farben voneinander ab.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist hinsichtlich der nunmehr noch beanspruchten Waren "gedruckte Telefonverzeichnisse" begründet.

Der Eintragung des angemeldeten Zeichens als Positionsmarke für gedruckte Telefonverzeichnisse stehen keine Schutzhindernisse gemäß §§ 3, 8 Abs. 1 und 2 MarkenG entgegen. Insbesondere ist die Marke nach Konkretisierung der Beschreibung im Beschwerdeverfahren grafisch darstellbar und es fehlt ihr auch nicht an der erforderlichen Unterscheidungskraft.

1.

Das Anmeldezeichen ist hinreichend grafisch dargestellt im Sinne von § 8 Abs. 1 MarkenG. Die sogenannte "Positionsmarke" gehört zu den sonstigen Aufmachungen im Sinne von § 3 Abs. 1 MarkenG. Ihr Schutzgegenstand ist die besondere Art und Weise der Anbringung oder Anordnung eines Zeichens auf einer Ware oder einem Warenteil (BPatG GRUR 1998, 819 ff. - Jeanstasche mit Ausrufezeichen; BPatG MarkenR 2009, 569 ff. - Schultütenspitze).

Um den Schutzumfang der Marke auf die eindeutige Position auf der Ware zu beschränken, muss der Träger der Marke nach ständiger Rechtsprechung auf der mit der Anmeldung gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG einzureichenden Abbildung der Marke gezeigt und definiert sein (seit dem Beschluss des BPatG vom 13.10.1999, 28 W (pat) 66/98, BPatGE 42, 7, 10 Positionierungsmarke; vgl. Grabrucker, Aus der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts 1999, GRUR 2000, 366 ff.; BPatG a. a. O. - Schultütenspitze), da die zu schützende Position nur auf diese Weise eindeutig erkennbar ist. Nach der herrschenden Ansicht in der Literatur muss der Anmeldung einer Positionsmarke zudem eine Beschreibung beigefügt werden, in der die genaue Position, Form und Größe der Marke festgelegt sind (Bingener, MarkenR 2004, 377, 279 f.; Ingerl/Rohnke, 3. Aufl., § 3 MarkenG Rn. 34; Ströbele/Hacker/Kirschneck, 10. Aufl., § 3 MarkenG Rn. 71; differenziert Fezer, 4. Aufl., § 32 MarkenG Rn. 55; a. A. Fabian Klein, Schutzvoraussetzungen und Schutzumfang der Positionsmarke, Tübingen 2012; 3 III 2 b). Für die Annahme eines solchen Anmeldeerfordernisses als zwingend fehlt es jedoch an einer gesetzlichen Grundlage im Markengesetz. Demzufolge sieht auch § 12 Abs. 3 MarkenV lediglich eine fakultative Beschreibung vor. Daher wird man eine zusätzliche Beschreibung im konkreten Einzelfall nur dann fordern können, wenn diese zur grafischen Darstellbarkeit des Positionszeichens gemäß § 8 Abs. 1 MarkenG entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Bestimmtheitsgebot unerlässlich ist. Die grafische Darstellung muss demnach das Zeichen, für das markenrechtlicher Schutz begehrt wird, so wiedergeben, dass es genau identifiziert werden kann. Voraussetzung ist daher, dass das Zeichen mit Hilfe von Figuren, Linien oder Schriftzeichen wiedergegeben werden kann, wobei die Darstellung klar, eindeutig, in sich abgeschlossen, leicht zugänglich, verständlich, dauerhaft und objektiv sein muss (EuGH GRUR 2003, 604, 606 Rn. 28 f. -

Libertel). Sind diese Voraussetzungen bereits durch die Abbildung selbst erfüllt, kann eine zusätzliche Beschreibung nicht zwingend gefordert werden. Insbesondere aber bei der Positionierung auf unterschiedlichen Warenformen und zur Bestimmung der konkreten Größe auf der jeweiligen Ware dürfte eine ergänzende Beschreibung für die Anmeldung einer Positionsmarke nach § 32 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG i. V. m. § 12 Abs. 3 MarkenV jedoch unabdingbar sein.

Den in Rechtsprechung und Literatur gestellten Anforderungen genügt die Anmeldung für die Waren "gedruckte Telefonverzeichnisse" jedenfalls nach der Angabe der Größe des positionierten Zeichens zu der Gesamtgröße der Titelseite im Beschwerdeverfahren. Die genaue Platzierung des Zeichens auf dem Titelblatt der Broschüre und die Größenverhältnisse der Schenkel sowie des Balkens zueinander ergeben sich bereits aus der bildlichen Darstellung und den im Anmeldeverfahren ergänzten Angaben. Mit der Ergänzung der Größenangaben ist auch die relative Größe des Zeichens im Verhältnis zur Gesamtgröße der Ware klar und eindeutig bestimmt. Damit ist auch die gleichbleibende Größe des Zeichens festgelegt. Der Umstand, dass die absolute Zeichengröße von der variablen Größe der Ware abhängt, ist unschädlich, da jedenfalls die Größenrelation zur Ware identisch bleibt.

Die Konkretisierung der Beschreibung war auch nachträglich noch möglich, da es sich nicht um eine unzulässige inhaltliche Änderung des Zeichens, sondern um eine bloße Klarstellung des begehrten Schutzgegenstandes handelt, die im Einklang mit der bildlichen Darstellung und der bereits im Amtsverfahren eingereichten Beschreibung steht.

Nachdem die Beschwerdeführerin der Aufforderung zur Mängelbeseitigung hinsichtlich der konkreten Größenverhältnisse im Beanstandungsbescheid fristgemäß durch die ausdrückliche Bezugnahme auf die konkrete Darstellung zum Teil nachgekommen ist und die Markenstelle die Zurückweisung der Anmeldung nicht auf die beanstandeten Mängel, sondern auf die fehlende Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gestützt hat, steht der nachträglichen weiteren Mängelbeseitigung auch § 36 Abs. 2 Satz 1 MarkenG nicht entgegen. Denn die Rücknahmefiktion kann jedenfalls dann nicht greifen, wenn das Amt seinerseits das Verfahren fortsetzt, weil die Mängel auch aus seiner Sicht beseitigt sind.

Die nachträgliche Klarstellung im Beschwerdeverfahren hat gemäß § 33 Abs. 1 MarkenG zur Folge, dass sich der Anmeldetag gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG i. V. m. § 32 Abs. 2 MarkenG auf den Tag der Einreichung der maßgeblichen Ergänzung, hier den 17. Dezember 2012, verschiebt (BPatG GRUR 2007, 63 - KielNET).

2.

Der Eintragung des angemeldeten Zeichens steht kein Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 MarkenG entgegen. Insbesondere fehlt es dem Zeichen für gedruckte Telefonverzeichnisse nicht an jeglicher Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

Unterscheidungskraft in diesem Sinn ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren und Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 - EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Rn. 133 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; 935 Rn. 8 - Die Vision; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rn. 45 - Standbeutel; 229, 230 Rn. 27 - BioID). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a.a.O. Marlene-Dietrich-Bildnis II). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411, 412 Rn. 24 Matratzen Concord/Hukla). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rn. 53 - Henkel).

Auch bei einem Positionszeichen ist grundsätzlich zu prüfen, ob es geeignet ist, die mit ihm gekennzeichneten Waren ihrer betrieblichen Herkunft nach zu unterscheiden. Dabei sind keine anderen Beurteilungskriterien heranzuziehen als bei anderen Markenformen. Positionsmarken kann auch dann die notwendige Unterscheidungskraft zugesprochen werden, wenn ihre Bildelemente, selbst wenn diese isoliert betrachtet nicht unterscheidungskräftig sind, an stets gleichbleibender Stelle in gleicher Form und Größe angebracht sind (BPatG GRUR 1998, 819 ff. - Jeanstasche mit Ausrufezeichen). Maßgeblich ist, ob das Zeichen aus der Sicht eines von den jeweiligen Waren angesprochenen Durchschnittsverbrauchers über technisch funktionelle oder über die typische Gestaltung der Ware hinausreichende charakteristische Merkmale aufweist, die aus dem verkehrsüblichen Rahmen der Gestaltungsvielfalt auf dem jeweiligen Warengebiet fallen (BPatG a. a. O. - Schultütenspitze).

Dies ist hier der Fall. Das Zeichen besteht aus zwei roten Schenkeln und einem grauen Balken, wobei der horizontale Schenkel an der Oberkante der Titelseite des Telefonverzeichnisses und der um zwei Drittel schmalere vertikale an der rechten Seitenkante der Vorderseite verläuft und der graue Balken parallel zu dem vertikalen Schenkel angeordnet ist. Damit bilden die roten Schenkel einen an der Oberkante und der rechten Längsseite verlaufenden halben Rahmen der Titelseite.

Da das Zeichen nur noch für ein äußerst eng begrenztes Warenspektrum, nämlich gedruckte Telefonverzeichnisse, beansprucht wird, ist auf die Kennzeichnungsgewohnheiten in dieser Warengruppe abzustellen.

Nach den Recherchen des Senats werden die Titelseiten von gedruckten Telefonverzeichnissen überwiegend als Werbefläche für Dritte genutzt und weisen nur selten Verzierungen in Form von grafischen Flächen auf. Farbige Unterlegungen dienen in erster Linie der Hervorhebung von Werbeanzeigen. Diese sind meist in farbig ausgefüllten waagerechten Rechtecken angeordnet, die entweder die ganze Breite oder die halbe Breite der Titelseiten einnehmen. Die Titelseite selbst ist in der Regel weiß oder einfarbig gehalten und bildet einen komplett umlaufenden Rand um die Anzeigen. Dies gilt insbesondere für die Telefonverzeichnisse, die nicht von der Unternehmensgruppe der Anmelderin stammen. Soweit diese keine vollständige Umrandung aufweisen, sind die Farbflächen waagerecht angeordnet. Seltener sind Telefonverzeichnisse optisch ansprechend gestaltet, etwa durch ein prominent platziertes Bild der betreffenden Stadt, das durch farbig kontrastierende Flächen hervorgehoben wird. Eine Gestaltung der Titelseite mit durchgehenden senkrechten Balken fand sich auf keinem Telefonverzeichnis. Solche tauchen aber häufig an den Außenrändern der inneren Seiten auf, wo sie der Hervorhebung von Werbeanzeigen dienen und deshalb breiter als der senkrechte Schenkel des angemeldeten Zeichens sind. Auch dort verlaufen sie aber nur über einen Teil der Längsseite und vermitteln damit - anders als das angemeldete Zeichen - den Eindruck aufrecht stehender Rechtecke. Am rechten Rand finden sich bei vielen Telefonverzeichnissen farbige Balken zur Hervorhebung der alphabetischen Reihenfolge, dies aber in der Regel erst auf der zweiten Seite, nicht auf der Titelseite. Zudem sind derartige Balken immer bedruckt und werden schon deshalb anders als das hier angemeldete Zeichen als Mittel zur Hervorhebung des Inhalts wahrgenommen.

Da die Titelseiten der Telefonverzeichnisse in erster Linie als Werbefläche dienen oder bei den selteneren Städteabbildungen einen Hinweis auf den Inhalt des Verzeichnisses geben, daneben aber nur in geringem Umfang grafische Flächen zur Verzierung aufweisen, ist eine Gewöhnung des Verkehrs an optisch ansprechende Ornamente auf Telefonverzeichnissen nicht festzustellen. Auch die Ausrichtung am rechten Rand weicht von den gewohnten grafischen Telefonverzeichnisgestaltungen ab.

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass das angesprochene Publikum das angemeldete Zeichen als werbeübliches Gestaltungsmerkmal wahrnehmen wird, weil es an vergleichbare Gestaltungen auf sonstigen Verzeichnissen und Zeitschriften nicht gewöhnt ist.

Nach den Recherchen des Senats sind an der rechten oberen Ecke positionierte Schenkel auf Zeitschriften und sonstigen Verzeichnissen äußerst selten. Zeitschriften verfügen zwar häufig über farbige Balken, die zudem nicht selten in roter Farbe gehalten sind. Derartige Balken dienen der Hervorhebung von Aufschriften, die auf den Inhalt der Publikationen hinweisen. Sie sind bei Zeitschriften jedoch fast ausschließlich an der linken Längsseite positioniert, weil sie bei der überlappenden Anordnung der Zeitschriften in Regalen offen sichtbar und sofort zu lesen sind und die Wiedererkennung der Zeitschrift ermöglichen. Außerdem sind Balken häufig an der Oberkante der Titelseite angebracht. In Form eines Winkels sind sie jedoch nur selten anzutreffen und dann immer nur an der linken, der gebundenen Kante der Titelseite positioniert. Die rechte Seite ist in der Regel offen und wird häufig durch ein Bild ohne Rahmen vollständig ausgefüllt. Eine einzige Zeitschrift (Lebende Sprachen, Zeitschrift für interlinguale und interkulturelle Kommunikation von De Gruyter) wies eine an der rechten Außenkante positionierte vergleichbare Winkelanordnung auf, die sich jedoch von der beanspruchten wesentlich durch Farbe (blau), Breite und die Zweifarbigkeit der Oberkante unterschied. Nichts anderes gilt für Verzeichnisse. Auch sie haben farbige senkrechte Balken in der Regel auf der linken Längsseite, da sie dadurch beim Herausziehen aus Bücherregalen schneller erkannt werden können. Nur in Ausnahmefällen finden sich an der rechten Außenkante farbige Ränder, die sich zudem an der Oberkante nicht fortsetzen. Sie enthalten aber Buchstaben und dienen der Hervorhebung von alphabetischen Buchstabenanordnungen, die sich farblich auf allen Seiten der Verzeichnisse fortsetzen.

Damit weist das angemeldete Zeichen charakteristische Merkmale auf, die von den bei gedruckten Telefonverzeichnissen üblichen Gestaltungen abweichen und auch keine technische Funktion haben. Das erforderliche Minimum an Unterscheidungskraft kann ihm für gedruckte Telefonverzeichnisse deshalb nicht abgesprochen werden.






BPatG:
Beschluss v. 29.01.2013
Az: 29 W (pat) 565/12


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