Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. April 2001
Aktenzeichen: 33 W (pat) 171/00
(BPatG: Beschluss v. 03.04.2001, Az.: 33 W (pat) 171/00)
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 1 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 22. Juni 2000 aufgehoben.
2. Der Beschluß der Markenstelle für Klasse 1 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. August 1998, durch den die Löschung der angegriffenen jüngeren Marke 396 55 317 auf Grund des Widerspruchs aus der Marke 976 113 angeordnet worden ist, bleibt aufrechterhalten.
Gründe
I Beim Deutschen Patentamt (seit dem 1. November 1998 "Deutsches Patent- und Markenamt") ist gegen die - am 30. April 1997 veröffentlichte - Eintragung der Marke 396 55 317 KEPAL für die Waren
"01: Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke als Rohstoffe und Zwischenprodukte für die Lebensmittel-, insbesondere für die Süßwarenindustrie; Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke als Hilfsmittel für die Lebensmittel-, insbesondere für die Süßwarenindustrie, insbesondere Stabilisatoren und Emulgatoren für die Eiskremherstellung, chemische Glänz- und Trennmittel, chemische Aromastoffe"
auf Grund der für die Waren
"01: Chemische Erzeugnisse zum Frischhalten und Haltbarmachen von Lebensmitteln, nämlich Rohstoffe zum Glätten und Konservieren von Lebensmittelfertigprodukten, insbesondere von Süßwaren"
am 6. September 1978 eingetragenen Marke 976 113 CAPOL Widerspruch erhoben worden.
Die Markenstelle für Klasse 1 des Patentamts hat zunächst durch Beschluß vom 18. August 1998 die Löschung der angegriffenen Marke gemäß § 43 Abs 2 Satz 1 MarkenG iVm § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG wegen Verwechslungsgefahr mit der Widerspruchsmarke angeordnet, auf die Erinnerung der Inhaberin der angegriffenen Marke diese Entscheidung jedoch durch Beschluß vom 22. Juni 2000 aufgehoben und den Widerspruch zurückgewiesen. In den Gründen ist die Markenstelle davon ausgegangen, daß die beiderseitigen Waren identisch oder hochgradig ähnlich seien und die Widerspruchsmarke normale Kennzeichnungskraft besitze. Die Auffassung der Erstprüferin, auch die sich gegenüberstehenden Marken seien sehr ähnlich, hat die Erinnerungsprüferin aber nicht geteilt, sondern den Abstand der Marken als ausreichend angesehen, um eine Verwechslungsgefahr verneinen zu können.
Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt. Sie vertritt die Ansicht, es bestehe Verwechslungsgefahr, weil die beiderseitigen Waren identisch seien und die Abweichungen der jüngeren Marke in keiner Weise zur Abgrenzung gegenüber der Widerspruchsmarke ausreichten. Die sich gegenüberstehenden Marken stimmten klanglich weitgehend überein und seien auch schriftbildlich ähnlich. Da sich die Waren an unterschiedliche gewerbliche Abnehmer der Lebensmittel- und Süßwarenindustrie wendeten und nicht an Fachleute der chemischen Industrie, könne nicht von einer erhöhten Aufmerksamkeit ausgegangen werden. Außerdem sei der Widerspruchsmarke ein erweiteter Schutzbereich zuzubilligen, und zwar nicht nur wegen ihres hohen Phantasiegehaltes, sondern auch wegen ihrer gesteigerten Verkehrsbekanntheit. Die Widerspruchsmarke sei seit ihrer Eintragung im Jahr 1978 in großem Umfang verwendet worden. Die Widersprechende sei Weltmarktführer auf dem Sektor der Produktion und des Vertriebs von Glanz- und Trennmitteln für Zuckerwaren. Hierzu ist von ihr die eidesstattliche Erklärung ihres Geschäftsführers Herrn H... vom 21. Dezember 2000 nebst Anlage vorgelegt worden, aus denen sich Einzelheiten insbesondere über Umsätze und Abnehmer ergeben.
Sie beantragt, den Beschluß der Markenstelle des Patentamts vom 22. Juni 2000 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie trägt vor, Verwechslungsgefahr könne nicht angenommen werden, weil sowohl in klanglicher als auch in graphischer Betrachtungsweise erhebliche Unterschiede zwischen den Marken bestünden. Bei den angesprochenen Verkehrskreisen sei insbesondere auf im weitesten Sinne chemisch vorgebildete Fachleute der abnehmenden Betriebe abzustellen. Werbung für die unter den beiden Marken vertriebenen Produkte werde überwiegend in schriftlicher Form vorgenommen, so daß es für die Prüfung der Markenähnlichkeit weniger auf klangliche Merkmale als auf die graphische Ausgestaltung ankomme. Dennoch ergebe sich bereits im klanglichen Gesamteindruck ein erheblicher Unterschied der beiden Marken hinsichtlich ihrer Vokale. Der Anfangsbuchstabe "C" des Markenwortes "CAPOL" lasse die lateinische Aussprache "Z" - wie in "Caesar" und "Centrum" - zu. Die unterschiedlichen Endungen "-al" und "-ol" wiesen im Hinblick auf chemische Fachbegriffe einen beschreibenden Charakter auf. Im übrigen berufe sich die Widersprechende zu Unrecht auf einen erweiterten Schutzumfang infolge erhöhter Kennzeichnungskraft. Die Widersprechende habe keine Angaben zum Verbreitungsgrad und Bekanntheitsgrad der Marke "CAPOL" gemacht; nur daraus ließe sich möglicherweise ein erweiteter Kennzeichenschutz ableiten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf ihre Schriftsätze Bezug genommen.
II Die Beschwerde der Widersprechenden ist begründet.
Der Senat hält die Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zwischen der angegriffenen jüngeren Marke "KEPAL" und der Widerspruchsmarke "CAPOL" - entgegen der Auffassung der Erinnerungsprüferin - für gegeben und folgt somit im Ergebnis der Beurteilung der Markenstelle des Patentamts im Erstbeschluß vom 18. August 1998, durch den die Löschung der angegriffenen Marke gemäß § 43 Abs 2 Satz 1 MarkenG zu Recht angeordnet worden ist.
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr umfaßt alle Umstände des Einzelfalles und würdigt die in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren und der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, auch in ihrer Wechselbeziehung untereinander; so kann ein geringer Ähnlichkeitsgrad der Marken durch einen höheren Ähnlichkeitsgrad der Waren ausgeglichen werden und umgekehrt (vgl EuGH GRUR 1998, 922, 923 Ez 16, 17, 18 - Canon; EuGH GRUR Int 1999, 734, 736 Ez 18, 19, 20 - Lloyd; BGH GRUR 1999, 995, 997 - HONKA; BGH GRUR 1999, 241, 242 - PATRIC LION).
Es liegt Warenidentität vor, weil sämtliche Waren der angegriffenen Marke die Waren der Widerspruchsmarke umfassen und somit mit diesen übereinstimmen können.
Der Senat geht im vorliegenden Fall zu Gunsten der Inhaberin der angegriffenen Marke von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus, die ihr als reines Phantasiewort bereits von Hause aus zukommt. Ob die Widersprechende für ihre Marke "CAPOL" zu Recht eine erhöhte Kennzeichnungskraft und einen demgemäß erweiterten Schutzumfang auf Grund langjähriger intensiver Benutzung und beachtlichen Bekanntheitsgrades, den die Inhaberin der angegriffenen Marke allerdings bestreitet, beansprucht, wofür die von der Widersprechenden vorgelegte eidesstattliche Erklärung nebst Anlage zwar durchaus spricht, kann hier als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.
Angesichts der Warenidentität sowie unter Berücksichtigung der - hier angenommenen - normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke muß an die Prüfung der Verwechslungsgefahr ein strenger Maßstab angelegt werden (vgl BGH GRUR 1999, 735, 736 - MONOFLAM/POLYFLAM; BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND). Die angegriffene jüngere Marke "KEPAL" hält den dementsprechend zum Ausschluß der Verwechslungsgefahr erforderlichen Abstand zu der Widerspruchsmarke "CAPOL" jedoch nicht ein.
Bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit ist auf den Gesamteindruck im Bild, im Klang oder in der Bedeutung abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sich unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl EuGH GRUR 1998, 387, 390 Ez 23 - Springende Raubkatze = Sabel/Puma; EuGH GRUR Int 1999, 734, 736 Ez 25- Lloyd). In der Regel reicht bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus (vgl BGH GRUR 1999, 241, 242 f - PATRIC LION). Allein die klangliche Ähnlichkeit der Marken kann eine Verwechslungsgefahr hervorrufen (vgl EuGH aaO Ez 28 - Lloyd). Soweit die Inhaberin der angegriffenen Marke vorträgt, auf dem vorliegenden Warengebiet begegneten die Marken den angesprochenen Verkehrskreisen überwiegend schriftbildlich, mag dies tatsächlich zutreffen. Verwechslungsmöglichkeiten in den übrigen Fällen phonetischer Verwendung, die in Fachgesprächen, Dienstbesprechungen, telephonischen Bestellungen, Vorträgen etc in beachtlichem Umfang durchaus üblich ist, dürfen aber deshalb nicht ausgeklammert werden, sondern sind ebenso entscheidungserheblich.
Die angegriffene Marke "KEPAL" und die Widerspruchsmarke "CAPOL" sind insbesondere auch für die mit den beiderseitigen Waren angesprochenen Fachleute, von denen eine beruflich erhöhte Aufmerksamkeit erwartet werden kann, klanglich in ihrem Gesamteindruck durchaus verwechselbar ähnlich, denn die beiden Markenwörter mit den Klangbildern "kepal" und "kapol" stimmen in ihrer Lautanzahl, Konsonantenfolge "kpl", Zweisilbigkeit und Konsonanten-/Vokalstruktur überein. Sie unterschieden sich lediglich in der Vokalfolge "ea" gegenüber "ao", wobei allerdings beide Markenwörter den Vokal "a" aufweisen und bei solchen reinen Phantasiewörtern eine Vokalumstellung kaum genau merkfähig ist (vgl dazu auch Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Auflage 2000, § 9 Rdn 100). Die Behauptung der Inhaberin der angegriffenen Marke, der Anfangsbuchstabe "C" der Widerspruchsmarke "CAPOL" könne wie in lateinischen Wörtern "z" gesprochen werden, trifft im übrigen nicht zu. Vor dem Vokal "a" spricht man den Buchstaben "c" wie "k"; die Artikulation des Buchstabens "c" wie "z" kommt in griechischen und lateinischen Wörtern nur vor den Vokalen "ä" (ae)", "e", "i", "ö" (oe)" und "y" vor (vgl Duden, Aussprachewörterbuch, 3. Auflage 1990, S 66 unter "c").
In der Gesamtwürdigung ist demnach zumindest eine nicht unerhebliche Verwechslungsgefahr festzustellen.
III Die Beteiligten tragen die ihnen erwachsenen Kosten des Beschwerdeverfahrens jeweils selbst (§ 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG).
Winkler Dr. Hockv. Zglinitzki Cl/Hu
BPatG:
Beschluss v. 03.04.2001
Az: 33 W (pat) 171/00
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