Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 6. September 2013
Aktenzeichen: 2 AGH 30/11
(OLG Hamm: Urteil v. 06.09.2013, Az.: 2 AGH 30/11)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 25.000,- € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger ist als Rechtsanwalt in C tätig. Er wendet sich mit der Klage gegen ein Schreiben der Beklagten an die Rechtsanwaltskammer Celle vom 01.07.2011, in dem Erstere mitteilt, dass sich im Rahmen eines dort anhängigen Aufsichtsverfahrens der Verdacht ergeben habe, dass Rechtsanwalt T Schriftsätze eines laufenden Gerichtsverfahrens Dritten zur Einsicht vorgelegt habe. Es bestehe somit der Verdacht, dass Herr Rechtsanwalt Dr. T gegen die Verschwiegenheitspflicht verstoßen habe (Anl. K 1, Bl. 79 GA).
Vorausgegangen war, dass der Kläger mit Schriftsatz vom 09.06.2010 in einem beim Landgericht Wuppertal anhängigen Rechtsstreit, Az.: 11 O 339/09, die Vorsitzende Richterin M der Kammer für Handelssachen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und die Besorgnis damit begründet hatte, dass die Vorsitzende Richterin und der Geschäftsführer der Beklagten in demselben Rotary-Club seien (Anl. K 4). Der Kläger ist Mitglied des RC C-C2. Aus dem Kreis der Prozessbevollmächtigten des Beklagten sind Rechtsanwälte Mitglieder des gleichen Rotary-Clubs, dem auch die Vorsitzende Richterin M angehört. Der Beklagtenvertreter ist Mitglied in einem anderen Rotary-Club. Ein Mitglied der Sozietät, Rechtsanwalt T2 in D, hat den Vorgang zum Anlass genommen, unter Anderem am 22.07.2010 ein Schreiben an den Rotary-Club C-C2, z.Hd. des Präsidenten U, zu senden, in dem er mitteilt, dass Rechtsanwalt T Rotary als "nichts anderes als ein sehr enges soziales Netzwerk" verstehe und Richtern und Rechtsanwälten, die Rotarier sind, allein aufgrund der Mitgliedschaft bei Rotary rechtswidriges Verhalten unterstelle (Anl. K 3). Der Kläger hat daraufhin unter dem 09.06.2011 die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf angeschrieben und um "Überprüfung" gebeten, ob Rechtsanwalt T2 möglicherweise gegen das Sachlichkeitsgebot verstoßen habe (Anl. K 4). Im Rahmen dieses Verfahrens hat der Kläger ein an ihn gerichtetes Schreiben seines rotarischen Präsidenten vom 13.01.2011 überreicht, in dem dieser davon berichtet, dass ihm von Rechtsanwalt T die Gelegenheit gegeben worden sei, "die von Dr. T2 beanstandeten Schriftsätze einzusehen" (Anl. K 4, Bl. 80 GA). Die Rechtsanwaltskammer hat hierauf mit dem beanstandeten Schreiben vom 01.07.2011 reagiert. Die Rechtsanwaltskammer Celle hat das gegen den Kläger eingeleitete Verfahren mittlerweile eingestellt.
Der Kläger meint, die Klage sei als Fortsetzungsfeststellungs- und als reine Leistungsklage begründet. Sein Rechtsschutzinteresse bestehe auch nach Einstellung des Verfahrens durch die Rechtsanwaltskammer Celle fort, weil die Beklagte in einem Kammerbeschluss vom 18.10.2011 dargelegt habe, in vergleichbaren Verfahren zukünftig weiter, wie beanstandet, zu verfahren. Durch das zu Unrecht gegen ihn veranlasste Verfahren vor der Rechtsanwaltskammer Celle seien ihm Kosten entstanden, deren Ersatz die Beklagte bislang verweigert habe; auch insoweit bestehe ein Feststellungsinteresse.
Die Erstattung einer Anzeige unter Beifügung von der Schweigepflicht unterliegenden Unterlagen mit dem Ziel der Einleitung eines berufsrechtlichen Verfahrens sei ein Eingriff in sein Recht auf Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 GG). Hierfür bestehe keine Rechtsgrundlage, da die Beklagte nach § 73 Abs. 2 Nr. 4 BRAO unzuständig sei. Ein Jedermannsprivileg zur Anzeigenerstattung gebe es nicht. Insbesondere nehme die Beklagte als Anzeigenerstatterin nicht eigene grundrechtlich geschützte Rechte wahr. Des Weiteren sei die Anzeige in der konkreten Form rechtswidrig. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, ihn anzuhören, bevor sie weitere Maßnahmen ergreife. Hieran sei sie trotz Unzuständigkeit nicht gehindert gewesen. Der Beklagten sei auch ein Ermessensfehler durch Ermessensnichtausübung vorzuwerfen. Die handelnde Behörde habe, wenn sie Unterlagen, die bei ihr selbst der Schweigepflicht unterliegen, an eine dritte Stelle weitergebe, die gegenseitigen Interessen der Betroffenen im Rahmen einer Ermessensentscheidung gegeneinander abzuwägen. Eine Abwägung habe nicht stattgefunden. Hätte sich die Beklagte im Rahmen eines Abwägungsvorgangs ernsthaft mit der Frage einer Möglichkeit der Verletzung der Schweigepflicht auseinandergesetzt, hätte sie festgestellt, dass eine solche nicht vorliegen könne.
Der Kläger ist der Auffassung, das Verhalten des für die Beklagte "im Auftrag" handelnden Geschäftsführers Dr. K und des Vollmacht gebenden Präsidenten erfülle den Tatbestand der Schweigepflichtverletzung. Die Beklagte sei nicht im Sinne des § 203 StGB befugt gewesen, die der Schweigepflicht unterliegenden Umstände eigeninitiativ weiter zu geben. Die Privilegierung des § 203 Abs. 2 Satz 2 StGB sei vorliegend nicht anwendbar, da sowohl Rechtsanwalt Dr. K als auch Rechtsanwalt F zum Personenkreis nach § 203 Abs. 1 StGB gehörten, für die die Privilegierungen des § 203 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht gälten. Eine gesetzliche Grundlage für die hier erfolgte Weitergabe von persönlichen Informationen ergebe sich auch nicht aus § 76b BRAO. Ausnahmen von der dort geregelten Schweigepflicht bedürften einer ausdrücklichen Regelung. Es handele sich bei der Tätigkeit der Beklagten auch nicht um eine zulässige Mitteilung im Rahmen des "dienstlichen Verkehrs". Da die Beklagte als unzuständige Kammer gehandelt habe, könne die Mitteilung auch nicht durch § 36 Abs. 2 BRAO gerechtfertigt sein. Zwar könne es im Einzelfall zulässig sein, im Rahmen der Amtshilfe bestimmte, der Schweigepflicht unterliegende Informationen weiter zu geben. Voraussetzung sei jedoch eine Bitte der Behörde, der die Information erteilt werde; hieran fehle es vorliegend. Ungerechtfertigte Mitteilungen aus der Personalakte seien unzulässig und könnten Schadensersatzansprüche auslösen.
Er meint, das Verhalten der Beklagten sei darüber hinaus rechtswidrig, weil es sich bei der Anzeige an die Rechtsanwaltskammer in Celle um eine falsche Verdächtigung im Sinne von § 164 StGB handele. Er sei von der Beklagten zu Unrecht einer Schweigepflichtverletzung beschuldigt worden, da er von seiner Partei von der Schweigepflicht entbunden worden sei. Die Begründung des Befangenheitsvorwurfs enthalte nicht eine der Schweigepflicht unterliegende Tatsache, die er dem Rotarier U hätte offen legen können, mit Ausnahme des Namens der von ihm (dem Kläger) vertretenen Partei. Dieser sei dem Rotarier U bereits mit Schreiben des Rechtsanwalts Dr. T2 vom 22.07.2010 mitgeteilt worden. Indem die Beklagte ihn gleichwohl in Kenntnis dieser Umstände angezeigt habe, ein vermeintlich belastendes Schreiben beigefügt und entlastende Schreiben zurückgehalten habe, habe die Beklagte den Tatbestand der falschen Verdächtigung erfüllt. Dass entlastende Unterlagen nicht vorgelegt worden seien, belege auch den Vorsatz der Beklagten.
Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe gegen die Beklagte gemäß § 58 BRAO ein Anspruch auf Akteneinsicht zu. Dieser Anspruch sei auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine Personalakte im engeren Sinne nicht existiere. Für die Frage, ob ein Vorgang zu den Personalakten gehöre, komme es nicht darauf an, wo und wie er geführt oder aufbewahrt werde, sondern allein darauf, ob er den Rechtsanwalt betreffe. Es bestehe insoweit auch ein Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung. Bisher habe die Beklagte lediglich unbeglaubigte Kopien vorgelegt, die keine Paginierung aufwiesen. Verfügungen im laufenden Verfahren, Aktenanforderungsgesuche fehlten. Die bisher vorgelegten Unterlagen belegten auch nicht ansatzweise, was den Geschäftsführer Dr. K veranlasst habe, die Strafanzeige zu erstatten. Seine entsprechenden Fragen gegenüber der Beklagten seien unbeantwortet geblieben. Dieser Anspruch sei vom Akteneinsichtsanspruch gemäß § 58 BRAO umfasst.
Der Kläger beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte mit ihrer Anzeige bei der Rechtsanwaltskammer Celle vom 01.07.2011 betreffend den Kläger als unzuständige Behörde gehandelt hat.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte mit ihrer Anzeige bei der Rechtsanwaltskammer Celle vom 01.07.2011 betreffend den Kläger ihre Schweigepflicht verletzt hat.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte mit ihrer Anzeige bei der Rechtsanwaltskammer Celle vom 01.07.2011 betreffend den Kläger den Kläger fälschlicherweise einer Straftat bezichtigt hat.
4. Die Beklagte wird verurteilt, alle Unterlagen und Vorgänge, die im Zusammenhang mit der gegen den Kläger erstatteten Anzeige an die Rechtsanwaltskammer Celle vom 01.07.2011 stehen, im Wege der Akteneinsicht vorzulegen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft zu erteilen, was der Anlass für die Anzeigenerstattung gegenüber der Rechtsanwaltskammer war.
6. Die Beklagte wird verurteilt, die Vollständigkeit und Richtigkeit der gemäß 4. vorzulegenden Unterlagen und die Richtigkeit der gemäß 5. zu erteilenden Auskünfte an Eides statt zu versichern.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie beruft sich darauf, dass der Antrag zu 1) mangels Feststellungsinteresse ersichtlich unzulässig und unbegründet sei. Wie sie in Zukunft bestimmte Vorgänge in ihrem Bezirk handhaben werde, sei für den Kläger dieses Verfahrens nicht von Bedeutung. Es fehle insoweit bereits an einem Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Kammer. Auch der Antrag zu 2) sei mangels Feststellungsinteresse unbegründet. Es sei zudem längst festgestellt, dass eine Verschwiegenheitsverletzung durch Herrn K und damit auch eine solche durch die Kammer nicht vorgelegen habe. Der Antrag zu 3) sei unzulässig, weil der Kläger den vermeintlichen Anspruch auf Erstattung von Anwaltskosten, deren Anfall und Bezahlung bestritten werde, im Wege der Leistungsklage verfolgen könne. Unbegründet, weil längst erfüllt, sei der Antrag zu 4). Der Antrag zu 5) sei ebenfalls ersichtlich unbegründet, weil dem Kläger seit Jahr und Tag Auskunft darüber erteilt werde, "was der Anlass für die Anzeigeerstattung gegenüber der Rechtsanwaltskammer war". Der Antrag zu 6) erledige sich aufgrund der Ausführungen zu den Anträgen zu 4) und 5) selbst.
II.
Gründe
1. Antrag zu 1)
Der Kläger kann nicht mit Erfolg die Feststellung verlangen, dass die Beklagte mit ihrer Anzeige bei der Rechtsanwaltskammer Celle vom 01.07.2011 als unzuständige Behörde gehandelt hat.
a)
Der Feststellungsantrag ist gemäß § 112c BRAO i.V.m. § 43 VwGO bereits unzulässig, denn es fehlt an dem erforderlichen Feststellungsinteresse.
Statthafte Klageart ist die Feststellungsklage, da in dem Schreiben der Beklagten vom 01.07.2011 allenfalls ein Realakt - nicht ein Verwaltungsakt - gesehen werden kann. Festgestellt werden kann über § 43 VwGO, ob ein Hoheitsträger berechtigt war, den getätigten Realakt vorzunehmen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 43, Rn. 5).
Das erforderliche Feststellungsinteresse vermag der Senat jedoch nicht festzustellen.
aa)
Der Kläger begründet sein Feststellungsinteresse damit, dass die Beklagte durch ihren, dem Gericht weitergeleiteten Kammerbeschluss dargelegt habe, in vergleichbaren Verfahren künftig, wie hier beanstandet, zu verfahren. In Bezug nimmt der Kläger hiermit das dem Senat vorliegende Protokoll des Jour fixe am 18.10.2011 (Anl. 11 des Hefters). Zur Diskussion war gestellt worden, ob Vorgänge an andere Rechtsanwaltskammern abgegeben werden, wenn in einem laufenden Aufsichtsverfahren der Verdacht aufkomme, dass auch der in einem anderen Kammerbezirk ansässige Beschwerdeführer einen Berufsrechtsverstoß begangen haben könnte. Das Präsidium stellte fest, dass es bisher gängige Praxis der Rechtsanwaltskammer gewesen sei, in solchen Fällen die zuständige Rechtsanwaltskammer von dem Verdacht eines Berufsrechtsverstoßes zu unterrichten. Dies solle auch zukünftig so gehandhabt werden.
Zwar kann die Gefahr der Wiederholung der Beeinträchtigung ein rechtliches Interesse begründen (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 43, Rn. 23 a.E.). Vorliegend droht aber keine erneute Beeinträchtigung des Klägers, sondern allenfalls die Beeinträchtigung anderer Rechtsanwälte in einer vergleichbaren Fallkonstellation. Für deren Interessen zu streiten, begründet kein schutzwürdiges Interesse des Klägers.
bb)
Weiter begründet der Kläger sein Feststellungsinteresse damit, dass ihm durch das zu Unrecht veranlasste Verfahren der Rechtsanwaltskammer Celle Kosten entstanden seien, deren Ersatz die Beklagte bisher verweigert habe. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung reicht die präjudizielle Wirkung, die einem Feststellungsurteil für einen späteren Schadensersatzanspruch zukommt, allein allerdings nicht aus, ein Feststellungsinteresse zu begründen, da die ordentlichen Gerichte von sich aus in der Lage sind, über das Bestehen oder Nichtbestehen eines öffentlichrechtlichen Rechtsverhältnisses zu befinden (vgl. Urteil des BVerwG v. 08.12.1995,
Az.: 8 C 37/93, NJW 1997, 71(73)). Eines rechtlichen Hinweises, dass vorrangig eine Leistungsklage zu erheben sei, bedurfte es vorliegend nicht. Denn eine solche Leistungsklage ist vor den ordentlichen Gerichten zu erheben. Hierauf hat der Senat den Kläger auch im Rahmen des Senatstermins vom 06.09.2013 hingewiesen.
cc)
Letztlich vermag der Senat auch kein Rehabilitationsinteresse des Klägers festzustellen. Das Verfahren vor der Rechtsanwaltskammer Celle ist zu Gunsten des Klägers ausgegangen. Dass das Schreiben der Beklagten vom 01.07.2011 heute noch für den Kläger negative Auswirkungen nach sich zöge, die zu beseitigen wären, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
b)
Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die Feststellungsklage auch unbegründet ist.
Die Beklagte ist nach Auffassung des Senats - wie jede andere natürliche oder juristische Person - berechtigt, sich gegenüber der für den Rechtsanwalt zuständigen Rechtsanwaltskammer zu beschweren bzw. den Verdacht einer Verletzung berufsrechtlicher Vorschriften zu äußern und dies auch dann, wenn sie nicht eigene grundrechtlich geschützte Rechte wahrnimmt. Einer Ermächtigungsgrundlage bedarf es für die Äußerung eines solchen Verdachts nicht. Von dem Fehlverhalten eines Rechtsanwalts kann jeder Kenntnis erlangen. Erlangt der Kammervorstand Kenntnis von zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für das Vorliegen einer Pflichtverletzung, ist er verpflichtet, ein entsprechendes Aufsichtsverfahren einzuleiten (vgl. Weyland in: Feuerich/Weyland, BRAO, 8. Aufl. 2012, § 74, Rn. 20 f.). Ist er für die Einleitung eines solchen Verfahrens nicht zuständig, weil der betroffene Rechtsanwalt nicht Kammermitglied ist, hat sie einen Verdacht an die Rechtsanwaltskammer Celle weiterzugeben (vgl. hierzu auch: Hartung in: Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl., 2010, § 74, Rn. 20).
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang rügt, dass die Beklagte ihn vor Abfassung des Schreibens vom 01.07.2011 habe anhören müssen, kann dies dahin gestellt bleiben, denn die Frage, ob die Beklagte eine Anhörung hätte durchführen müssen, wird nicht vom Antrag zu 1) erfasst. Gleiches gilt für den Einwand des Klägers, dass die Beklagte vor der Weitergabe von Unterlagen an die Rechtsanwaltskammer Celle keine Abwägung zwischen den einzelnen Interessen der Betroffenen vorgenommen habe.
2. Antrag zu 2)
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung, dass die Beklagte mit ihrer Anzeige bei der Rechtsanwaltskammer Celle vom 01.07.2011 ihre Schweigepflicht verletzt hat.
a)
Was die Zulässigkeit des Feststellungsantrags betrifft, gilt das bereits zum Antrag
zu 1) Gesagte.
b)
Eine Verletzung der Schweigepflicht durch das Schreiben der Beklagten vom 01.07.2011 liegt nach Auffassung des Senats nicht vor. Die Beklagte - handelnd durch den Geschäftsführer Dr. K - hat nicht unbefugt ein Geheimnis offenbart.
Es ist Aufgabe des Vorstands einer Rechtsanwaltskammer - der Beklagten wie auch der Rechtsanwaltskammer Celle -, die Erfüllung der den Mitgliedern der Kammer obliegenden Pflichten zu überwachen. Diese Aufsicht ist unerlässlich, um rechtzeitig ist Missstände zu beseitigen, die zu einer Schädigung der Allgemeinheit führen können (vgl. Weyland in: Feuerich/Weyland, § 73 BRAO, Rn. 41 f.). Gleichzeitig besteht die Verschwiegenheitspflicht des § 76 BRAO. Unter welchen Voraussetzungen personenbezogene Daten von der zuständigen Kammer weitergeleitet werden dürfen, ist z.B. in § 36 Abs. 3 BRAO geregelt (Mitteilung an die Kammer eines anderen freien Berufs).
Im hier zu Entscheidung stehenden Fall ist die Beklagte jedoch nicht die für den Kläger zuständige Rechtsanwaltskammer, sondern unzuständig, da der Kläger Mitglied der Rechtsanwaltskammer Celle ist. Der Anspruch, flächendeckend eine funktionierende Aufsicht einzurichten, kann aber nur dann erfüllt werden, wenn eine unzuständige Rechtsanwaltskammer einen Vorgang an die zuständige Rechtsanwaltskammer weitergeben bzw. dieser Informationen, die den Verdacht einer Verletzung berufsrechtlicher Vorschriften begründen, zuleiten darf. Durch eine solche für das Funktionieren des Aufsichtswesens notwendige Abgabe eines Vorgangs bzw. Weitergabe von Informationen wird das Persönlichkeitsrecht des Klägers nach Auffassung des Senats nicht tangiert. Denn auch bei der Rechtsanwaltskammer Celle handelt es sich um eine Körperschaft öffentlichen Rechts, die mit gleicher Kompetenz wie die Beklagte ausgestattet ist und einer identischen Verschwiegenheitspflicht unterliegt. Das Handeln der Beklagten geht damit über einen bloßen Informationsaustausch zwischen Aufsichtsbehörden nicht hinaus (vgl. Hartung in: Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl. 2010, § 76, Rn. 9; Beschluss des OLG Frankfurt v. 17.02.2003, Az.: 3 ARs 6/03, NStZ-RR 2003, 170; vgl. auch: Fischer, StGB, 60. Aufl. 2013, § 203, Rn. 41; Lenckner/Eisele in: Schönke/Schröder, StGB Kommentar, 28. Aufl. 2010, § 203, Rn. 45).
3. Antrag zu 3)
Ebenfalls ohne Erfolg begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Beklagte ihn mit ihrer Anzeige bei der Rechtsanwaltskammer Celle vom 01.07.2011 fälschlicherweise einer Straftat bezichtigt habe.
a)
Auch hier gilt in Bezug auf die Zulässigkeit der Feststellungsklage das bereits Gesagte. Es fehlt das erforderliche Feststellungsinteresse.
b)
Nach Auffassung des Senats erfüllt die Weiterleitung von Unterlagen an die Rechtsanwaltskammer Celle nebst Anschreiben vom 01.07.2011 nicht den Tatbestand des § 164 StGB.
aa)
Es ist bereits nicht ersichtlich, dass die Verdächtigung objektiv falsch ist. Das Schreiben der Beklagten vom 01.07.2011 gibt nur wieder, was sich aus dem Schreiben vom 13.01.2011 ergibt. Etwas Anderes könnte dann gelten, wenn die Beklagte den Vorwurf beseitigende und den Kläger entlastende Unterlagen nicht an die Rechtsanwaltskammer Celle weitergeleitet hätte. Dies vermag der Senat aber nicht festzustellen. Welche Unterlagen genau die Beklagte der Rechtsanwaltskammer Celle zugeleitet hat, ist dem Senat nicht bekannt.
bb)
Zum Anderen vermag der Senat nicht festzustellen, dass der verantwortliche Geschäftsführer der Beklagten, Dr. K, "wider besseren Wissen" gehandelt hätte.
Soweit der Kläger sich darauf beruft, er sei von seiner Partei von der Schweigepflicht entbunden gewesen, ist sein Vortrag unsubstantiiert. Auch legt er nicht dar, auf welche Art und Weise und insbesondere wann die Beklagte von diesem Umstand Kenntnis erlangt haben soll.
Auch ohne Erfolg wendet der Kläger ein, dass alle Umstände, die Grundlage des Vorwurfs der Schweigepflichtverletzung hätten sein können, dem Rotarier U - dem Verfasser des Schreibens v. 13.01.2011 - bereits durch das Schreiben von Dr. T2 an ihn vom 22.07.2010 bekannt gewesen seien. Dem kann nicht gefolgt werden. Das vorgenannte Schreiben liegt als Anl. K 3 vor. Es gab für die Beklagte keine Anhaltspunkte anzunehmen, dass das (Wenige), was dem Schreiben vom 22.07.2010 zu entnehmen ist, inhaltsgleich ist mit den Schriftsätzen ist, die Herr U ausweislich seines Schreibens vom 13.01.2011 "gestern" - also am 12.01.2011 - von dem Kläger zur Einsicht bekommen haben will. Aus diesem Grunde kommt es auch nicht darauf an, ob der Rechtsanwaltskammer Celle das Schreiben des Dr. T2 vom 22.07.2010 vorsätzlich vorenthalten wurde.
Letztlich hat der Kläger auch keinen Erfolg mit dem Einwand haben, er habe die Schriftsätze, mit denen der Befangenheitsvorwurf begründet worden sei, mit der Anzeige gegen Dr. T2 an die Beklagte übersandt. Der einzige der Schweigepflicht unterliegende Umstand - der Name der vom Kläger vertretenen Partei - sei Herrn U bereits aufgrund des Schreibens vom 22.07.2010 bekannt gewesen. Dass es keine Schweigepflichtverletzung gegeben hat, ergibt sich nicht allein daraus, dass der Kläger behauptet, keine Unterlagen übergeben zu haben, die eine solche begründen könnten. Welche Schriftsätze Herr U tatsächlich gesehen hat, wäre ggfs. mit dessen Hilfe aufzuklären gewesen.
4. Antrag zu 4)
Dem Kläger steht kein Anspruch gegen die Beklagte zu, alle Unterlagen und Vorgänge, die im Zusammenhang mit der gegen ihn erstatteten Anzeige an die Rechtsanwaltskammer Celle vom 01.07.2011 stehen, im Wege der Akteneinsicht vorzulegen.
Eine Anspruchsgrundlage für dieses Begehren ist nicht ersichtlich. Ein Anspruch auf Akteneinsicht ergibt sich auch nicht aus § 58 BRAO.
Zwar hat der Rechtsanwalt gemäß § 58 BRAO das Recht, die über ihn geführten Personalakten einzusehen. Zu Recht weist der Kläger darauf hin, dass der Begriff der Personalakte in § 58 BRAO nicht formell, sondern materiell zu fassen ist und es für die Frage, ob ein Vorgang zu den Personalakten gehört, nicht darauf ankommt, wo und wie er geführt und aufbewahrt wird, sondern allein darauf, ob er den Rechtsanwalt betrifft (vgl. Böhnlein in: Feuerich/Weyland, a.a.O., § 58 BRAO, Rn. 6). Die Führung der Personalakte obliegt allerdings dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer, der der Rechtsanwalt angehört. Dies ist die Rechtsanwaltskammer Celle, nicht die Beklagte. Abgesehen davon ist dem Senat auch nicht bekannt, ob es überhaupt einen Vorgang Rechtsanwalt Dr. T bei der Beklagten gibt. Genauso wahrscheinlich ist es, dass es nur eine Verfügung in der Akte des gegen Rechtsanwalt Dr. T2 geführten Aufsichtsverfahrens gibt, bestimmte Unterlagen aus dieser Akte zusammen mit dem Anschreiben vom 01.07.2011 an die Rechtsanwaltskammer Celle weiterzuleiten.
5. Antrag zu 5)
Auch mit dem Antrag zu 5) hat der Kläger keinen Erfolg.
Eine Anspruchsgrundlage dafür, dass die Beklagte verpflichtet sein sollte, sich darüber zu erklären, was der Anlass für die Anzeigenerstattung gegenüber der Rechtsanwaltskammer Celle war, ist nicht ersichtlich. Ein solcher Anspruch wird auch nicht von § 58 BRAO mit umfasst.
6. Antrag zu 6)
Da die Anträge zu 4) und 5) abzuweisen waren, scheitert auch der Antrag zu 6).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 BRAO i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Die Berufung vor dem Bundesgerichtshof war gemäß §§ 124 VwGO, 112e Abs. 1 BRAO nicht zuzulassen. Weder weist die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, noch hat sie grundsätzliche Bedeutung. Auch ein Fall der Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO liegt nicht vor.
Der Streitwert wurde auf 25.000,00 € festgesetzt. Hierbei hat der Senat für die Anträge zu 1) bis 5) jeweils den Regelstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG zugrunde gelegt.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monates nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag ist bei dem Anwaltsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Heßlerstraße 53, 59065 Hamm, zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen,
1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteiles bestehen,
2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche
Schwierigkeiten aufweist,
3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs, des
Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten
Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab-
weicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender
Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die
Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Das gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Ferner sind die in § 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein nach dem Vorstehenden Vertretungsberechtigter kann sich selbst vertreten; es sei denn, dass die sofortige Vollziehung einer Widerrufsverfügung angeordnet und die aufschiebende Wirkung weder ganz noch teilweise wiederhergestellt worden ist. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
OLG Hamm:
Urteil v. 06.09.2013
Az: 2 AGH 30/11
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/9b0706a70f9f/OLG-Hamm_Urteil_vom_6-September-2013_Az_2-AGH-30-11