Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 3. April 1998
Aktenzeichen: 6 U 133/97
(OLG Köln: Urteil v. 03.04.1998, Az.: 6 U 133/97)
1. Irreführende Angaben auf dem Beipackzettel eines Arzneimittels stehen im Hinblick auf die Zulässigkeitsvoraussetzung der Dringlichkeit dem Erlaß einer einstweiligen Verfügung gegen eine spätere, in gleicher Weise irreführende Werbung für dasselbe Arzneimittel in einer Publikumszeitschrift grundsätzlich nicht entgegen. 2. Die Behauptung schmerzlindernder Wirkung von Vitamin E bei arthrosebedingten Gelenkbeschwerden sowie einer positiven Wirkung dieses Vitamins bei Kreislaufproblemen sind fachlich nicht unumstritten; werbliche Aussagen, die diese Tatsache verschweigen bzw. Verschleiern sind irreführend im Sinne von § 3 II 1 HWG und daher unlauter (§ 1 UWG).
Tenor
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 10. Juni 1997 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 133/97 - teilweise abgeändert und im Hauptausspruch insgesamt wie folgt neu gefaßt: Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 2. April 1997 - 31 O 133/97 wird teilweise bestätigt und erhält im Hauptausspruch die nachstehende Neufassung: " Die Antragsgegnerin hat es bei Meidung eines vom Ge-richt für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000.- DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für das Arzneimittel Eusovit 600 wie nachstehend wiedergegeben mit den Hinweisen`Wichtige Information für Arthrose-Patienten!` und`Viele Menschen haben einen erhöhten Vitamin E-Bedarf. Dazu zählen gerade Patienten mit Arthrose (Gelenkver-schleiß). Fehlt ihnen Vitamin E, kann das die Gelenk-chmerzen verstärken. Auch den Kreislaufpatienten macht häufig ein Vitamin E-Mangel zu schaffen`zu werben:Im übrigen wird die einstweiligen Verfügung unter Zurückweisung des auf ihren Erlaß gerichteten Antrags vom 2. April 1997 insoweit aufgehoben." Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen haben die Antragstellerin zu 1/3, die Antragsgegnerin zu 2/3 zu tragen.
Gründe
Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der
Antragsgegnerin ist zwar insgesamt zulässig. In der Sache hat das
Rechtsmittel jedoch nur in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen
Umfang teilweise Erfolg.
1. Zu Recht hat das Landgericht die Verwendung der in den
Fließtext der Anzeige eingestellten, von der Antragstellerin
beanstandeten Werbeaussagen betreffend das beworbene Vitamin E -
Produkt Eusovit 600 der Antragsgegnerin untersagt.
Die Antragstellerin hat in einer für den Erlaß und die
Aufrechterhaltung der einstweiligen Verfügung ausreichenden Weise
die Voraussetzungen des insoweit geltend gemachten
Unterlassungsbegehrens, dessen Dringlichkeit gemäß § 25 UWG zu
vermuten ist, glaubhaft gemacht.
a) Was den von der Antragsgegnerin gegenüber dem Verfügungsgrund
der Dringlichkeit vorgebrachten Einwand angeht, so ist dieser von
vorneherein nicht geeignet, die nach Maßgabe der erwähnten
Vorschrift des § 25 UWG zu Gunsten der Antragstellerin sprechende
Dringlichkeitsvermutung zu widerlegen. Zwar ist es richtig, daß -
wie die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang geltend macht -
bereits in der dem Arzneimittel Eusovit 600 beigefügten
Gebrauchsinformation - Stand Dezember 1996 - (Anlage AS 5 = Bl. 16
/17 d. A.) Angaben über die Anwendung und Wirkungen von Vitamin E
u. a. in bezug auf den Schutz von Gelenken vor Stoffwechselgiften
und Verschleiß gemacht sind. Unabhängig davon, daß nach dem durch
Vorlage der Fotokopie einer Antragsschrift vom 22. Januar 1997
(Anlage BE 1 = Bl. 149 ff d.A.) glaubhaft gemachten Vorbringen der
Antragstellerin auch diese, in dem vorbezeichneten Beipackzettel
enthaltenen Angaben der Antragsgegnerin im Rahmen eines
einstweiligen Verfügungsverfahrens (31 O 52/97 LG Köln) beanstandet
wurden, kann die bereits im Dezember 1996 erfolgte Verwendung
dieser Aussagen die Dringlichkeit des auf die Unterlassung der hier
in Rede stehenden Werbeaussagen gerichteten Verfügungsbegehrens
jedoch keinesfalls entkräften. Denn die im Streitfall zu
beurteilenden, in einer in der Ausgabe der Zeitschrift "DER
SPIEGEL" vom 31. März 1997 (Heft 14/97) veröffentlichten Anzeige
enthaltenen Angaben der Antragsgegnerin über den Einsatz und die
Wirkung von Vitamin E beziehen sich speziell auf "Patienten mit
Arthrose (Gelenkverschleiß)" und "Gelenkschmerzen" sowie
"Kreislauf-Patienten" (Anlage AS 4 = Bl. Bl. 14/15 d.A.) und
stellen in dieser konkreten Form gegenüber den Aussagen in der
Gebrauchsinformation eine in Aufmachung und Inhalt abweichende
selbständige Wettbewerbshandlung dar, welche die Antragstellerin
mit ihrem am 2. April 1997 eingegangen Verfügungsantrag daher
innerhalb eines dringlichkeitsunschädlichen Zeitraums angegriffen
hat.
b) Die Antragstellerin hat weiter auch die Voraussetzungen des
geltend gemachten Verfügungsanspruchs glaubhaft gemacht.
Die vorbezeichneten, im Fließtext der Anzeige enthaltenen
Werbeaussagen betreffend das Arzneimittel Eusovit 600 verstoßen
danach gegen das in § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG formulierte
Irreführungsverbot, was - da es sich bei der erwähnten Bestimmung
des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) um eine dem Schutze der
Volksgesundheit dienende wertbezogene Norm handelt - auch ohne
Hinzutreten weiterer Unlauterkeitsmerkmale per se den
wettbewerblichen Unlauterkeitsvorwurf i. S. von § 1 UWG
rechtfertigt (vgl. Doepner, Heilmittelwerbegesetz, Rdn. 16 zu § 3
HWG; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19. Auflage, Rdn. 612,
614, 618 zu § 1 UWG), mithin der Antragstellerin einen auf die
letztgenannte Vorschrift gegründeten Unterlassungsanspruch
verschafft.
Irreführend im Sinne von § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG ist die Werbung
für ein Arzneimittel u. a. dann, wenn diesem eine therapeutische
Wirksamkeit oder Wirkung beigelegt wird, die es nach der
Wissenschaft nicht hat oder die nicht hinreichend gesichert ist
(vgl. Doepner, a. a. O., Rdn. 59 zu § 3 HWG). Von diesem
Irreführungstatbestand erfaßt werden die Fälle, in denen eine
Aussage betreffend die therapeutische Wirksamkeit oder Wirkung
eines Arzneimittels einschränkungslos als objektiv richtig oder
wissenschaftlich gesichert dargestellt wird, obwohl diese in
Wirklichkeit durch nicht lediglich als Außenseitermeinungen zu
qualifizierende Gegenstimmen fachlich umstritten ist (vgl. BGH GRUR
1991, 848/849 -"Rheumalind II"; BGH GRUR 1971, 153/155 -"Tampax"-;
BGH GRUR 1965, 148 -" Kaffee C"- = WRP 1965,148; BGH GRUR 1958, 458
-" Odol" - = WRP 1958, 237; Doepner, a.a.O., Rdn. 60 zu § 3 HWG;
Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rdn. 178 zu § 1 UWG). So liegt der
Sachverhalt aber hier:
Die im Fließtext der Werbeanzeige enthaltene Formulierung "Fehlt
ihnen Vitamin E, kann das die Gelenkschmerzen verstärken" im
Kontext mit den weiteren, auf Arthrose bezogenen Aussagen ("Viele
Menschen haben einen erhöhten Vitamin-E-Bedarf. Dazu zählen gerade
Patienten mit Arthrose...") suggeriert nach dem Verständnis
zumindest eines nicht unerheblichen Teils des angesprochenen
Verkehrs, dem die Mitglieder des erkennenden Senats als potentielle
Arzneimittelverbraucher zugehörig sind, nicht nur die Wirksamkeit
von Vitamin E - konkret in der Darreichung des beworbenen
Arzneimittels Eusovit 600 - zur Linderung arthrosebedingter
Gelenkschmerzen als solche. In der Form der vorliegenden
Formulierungen wird darüber hinaus der Eindruck erweckt, daß es
sich bei dieser Wirkung von Vitamin E um eine in der Wissenschaft
abschließend behandelte und eindeutig beantwortete Frage handelt,
der - wenn überhaupt - nur (noch) unbeachtliche Gegenmeinungen
gegenüberstehen. Denn im Zusammenhang mit den feststellenden
Formulierungen, daß zu den "vielen Menschen mit einem erhöhten
Vitamin-E-Bedarf"..."gerade Menschen mit Arthrose
(Gelenkverschleiß)..." zählen, provoziert die sich unmittelbar
hieran anschließende, weitere Aussage "Fehlt ihnen Vitamin E, kann
das die Gelenkschmerzen verstärken" nicht nur den Schluß darauf,
daß die Zufuhr von Vitamin E überhaupt arthrosebedingte
Gelenkschmerzen lindern kann. Da dieser zu erwartende positive
Erfolg ohne jegliche Einschränkung als möglich dargestellt wird,
erweckt dies vielmehr auch den Anschein, daß es sich hierbei um
eine in der einschlägigen Wissenschaft eindeutig in diesem Sinne
geklärte Erkenntnis handelt. Denn gerade im hier betroffenen
Bereich der sich an das Laienpublikum wendenden Werbung für
Human-Arzneimitel rechnet jedenfalls ein nicht unbeachtlicher Teil
der Adressaten damit, daß fachwissenschaftliche Erhebungen und
klinische Untersuchungen betreffend die therapeutische Wirksamkeit
und Wirkung des beworbenen Arzneimittels bzw. der in ihm
enthaltenen Wirksubstanz durchgeführt worden sind. Werden vor
diesem Hintergrund bestimmte Wirkungen eines Human-Arzneimittels
einschränkungslos als erzielbar dargestellt, erweckt das in dem
erwähnten Verkehrskreis folglich den Eindruck, als spiegele dies
den in der betroffenen Fachwissenschaft - allenfalls mit Ausnahme
widersprechender Außenseitermeinungen - ebenso einschränkungslos
bestehenden Erkenntnisstand wider. Daß die behauptete
schmerzlindernde Wirkung von Vitamin E bei arthrosebedingten
Gelenkschmerzen tatsächlich in diesem Sinne fachlich unumstritten
ist, konnte die Antragsgegnerin im Streitfall indessen nicht
glaubhaft machen.
Die Antragstellerin hat unter Vorlage der am 18. November 1993
bekanntgemachten Aufbereitungsmonographie des Bundesgesundheitsamts
(Bl. 70 ff d.A.) substantiiert dargelegt, daß Vitamin E für
Indikationen u. a. des Gebiets der Rheumatologie, in welches die
Arthrose unstreitg fällt, negativ beschieden wurde (Anlage AS 6 =
Bl. 70 d.A.). Entsprechendes geht aus dem in der beigezogenen und
zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akte 6 U 238/96
(= 31 O 392/96 LG Köln) von der Antragstellerin als Anlage K 7
vorgelegten Gutachten des Prof. Dr. L. hervor. Darauf, daß die
behauptete schmerzlindernde Wirkung von Vitamin E bei
Arthrose-Patienten - jedenfalls noch - im Sinne der vorstehenden
Definition fachlich umstritten ist, deuten darüber hinaus sogar die
von der Antragsgegnerin selbst im vorliegenden Verfahren als
Anlagen E 1 (Bl. 47 ff d.A.) und E 2 (Bl. 52 ff d.A.) vorgelegten
Fachpublikationen hin. Denn in diesen, aus den Jahren 1990 und
1994 stammenden Veröffentlichungen wird darauf hingewiesen, daß u.
a. noch kontrollierte Langzeitstudien erforderlich sind, um den
"Stellenwert dieser Therapieform", nämlich der Vitamin-E-Therapie
bei Patienten mit aktivierter Arthrose, festzustellen (Bl. 50, 52
d.A.). In dem als Anlage E 2 eingereichten Beitrag aus dem Jahre
1994 wird ferner ausdrücklich erwähnt, daß viele der zahlreichen
Studien, die zur klinischen Wirksamkeit von Vitamin E bei
rheumatoiden Erkrankungen vorgelegt wurden, "die Kritiker in Design
und Aussagekraft nicht" hätten "überzeugen" können, "so daß ihre
Ergebnisse bis heute kontrovers dikutiert" würden (Bl. 55
d.A.).
Hat die Antragstellerin danach aber die fachliche Umstrittenheit
der behaupteten schmerzlindernden Wirkung von Vitamin E bei
arthrosebedingten Gelenkschmerzen substantiiert dargelegt, ist es
Aufgabe der Antragsgegnerin, die mit ihrer Werbung den Anschein
erweckt, daß es sich bei dieser Wirkung um eine in der Wissenschaft
abschließend behandelte und eindeutig beantwortete Frage handele,
demgegenüber die fachliche Unumstrittenheit glaubhaft zu machen.
Denn entgegen der sonstigen Beweislastverteilung, wonach
grundsätzlich die klagende Partei die Voraussetzungen des geltend
gemachten Unlauterkeits- bzw. Irreführungstatbestands beweisen muß,
trifft den Wettbewerber, der mit einer fachlich umstrittenen
Behauptung wirbt, ohne dabei auf das Vorhandensein einer in der
Fachwelt nicht lediglich als Außenseiterstimme vertretenen
Gegenmeinung hinzuweisen, die Beweislast für die fachliche
Unumstrittenheit der Werbebehauptung (vgl. BGH a.a.O., -"
Rheumalind II " -; BGH a. a. O., -"Tampax"-, BGH a. a. O, -" Odol"
-; Doepner, a.a.O., Rdn. 32 zu § 3 HWG). Da der sich auf eine
fachlich umstrittene Meinung unter Nichterwähnung der Gegenmeinung
stützende Werbende die Verantwortung für die objektive Richtigkeit
seiner Angabe übernommen hat, muß er diese im Streitfall folglich
dann auch beweisen (Doepner, a.a.O.; BGH a.a.O., -"Rheumalind"-).
Die Antragsgegnerin wird durch diese prozessualen Anforderungen
auch ebensowenig überstrapaziert, wie das von ihr eingewandte
Postulat des Wissenschaftpluralismus tangiert ist. Im gegebenen
Zusammenhang geht es weder um die Glaubhaftmachung, daß keine
Gegenstimme vorhanden ist, noch darum, nur einer einzigen
wissenschaftlichen Auffassung vor anderen Meinungen Geltung zu
verschaffen. Denn der Nachweis einer absoluten wissenschaftlichen
Gewißheit bzw. der Abwesenheit jeglicher Gegenstimmen, die in aller
Regel ohnehin nicht existiert, wird der Antragsgegnerin nicht
abverlangt. Beurteilungsgegenstand sind darüber hinaus allein die
konkrete werbende Darstellung einer Meinung und die Frage, ob -
soweit erste fachlich umstritten ist - damit die Gefahr einer
Irreführung zumindest eines nicht unbeachtlichen Teils des
angesprochenen Verkehrs verbunden ist, was aber wiederum - wie im
gegebenen Fall - dann bejaht werden muß, wenn der Meinungsstreit
nicht offengelegt wird. Die sachliche Bevorzugung einer bestimmten
Meinung ist damit ebensowenig verbunden wie der Antragsgegnerin mit
dem Beweis bzw. der Glaubhaftmachung der fachlichen
Unumstrittenheit der werblich verwendeten Meinung betreffend die
Wirkung und Wirksamkeit ihres Arzneimittels Unzumutbares oder gar
Unmögliches aufgebürdet wird.
Daß es sich bei der behaupteten Wirksamkeit von Vitamin E zur
Linderung arthrosebedingter Gelenkschmerzen um eine im vorstehenden
Sinne fachlich unumstrittene Aussage handele, vermochte die nach
den vorstehenden Ausführungen insoweit beweispflichtige
Antragsgegnerin nicht glaubhaft zu machen. Die von ihr vorgelegten
gutachterlichen Stellungnahmen, sonstigen Veröffentlichungen und
Schreiben leisten diese Glaubhaftmachung nicht. Unabhängig davon,
daß sich die in diesen Unterlagen untersuchte und teilweise auch
ausdrücklich attestierte Wirksamkeit von Vitamin E bei der
Behandlung von Arthrose ganz überwiegend zum adjuvanten Einsatz von
Vitamin E in zudem deutlich höherer Dosierung als das beworbenen
Produkt der Antragsgegnerin verhält, geht hieraus jedenfalls nicht
hervor, inwiefern es sich bei diesen Stimmen um die
wissenschaftlich abgesicherte und erhärtete Fachmeinung handelt, an
deren Richtigkeit keine vernünftigen Zweifel (mehr) bestehen
können. Denn selbst unterstellt, die von der Antragsgegnerin
vorgelegten Unterlagen bestätigten inhaltlich uneingeschränkt die
in der Werbung behauptete Wirksamkeit (allein) von Vitamin E bzw.
des beworbenen konkreten Produkts Eusovit 600 zur Linderung
arthrosebedingter Gelenkschmerzen, folgt daraus nicht, daß die
wiederum von der Antragstellerin belegten Gegenstimmen sich
(nunmehr) überholt haben bzw. lediglich noch als unerhebliche
Außenseitermeinungen qualifiziert werden müßten. Die Beantwortung
dieser Frage bliebe vielmehr allein einem den gesamten
einschlägigen Meinungsstand berücksichtigenden
Sachverständigengutachten vorbehalten, das die Antragsgegnerin aber
schon nach ihren eigenen Ausführungen mit den eingereichten
Unterlagen nicht vorgelegt hat und dessen Einholung durch das
Gericht sich im Verfahren der einstweiligen Verfügung
verbietet.
Erweisen sich somit die im Fließtext der Anzeige enthaltenen,
auf die Wirkung bei Arthrose-Patienten bzw. arthrosebedingten
Gelenkschmerzen bezogenen Werbeaussagen als irreführend i. S. von §
3 Satz 2 Nr. 1 HWG, gilt das ebenfalls für die weitere, in den
Fließtext der Werbung eingestellte Angabe in bezug auf
Kreislauf-Patienten ("Auch Kreislauf-Patienten macht häufig ein
Vitamin-E-Mangel zu schaffen"). Auch insoweit liegt eine gemäß § 3
Satz 2 Nr. 1 HWG als irreführend einzuordnende Angabe betreffend
die therapeutische Wirksamkeit und Wirkung von Vitamin E bzw.
konkret des Arzneimittels Eusovit 600 der Antragsgegnerin vor. Denn
angesichts der unstreitig bestehenden Vielfalt der u. a. den
"Kreislauf" in Mitleidenschaft ziehenden unterschiedlichsten
Krankheitsbilder und Grunderkrankungen stellt sich die Aussage
"Auch Kreislauf-Patienten macht häufig ein Vitamin E Mangel zu
schaffen" - vor allem aber in Verbindung mit der sich
anschließenden Aussage "Gute Gründe für das neue Eusovit 600" - aus
der Sicht eines nicht unerheblichen Teils des Verkehrs als
Behauptung der eine große Bandbreite erfassenden therapeutischen
Wirksamkeit des Arzneimitels der Antragsgegnerin dar. Dem Vortrag
der Antragsgegnerin läßt sich indessen schon nicht entnehmen, daß
die nicht näher spezifizierten und erläuterten
Kreislauferkrankungen überhaupt "häufig" mit einem Vitamin-E-Mangel
einhergehen bzw. den hier angesprochenen "Kreislauf-Patienten"
tatsächlich "häufig" ein Vitamin-E-Mangel zu schaffen mache.
Jedenfalls aber hat die Antragsgenerin weder dargelegt, noch
glaubhaft gemacht, daß die behauptete Wirksamkeit von Vitamin E bei
"Kreislauf-Patienten" in dieser Pauschalität fachlich unumstritten
im Sinne der obigen Erläuterungen sei.
Da sich nach alledem die im Fließtext der verfahrenbetroffenen
Werbeanzeige enthaltenen, von der Antragstellerin beanstandeten
Werbeaussagen insgesamt als irreführend im Sinne von § 3 Satz 2 Nr.
1 HWG darstellen und aus diesem Grund gemäß § 1 UWG zu unterlassen
sind, erübrigt sich das Eingehen auf die Frage, ob die
Antragsgegnerin mit den erwähnten Angaben ebenfalls gegen § 3 a HWG
verstoßen habe, weil sie damit etwa eine nicht von der Zulasssung
des Arzneimittels gedeckte Indikation beworben habe. Nur am Rande
sei daher darauf hingewiesen, daß hierfür - ohne daß darüber
abschließend zu entscheiden wäre - jedenfalls im vorliegenden
Verfahren der einstweiligen Verfügung manches spricht. Denn nach
der von der Antragstellerin vorgelegten Aufbereitungsmonographie
des Bundegesundheitsamts, in welcher Indikationen u. a. des Gebiets
der Rheumatologie für Vitamin E ausdrücklich negativ beschieden
worden sind, erscheint es in hohem Maße zweifelhaft, daß die im
Jahre 1985 für das Anwendungsgebiet der "Therapie von
Vitamin-E-Mangelzuständen" erteilte Zulassung des Arzneimittels
Eusovit 600 auch die hier in Rede stehende Indikation der Arthrose
(Gelenkschmerzen) erfaßt. Jedenfalls aber hat die Antragsgegnerin
aus den oben dargelegten Gründen nicht glaubhaft gemacht, daß
Arthrose bzw. arthrosebedingte Gelenkschmerzen sowie
Kreislauf-Probleme einem Vitamin-E-Mangelzustand zuzuordnen sind,
und daher unter das von der arzneimittelrechtlichen Zulassung
erfaßte Anwendungsgebiet fallen. Der weiteren Erörterung, inwiefern
eine von der Zulassung seinerzeit nicht erfaßte, sondern erst
aufgrund nachträglicher fachlich unumstrittener Erkenntnisse sich
herausstellende Indikation eines Arzneimittels ohne weiteres
werblich verwendet werden darf, bedarf es daher ebenfalls
nicht.
2. Soweit die Antragstellerin schließlich auch die Unterlassung
der in der Art einer Titelzeile gestalteten Werbeaussage "Wichtige
Information für Arthrose-Patienten!" fordert, erweist sich das
Unterlassungsbegehren jedoch nur zum Teil als berechtigt.
Im Zusammenhang mit den vorbezeichneten, in den Fließtext der
Anzeige eingestellten Formulierungen betreffend Arthrose-Patienten,
die dem hier in Rede stehenden Hinweis erst einen bestimmten
inhaltlichen Aussagewert im Sinne der behaupteten Wirksamkeit von
Vitamin E bei Arthrose bzw. arthrosebedingten Gelenkschmerzen
verschaffen, ist die Textzeile "Wichtige Information für
Arthrose-Patienten!" zwar aus den oben bereits dargestellten
Gründen als gemäß § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG irreführende Werbaussage
einzuordnen. Das gilt jedoch nicht für die ebenfalls von der
Antragstellerin alternativ angegriffene isolierte Verwendung dieser
Aussage. Denn die Textzeile verweist von vorneherein auf einen
nachfolgenden Text, nämlich die eigentliche "Information". Die
inhaltliche Bedeutung und Aussagekraft des Hinweises "Wichtige
Information für Arthrose-Patienten!" ergibt sich daher erst im
Zusammenhang mit eben diesem Folgetext, so daß - ist letzterer in
wettbewerblicher Hinsicht nicht zu beanstanden - auch die isolierte
Verwendung des hier zu beurteilenden Werbehinweises nicht mit
Erfolg angegriffen werden kann.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig.
OLG Köln:
Urteil v. 03.04.1998
Az: 6 U 133/97
Link zum Urteil:
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