Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. März 2005
Aktenzeichen: 29 W (pat) 6/03

(BPatG: Beschluss v. 16.03.2005, Az.: 29 W (pat) 6/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die für die Waren und Dienstleistungen Klasse 5: Präparate für die Gesundheitspflege; frauenhygienische Artikel, nämlich Damenbinden, Slipeinlagen, Tampons, Monatshöschen; Windeln für Kranke;

Klasse 16: Babywindeln aus Papier und/oder Zellulose;

Klasse 25: Babywindeln aus Textilien; Windelhöschen;

unter der Nummer 398 68 353 am 08.04.1999 veröffentlichte Eintragung der Wortmarke PAMFIX ist Widerspruch eingelegt worden aus der prioritätsälteren, international registrierten Marke IR 613 041 PLAVIX eingetragen am 27.12.1993 für die Waren Klasse 5: Produits pharmaceutiques pour la prevention et le traitement destroubles cardiovasculaires vendus sur ordonnance.

Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Widerspruch mit Erstbeschluss vom 24.11.2000 und Erinnerungsbeschluss vom 24.09.2002 zurückgewiesen. Eine Gefahr von Verwechslungen bestehe auch bei den im engen Ähnlichkeitsbereich liegenden Waren nicht, da die Vergleichszeichen einen ausreichenden Abstand einhielten. Die normal kennzeichnungskräftigen Waren der Widerspruchsmarke "Produits pharmaceutiques pour la prevention et le traitement des troubles cardiovasculaires vendus sur ordonnance" fielen ebenfalls unter den für die angegriffene Marke eingetragenen Oberbegriff der "Präparate für die Gesundheitspflege", da sich Indikation, Herkunft, Zusammensetzung und Vertriebsstätten ähnlich sein könnten. In gewissem Umfang wirke der Verwechslung aber bereits entgegen, dass es sich bei den Waren der Widerspruchsmarke ausschließlich um rezeptpflichtige Medikamente handle. Bei diesen sei zwar - neben dem medizinischen Fachpersonal - der Endverbraucher als Verkehrkreis mit zu berücksichtigen, aber auch dieser sei in Gesundheitsfragen besonders aufmerksam. Die Vergleichsmarken selbst bestünden jeweils aus sechs Buchstaben und seien kurz und einfach strukturiert. Übereinstimmung bestehe im ersten und im fünften und sechsten Buchstaben, wohingegen sich die - stärker beachteten - Wortanfänge insgesamt unterschieden. Auch die Wortenden würden verschieden ausgesprochen, so dass sich lautschriftlich für die jüngere Marke "pamfiks", für die Widerspruchsmarke "pla:wiks" ergebe und damit klanglich keine Verwechslungsgefahr bestehe. Schriftbildlich fielen die unterschiedlichen Ober- und Unterlängen auf, so dass auch insoweit die Gefahr von Verwechslungen ausgeschlossen werden könne.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 22.10.2002 (Bl. 5 d. A.). Sie trägt vor, dass wegen der bestehenden engen Warenähnlichkeit zu "Präparaten für die Gesundheitspflege" der Abstand zwischen den Vergleichszeichen nicht eingehalten werde, da sie schriftbildlich und phonetisch im wesentlichen übereinstimmten. Berücksichtige man diese Übereinstimmungen, bestehe die Gefahr, dass der durchschnittliche Verbraucher beim Kauf nicht mehr genau wisse, wie das von ihm gewünschte Präparat heiße. Hinzu komme eine wesentlich erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, die sich zum Marktführer auf dem Indikationsgebiet der Thrombozytenaggregationshämmer mit einem Umsatz von ...... € entwickelt habe, was ihren Schutz- umfang deutlich erhöhe.

Die Widersprechende beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses vom 24.09.2002 die markenrechtliche Übereinstimmung der Vergleichszeichen festzustellen und die Löschung der angemeldeten Marke für alle identischen und ähnlichen Waren anzuordnen.

Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen der Markenstelle und unterstreicht, dass die Waren der angegriffenen Marke den rezeptpflichtigen Waren der Widerspruchsmarke nicht nahe kämen, da Herz- und Blutgefäßprobleme nicht in Wechselwirkung mit Inkontinenz und Frauenhygiene stünden. Neben der unterschiedlichen Aussprache der Vergleichszeichen habe darüber hinaus die Endung "-fix" in der jüngeren Marke einen allgemein bekannten Sinngehalt, wohingegen "-vix" ein reiner Phantasiebestandteil sei. Insgesamt sei damit die Gefahr von Verwechslungen nicht zu befürchten.

Die Beschwerdeführerin hat den Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen und um eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren nachgesucht, nachdem der Markeninhaber die Entscheidung der ersten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt vom 07.10.2003 (R 232/2003-1) vorgelegt hat. Dort hat ein Rechtsstreit zwischen den selben Parteien zu den gleichlautenden Vergleichsmarken stattgefunden, wobei aus der international registrierten Marke (PLAVIX) gegen die Gemeinschaftsmarke 1 185 438 (PAMFIX) vorgegangen worden war.

II.

1. Die Beschwerde ist gem. § 66 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 MarkenG zulässig, aber unbegründet und war daher zurückzuweisen. Es besteht zwischen den Vergleichsmarken keine Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 42 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Die Frage der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den einzelnen Beurteilungsfaktoren der Waren- und Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rsp.; vgl. BGH GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder). Nach diesen Grundsätzen besteht im vorliegenden Fall für das Publikum nicht die Gefahr von Verwechslungen.

2. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (EuGH GRUR Int. 1998, 875, 876 f. - Canon; GRUR Int. 1999, 734 - Lloyd; BGH GRUR 1999, 731 - Canon II; WRP 1998, 747, 749 - GARIBALDI; WRP 2000, 1152, 1153 - PAPPAGALLO; WRP 2001, 694, 695 - EVIAN/REVIAN). Auch die maßgeblichen wirtschaftlichen Zusammenhänge, wie Herstellungsstätte und Vertriebswege, Stoffbeschaffenheit und Zweckbestimmung oder Verwendungsweise sind relevante Gesichtspunkte. Ausgehend von der hier maßgeblichen Registerlage stehen sich bei der Widerspruchsmarke die Waren "Produits pharmaceutiques pour la prevention et le traitement des troubles cardiovasculaires vendus sur ordonnance" und bei der jüngeren Marke "Präparate für die Gesundheitspflege; frauenhygienische Artikel, nämlich Damenbinden, Slipeinlagen, Tampons, Monatshöschen; Windeln für Kranke; Babywindeln aus Papier und/oder Zellulose; Babywindeln aus Textilien; Windelhöschen" gegenüber. Die rezeptpflichtigen Arzneimittel für Herz/ Blutgefäße sind den Präparaten für die Gesundheitspflege ähnlich, da die ihrer Eignung nach in Betracht kommenden Waren miteinander konkurrieren oder sich ergänzen können, so. z. B. nicht verschreibungspflichtige Mittel zur Stärkung von Herz und Kreislauf, die ebenfalls in Apotheken erworben werden können (BPatGE 44, 33, 34 - ORBENIN; Richter/ Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl., S. 58 liSp).

Ob zu den frauenhygienischen Artikeln noch eine Warennähe besteht, kann insoweit dahingestellt bleiben, da bei den ähnlichen Waren jedenfalls ein großer Abstand zwischen den Vergleichsmarken eingehalten werden muß.

3. Die originäre Kennzeichnungskraft eines Zeichens wird durch seinen anhand des Gesamteindrucks produktbezogen festzustellenden Grad der Eigenart nach Klang, Bild bzw. Form sowie vor allem auch Sinngehalt bestimmt. Ausgangspunkt ist die Vermutung normaler originärer Kennzeichnungskraft, soweit keine Besonderheiten der Zeichengestaltung festgestellt werden können (Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 14 Rn. 337; Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 9 Rn. 288). Vorliegend ist von durchschnittlicher Kennzeichnungskraft auszugehen. Auch eine nachträgliche Steigerung der Kennzeichnungskraft durch intensive Benutzung kommt nicht in Betracht. Die Beschwerdeführerin hat zwar vorgetragen, dass die Widerspruchsmarke zwischenzeitlich Marktführer bei den Thrombozytenaggregationshämmern mit einem Millionenumsatz geworden sei, jedoch dazu keinerlei nachvollziehbare Unterlagen vorgelegt. Trotz des Amtsermittlungsgrundsatzes besteht auch bei der Frage der schutzumfangsteigernden Benutzungslage eine Mitwirkungspflicht der Partei entsprechend § 86 Abs. 1 S. 1 2. Halbsatz VwGO, da diese Umstände allein aus ihrer "Sphäre" kommen. Die - unbelegte - Aussage der Partei reicht nicht aus (Ströbele/ Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 9 Rn. 300; Ingerl/ Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 42 Rn. 51). Der - aufgrund der Warenähnlichkeit festgestellte - große Abstand, der zwischen den Vergleichsmarken eingehalten werden muß, bleibt daher unverändert.

4. Die Ähnlichkeit von Wortmarken ist anhand ihres klanglichen und schriftbildlichen Eindrucks, sowie ihres Sinngehalts zu ermitteln, wobei es für die Annahme einer Verwechslungsgefahr in der Regel genügt, wenn die Zeichen in einer Hinsicht ähnlich sind (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2004, 783, 784 - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBAFLEX; WRP 2003, 1436, 1438 - Kelly mwN). Dabei kommt es auf den Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen an, da der Verkehr Marken regelmäßig in der Form aufnimmt, in der sie ihm entgegentreten.

Die Prüfung der Zeichen "PAMFIX" und "PLAVIX" auf ihre Ähnlichkeit in klanglicher, schriftbildlicher und begrifflicher Hinsicht begründet danach keine unmittelbare Verwechslungsgefahr. Trotz der Übereinstimmung in einzelnen Buchstaben ist der klangliche Gesamteindruck ein anderer, da das eine Zeichen wie "pamfiks", das andere wie "pla:wiks" ausgesprochen wird. Die prioritätsjüngere Marke fängt - bei gleicher Vokalfolge - mit der Silbe "Pam-" an, die ältere mit "Pla-". Die Vokalfolge ist zwar bei beiden Zeichen jeweils "ai", bei der jüngeren Marke wird das "a" aber kurz, bei der älteren dagegen lang gesprochen. Die phonetischen Unterschiede in den Vorsilben reichen aus, damit der Verkehr die Marken auseinanderhalten kann, dies insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt, dass Wortanfänge mehr beachtet werden als Wortenden (Ströbele/ Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 183). Auch diese unterscheiden sich zusätzlich durch die unterschiedliche Aussprache von "f" und "v". "F" wird wie [f] in "frisch, Fisch" ausgesprochen, wohingegen "v" wie [w] in "Wind" intoniert wird.

Bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln kommt hinzu, dass zum einen der medizinische Fachverkehr sehr aufmerksam, und zum anderen der angesprochene Endverbraucher in Gesundheitsfragen sensibler als beim Kauf anderer Güter ist (Ströbele/ Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 168; BGH GRUR 1995, 50, 52 - Indorektal/ Indohexal; WRP 1999, 530 - Cefallone; BPatG GRUR 2004, 950, 951 - ACELAT/ Acesal).

Auch bei einer Gegenüberstellung der Vergleichsmarken in schriftbildlicher Hinsicht ist eine Verwechslungsgefahr zu verneinen, da die Wörter im bildlichen Vergleich in jeder üblichen Schreibweise als noch hinreichend verschieden zu qualifizieren sind. Bei der Schreibschrift ergibt sich ein deutlicher Unterschied insbesondere durch die Ober- bzw. Unterlänge des Buchstaben "f" in der angegriffenen gegenüber "v" in der älteren Marke.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Marken begrifflich miteinander verwechselbar sind, da das jüngere Zeichen "PAMFIX" mit der Endsilbe "-fix" zusätzlich noch einen sinnhaften Gehalt hat, der der Endsilbe "-vix" fehlt. "Fix" bedeutet "feststehend, unverändert", aber auch "flink, behände" (Wahrig, Universalwörterbuch Rechtschreibung, 2002, S. 385) und weist bei den beanspruchten Waren der jüngeren Marke auf "schnelle (Ab-)Hilfe" hin.

Auch unter Abwägung der einzelnen eine rechtserhebliche Verwechslungsgefahr begründenden Faktoren ergibt sich daher, dass diese trotz der Ähnlichkeit der Waren unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke wegen deutlicher Unterschiede zwischen den Vergleichszeichen zu verneinen ist.

5. In Übereinstimmung mit dem Ergebnis des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt kommt der Senat vorliegend zum Schluß, dass Verwechslungsgefahr nicht besteht. Unberücksichtigt kann daher die Frage bleiben, ob die Entscheidung des Harmonisierungsamts vom 07.10.2003 (R 232/2003-1) eine indizielle Wirkung auf die vorliegende Entscheidung dahingehend hat, dass aufgrund der gleichgelagerten Zeichensituation eine Verwechslungsgefahr überhaupt nicht mehr hätte angenommen werden können. Bei Widersprüchen zwischen nationaler Rechtsprechung und Entscheidungen des Harmonisierungsamts hat das Bundesverfassungsgericht im dort zu beurteilenden konkreten Fall (BVerfG GRUR 2005, 52 - REVIAN) eine Vorlagepflicht nur deshalb verneint, weil ein entscheidungserheblicher Unterschied im Hinblick auf Rechtsfragen nicht vorgelegen habe. Das unterschiedliche Ergebnis beruhe auf der in beiden Entscheidungen vorgenommenen Gesamtabwägung und der darauf gründenden tatsächlichen Wertung der Kennzeichnungskraft der Klagemarke. Umgekehrt bedeutet dies, dass eine Vorlagepflicht durchaus bestehen könnte, wenn die angegriffene nationale Entscheidung zwar nicht in der tatsächlichen Wertung, aber im Hinblick auf Rechtsfragen von einer Entscheidung des Harmonisierungsamts abweichen wollte. Aufgrund des Vorrangs des Europarechts könnte dabei bereits den Entscheidungen des Harmonisierungsamts besondere Bedeutung zukommen und die Vorlagepflicht begründen, um Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG nicht zu verletzen.

Grabrucker Fink Dr. Mittenberger-Huber Cl






BPatG:
Beschluss v. 16.03.2005
Az: 29 W (pat) 6/03


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