Bundespatentgericht:
Beschluss vom 31. Mai 2001
Aktenzeichen: 17 W (pat) 7/00

(BPatG: Beschluss v. 31.05.2001, Az.: 17 W (pat) 7/00)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 11 B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. November 1999 aufgehoben.

Das nachgesuchte Patent 195 33 758 wird unter der Bezeichnung "Verfahren zum Steuern eines Aufnahme/Wiedergabekopfes einer Magnetplattenantriebseinrichtung für ein plattenförmiges Datenträgermedium" mit folgenden Unterlagen erteilt:

Patentansprüche 1 und 2, Beschreibung Seiten 1 bis 12, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, 5 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 6, eingegangen am 15. November 1995.

Gründe

I Die vorliegende Patentanmeldung ist beim Deutschen Patentamt am 12. September 1995 unter der Bezeichnung:

"Spurfolgeverfahren unter Verwendung eines Offset-Einstellverfahrens für Positionen außerhalb der Spur und auf der Spur in einer Magnetplattenantriebsvorrichtung"

angemeldet worden.

Sie wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G 11 B des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluss vom 12. November 1999 mit der Begründung zurückgewiesen, dass das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Die Anmelderin verfolgt die Anmeldung auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche 1 und 2 weiter.

Der Anspruch 1 lautet:

"Verfahren zum Steuern eines Wiedergabe/Aufnahmekopfes einer Magnetplattenantriebsvorrichtung für ein plattenförmiges Datenträgermedium, auf dem Daten in sich auf der Plattenoberfläche erstreckenden Spuren gespeichert sind, wobei die Spuren Spurpositionsinformation in Form von spezifischen permanent geschriebenen Servomustern enthalten, in einem Spurfolgemodus unter Verwendung eines Positionsfehlersignales, welches Abweichungen der Kopfposition von der Mittellinie einer Spur des Mediums repräsentiert, mit folgenden Schritten:

a) Bestimmen, daß sich der Kopf auf einer Spur ("ontrack") befindet, wenn das Positionsfehlersignal innerhalb eines definierten Intervalls liegt, welches durch einen voreingestellten Offset-Wert (ON_0), der die Mitte des Intervalls und eine Versetzung von der Spurmittellinie angibt, einen oberen Grenzwert (ON_0 + VL) und einen unteren Grenzwert (ON_0 - VL) bestimmt ist;

b) Bestimmen, daß sich der Kopf außerhalb der Spur ("offtrack") befindet, wenn sich das Positionsfehlersignal außerhalb des definierten Intervalls befindet;

c) Steuern der Kopfposition so, bis sich das Positionsfehlersignal in dem definierten Intervall befindet;

d) Bestimmen, ob ein Datenfehler aufgetreten ist, wenn sich der Kopf "ontrack" befindet;

e) Verändern des voreingestellten Offset-Wertes (ON_0) des Intervalls um einen vorbestimmten Wert, wenn im Schritt d) ein Datenfehler aufgetreten ist, während dessen sich der Kopf "ontrack" befindet, wodurch der Kopf bezüglich des voreingestellten Offset-Wertes "offtrack" gesteuert wird, und überprüfen ob Datenfehler auftreten;

f) Wenn ein Datenfehler aufgetreten ist, Wiederholen der Schritte a) bis e) mit einem jeweils veränderten Offset-Wert (ON_0 + i x S; ON_ - i x S), wobei die Veränderung des Offset-Wertes ausgehend von der Mitte des Intervalls abwechselnd in entgegengesetzte Richtungen mit einem bei jedem Mal zunehmenden Betrag durchgeführt wird, bis kein Datenfehler mehr auftritt."

Wegen des Wortlauts des Anspruchs 2 wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die Anmelderin trägt vor, dass das beanspruchte Verfahren zum Steuern eines Wiedergabe-/Aufnahmekopfes zur Reduzierung der Fehlerrate bei der Wiedergabe von aufgezeichneten Daten diene. Diese Reduzierung werde dadurch erreicht, dass dem aus den Servomustern abgeleiteten Positionsfehlersignal zur Kopfnachführung noch ein Offset-Wert hinzugefügt werde, der abhängig von der Fehlerrate bei der Datenwiedergabe bestimmt werde. Ein solches Vorgehen sei durch die entgegengehaltenen Druckschriften nicht nahegelegt, so dass die Patentfähigkeit des Verfahrens anzuerkennen sei.

Die Anmelderin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 und 2, Beschreibung Seiten 1 bis 12, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, 5 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 6, eingegangen am 15. November 1995.

II Die in rechter Frist und Form erhobene Beschwerde ist zulässig und auch begründet, denn der Gegenstand des nachgesuchten Patents ist nach den §§ 1 bis 5 PatG patentfähig.

Der Patentanspruch 1 bezieht sich auf ein Verfahren zum Steuern eines Wiedergabe-/Aufnahmekopfes für ein Magnetplattenlaufwerk, bei dem die Spuren neben den aufgezeichneten Daten zusätzlich Spurpositionsinformationen in Form von permanent aufgezeichneten Servomustern enthalten. Wie auf den Seiten 1 bis 3 der Beschreibung erläutert, findet bei den bekannten Verfahren ein Schreib- oder Lesezugriff in der Weise statt, dass nach einer Grobpositionierung des Kopfes auf die gewünschte Aufzeichnungsspur die mittig zur Spur versetzten Servomuster gelesen werden. Das beim Lesen der Servomuster vom Kopf gelieferte Positionsfehlersignal stellt ein Maß für Betrag und Richtung der Abweichung des Kopfes von den permanent aufgezeichneten Servomustern dar und wird dazu benutzt, die Position des Kopfes nachzusteuern.

Entsprechend den Schritten a) bis c) wird überprüft, ob das momentane Positionsfehlersignal innerhalb eines Intervalls mit den Grenzen ON_0-VL und ON_0+VL liegt, dh ob sich der Kopf in einem Toleranzfeld befindet, dessen Mitte durch einen Offset-Wert ON_0 bestimmt ist. Befindet sich der Kopf nicht in diesem Toleranzfeld, wird er als "offtrack" angesehen, dh als nicht auf der Spur liegend, und soweit nachgesteuert, bis er sich im Toleranzfeld befindet. In diesem Zustand kann davon ausgegangen werden, dass sich der Kopf in etwa auf der durch die Servomuster vorgegebenen Spur befindet.

Sollten jedoch zwischen den permanent aufgezeichneten Servomustern und den bei einem beliebigen Schreibvorgang aufgezeichneten Daten Spurabweichungen aufgetreten sein, so werden diese beim Lesen der Daten nicht über das Positionsfehlersignal erfasst. Deshalb wird in Schritt d) zusätzlich festgestellt, ob beim Lesen der Daten auf der durch die Servomuster vorgegebenen Spur ein Fehler aufgetreten ist.

Ist beim Lesen der Daten ein Fehler aufgetreten, so wird entsprechend den Schritten e) und f) der Offset-Wert ON_0 in bestimmter Weise solange verändert, bis kein Datenfehler mehr auftritt. Durch das Verändern des Offset-Wertes kann sonach eine weitere Reduzierung der Fehlerrate erreicht werden, indem die Abweichungen zwischen den permanent aufgezeichneten Servomustern und der Datenaufzeichnung kompensiert werden.

Aus der im Prüfungsverfahren entgegengehaltenen US 5,233,487 ist ein Verfahren zum Steuern des Kopfes einer Magnetplattenantriebsvorrichtung bekannt, dem ebenfalls die Aufgabe zugrundeliegt, Fehler beim Lesen von Daten zu vermeiden. Bei diesem bekannten Verfahren wird die Position des Kopfes (data detector) durch ein Offset gezielt erst in der einen, dann in der anderen Richtung soweit seitlich zur Spur versetzt, bis beim Lesen der Daten jeweils eine bestimmte Anzahl von Fehlern (target rate) auftritt. Aus den beiden Abweichungen Xt1, Xt2 wird das Mittel gebildet und ein diesem Mittel entsprechender Offset-Wert hinzugefügt (vgl insb Abstract und Patentansprüche 1, 2 und 5 mit Fig 2).

Die Anmelderin führt an, dass diese Druckschrift das beanspruchte Verfahren schon deshalb nicht nahelegen könne, weil sie im Unterschied zum beanspruchten Verfahren nicht vom Vorhandensein permanent aufgezeichneter Servomustern ausgehe und eine Art der Bestimmung des Offset-Wertes lehre, die völlig unterschiedlich zu der im Anspruch vorgeschlagenen sei.

Diese Argumente der Anmelderin sind nicht von der Hand zu weisen. Einem auf dem Gebiet der Bewegtspeicher tätigen Ingenieur vermag die in der US 5,233,487 vorgeschlagene Methode der Bestimmung eines Offsets durch Mittelwertbildung keine Anregung zu geben in Hinblick auf die in den Merkmalen e) und f) des Anspruchs 1 angegebene iterative und abwechselnd aus entgegengesetzten Richtungen durchgeführte Veränderung des Offset-Wertes, bis kein Datenfehler mehr auftritt.

Eine Anregung in dieser Hinsicht vermag auch die weiter entgegengehaltene US 4,947,272 nicht zu geben. Diese Druckschrift betrifft ein digitales Audio-Bandgerät, dessen Kopftrommel zwei Köpfe aufweist. Die Aufzeichnung auf dem Band dieses Bandgerätes umfasst zwar in Übereinstimmung mit dem Anspruch 1 neben dem Audiosignal (PCM region) auch ein Servomuster (ATF signal), aus dem ein Positionsfehlersignal (tracking error signal) gewonnen wird, um die Lage der rotierenden Köpfe gemäß dem Servomuster zu steuern (vgl Sp 1, Z 13 - 46). Sie stellt sich auch die Aufgabe, die Fehlerrate bei der Wiedergabe von aufgezeichneten Daten zu reduzieren (vgl Sp 2, Z 5 - 7).

Nach dieser Druckschrift wird zu diesem Zweck jedoch vorgeschlagen, einen Zähler vorzusehen, mit dem die Zahl der Fehler beim Lesen des Audiosignals, dh der Daten gezählt wird. Solange die Zahl der gezählten Fehler nicht unter einer bestimmten Anzahl liegt, und der Wert des Offsets nicht ein vorgegebenes Maximum überschreitet, wird der Wert eines dem Positionsfehlersignal hinzugefügten Offset-Wertes geändert. Die Änderung des Offset-Wertes wird dabei in gleichbleibenden Beträgen vorgenommen. Zur Bestimmung der Richtung der Änderung wird ein Vergleich der aktuellen Fehlerzahl mit der vorhergehenden Fehlerzahl in Richtung einer geringeren Fehlerzahl vorgenommen (vgl Patentanspruch 1 und Sp 4, Z 54 - Sp 5, Z 41 iVm Fig 7).

Die in der US 4,947,272 vorgeschlagene Art der Bestimmung des Offset-Wertes bei einem Bandgerät unterscheidet sich sonach erheblich von der in Merkmal f) des Anspruchs 1 für ein Plattengerät angegebenen Art, die in jeweils wechselnder Richtung und mit zunehmendem Betrag erfolgt.

Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 ist sonach gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik neu und beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit. Der Patentanspruch 1 ist daher gewährbar.

Der Anspruch 2 ist auf eine zweckmäßige Ausgestaltung des Verfahrens nach dem Anspruch 1 gerichtet und daher ebenfalls gewährbar. Da auch die übrigen Unterlagen den Erfordernissen genügen, war dem Antrag der Anmelderin zu folgen und das Patent zu erteilen.

Bertl Prasch Püschel Schuster Bb






BPatG:
Beschluss v. 31.05.2001
Az: 17 W (pat) 7/00


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