Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. April 2002
Aktenzeichen: 17 W (pat) 62/01
(BPatG: Beschluss v. 11.04.2002, Az.: 17 W (pat) 62/01)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G08C des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. September 2001 aufgehoben und das Patent erteilt.
B e z e i c h n u n g : Eingangsschaltung für ein Feldgerät.
A n m e l d e t a g : 27. März 1998.
Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Patentansprüche 1 bis 10, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2002;
Beschreibung Seiten 1 bis 7, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2002;
1 Blatt Zeichnung, Figuren 1 und 2, eingegangen am 18. Mai 1998.
Gründe
I.
1. Die am 27. März 1998 beim Deutschen Patentamt eingegangene Patentanmeldung 198 13 700.1-32 mit der Bezeichnung
"Eingangsschaltung für ein Feldgerät"
wurde am 18. September 2001 durch Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G08C mit der Begründung zurückgewiesen, der angemeldete Gegenstand beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie ihr Patentbegehren auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2002 vorgelegten Patentanspruchs 1 weiterverfolgt, der folgenden Wortlaut hat:
"1. Eingangsschaltung für ein Feldgerät zur Kommunikation mittels einem analogen Steuersignal überlagerten, bidirektionalen Signalen, wobei die Eingangsschaltung Teil einer Stromschleife ist, die das Feldgerät mit Energie versorgt und gleichzeitig ein analoges Stromsignal zur Vorgabe eines Sollwerts trägt, wobei das Feldgerät mit Aktorik verbunden ist, die zum Erreichen des Sollwerts geeignet ist, und die Eingangsschaltung zwischen ihrem Eingang (10) und ihrem Ausgang (12), in Serie geschaltet, eine Spannungsbegrenzung (14), einen Strommeßwiderstand (16) und eine Induktivität (18) umfaßt, wobei am Strommeßwiderstand (16) das Eingangssignal eines Analog-Digital-Wandlers (22) abgreifbar ist, der Spannungsbegrenzung (14) ein Spannungsregler (28) parallel geschaltet ist und an der als frequenzabhängiger Widerstand mit niedrigem Gleichstromwiderstand und hohem Wechselstromwiderstand fungierenden Induktivität (18) eine Kopplung mittels einer Kapazität (20) auf eine Empfangseinheit (24) und Sendeeinheit (26) für digitale Signale erfolgt."
Wegen der abhängigen Ansprüche 2 bis 10 wird auf die Akte verwiesen.
2. Im Prüfungsverfahren wurden folgende Druckschriften in Betracht gezogen:
[1] US 5 416 723
[2] EP 0 392 647 A2
[3] DE 44 12 388 A1
[4] DE 297 17 922 U1.
3. Die Anmelderin trägt vor, in der vorliegenden Anmeldung gehe es um kommunikationsfähige Feldgeräte, die als Aktoren ausgebildet seien. Von den entgegengehaltenen Druckschriften betreffe einzig die Druckschrift [3] ein einschlägiges Feldgerät mit Aktorik, nämlich einen elektropneumatischen Stellungsregler zur Einstellung von Schaltventilen. Eine Kommunikationsmöglichkeit sei dort aber nicht vorgesehen. Zwar gebe es für Feldgeräte bereits einen Kommunikations-Standard, das sog. HART-Feld-Kommunikations-Protokoll. Dieses sei aber ausschließlich für Meßumformer und nicht für Aktoren entwickelt worden. Ebensowenig ergebe sich aus dem weiteren druckschriftlichen Stand der Technik eine Anregung in Richtung auf die beanspruchte bidirektionale Kommunikation bei als Aktoren ausgebildeten Feldgeräten.
Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 10 nebst Beschreibung, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 11. April 2002;
1 Blatt Zeichnung mit den Figuren 1 und 2, eingegangen am 18. Mai 1998.
II.
Die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig; sie hat auch Erfolg, weil der beanspruchte Gegenstand die Kriterien der Patentfähigkeit gemäß §§ 1 bis 5 PatG erfüllt.
1. Der Fachmann, ein Fachhochschulabsolvent der Fachrichtung Elektronik mit Berufserfahrung in der Entwicklung von Schaltungen für Stellungsgeber und Meßfühler, entnimmt der vorliegenden Anmeldung eine Eingangsschaltung für ein "Feldgerät" bspw. für den Stellungsgeber eines Ventils o.dgl., bei dem mit der Stromversorgung ein Gleichstromsignal übertragen wird, das zur Einstellung eines Sollwerts dient und an einem "Meßwiderstand" abgegriffen wird. Zugleich sind auch noch höherfrequente Kommunikationssignale überlagert, die über eine in der Stromschleife mit dem Meßwiderstand in Serie liegende Induktivität aus- bzw. eingekoppelt werden.
Der Patentanspruch 1 weist hierzu folgende Merkmale auf:
1. Eingangsschaltung für ein Feldgerät;
2. die Eingangsschaltung ist Teil einer Stromschleife, die das Feldgerät mit Energie versorgt 3. und gleichzeitig ein analoges Stromsignal zur Vorgabe eines Sollwerts trägt.
4. Das Feldgerät ist dabei mit Aktorik verbunden, die zum Erreichen des Sollwerts geeignet ist.
5. Zwischen dem Eingang und dem Ausgang der Eingangsschaltung sind in Serie geschaltet:
5.1. eine Spannungsbegrenzung, 5.1.1. wobei der Spannungsbegrenzung ein Spannungsregler parallel geschaltet ist, 5.2. ein Strommeßwiderstand, 5.2.1. wobei am Strommeßwiderstand das Eingangssignal eines Analog-Digital-Wandlers abgreifbar ist, 5.3. und eine Induktivität, 5.3.1. wobei an der als frequenzabhängiger Widerstand mit niedrigem Gleichstromwiderstand und hohem Wechselstromwiderstand fungierenden Induktivität eine Kopplung mittels einer Kapazität auf eine Empfangseinheit und eine Sendeeinheit für digitale Signale erfolgt, 5.3.2. die dem analogen Steuersignal zur bidirektionalen Kommunikation überlagert sind.
2. Der geltende Anspruch 1 unterscheidet sich lediglich durch redaktionelle Klarstellungen vom ursprünglichen Anspruch 1. Er ist durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt. Diesbezüglich bestehen keine Bedenken.
3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu; keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften beschreibt eine alle Merkmale des Anspruchs aufweisende Schaltung. Diese beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit, weil sie sich nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.
Aus der Druckschrift [3] ist eine Eingangsschaltung für die Versorgung eines elektropneumatischen Stellungsreglers bekannt, der mit einem Microcontroller (µC 13) ausgestattet ist (Figur 1 mit Beschreibung). Nach der Lehre dieser Druckschrift soll die Energieversorgung, abgesehen von kurzen, äquidistanten Meßphasen, möglichst ausschließlich dem µC und der peripheren Elektronik zur Verfügung stehen. Hierzu ist die Schaltung Teil einer Stromschleife (Eingang 5; Ausgang 1), auf der auch das Analogsignal zur Vorgabe eines Sollwerts (USoll) zur Einstellung des Schaltventils (10) zugeleitet wird. Zwischen Ein- und Ausgang (5, 1) liegen in Serie eine Spannungsbegrenzung (Zenerdiode 20) und ein Meßwiderstand (1), an dem über den Verstärker (14) der Sollwert abgenommen und einem A/D-Wandler im µC zugeführt wird (Sp. 2, Z. 29 - 38). Parallel zur genannten Stromschleife liegen ein Schalter (3) und eine zweite Zenerdiode (21), über die, abgesehen von Meßphasen, in denen der Schalter (3) kurzzeitig geöffnet wird, der Strom im Normalzustand fließt. Außerdem ist eine Spannungsüberwachung vorgesehen, die aus einem DC-DC-Converter (4), Spannungswächtern (6, 7) und einem Schalter (8) besteht, die dafür sorgt, daß bei Unter- oder Überspannung der µC abgeschaltet oder ein Interrupt ausgelöst wird.
Als Überschuß über diesen Stand der Technik verbleibt somit im wesentlichen die bidirektionale Kommunikationsmöglichkeit mit Einkopplung der Kommunikationssignale über eine mit dem Meßwiderstand in Reihe liegende Induktivität nach den Merkmalen 5.3. bis 5.3.2. des geltenden Patentanspruchs 1.
Zwar hat, wie der von der Anmelderin selbst genannte HART-Kommunikations-Standard für Meßumformer belegt, zum Anmeldezeitpunkt vorliegender Anmeldung für den Fachmann durchaus Veranlassung bestanden, im Zuge der allgemeinen Entwicklung von Feldgeräten verstärkt Kommunikationsmöglichkeiten vorzusehen, wobei es nahelag, hierbei auch Aktoren einzubeziehen. Aus der Lehre der Druckschrift [3] heraus ergibt sich allerdings kein Hinweis in dieser Richtung, vielmehr geht es bei diesem Stand der Technik ausschließlich um das Problem der leistungssparenden Versorgung von Stellungsreglern durch wechselweises Umschalten der Versorgung zwischen µC und Meßteil.
Auf der Suche nach geeigneten Möglichkeiten zum Einkoppeln von Kommunikationssignalen auf Versorgungs-Stromschleifen, stand dem Fachmann dagegen die Lehre der Druckschrift [2] zur Verfügung. Diese betrifft eine Schaltung zum Senden (Fig. 1) und zum Empfangen (Fig. 3) von digitalen (FSK-) Kommunikationssignalen, die an einem parallel zur 4-20 mA Stromschleife liegenden Trafo (50, 68) und über einen Kondensator (54, 72) ein- bzw. ausgekoppelt werden. Dies konnte den Fachmann aber nicht zur beanspruchten Lösung führen, weil die Induktivität dabei nicht in der Stromschleife, sondern parallel zu dieser angeordnet werden muß.
Noch weniger ist der übrige Stand der Technik geeignet, dem Fachmann einen Hinweis zu geben. Die Druckschrift [4] betrifft keine Eingangsschaltung für ein Feldgerät zur Kommunikation mittels einem analogen Steuersignal überlagerten, bidirektionalen Signalen, wobei die Eingangsschaltung Teil einer Stromschleife ist, die das Feldgerät mit Energie versorgt und gleichzeitig ein analoges Stromsignal zur Vorgabe eines Sollwerts trägt, sondern eine Anordnung zur Potentialtrennung bei der Übertragung von Gleich- und Wechselstromsignalen über Zweidrahtleitungen. Wie anhand der einzigen Figur beschrieben, liegt die Primärwicklung (4) eines Trafos (3) in der Stromschleife mit dem Gleichstromeingang (1, 2) eines A/D-Wandlers (µP 5) in Serie (S. 4, Abs. 2), um die einem Gleichstrom überlagerten Kommunikations-Signale über die Sekundärwicklung (11) auf den Ausgang (9, 10) zu übertragen und sie dort mit dem per Optokoppler (6), D/A-Wandler (7) und Tiefpaß (8) rückgewandelten Gleichstromsignal wieder zu vereinigen. Insoweit erfüllt dies zwar die Merkmale 5.3. bis 5.3.2. des geltenden Patentanspruchs 1, die Druckschrift [4], in der es ausschließlich um die Potentialtrennung geht, gibt dem Fachmann allerdings keinen Anlaß, sie zur Lösung seines völlig abweichenden Problems heranzuziehen. Aber selbst wenn der Fachmann aus der aus Druckschrift [4] entnehmbaren Lehre isoliert das Merkmal "in Reihe liegende Induktivität" herauslösen und auf das Feldgerät nach Druckschrift [3] übertragen wollte, käme er damit nicht ohne weiteres zum angemeldeten Gegenstand, weil in der Schaltung nach Druckschrift [3] außer in vergleichsweise kurzen Meßphasen der Zweig über die erste Zenerdiode (20) und den Meßwiderstand (1) im Normalzustand, d.h. bei geschlossenem Schalter 3 stromlos ist (Sp. 2, Z. 61 - 65), und es eine Reihe weitergehender Überlegungen bedurft hätte, um von hier aus zu einer sinnvollen Reihenschaltung von Zenerdiode (20), Meßwiderstand (1) und Induktivität zwecks Einkopplung von Kommunikations-Signalen mit unterbrechungsfreier Energiezufuhr zu allen Feldgeräte-Komponenten zu kommen.
Die Druckschrift [1] liegt noch weiter ab. Sie beschreibt anhand der Figur 1 einen µC-bestückten Meßumformer für Ultraschallmessungen, der über eine Stromschleife (4 - 20 mA) versorgt wird und das Meßsignal als Gleichstromsignal ausgibt. Die Druckschrift befaßt sich dabei in der Hauptsache wiederum mit dem Energiemanagement, weil die Aussendung von Ultraschall-Impulsen stoßweise relativ viel Energie verbraucht (Sp. 1, Z. 30 - 47). Insbesondere ist vorgesehen, den µC in einen "Schlafzustand" zu versetzen, wenn die Versorgung einbricht (Sp. 2, Z. 13 - 23). Die Eingangsschaltung dieses Meßumformers weist zwar eine Spannungsbegrenzung (24, Q13) und einen in seriell liegenden Widerstand (R50) auf. Dieser dient aber zur Stromeinstellung gemäß der vom µP ausgegebenen Meßwerte. Darüberhinaus bestehen keine Gemeinsamkeiten mit dem angemeldeten Gegenstand, denn eine induktive Einkopplung von Kommunikationssignalen gemäß Merkmalsgruppe 5.3. und eine "Aktorik" mit der Vorgabe eines Sollwerts gemäß den Merkmalen 3. und 4. des geltenden Patentanspruchs 1 sind bei diesem Meßumformer nicht vorgesehen.
6. Die zweifellos gewerblich anwendbaren Eingangsschaltung nach dem Patentanspruch 1 ist somit patentfähig. Vom gewährbaren Patentanspruch 1 werden auch die abhängigen Ansprüche 2 bis 10 mitgetragen, die nichttriviale Weiterbildungen des im Anspruch 1 ausgewiesenen Gegenstands betreffen.
Grimm Dr. Schmitt Dr. Greis Schuster Bb
BPatG:
Beschluss v. 11.04.2002
Az: 17 W (pat) 62/01
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