Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. April 2000
Aktenzeichen: 28 W (pat) 76/99
(BPatG: Beschluss v. 05.04.2000, Az.: 28 W (pat) 76/99)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die international registrierte Marke 636 297 siehe Abb. 1 am Endesucht um Schutz in der Bundesrepublik Deutschland nach für die Waren:
Viande, poisson, volaille et gibier frais, conserves, surgeles, congeles, seches, cuits, à moitie cuits, extraits de viande et de poisson; fruits et legumes conserves, seches, cuits à moitie cuits, surgeles congeles; gelees et conserve de viande, de poisson, de fruits et de legumes; marmelade et confiture de fruits, tomates pelees en conserve et en sauce; lait, oeufs, beurre, fromages, mozzarella, yaourts et autres produits laitiers, crèmes à base de lait de d'oeuf, huiles et graisses comestibles, pickles et produits confits dans l'huile, aliments conserves dans la saumure Widerspruch ist erhoben aus der prioritätsälteren Marke 1 093 821 siehe Abb. 2 am Endegeschützt für die Waren:
Fleisch und Fleischwaren, Fisch und Fischwaren, Fertiggerichte, in der Hauptsache bestehend aus Fisch und Fleisch bzw. Fisch- und Fleischwaren.
Die Markenstelle hat den Widerspruch in zwei Beschlüssen zurückgewiesen mit der Begründung, es bestehe weder klangliche noch bildliche Verwechslungsgefahr. Eine Prägung der Marken alleine nach dem Bildbestandteil mit der Bezeichnung "Käpt'n" anzunehmen komme nicht in Betracht, da dieser in seiner jeweiligen Grafik eng mit den übrigen Markenbestandteilen verbunden sei.
Mit der dagegen erhobenen Beschwerde trägt die Widersprechende vor, aufgrund der Identität der Waren und der breiten Verkehrskreise, werde die IR-Marke dem einzuhaltenden Abstand nicht mehr gerecht. Dem Bildelement komme allein die herkunftshinweisende und warenindividualisierende Funktion zu. Im Lebensmittelbereich neige der Verkehr nämlich dazu einen Markenbestandteil herauszugreifen und das Produkt damit zu benennen. Zwar weise die IR-Marke nicht das Wort "Käpt'n" auf, aber der Verbraucher werde das Bild herausgreifend so bezeichnen, denn es zeige die typischen Kapitänsmerkmale. Der Wortbestandteil "Nostromo" erkenne der Verkehr als Herstellerbezeichnung und dementsprechend vernachlässige er es bei der Benennung. Die Bildelemente begründeten deshalb die unmittelbare Verwechslungsgefahr aufgrund ihrer auffälligen Ähnlichkeiten im Portrait eines Kapitäns mit Kapitänsmütze, auf der ein Emblem angebracht sei.
Sie beantragt, die Beschlüsse des DPMA vom 8. Juli 1997 und vom 16. März 1999 aufzuheben.
Die Inhaberin der IR-Marke stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, daß der Wortbestandteil "Nostromo" den Gesamteindruck der IR-Marke mitpräge und nicht gegenüber dem Bildbestandteil zurücktrete. Für die Annahme einer mittelbaren Verwechslungsgefahr lägen keine Anhaltspunkte vor. Darüber hinaus sei das Wort "Käpt'n" auch aus Rechtsgründen nicht zur Bildung als Stammzeichen geeignet.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, aber unbegründet, denn zwischen den beiden konkurrierenden Marken besteht weder eine unmittelbare Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, noch besteht eine zeichenregisterrechtlich relevante Gefahr, daß die beiden Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden.
Dies ergibt die gebotene Gesamtabwägung der für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr, einschließlich der Gefahr, daß die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden, im wesentlichen heranzuziehenden Umstände, nämlich der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren und Marken sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke. Nach der zu Art 4 Abs 1 Buchstabe b MarkenRichtl ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH, WRP 1998, 39, 41 - Sabel/ Puma), ist die Frage der Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und anhand des Gesamteindrucks der Zeichen zu beurteilen.
Hinsichtlich der zu vergleichenden Waren sind diese zum Teil identisch, zum Teil ähnlich. Für die Widerspruchsmarke ist auf dem vorliegend entscheidungserheblichen Warengebiet der IR-Marke jedenfalls anhand der dem Senat vorgelegten Unterlagen keine gesteigerte Kennzeichnungskraft zu rechtfertigen. Die im Verfahren vorgelegten Unterlagen zu der Verbraucherumfrage "Markenbekanntheit Fisch: Iglo/Käpt'n Iglo" der "Solid Marketing Research" aus dem Jahr 1998 lassen nämlich erkennen, daß sich die hohe Markenbekanntheit für die Ware "Fischstäbchen" allein aus der Umfrage bezogen auf die Worte "Käpt'n Iglo" ergab und nicht auf die Widerspruchsmarke gestützt war, die eine Wort/Bildmarke ist. Daher geht der Senat insoweit von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft aus.
Trotz Warenidentität hält die angegriffene IR-Marke jedoch den zum Ausschluß der Verwechslungsgefahr erforderlichen Abstand zur Widerspruchsmarke ein. Denn die sich gegenüberstehenden Marken sind auch bei Anlegung strenger Maßstäbe nicht verwechselbar ähnlich.
Bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit ist auf den Gesamteindruck der jeweiligen Marke abzustellen. Der maßgebliche Durchschnittsabnehmer nimmt eine Marke normalerweise als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (EuGH aaO). In ihrer Gesamtheit unterscheiden sich jedoch die beiden Marken überaus deutlich wegen der Unterschiede in der bildlichen Darstellung und den Wortbestandteilen.
Dieser Grundsatz schließt aber nicht aus, einem einzelnen Bestandteil einer Marke eine unter Umständen besondere, die gesamte Marke prägende Kennzeichnungskraft beizumessen und deshalb bei einer Übereinstimmung der Marken in dem prägenden Bestandteil die Verwechslungsgefahr zu bejahen (BGH GRUR 1996, 198,199 - Springende Raubkatze; 1998, 942 - ALKA-SELTZER). Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn der übereinstimmende Teil in der Gesamtmarke eine selbständig kennzeichnende Stellung hat und nicht derart in den Hintergrund tritt, daß er durch die Einfügung in die Gesamtbezeichnung seine Eignung verliert, die Erinnerung an diese wachzurufen. Hierbei ist die Feststellung, ob ein Bestandteil einer Marke eine deren Gesamteindruck prägende Bedeutung hat, anhand der Gestaltung jeder Marke selbst zu treffen.
Eine mögliche Kollision in diesem Sinne begründend, kommen jedoch nicht, wie von der Widersprechenden vorgetragen, die beiden Bildbestandteile der sich gegenüberstehenden Zeichen in Betracht. Dies setzt voraus, daß beide Marken ihrem Gesamteindruck nach gerade durch den Bildbestandteil geprägt werden. Hierfür müßte diesem in der jeweiligen Gesamtmarke eine derart selbständig kennzeichnende und dominierende Stellung zukommen, daß der Wortbestandteil jeweils völlig in den Hintergrund tritt. (BGH GRUR 1998, 930, 931 - Fläminger; BGH BlPMZ 1998, 524, 525 - ECCO II). Der Senat vermag sich der Auffassung der Widersprechenden, daß dies hier der Fall sei, nicht anzuschließen.
Nach ihrem Gesamteindruck stellt die IR-Marke eine Einheit von Bild und Wort dar. Dies ergibt sich aus der grafischen hell/dunkel Einteilung der Marke. Der dunkel gehaltene Teil umfaßt den das Wort beinhaltenden Rahmen, den unteren Teil des auf den Rahmen aufgesetzten, aber mit ihm verbundenen Kreises und das darin enthaltene Bild des Seemannes. Bei keiner Ansicht der Marke läßt sich eine Zäsur erkennen, die Anlaß gibt, das Bild des Seemannes für sich zu sehen. Vielmehr ist der Zusammenhang zwischen dem das Bild enthaltenen Kreis und dem den Namen enthaltenden rechteckigen Rahmen, darin zu sehen, daß aus dieser Verbindung eine neue Darstellung entstanden ist, nämlich die Form eines Etiketts wie sie in der Kennzeichnung von Produkten häufig auftritt. Der Bestandteil "Nostromo" kann dabei nicht außer Acht gelassen werden. Die Rechtsprechung, auf die sich die Widersprechende beruft, nach der "Nostromo" als ein ersichtlicher Firmenbestandteil bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit dem Gesamteindruck nach außer Betracht bleiben müßte (BGH GRUR 1998, 815 - Nitrangin; GRUR 1996, 404 - Blendax Pep) ist hier nicht anwendbar. Diese Entscheidungen betreffen Mehrwortmarken, aber nicht aus Wort und Bild zusammengesetzte Marken, deren einziges Markenwort die Firmenbezeichnung darstellt. Darüber hinaus ist nach Ansicht des Senats das Wort "Nostromo" dem inländischen Publikum auch nicht als Herstellername bekannt.
Für die Marke der Widersprechenden gilt Gleiches. Das Bild des Seemannes ist umfaßt von einem Bullaugenfenster, das wiederum im unteren Bereich eingebettet ist in einer wappenartigen Namensvignette. In dieser findet sich präzise unter dem Photo des Seemannes der Wortbestandteil "Käpt'n Iglo". Insgesamt wird bei dieser Darstellung der Eindruck eines für eine Ausstellung geeigneten Portraits erweckt, das im Bezeichnungsschild den Namen des Portraitierten aufführt. Beide Bestandteile sind nicht voneinander zu trennen und keiner hat die Stellung als alleine die Marke dominierend.
Auch eine Verwechslungsgefahr infolge eines gedanklichen Inverbindungbringens iSd § 9 Abs 1 Nr 2 Halbs 2 MarkenG scheidet aus. Selbst wenn man zugunsten der Widersprechenden davon ausgeht, daß sie das Bild des Kapitäns als Stammbestandteil mit Hinweischarakter auf ihr Unternehmen benutzt, tritt in der angegriffenen Marke der Bildbestandteil nicht in gleicher Weise wie bei der Widersprechenden auf, sondern macht einen deutlich verschiedenen Eindruck. Die Widerspruchsmarke zeigt das Kopfportraitphoto eines in seinen Gesichtszügen charakteristischen Seemannes, der in seitlicher Ansicht aus einem Bullauge lächelt und auf dessen Mütze eine weitere Marke der Widersprechenden sichtbar angebracht ist. Dem steht die IR-Marke gegenüber als stilisierte scherenschnittartige Grafik. Sie gibt in Frontansicht einen am Steuer stehenden Pfeife rauchenden Seemann mit flatterndem Schal innerhalb eines kreisförmigen Rahmens wieder. Das Mützenemblem, aus dem die Widersprechende die Definition der Person als Kapitän ableitet ist eine undefinierbare Grafik und unterscheidet sich deutlich von der auf der Mütze von Käpt'n Iglo angebrachten Marke der Widersprechenden.
Eine gedankliche Verbindung unter dem Gesichtspunkt desselben atmosphärischen Gesamteindrucks und spezifischen Zeichenaufbaus anzunehmen scheidet für den Senat ebenfalls aus (BPatGE 36, 8 - OKLAHOMA SOUND/MISSISSIPPI SOUND; 40, 26 - KIMBOYS/KIMLADY). Aus den bereits angeführten Gründen liegt den zu vergleichenden Zeichen in ihrem Bildbestandteil als Portraitphoto bzw als piktogrammähnliche Grafik kein gemeinsames Gesamtflair zugrunde. Darüber hinaus ist der Seemann in der IR-Marke auch nicht als Kapitän zu definieren, denn es folgt aus seiner Stellung am Steuer, daß es sich um einen Steuermann oder Offizier handelt, nicht aber um einen Kapitän, wie er in der Widerspruchsmarke wiedergegeben ist.
Zu einer Kostenentscheidung bestand kein Anlaß.
Vorsitzender Richter Stoppel befindet sich in Urlaub und ist daher an der Unterschriftsleistung verhindert.
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BPatG:
Beschluss v. 05.04.2000
Az: 28 W (pat) 76/99
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