Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 18. August 2000
Aktenzeichen: 6 U 16/00

(OLG Köln: Urteil v. 18.08.2000, Az.: 6 U 16/00)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 09. De-zember 1999 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 434/99 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheitsleistung beträgt hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs 150.000,00 DM, hinsichtlich des titulierten Auskunfts- und des Rechnungslegungsanspruchs insgesamt 50.000,00 DM und hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruchs weitere 25.000,00 DM. Beiden Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch durch unwiderrufliche, unbefristete, unbedingte und selbstschuldnerische Bürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts zu erbringen.

Tatbestand

Die Parteien sind Wettbewerber beim Vertrieb von Pflegebetten, die vornehmlich in Krankenhäusern sowie in Alten- und Pflegeheimen eingesetzt werden. Die Klägerin ist auch Herstellerin dieser Betten, was die Beklagte allerdings, und zwar erstmals im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 21.06.2000, in Abrede gestellt hat, indem sie ausgeführt hat, nach ihren Informationen kauften beide Parteien Pflegebetten der in Rede stehenden Art in Tschechien. Zum Bettenprogramm der Klägerin gehörte seit 1991 das noch von ihrer Rechtsvorgängerin entwickelte Hubsäulenbett "V.". Das Bett verfügt über eine elektromotorische Höhenverstellung. Diese ermöglicht eine individuell auf den Benutzer einstellbare Liegehöhe und bietet dem Pflegepersonal eine E.omische und belastungsfreie Versorgungs- und Behandlungshöhe. Wegen der Einzelheiten der Funktionsweise und des Aussehens der Pflegebetten "V." wird auf die von der Klägerin als Anlage K 6 zu den Akten gereichten Fachveröffentlichungen in den Zeitschriften "Krankenhaus-Technik", "Krankenpflege Journal", "Altenheim" und "Sanitäts-Fachhandel-MTD" und den als Anlage K 13 (Blatt 205 d.A.) zu den Akten gereichten Werbeprospekt der Klägerin verwiesen. Der Hubmechanismus, der es ermöglicht, sowohl die Höhe als auch die Kopf- und Fußteile unabhängig voneinander zu verstellen, befindet sich in zwei quaderförmigen Hubsäulen, die sich über die gesamte Breite des in mehreren Ausführungen vertriebenen Bettes erstrecken. Das Bett wird mit unterschiedlichen Kopf- und Fußteilen und mit zwei oder drei Seitenstreben im Markt angeboten. Mit Ausnahme der Parteien gibt es derzeit in der Bundesrepublik Deutschland keinen weiteren Anbieter, der Pflegebetten mit vergleichbaren kastenförmigen Hubfüßen vermarktet.

Im Februar 1998 bot die Beklagte das im nachfolgenden erstinstanzlichen Klageantrag der Klägerin unter Ziff. I. 1 a) wiedergegebene Hubsäulenbett im Markt an. Im Anschluss an die vergebliche Abmahnung der Klägerin, die Inhaberin der aus Blatt 17 bis 39 d.A. ersichtlichen in den Jahren 1991 und 1992 angemeldeten Geschmacksmuster ist, stellte die Beklagte auf der Altenpflegemesse in Nürnberg im März 1999 sodann die im nachfolgenden erstinstanzlichen Klageantrag der Klägerin unter I. 1 b) und c) wiedergegebenen, den Gegenstand des Berufungsverfahrens bildenden Pflegebetten aus.

Die Klägerin hat die Beklagte u.a. aus § 1 UWG auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung und Schadenersatzfeststellung in Anspruch genommen. Darüber hinaus hat sie die Auffassung vertreten, ihr stünden insoweit auch geschmacksmusterrechtliche Ansprüche zu.

Nach teilweiser Klagerücknahme hat sie beantragt,

I.

die Beklagte zu verurteilen,

1.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, Hubsäulenbetten wie nachfolgend abgebildet in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen und diese Handlungen vornehmen zu lassen:

a)

b)

c)

2.

ihr für die Zeit seit dem 31.03.1999 bezüglich der vorstehend unter Ziff. I. 1 b) und c) beschriebenen Betten Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg zu erteilen, und zwar unter Angabe der Namen und Anschriften der Hersteller, der Lieferanten und der Vorbesitzer, der gewerblichen Abnehmer oder Auftraggeber,

3.

ihr für die Zeit ab dem 31.03.1999 über den Umfang der vorstehend unter Ziff. I. 1 b) und c) bezeichneten Handlungen Rechnung zu legen, und zwar unter Vorlage eines Verzeichnisses mit der Angabe der Herstellungsmengen und Herstellungszeiten sowie der einzelnen Lieferungen unter Nennung

a)

der Liefermengen, Typenbezeichnungen, Artikelnummern, Lieferzeiten, Lieferpreise und Namen und Anschriften der Abnehmer,

b)

der Gestehungskosten unter Angabe der einzelnen Kostenfaktoren sowie des erzielten Gewinns, und zwar unter Angabe der einzelnen Angebote und der Werbung,

c)

der Angebotsmengen, Typenbezeichnungen, Artikelnummern, Angebotszeiten und Angebotspreise sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d)

der einzelnen Werbeträger, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und der nicht gewerblichen Abnehmer einem von der Klägerin zu bezeichnenden und ihr gegenüber zu Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch seine Einschaltung entstandenen Kosten trägt und ihn ermächtigt, der Klägerin mitzuteilen, ob ein konkret von ihr angefragter Abnehmer und/oder eine konkret von ihr angefragte Lieferung in der erteilten Rechnung enthalten sind,

II.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr - der Klägerin - allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den vorstehend unter Ziff. I. 1 b) und c) bezeichneten, seit dem 31.03.1999 begangenen Handlungen entstanden ist oder künftig noch entstehen wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Geschmacksmusterfähigkeit der Klagemodelle in Abrede gestellt und sich auf Verjährung und Verwirkung berufen. Außerdem hat sie geltend gemacht, die Firma E. und ihre Rechtsnachfolgerin, die Firma E. aus Tschechien, hätten bereits vor Eintragung der Geschmacksmuster ein fast identisches Hubsäulenbett unter dem Seriennamen "S." vertrieben. Ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz könne die Klägerin nicht für sich in Anspruch nehmen. Betten aus der Serie "V." seien keineswegs einzigartig, überdies seien die Merkmale im Wesentlichen technisch bedingt, die ästhetischen Gestaltungsmerkmale wirkten banal.

Durch das angegriffene Urteil, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Blatt 261 ff. d.A.), hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung, zur Auskunftserteilung und zur Rechnungslegung verurteilt. Außerdem hat es die Schadenersatzverpflichtung der Beklagten festgestellt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, hinsichtlich des im Klageantrag unter Ziff. I. 1 a) bildlich wiedergegebenen Pflegebettes ergebe sich der Unterlassungsanspruch der Klägerin aus §§ 1, 5, 13, 14 a GeschmMG. Soweit die im Klageantrag zu Ziff. I. 1 b) und c) fotografisch wiedergegebenen Pflegebetten in Rede stehen, folge der Unterlassungsanspruch der Klägerin aus § 1 UWG, und zwar sowohl unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren betrieblichen Herkunftstäuschung als auch dem der wettbewerbswidrigen Behinderung. Deshalb könne offenbleiben, ob der Klägerin auch insoweit Sonderrechtsschutz nach den Vorschriften des Geschmacksmustergesetzes zukomme. Alle der Klägerin zur Seite stehenden Ansprüche, auch die wegen des schuldhaften Verhaltens der Beklagten begründeten Annexansprüche in Form der Auskunftserteilung, der Rechnungslegung und der Schadensersatzfeststellung, seien weder verjährt noch verwirkt.

Gegen das ihr am 28.12.1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte, soweit nicht ihre Verurteilung zur Unterlassung gemäß Ziff. I. 1 a) des vorstehend wiedergegebenen Klageantrags der Klägerin in Rede steht, Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20.03.2000 mit einem an diesem Tag bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen, rügt schon wie in erster Instanz die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln und meint, eine betriebliche Herkunftstäuschung finde nicht statt, soweit die mit dem Klageantrag zu I. 1 b) und c) angegriffenen, den Gegenstand des Berufungsverfahrens bildenden Betten in Rede stehen. Auch sei nicht ersichtlich, warum sie - die Beklagte - unlauter handeln solle. Eine wettbewerbliche Eigenart komme den Betten der Klägerin nicht zu.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage hinsichtlich der Klageanträge I. 1 b) und c), 2 und 3 und Ziff. II. abzuweisen,

hilfsweise,

ihr Vollstreckungsschutz nach § 712 ZPO zu gewähren.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Der nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 12.07.2000 hat vorgelegen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Ihr Berufungsvorbringen gibt dem Senat keinen Anlass, die Berechtigung der von der Klägerin geltend gemachten Unterlassungs- und Folgeansprüche anders zu beurteilen, als das Landgericht es getan hat. Vielmehr hat das Landgericht der Unterlassungsklage, soweit sie Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, zu Recht aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren betrieblichen Herkunftstäuschung und auch der systematischen Behinderung stattgegeben. Auch die Ausführungen des Landgerichts zum Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch sowie zum Schadenersatzfeststellungsantrag der Klägerin sind nicht zu beanstanden. Der Senat nimmt sie ausdrücklich gemäß § 543 Abs. 1 ZPO in Bezug, macht sie sich zu eigen und sieht von einer erneuten Darstellung der die Entscheidung tragenden Gründe ab.

Die mit der Berufung gegen das angefochtene Urteil vorgetragenen Einwände greifen nicht durch. Soweit die Beklagte rügt, das Landgericht habe seine örtliche Zuständigkeit zu Unrecht angenommen, ist dies vom Senat nicht zu überprüfen, § 512 a ZPO. Denn grundsätzlich kann die Berufung in Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche, zu denen auch Unterlassungsansprüche der vorliegenden Art zählen, nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine örtliche Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat. Das gilt auch dann, wenn eine andere örtliche ausschließliche Zuständigkeit in Rede steht. Weshalb die Zuständigkeit durch das erstinstanzliche Gericht bejaht worden ist, ist wegen der umfassenden Regelung des § 512 a ZPO ohne Belang (vgl. Thomas/Putzo, 20. Aufl. 1997, § 512 a Rdnr. 2).

In der Sache selbst hat das Landgericht zu Recht dahinstehen lassen, ob und inwieweit die zugunsten der Klägerin eingetragenen Geschmacksmuster der Klage zum Erfolg verhelfen könnten, und ihr aus § 1 UWG stattgegeben. Bei der Prüfung ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes ist allerdings im Grundsatz davon auszugehen, dass Gegenstände von jedermann nachgeahmt und solche Nachahmungen auch vertrieben werden dürfen.

Selbst der maßstabsgetreue Nachbau einer fremden, nicht unter Sonderrechtsschutz stehenden Ware ist für sich allein wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. Wettbewerbswidrig kann eine Nachahmung nur dann sein, wenn die Erzeugnisse von wettbewerblicher Eigenart sind und über die Tatsache der bloßen Nachahmung oder des bloßen Nachbaus hinaus besondere Umstände hinzutreten, die das nachschaffende Werken als unlauter erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung; vgl. nur BGH MD 1999, 786, 788 "Güllepumpen"; BGH GRUR 1996, 210, 211 "Vakuumpumpen"; BGH GRUR 1992, 619, 620 "Klemmbausteine II"; BGH GRUR 1964, 621, 624 "Klemmbausteine I"; BGH GRUR 1995, 528, 529 "Rollenclips" und BGH GRUR 1968, 591, 592 "Pulverbehälter"; vgl. auch Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Auflage 1999, § 1 UWG Rdnr. 440 mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Ein solches, die wettbewerbliche Unzulässigkeit der Nachahmung unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren betrieblichen Herkunftstäuschung ergebendes Unlauterkeitsmoment ist dann gegeben, wenn die Nachahmung unter Übernahme von Merkmalen geschieht, mit denen der Verkehr eine betriebliche Herkunftsvorstellung verbindet und nicht alles Erforderliche und Zumutbare unternommen wird, um die Gefahr einer Herkunftsverwechslung des Verkehrs möglichst zu beseitigen oder zu verringern (vgl. hierzu BGH, a.a.O., "Güllepumpen" und "Vakuumpumpen" sowie GRUR 1981, 517, 519 "Rollhocker" und BGH GRUR 1986, 673, 675 "Beschlagprogramm"). Dabei besteht zwischen dem Erfordernis der wettbewerblichen Eigenart des nachgeahmten Erzeugnisses einerseits, die keinen für den Sonderrechtsschutz nach dem Geschmacksmustergesetz erforderlichen Grad an Individualität und Gestaltungshöhe, sondern ein geringeres Maß an Eigentümlichkeit voraussetzt (vgl. BGH GRUR 1983, 377, 379 "Brombeer-Muster"), und dem des Vorliegens besonderer wettbewerbsrechtlicher Umstände andererseits eine Wechselwirkung in dem Sinne, dass der Grad der wettbewerblichen Eigenart um so höher sein muss, je geringer die Unwertmomente sind und umgekehrt (BGH, WRP 1976, 370, 371 "Ovalpuderdose"). Gestaltungsmerkmale, die im Verkehr als kennzeichnend für die betriebliche Herkunft oder Besonderheiten eines Erzeugnisses gewertet werden, können nach Lage der Dinge auch technischer Art sein, liegen zumeist aber im ästhetisch/gestalterischen Bereich. Wettbewerbsrechtlich ist der Nachahmende verpflichtet, alle ihm zuzumutenden Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Gefahr einer Irreführung des Verkehrs über die betriebliche Herkunft auszuschließen oder jedenfalls möglichst einzudämmen. Je stärker die wettbewerbliche Eigenart des Originals ist, desto höhere Anforderungen sind an die dem Nachahmenden zuzumutenden Maßnahmen zu stellen, durch die sich die Gefahr von Herkunftsverwechslungen beseitigen oder verringern lässt.

Auf der Basis dieser Kriterien kann zunächst an der wettbewerblichen Eigenart der von der Klägerin seit 1991 erfolgreich vermarkteten und entsprechend verkehrsbekannten Bettenserie "V." kein Zweifel bestehen. Denn die V.-Betten der Klägerin weisen eine Kombination von Merkmalen auf, die ihnen eine einprägsame Individualität verleihen und herkunftshinweisend wirken. Zutreffend hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil, dort allerdings im Zusammenhang mit der strengeren Anforderungen unterliegenden geschmacksmusterrechtlichen Eigentümlichkeit, ausgeführt, der ästhetische Gesamteindruck der V.-Betten werde vor allem durch das gleich hohe, an der Oberkante leicht geschwungene Kopf- und Fußteil geprägt, das an den Seiten und der Oberkante rahmenartig eingefasst ist; namentlich die bei geöffnetem Bett wie "normale" Wangen wirkenden beweglichen Seitenstreben und die quaderförmigen beiden Hubsäulenfüße fügten sich harmonisch in das Gesamtbild ein, durch seine ansprechende Kombination von Form und Material erhielten Kranken- und Pflegebetten aus dem V.-Programm der Klägerin wohnlichen Charakter. Auch nach Auffassung des Senats wird das optische Gesamtbild von Betten aus dem V.-Programm der Klägerin namentlich durch die allen Modellen gemeinsamen markanten Hubsäulen-Füße geprägt, wobei schon das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, dass diesem Gestaltungsmerkmal zwar auch eine technischfunktionale Funktion zukommt, dass dies aber nicht für die konkrete Ausgestaltung der Hubsäulenvorrichtung in Form von zwei ineinander passenden Quadern gilt, auf denen der am Kopf- und Fußende deutlich über die Unterkonstruktion hinausragende Bettrahmen gleichsam aufgesetzt ist. Insgesamt kann auch nach Auffassung des Senats kein Zweifel daran bestehen, dass der angesprochene Verkehr aus der konkreten Gestaltung der V.-Betten und namentlich aus der konkreten Einkleidung der Hubsäulen in zwei ineinander passende Quader bestimmten, besonders markanten Aussehens schließt, dieses ihm im Markt, sei es in einem Alten- oder Pflegeheim oder in einem Krankenhaus, sei es in einem Privathaushalt, begegnende Bett stamme aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb. Dies gilt um so mehr, als die Beklagte - wie schon in dem angefochtenen Urteil dargelegt ist - nicht substaniiert hat darlegen können, dass es bereits vor ihrem Marktzutritt andere Anbieter gab, die in nennenswertem Umfang Pflegebetten mit vergleichbaren Hubfüßen im deutschen Markt angeboten haben.

Ist damit aber von der wettbewerblichen Eigenart und überdies wegen der Marktstellung der Klägerin von einer hohen Verkehrsbekanntheit ihrer Produkte auszugehen, stimmt der Senat dem Landgericht auch in seiner Auffassung zu, die von der Beklagten angebotenen, im erstinstanzlichen Klageantrag der Klägerin unter I. 1 b) und c) bildlich wiedergegebenen Betten seien denen der Klägerin zum Verwechseln ähnlich, es bestehe die realistische Gefahr von Fehlzuordnungen. Die von der Beklagten vertriebenen, mit der Klage angegriffenen Betten wahren den notwendigen Abstand insbesondere deshalb nicht, weil die von der Beklagten verwendeten Hubsäulenfüße in ihrer optischen - nicht technischen - Gestaltung nach Formgebung, Größe und Platzierung mit den von der Klägerin verwendeten Hubsäulenfüßen jedenfalls nahezu identisch sind und die Beklagte auch im übrigen keine ihr möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um ihre Betten in optischer Hinsicht von denen der Klägerin abzusetzen. Im Gegenteil: Zum Beispiel wiederholt die Beklagte bei dem mit dem Klageantrag zu I. 1. b) angegriffenen Bett nachschaffend die ästhetisch ansprechende Gestaltung der beiden Stirnseiten des Bettes mit der leicht geschwungenen Oberseite einschließlich der darunter befindlichen Öffnung, obwohl es hier zahlreiche abweichende Gestaltungsmöglichkeiten gibt und es sicher nicht technisch notwendig ist, die Stirnseiten eines Pflegebettes in dieser Form zu gestalten. Insgesamt teilt der Senat vollumfänglich die Auffassung des Landgerichts und macht sie sich zueigen (§ 543 Abs. 1 ZPO), dass die hier zu beurteilenden Betten der Beklagten ihrem optischen Gesamteindruck nach in nahezu allen, die wettbewerbliche Eigenart der V.-Betten der Klägerin ausmachenden Merkmalen nahezu identisch sind und dass der angesprochene Verkehr, namentlich die fachkundigen Kunden der Parteien, die von der Beklagten angebotenen Betten ohne weiteres für neue Varianten im "V."-Programm der Klägerin halten können. Jedenfalls sind die Betten einander so ähnlich, dass derjenige, der sich mit dem Gedanken trägt, ein Pflegebett oder gar mehrere Pflegebetten zu erwerben, etwa weil er sie als Betreiber eines Krankenhauses oder eines Altenheimes benötigt, und der aufgrund seiner Marktkenntnisse weiß, dass die Betten aus verschiedenen Herkunftsstätten stammen, aufgrund der Ähnlichkeit darauf schließen wird, dass zumindest organisatorische und/oder wirtschaftliche Verbindungen zwischen diesen verschiedenen Herkunftsstätten bestehen. Selbst dann, wenn der Verkehr die Produkte der Parteien also nicht unmittelbar miteinander verwechseln sollte, indem er glaubt, das vor ihm stehende Bett der Beklagten stamme aus dem Produktionsbetrieb der Klägerin, wird er aufgrund der hohen Ähnlichkeit der Produkte jedenfalls annehmen, die Beklagte vertreibe diese Betten aufgrund organisatorischer und/oder wirtschaftlicher Beziehungen zur Klägerin, indem diese ihr zum Beispiel eine Lizenz erteilt habe. Auch diese Annahme des Verkehrs begründet indes die für den Tatbestand der vermeidbaren betrieblichen Herkunftstäuschung erforderliche Verwechslungsgefahr.

Ist der Unterlassungsanspruch der Klägerin demgemäß schon deshalb begründet, weil mit der konkreten Ausgestaltung der von der Beklagten vertriebenen Betten eine vermeidbare betriebliche Herkunftstäuschung verbunden ist, wäre das Verhalten der Beklagten im übrigen selbst dann als unlauter im Sinne des § 1 UWG zu beurteilen und folglich zu unterlassen, wenn der von beiden Parteien angesprochene Kundenkreis zum einen wüsste, dass es sich bei den Betten der Beklagten nicht um solche der Klägerin handelt, und zum anderen, dass es zwischen den Parteien keine wirtschaftlichen und/oder organisatorischen Beziehungen gibt. Zwar unterläge der Verkehr dann keiner Herkunftstäuschung. Unlauter im Sinne des § 1 UWG und demgemäß zu unterlassen wäre das Geschäftsgebaren der Beklagten in Anbetracht der konkreten Marktverhältnisse gleichwohl. Denn dann müsste sie sich den Vorwurf gefallen lassen, systematisch und zielbewusst die bis dahin in dieser Form allein von der Klägerin vertriebenen Pflegebetten nachzuahmen, um so und namentlich durch Unterbietung im Preis die geschäftliche Betätigung der Klägerin zu behindern. Diese systematische Behinderung ist wettbewerbswidrig, weil die Beklagte dann ihren Erfolg im Markt nicht durch eigene Leistung, sondern dadurch zu erreichen versucht, dass sie sich an den guten Ruf der Klägerin im Markt anhängt und deren erfolgreiches Produkt nachbaut, obwohl es für die Gestaltung solcher Hubsäulenbetten zahlreiche andere Gestaltungsmöglichkeiten gibt. Auch insoweit sind die Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung richtig.

Soweit die Beklagte erstmals im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 21.06.2000 ausgeführt hat, nach ihren Informationen beziehe die Klägerin die Betten aus dem V.-Programm ebenso wie sie aus Tschechien, dort würden die Betten von der Klägerin käuflich erworben, ist dieser Vortrag nicht geeignet, die Herstellereigenschaft der Klägerin in Zweifel zu ziehen. Die Klägerin hat im Verlauf des Rechtsstreits eine Vielzahl von Unterlagen vorgelegt, namentlich Unterlagen über Geschmacksmustereintragungen und auch Veröffentlichungen in der Fachpresse, die die V.-Betten betreffen. Die Beklagte hat demgegenüber mit der Klageerwiderung vermutet (GA 76), die Klägerin habe die Konstruktionsidee "widerrechtlich" von der tschechischen Firma E. "entnommen". Im Schriftsatz vom 09.08.99 hat sie vorgetragen, nach ihrem Wissen lasse "die Klägerin ihre Betten fast ausschließlich über die Firma L. in Tschechien fertigen" (GA 174). Auf diesem Hintergrund kann die Behauptung der Beklagten in der Berufungsverhandlung, die Klägerin beziehe die Betten "käuflich" aus Tschechien, nicht dahin verstanden werden, dass nunmehr jede Herrschaft der Klägerin über den Produktionsprozess geleugnet werden und sie lediglich als Abkäufer der eigenverantwortlich in Tschechien hergestellten Betten bezeichnet werden soll. Jedenfalls lägen die Voraussetzungen der §§ 288, 290 ZPO, unter denen sich die Beklagte von der erstinstanzlich zugestandenen Auftragsproduktion der Fa. L. wieder lösen könnte (vgl. GA 145, 174), nicht vor.

Hat das Landgericht die Beklagte demgemäß zu Recht zur Unterlassung verurteilt und ist es mit zutreffenden (§ 543 Abs. 1 ZPO) Erwägungen zu dem Ergebnis gelangt, dass und aus welchen Gründen die Beklagte schuldhaft gehandelt hat, folglich grundsätzlich zur Leistung von Schadenersatz verpflichtet ist und in dem begehrten Umfang Auskunft erteilen und Rechnung legen muss, war die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO. Für eine Anwendung des § 712 ZPO zugunsten der Beklagten war kein Raum. Denn so wie regelmäßig mit der Vollstreckung eines Urteils verbundene Nachteile eine Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem mit der Revision angegriffenen, vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil nicht rechtfertigen (BGH, Urteil vom 20.06.2000 EBE/BGH 2000, 231 ff.), setzt der besondere Schuldnerschutz des § 712 Abs. 1 Satz 1 ZPO den Eintritt eines für den Schuldner unersetzlichen Nachteils bei der Durchführung der Vollstreckung voraus. Aus welchen Gründen der Beklagten hier ein unersetzbarer Nachteil insbesondere bei der Vollstreckung des titulierten Auskunftsanspruchs drohen sollte, ist jedoch nicht ersichtlich und wird von ihr auch nicht näher ausgeführt.

Die gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende Beschwer der Beklagten übersteigt 60.000,00 DM.






OLG Köln:
Urteil v. 18.08.2000
Az: 6 U 16/00


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