Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Dezember 2009
Aktenzeichen: 30 W (pat) 77/09

(BPatG: Beschluss v. 10.12.2009, Az.: 30 W (pat) 77/09)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die für die Waren und Dienstleistungen

"Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, fotografische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungsund Unterrichtsapparate und -instrumente; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Registrierkassen, Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Feuerlöschgeräte; elektrische Apparate und Instrumente, soweit in Klasse 9 enthalten; Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Druckereierzeugnisse; Buchbinderartikel; Fotografien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papierund Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehrund Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit in Klasse 16 enthalten; Drucklettern; Druckstöcke; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen"

am 12. Dezember 2006 unter der Nummer 306 05 470 registrierten Wort/Bildmarke -veröffentlicht am 12. Januar 2007 ist Widerspruch eingelegt worden aus der Bildmarkeeingetragen unter der Nummer 304 67 498 seit dem 25. April 2005 für die Waren und Dienstleistungen

"Beleuchtungs-, Heizungs-, Dampferzeugungs-, Koch-, Kühl-, Trocken-, Lüftungsund Wasserleitungsgeräte, insbesondere Lampen, Leuchten, Reflektoren, Lichterketten sowie sanitäre Anlagen; Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit in Klasse 14 enthalten; Juwelierwaren, Schmuckwaren, insbesondere Schlüsselanhänger und Anstecknadeln und Ohrringe, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente; Papier, insbesondere Papiertaschentücher, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien (soweit in Klasse 16 enthalten); Druckereierzeugnisse, insbesondere Zeitschriften, Zeitungen, Bücher, Postkarten, Blechpostkarten; Buchbindeartikel; Photographien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papierund Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel), insbesondere Stempel und Haftnotizzettel; Lehrund Unterrichtsmaterial (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, insbesondere Folien, Taschen und Beutel aus Kunststoff für Verpackungszwecke, soweit in Klasse 16 enthalten; Drucklettern; Druckstöcke; Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten; Häute und Felle; Reiseund Handkoffer, insbesondere Schulranzen und Rucksäcke und Taschen; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren; Geräte und Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall oder plattiert), insbesondere Papierund Plastikbecher sowie Formen für Eiswürfel und Keksausstecher und Flaschenöffner und Bügeltische mit Bügeltischbezügen; Kämme und Schwämme; Bürsten (mit Ausnahme von Pinseln), insbesondere Zahnbürsten; Putzzeug, insbesondere Küchentücher und Küchenpapier und Putzlappen; Stahlspäne; rohes oder teilweise bearbeitetes Glas (mit Ausnahme von Bauglas); Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit in Klasse 21 enthalten; Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten, insbesondere Vorhänge und Handtücher; Bettund Tischdecken; Bekleidungsstücke, insbesondere T-Shirts und Unterwäsche, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Spiele, insbesondere elektronische Spiele einschließlich Computerund Videospiele, ausgenommen als Zusatzgeräte für Fernsehapparate sowie Brettspiele, Spielzeug; Turnund Sportartikel, soweit in Klasse 28 enthalten; Christbaumschmuck, Spielkarten; Telekommunikation, insbesondere Ausstrahlung von Rundfunkund Fernsehprogrammen sowie Bereitstellen von Informationen und Bildern im Internet sowie Zurverfügungstellung eines Zugangs zum Internet (Software), Einstellen von Webseiten in das Internet; Erziehung; Ausbildung, auch politische Bildung sowie Durchführung von Seminaren; Unterhaltung, insbesondere Filmvorführungen sowie Rundfunkund Fernsehunterhaltung und Produktion von Shows sowie Filmproduktion, auch Zeichentrickfilme, animierte Filme und Videofilmproduktion sowie die Dienstleistung von Diskotheken und die Dienstleistung von Sängern und Tänzern; sportliche und kulturelle Aktivitäten, insbesondere Sportvereine; Beratung bei der Gestaltung von Homepages und Internetseiten bzw. das Design von Homepages und Internetseiten wie auch das Erstellen von Webseiten; Wartung von Internetzugängen und Einwahlknoten; Verpflegung von Gästen, insbesondere Catering; Beherbergung von Gästen, insbesondere in Hotels, Restaurants, Bars, Cafes".

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patentund Markenamtes hat den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen und ausgeführt, selbst bei einer bis zur Identität reichenden Warenund Dienstleistungsähnlichkeit und normaler Kennzeichnungskraft sei der erforderliche weite Abstand eingehalten. Für die Annahme einer gesteigerten Kennzeichnungskraft sei nicht ausreichend vorgetragen. Nach dem Gesamteindruck bestehe weder im Bild noch im Bedeutungsgehalt eine hinreichende Ähnlichkeit. Die angegriffene Marke werde von ihrem Bildbestandteil geprägt, da der Schriftzug "Roßberg" wegen seiner geringen Größe und seiner Position in den Hintergrund trete. Die Gefahr einer begrifflichen Verwechslung bestehe nicht. Die angegriffene Marke werde als asiatisches Ampelmännchen bezeichnet, charakteristisch hierfür sei der dreieckige Hut, der Zopf sowie das Gewand. Demgegenüber werde die Widerspruchsmarke als Ampelmädchen bezeichnet, charakteristisch hierfür seien der Zopf mit Haarschleife, das Haarpony, die nach oben gebogene Nase sowie das Kleid. Auch die Gefahr einer bildlichen Verwechslung sei nicht gegeben. Die sich gegenüberstehenden Silhouetten einer laufenden Person mit Zopf und Rock sowie angewinkeltem Arm in Seitenansicht wiesen in ihrer graphischen Darstellung deutliche Unterschiede auf -unterschiedliche Laufrichtung, dreieckiger Hut und gabelförmiges Zopfende mit ovalem Zopfband bei der angegriffenen Marke gegenüber fehlender Kopfbedeckung und dreieckig auslaufendem Zopf mit Haarschleife sowie Haarpony bei der Widerspruchsmarke, unterschiedliche Nasenform (rund gegenüber Stupsnase) sowie unterschiedliches Gewand (steifer Rock gegenüber fließendem Kleid).

Die Widersprechende hat hiergegen Beschwerde eingelegt und im Wesentlichen ausgeführt, es bestehe eine begriffliche Verwechslungsgefahr. Es sei unberücksichtigt geblieben, dass der Verkehr die Zeichen nicht direkt nebeneinander wahrnehme und sie aus der undeutlichen Erinnerung heraus verwechseln könne. Den bildlichen Abweichungen könne keine für den Gesamteindruck im Verkehr wesentliche Bedeutung beigemessen werden, es sei vielmehr auf die überwiegenden Übereinstimmungen abzustellen.

Die Widersprechende beantragt, den Beschluss des Deutschen Patentund Markenamtes vom 18. Mai 2009 aufzuheben.

Die Inhaber der angegriffenen Marke haben sich nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, da auch nach Auffassung des Senats zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH in st. Rspr. vgl. GRUR 2004, 865, 866 -Mustang; GRUR 2004, 598, 599 -Kleiner Feigling; GRUR 2004, 783, 784 -NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX; GRUR 2008, 906 -Pantohexal).

Mangels anderer Anhaltspunkte hat der Senat bei seiner Entscheidung eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft und einen normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke zugrunde gelegt.

Ausgehend von der Registerlage und damit einer möglichen Verwendung der Vergleichsmarken zur Kennzeichnung teils identischer, teils ähnlicher Waren sowie eines normalen Schutzumfangs der Widerspruchsmarke sind hohe Anforderungen an den einzuhaltenden Markenabstand zu stellen, denen die angegriffene Marke jedoch gerecht wird.

Die Ähnlichkeit von Marken ist anhand ihres klanglichen und schriftbildlichen Eindrucks sowie ihres Sinngehalts zu ermitteln. Dabei kommt es auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen an. Dies entspricht dem Erfahrungssatz, dass der Verkehr Marken regelmäßig in der Form aufnimmt, in der sie ihm entgegentreten und sie nicht einer analysierenden, zergliedernden, möglichen Bestandteilen und deren Bedeutung nachgehenden Betrachtung unterzieht (vgl. BGH a. a. O. NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX). Abzustellen ist dabei auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware unterschiedlich hoch sein kann (vgl. BGH GRUR 2000, 506 -ATTACHÉ/TISSERAND).

Zu berücksichtigen ist, dass beim Vergleich der Marken mehr auf die Übereinstimmungen der Marken als auf deren Abweichungen abzustellen ist (vgl. BGH a. a. O. NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX). Dies vor allem aufgrund des Erfahrungssatzes, dass der Verkehr die Marken regelmäßig nicht gleichzeitig nebeneinander wahrnimmt, sie deshalb nicht miteinander vergleichen kann und daher lediglich anhand einer meist undeutlichen Erinnerung an eine der beiden Marken, Verwechslungen unterliegen kann, wenn er sie in einer anderen ähnlichen Marke wiederzuerkennen glaubt (vgl. BGH GRUR 204, 235, 237 -Davidoff II; GRUR 2005, 264, 265 -Das Telefon-Sparbuch).

Beim Vergleich der jüngeren Wort/Bildmarke mit der älteren Bildmarke ist ausschließlich auf die bildliche und begriffliche Ähnlichkeit abzustellen Das im unteren rechten Bereich des Bildelements der angegriffenen Wort/Bildmarke zusätzlich enthaltene Wortelement "Roßberg" tritt nämlich hinter dem größenmäßig und kennzeichnungsmäßig dominierenden Bildelement vollständig zurück.

Eine unmittelbare bildliche Verwechslungsgefahr zwischen den Marken kann ohne weiteres wegen der zahlreichen und auffälligen Unterschiede ausgeschlossen werden. In bildlicher Hinsicht erschöpft sich nämlich vorliegend die Ähnlichkeit der Marken darin, dass jeweils eine laufende Figur dargestellt ist und dass die Marken jeweils in der Art eines Piktogramms in -insbesondere durch die Frisur bzw. Kopfbedeckung und die gewählte gedrungene Proportion -nostalgisch anmutender Ausführung gestaltet sind. Beide Darstellungen, insbesondere auch die Widerspruchsmarke, orientieren sich dabei in Stil und Aufmachung an der Figur des im Verkehr allgemein bekannten "Ost-Ampelmännchens" aus der ehemaligen DDR.

Da dem Verkehr die Darstellung des "Ost-Ampelmännchens" in seiner Eigenart bekannt ist, wird er bei daran angelehnten Darstellungen diesen eigentümlichen und nostalgischen Stil der Grafik erkennen und sein Augenmerk auf die konkrete inhaltliche Darstellung richten. Abgesehen von diesem durchscheinenden grafischen Grundgerüst bestehen in der Darstellung der jeweiligen laufenden Figur allerdings derart erhebliche grafische Unterschiede, dass auch unter Berücksichtigung einer nicht zeitgleichen oder in unmittelbarer zeitlicher Abfolge erfolgenden Wahrnehmung und eines erfahrungsgemäß häufigen undeutlichen Erinnerungsbildes beim optischen Vergleich der Zeichen ein sicheres Auseinanderhalten selbst unter strengen Anforderungen an den Markenabstand gewährleistet ist. So sind in den Vergleichsmarken unterschiedliche Figuren in abweichender Laufrichtung dargestellt, in der jüngeren Marke ein laufender Chinese mit Strohhut und Zopf, in der älteren Marke ein laufendes Mädchen mit Zöpfen und Schleife. Darüber hinaus enthalten die Figuren weitere Abweichungen im Detail, insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Feststellungen der Markenstelle Bezug genommen.

Vorliegend lässt sich auch keine unmittelbare begriffliche Verwechslungsgefahr annehmen. Für die Annahme einer Ähnlichkeit von Bildmarken oder Bildelementen, die darauf beruht, dass die Vergleichsdarstellungen wegen eines übereinstimmenden Begriffsgehalts mit dem gleichen Begriff benannt werden, gelten strenge Anforderungen. Insoweit reicht die bloße Möglichkeit, dass in zwei bildlich verschiedenen Abbildungen u. U. dasselbe Motiv erkannt wird und die Marken danach benannt werden können, noch nicht für eine markenrechtlich relevante Ähnlichkeit aus. Vielmehr gilt der Grundsatz, dass Bildmarken um so weniger als begrifflich ähnlich angesehen werden, je allgemeiner ein gemeinsamer Sinngehalt gefasst werden müsste, um die Gleichheit des Motivs zu begründen. Eine andere Beurteilung kann aber wiederum geboten sein, wenn es sich bei der älteren Marke um ein im Verkehr weitgehend bekanntes Bildzeichen handelt (vgl. BGH GRUR 1996, 198, 200 -Springende Raubkatze; Ströble/Hacker a. a. O. § 9 Rdn. 222 m. w. N.). Wie erörtert, liegt den Vergleichsmarken gerade nicht dasselbe konkrete Bildmotiv zugrunde. Das Motiv der Widerspruchsmarke ist ein laufendes Mädchen, das der jüngeren Marke ein laufender Chinese. Die klischeehafte Darstellung des Chinesen -mit Reisstrohhut, langem Zopf und langem Mantel -lässt auch keinen Gedanken daran aufkommen, dass es sich in der jüngeren Marke etwa auch um die Abbildung eines Mädchens handeln könnte. Die nostalgisch anmutende Art der Darstellung -nämlich nach Stil und Proportionierung des sog. "Ost-Ampelmännchens" -kann daher auch kein gemeinsames Motiv -etwa das eines "Ampelmädchens" begründen.

In begrifflicher Hinsicht wird der Verkehr die jüngere Marke daher als laufendes Mädchen bezeichnen, während die Widerspruchsmarke als laufender Chinese benannt werden wird. Insgesamt sind die Zeichen, auch wenn sie beide eine laufende Figur in stilisierter Form abbilden, in ihrem jeweiligen Gesamteindruck deutlich unterschiedlich und weisen nur eine geringgradige Ähnlichkeit auf.

Anhaltspunkte dafür, dass aus sonstigen Gründen die Gefahr von Verwechslungen bestehen könnte, sind nicht dargelegt und auch nicht ersichtlich.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

Dr. Vogel von Falckenstein Richter Paetzold gehört seit Hartlieb 1.1.2010 dem Senat nichtmehr an und ist insofern ander Unterschrift gehindert.

Dr. Vogel von Falckenstein Cl






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Az: 30 W (pat) 77/09


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