Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. November 2004
Aktenzeichen: 32 W (pat) 303/03

(BPatG: Beschluss v. 24.11.2004, Az.: 32 W (pat) 303/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 30 - vom 6. August 2003 aufgehoben.

Die Marke 301 54 923 wird wegen des Widerspruchs aus der Marke 869 717 gelöscht.

Gründe

I.

Die am 14. September 2001 angemeldete und am 26. November 2001 in das Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamts eingetragene Marke 301 54 923 sukaist für Zucker, insbesondere Kandis, brauner Zucker, Würfelzucker, Rohzucker, Rohrzuckerbestimmt.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der prioritätsälteren deutschen Marke 869 717 (angemeldet am 4. September 1964 und eingetragen am 4. Juni 1970)

Suga, die für Couleur aus Zucker als Zusatzmittel für die Herstellung von Bier und Brot Schutz genießt.

Die Markeninhaberin hat die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten, die Widersprechende hat daraufhin Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung vorgelegt (eidesstattliche Erklärung eines Geschäftsführers mit Umsatzzahlen u.a. für "Kulöre und Brausirupe" in den Jahren 1998 bis 2001, Produktaufkleber, Rechnungskopien). Die Markeninhaberin hat die Benutzung im dargelegten Umfang anerkannt, jedoch darauf hingewiesen, dass die Marke nur Weiterverarbeitern begegne.

Die mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 30 hat durch Beschluss vom 6. August 2003 den Widerspruch zurückgewiesen. Die Widersprechende habe eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke belegt. Es bestehe aber keine Verwechslungsgefahr der sich gegenüberstehenden Zeichen. Da Warenidentität vorliege, sei an sich ein strenger Prüfungsmaßstab an den Abstand der Marken anzulegen. Die Waren wendeten sich aber an gewerbliche Weiterverarbeiter, die der Gefahr von Verwechslungen weniger unterlägen als Normalverbraucher. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei wegen enger Anlehnung an die englischsprachige Warenbezeichnung "sugar" schwach. Die Vergleichsmarken seien sich weder klanglich, noch visuell oder begrifflich ähnlich.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie stellt den Antrag, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 vom 6. August 2003 aufzuheben und die Marke 301 54 923 zu löschen.

Sie ist der Ansicht, die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei nicht geschwächt. Für den deutschen Verkehr sei eine Anlehnung an das englische Wort "sugar" nicht offensichtlich. Suga werde in deutscher Aussprache wiedergegeben. Der ungehinderte Gebrauch der Fachbezeichnung "sugar" werde nicht gefährdet. Die Konsonanten g und k seien im Klang hochgradig ähnlich; dieser geringe Unterschied der Vergleichsmarken sei daher nicht geeignet, Verwechslungen zu verhindern.

Die Markeninhaberin erstrebt die Zurückweisung der Beschwerde.

Die sich gegenüberstehenden Waren seien nicht identisch, sondern allenfalls entfernt ähnlich. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei wegen der Anlehnung an das englische Wort "sugar" schwach. Sie trete klanglich auch so in Erscheinung. Da es sich um Kurzwörter handele, würden die klanglichen Unterschiede beider Marken - das harte k und das weiche g - klar hervortreten.

Im übrigen vertiefen die Beteiligten, z.T. unter Hinweis auf Ausführungen in der Fachliteratur, ihre unterschiedlichen Ansichten zur Frage der Warenähnlichkeit von Zucker und Zuckercouleur hinsichtlich Beschaffenheit und Bestimmung unter Berücksichtigung der Abnehmerkreise.

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist begründet, weil die sich gegenüberstehenden Marken - entgegen der Auffassung der Markenstelle - der Gefahr einer Verwechslung im Verkehr (§ 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) unterliegen.

1. Auf die nach § 43 Abs. 1 Sätze 1 und 2 MarkenG zulässige Nichtbenutzungseinrede der Markeninhaberin hin hat die Widersprechende bereits im patentamtlichen Verfahren Unterlagen zur Glaubhaftmachung einer Benutzung ihrer Marke in den Jahren 1998 bis 2001 vorgelegt, so dass für beide vorliegend maßgeblichen Benutzungszeiträume (Januar 1997 bis Januar 2002 und November 1999 bis November 2004) zumindest für jeweils einzelne Jahre eine Benutzung dargetan ist. Von den Waren her bezieht sich diese Benutzung (auch) auf "Zuckerkulöre" (= "Couleur aus Zucker ..." i.S.d. Warenverzeichnisses der Widerspruchsmarke; der unterschiedlichen Schreibweise kommt keine Bedeutung zu), wie sich aus der eingereichten eidesstattlichen Erklärung ergibt. Die dort zusätzlich genannten Waren Brausirupe sowie Zucker kristallin und flüssig haben allerdings - da nicht beansprucht - unberücksichtigt zu bleiben. Die Markeninhaberin hat daraufhin bereits im patentamtlichen Verfahren die Benutzung "im dargelegten Umfang" anerkannt. Dieser wenig konkreten Erklärung lässt sich nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit entnehmen, dass die Nichtbenutzungseinrede zumindest teilweise aufrechterhalten würde. Unklar bleiben auch die Erklärungen der Markeninhaberin im Laufe des Beschwerdeverfahrens (Schriftsätze vom 2. Februar 2004 und vom 13. Juli 2004), die Benutzung der Widerspruchsmarke sei nur für "Couleur aus Zucker als Zusatzmittel für die Herstellung von Bier und Brot" nachgewiesen worden bzw. es ergäbe sich eine Benutzung lediglich für "Braucouleur", gerichtet an Großabnehmer. Sonstige Waren enthält das Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke gar nicht, die ergänzenden Glaubhaftmachungsunterlagen belegen zudem die Abgabe dieser Produkte nicht nur an Brauereien, sondern zumindest auch an einen Betrieb, der offensichtlich Backwaren herstellt. Von daher geht der Senat, ebenso wie die Markenstelle im angefochtenen Beschluss, davon aus, dass die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke für die beanspruchten Waren ausreichend dargelegt ist, selbst wenn der eidesstattlichen Erklärung nicht zu entnehmen ist, welche Umsätze sich (ausschließlich) auf "Couleur aus Zucker ..." beziehen.

2. Nach § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist die Eintragung einer Marke im Falle eines Widerspruchs zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke älteren Zeitrangs und der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2002, 626 - IMS).

Der Beurteilung der Markenstelle, es läge keine Verwechslungsgefahr vor, vermag der Senat in mehrfacher Hinsicht nicht zu folgen: Zum einen sind die jeweils registrierten Waren nicht identisch, sondern nur (entfernt) ähnlich, zum anderen ist aber die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht so gering, wie vom Prüfer angenommen, und schließlich kommen sich die Vergleichsmarken zumindest im phonetischen Eindruck nahe.

a) Warenähnlichkeit ist dann anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen - z.B. Beschaffenheit, regelmäßige Herstellungsstätten und Vertriebswege, Verwendungszweck, Nutzung, wirtschaftliche Bedeutung, Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte -, so enge Berührungspunkte auftreten, dass die angesprochenen Verkehrskreise der Meinung sein können, sie stammten aus denselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie mit identischen Marken von - unterstellt - höchster Kennzeichnungskraft versehen sind (st. Rspr.; vgl. z.B. BGH GRUR 1999, 731 - Canon II).

"Couleur aus Zucker" (= Zuckerkulör) wird zwar, wie sich aus den eingereichten Auszügen aus der Fachliteratur ergibt, aus verschiedenen Zuckerarten unter Zugabe sonstiger chemischer Stoffe und Substanzen bei kontrollierter Hitzeeinwirkung hergestellt. Sie dient aber in erster Linie als Farbstoff für Getränke sowie Lebensmittel und - anders als Zucker - nicht (oder jedenfalls nicht vorwiegend) zum Süßen. Zuckercouleur ist somit ein Vorprodukt, das der Weiterverarbeitung, vor allem in Brauereien und ggf. Bäckereien bedarf, was sich auch aus dem Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke ("als Zusatzmittel für die Herstellung von Bier und Brot") ergibt.

Der Hinweis der Markeninhaberin, dieses Produkt richte sich in erster Linie an Großabnehmer, ist somit grundsätzlich richtig. Das schließt aber zum einen nicht aus, dass Zuckercouleur gelegentlich auch im Einzelhandel Verbrauchern gegenüber begegnen kann (ohne dass es darauf ankäme, ob die Widersprechende selbst diesen Vertriebsweg nutzt); zum andern wird "Zucker" aber nicht nur von Endverbrauchern erworben, sondern auch von Betrieben der Getränke- und Lebensmittelindustrie nachgefragt und in großem Umfang verwendet. Ob dies auch bei Brauereien der Fall ist, kann dahinstehen, da sich jedenfalls in Bäckereien Zucker und Zuckercouleur begegnen können. Mithin sind diese Produkte ähnliche Erzeugnisse, wenngleich der Warenabstand wegen des unterschiedlichen Verwendungszwecks nicht unbeträchtlich ist. Ob es eine Mehrzahl von Herstellungsbetrieben gibt, die beide Produkte (so wie die Widersprechende) im Angebot haben, ist für die Beurteilung der Warenähnlichkeit letztlich nicht entscheidungserheblich.

b) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist nicht so gering, wie die Markenstelle angenommen hat. Zwar stimmt das Markenwort Suga bis auf das fehlende Endungsr mit der englischsprachigen Fachbezeichnung "sugar" überein, gleichwohl wird vielfach - auch in Fachkreisen, an die sich die Waren der Widerspruchsmarke richten - die Abwandlung als solche gar nicht ohne weiteres bemerkt werden. Vielmehr wird Suga in der registrierten Form mit großem Anfangsbuchstaben, zumal es nicht unmittelbar für Zucker beansprucht ist, meist als Fantasiewort aufgefasst und somit auch in deutscher Aussprache aufgenommen und wiedergegeben werden. Mithin ist von Hause aus allenfalls von einer leicht unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen. Da es sich um eine vergleichsweise alte und nachgewiesenermaßen benutzte Marke handelt, ist diese Schwäche zudem kompensiert. Der Marke kommt ein annähernd durchschnittlicher Schutzumfang zu.

c) Die Vergleichsmarken suka und Suga sind einander klanglich ähnlich. Diese Beurteilung gilt auch bei angemessener Berücksichtigung des Umstands, dass Fachkreise Warenkennzeichnungen meist mit größerer Sorgfalt begegnen als das allgemeine Publikum und diese leichter auseinanderhalten können. Beide Marken kommen sich unmittelbar nahe, nicht aber wegen einer Anlehnung an das englische Wort sugar (oder gar den deutschen Begriff Zucker). In beiden Markenwörtern liegt die Betonung auf der ersten Silbe su, während die Endsilbe unbetont nachklingt. Die maßgeblich durch die Vokale bestimmte Lautfolge ist dieselbe. Zwar ist nicht auf eine mundartliche Aussprache abzustellen, jedoch unterscheiden sich die Lautwerte von g und k (ebenso wie von d/t oder von b/p) nicht immer deutlich. Fälle des Sich-Verhörens können daher nicht mit der gebotenen Sicherheit ausgeschlossen werden. Vor allem unter ungünstigen Übermittlungsbedingungen, etwa bei telefonischen Bestellungen, kann es zu Markenverwechslungen kommen.

d) Die Gesamtabwägung von (entfernter) Warenähnlichkeit, durchschnittlichem Schutzumfang der Widerspruchsmarke und nicht unbeträchtlicher phonetischer Markenähnlichkeit ergibt, dass vom Bestehen einer Verwechslungsgefahr auszugehen ist. Die angegriffene jüngere Marke ist deshalb, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, zu löschen.

3. Für die Auferlegung von Verfahrenskosten (gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG) besteht kein Anlass.

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BPatG:
Beschluss v. 24.11.2004
Az: 32 W (pat) 303/03


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