Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 4. Dezember 2008
Aktenzeichen: 18 U 211/07

(OLG Köln: Urteil v. 04.12.2008, Az.: 18 U 211/07)

Die Anwendung des § 57 AktG auf atypisch stille Gesellschaften erscheint zwar möglich, kommt im konkreten Fall aber wegen der fehlenden Vergleichbarkeit der Stellung der stillen Gesellschafter mit einer aktionärin nicht in Betracht

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 13.11.2007 wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 223.009,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus 51.450,00 € seit dem 01.10.2004, weiteren 51.450,00 € seit dem 01.04.2005, weiteren 17.209,95 € seit dem 07.06.2005, weiteren 51.450,00 € seit dem 01.10.2005, sowie weiteren 51.450,00 € seit dem 01.10.2006 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt vorbehalten, die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin betreibt Technologie- und Mittelstandsförderung im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft indem sie kleinen Technologieunternehmen Kapital zur Verfügung stellt, wenn sich zugleich in mindestens derselben Höhe eine Beteiligungsgesellschaft ("Leadinvestor") an dem Technologieunternehmen beteiligt. Dementsprechend hat sich die Klägerin auch im Jahre 2001 durch zwei Verträge als stille Gesellschafterin an der Beklagten beteiligt.

Mit dem Vertrag vom 22./31.05.2001 (Anlage K 2, Bl. 14 ff. d. A.) erfolgte eine Beteiligung in Höhe von 732.500,00 € entsprechend der Beteiligung der U-AG. Mit dem weiteren Vertrag vom 31.05.2001 (Anlage K 3, Bl. 19 ff. d. A.) erfolgte eine stille Beteiligung in Höhe von 737.500,00 € entsprechend der Beteiligung der X Kapitalbeteiligungsgesellschaft mbH. Die beiden Beteiligungsgesellschaften halten 15,38 % bzw. 12,57 % der Aktien der Beklagten. Nach dem Konzept der Klägerin werden ihre Interessen bei der Beklagten aufgrund entsprechender Kooperationsverträge durch die "Leadinvestoren" wahrgenommen.

Die Verträge zwischen den Parteien über die stille Beteiligung der Klägerin sehen jeweils eine Befristung ist zum 31.12.2011 vor. Der Klägerin werden bestimmte Mitwirkungs-, Informations- und Kontrollrechte eingeräumt. Außerdem steht der Klägerin eine Vergütung ihrer Einlage in Höhe von mindestens 7 % p. a. sowie in Höhe von 14 % der erwirtschafteten Jahresüberschüsse zu; wegen der Einzelheiten der Vergütungsansprüche sowie der sonstigen vertraglichen Regelungen wird auf die Verträge Bezug genommen.

Nachdem die Beklagte zunächst die Vergütungsansprüche der Klägerin erfüllt hat, ist dies seit Oktober 2004 nicht mehr erfolgt, weil sich die Beklagte hierzu aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage gesehen hat. Mit der Klage hat die Klägerin die ihr unstreitig zustehenden Vergütungsansprüche für die Zeit vom 01.10.2004 bis zum 30.09.2006 - mit Ausnahme des zum 31.03.2006 fällig gewordenen Teilbetrages - geltend gemacht. Das Landgericht hat die Beklagte insoweit antragsgemäß verurteilt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags in erster Instanz, der gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil vom 13.11.2007 (Bl. 139 ff. d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte wendet sich mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung gegen dieses Urteil. Sie wendet dagegen ein:

- Die Zahlung der geschuldeten Vergütung würde gegen § 57 AktG verstoßen. Diese Bestimmung finde auch auf die Klägerin Anwendung, obwohl diese nicht ihre Aktionärin sei, weil sie durch die Ausgestaltung der stille Beteiligung eine aktionärsgleiche Stellung erlangt habe.

- Das mit der stillen Beteiligung zur Verfügung gestellte Kapital habe eigenkapitalersetzenden Charakter. Aufgrund des Umfangs des zur Verfügung gestellten Kapitals treffe die Klägerin auch Finanzierungsverantwortung.

- Der Zinsanspruch sei zu hoch ausgefallen. § 288 Abs. 2 BGB finde keine Anwendung.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Urteil das Landgerichts und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung hat lediglich wegen eines Teils der vom Landgericht zugesprochenen Verzugszinsen Erfolg, in der Hauptsache ist sie jedoch unbegründet.

1. Der mit der Klage verfolgte Vergütungsanspruch steht der Klägerin unstreitig in der geltend gemachten Höhe zu. Zu Recht ist das Landgericht der Auffassung der Beklagten nicht gefolgt, dass dieser Anspruch zumindest derzeit nicht durchsetzbar wäre, weil die Auszahlung gegen § 57 Abs. 2 AktG oder § 32b GmbHG verstoßen würde.

a) Eine unmittelbare Anwendung des § 57 Abs. 2 AktG kann nicht erfolgen, weil die Klägerin nicht Aktionärin der Beklagten ist. Die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmung auf die Klägerin als stille Gesellschafterin der Beklagten liegen jedenfalls in diesem Fall nicht vor. Die im Schrifttum vertretene Auffassung, dass § 57 AktG auf atypische stille Gesellschafter Anwendung finden könne (Bayer, in: MünchKomm-AktG, 3. Aufl., 2008, § 57 Rdnr. 63), hat aus Sicht des Senates einiges für sich. Für die Pflicht, zur Kapitalerhaltung der Gesellschaft beizutragen, kommt es nicht allein auf die formale Gesellschafterstellung an, sondern mehr noch darauf, ob die Position materiell mit der eines Gesellschafters vergleichbar ist. Deshalb hat der Bundesgerichtshof auch bereits entschieden, dass ein stiller Gesellschafter wie ein Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu behandeln ist, "wenn er aufgrund der vertraglichen Ausgestaltung des stillen Gesellschaftsverhältnisses hinsichtlich seiner vermögensmäßigen Beteiligung und seines Einflusses auf die Geschicke der GmbH weitgehend einem GmbH-Gesellschafter gleichsteht (...)." (BGH ZIP 2006, 703, 705).

Gerade an dieser Vergleichbarkeit der Stellung der Klägerin mit derjenigen eines Aktionärs fehlt es trotz der in den Verträgen über die stille Beteiligung der Klägerin eingeräumten Befugnisse jedoch. Hierdurch werden zwar ihre Rechte und Interessen als Kapitalgeberin gestärkt, ohne dass sie dadurch jedoch materiell in die Position eines Aktionärs der Beklagten gerät.

Die der Klägerin eingeräumten Rechte sind spezifisch darauf ausgerichtet, den mit der stillen Beteiligung verfolgten Zweck sicher zu stellen, ein bestimmtes Investitionsvorhaben zu fördern, und gehen damit nicht entscheidend über die Rechte eines externen Darlehensgebers hinaus, auf den § 57 AktG unzweifelhaft keine Anwendung finden würde. Soweit Zustimmungserfordernisse bestehen, sind diese teilweise ausdrücklich auf Maßnahmen beschränkt, die "das mit der Beteiligung der v geförderte Investitionsvorhaben betreffen" (§ 5 Abs. 2 lit. c) und d) der Verträge). Die weiteren Zustimmungserfordernisse, etwa zu Satzungsänderungen, Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern, Betriebsverlegung oder Abschluss von Beherrschungsverträgen sind zwar nicht auf einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem zu fördernden Investitionsvorhaben beschränkt, haben aber offensichtlich auch die Funktion, solche Maßnahmen zu unterbinden, die das Investitionsvorhaben gefährden könnten. Für eine bloße Kontrollmöglichkeit ohne die Möglichkeit der aktiven Beeinflussung der Geschäfte der Beklagten spricht zudem die Regelung in § 5 Abs. 3 des Vertrages. Danach gilt die Zustimmung der Klägerin als erteilt, wenn diese nicht innerhalb einer Frist von 14 Tagen schriftlich ihre Zustimmung verweigert. Dies lässt erkennen, dass die Zustimmung aus Sicht der Beteiligten der Regelfall und die Verweigerung der Zustimmung der Ausnahmefall sein soll. Dies spricht dafür, dass den Rechten der Klägerin "Sicherungscharakter" zukommt und diese nicht den Zweck haben, gestaltenden Einfluss auf die Geschäfte der Beklagten auszuüben. Hierfür wäre vielmehr ein eigenes Initiativrecht der Klägerin erforderlich gewesen.

Auch ein externer Darlehensgeber würde sich derartige Mitwirkungs- und Kontrollrechte einräumen lassen, um seine Ansprüche sicher zu stellen. Dies gilt für die Klägerin, die öffentliche Mittel zum Zwecke der Technologie- und Mittelstandsförderung einsetzt, in besonderem Maße. Sie muss den möglichst effizienten Einsatz der Mittel gewährleisten. Dies macht es erforderlich, für die Dauer der Bereitstellung der öffentlichen Mittel solche Veränderungen bei der Beklagten beeinflussen zu können, die die Erreichung der mit den öffentlichen Mitteln geförderten Zwecke gefährden könnten.

Hinzu kommt, dass auch die wirtschaftliche Beteiligung der Klägerin nicht das Ausmaß erreicht, das bei einem Aktionär mit entsprechender Beteiligung bestehen würde. Die stille Beteiligung der Klägerin ist zeitlich befristet bis zum 31.12.2011 (§ 4 Abs. 2 der Verträge). Anders als in § 235 HGB vorgesehen, erfolgt keine Ermittlung des Abfindungsguthabens aufgrund einer Auseinandersetzungsbilanz, sondern die Klägerin erhält lediglich den Nominalbetrag ihrer Einlage zurück. Hinzu kommen kann ein am Beteiligungsbetrag orientiertes Aufgeld (§ 9 des Vertrages). Außerdem erhält die Klägerin während der Laufzeit der Beteiligung eine Verzinsung ihrer Einlage, die aus einem Garantiebetrag in Höhe von 7 % und einem variablen Anteil (14 % des Jahresüberschusses) besteht. Insbesondere dadurch, dass die Klägerin am Verlust der Beklagten gar nicht (§ 8 Abs. 4 des Vertrages) und an Gewinnen im wesentlichen nur während der Laufzeit des Vertrages beteiligt ist, hat sie auch hier mehr die Position eines außenstehenden Darlehensgebers als eines Gesellschafters inne. Dies ergibt sich auch daraus, dass die Klägerin an Wertsteigerungen der Beklagten während der Dauer ihrer Beteiligung allenfalls in beschränktem Umfang über die Endvergütung teilnimmt.

b) Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das von der Klägerin zur Verfügung gestellte Kapital eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt hätte. Zum einen dürfte die Klägerin schon keine Finanzierungsverantwortung treffen. Sie ist weder Gesellschafterin der Beklagten noch steht sie aus den vorgenannten Gründen einer Gesellschafterin gleich. Behandelte man ihre Einlage als Eigenkapital, läge ihre Beteiligung auch unter 25 %. Die Einlage der Klägerin entspricht der Beteiligung der beiden Leadinvestoren, also 27,95 % des Kapitals der Gesellschaft. Addierte man das Beteiligungskapital der Klägerin zum Eigenkapital der Beklagten hinzu, ergäbe sich aber nur noch ein prozentualer Anteil der Klägerin an dem dann entsprechend höheren Gesamtkapital in Höhe von 21,84 %. Dieser Anteil läge deutlich unter der Grenze von 25 %, die für die Finanzierungsverantwortung in der Regel angenommen wird (Hüffer, AktG, 8 Aufl., 2008, § 57 Rdnr. 18).

Darüber hinaus erscheint auch zweifelhaft, dass das von der Klägerin zur Verfügung gestellte Kapital eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt hat. Bei der Bereitstellung im Jahre 2001 befand sich die Beklagte soweit ersichtlich noch nicht in einer Krise. Ein "Stehen lassen" im Sinne der Rechtsprechung zum Eigenkapitalersatz kann aber nur angenommen werden, wenn rechtlich die Möglichkeit besteht, das Kapital auch abzuziehen. Angesichts der vertraglich vereinbarten Laufzeit der stillen Beteiligung bis 2011 war eine Kündigung nur aus wichtigem Grund gemäß § 12 Abs. 2 der Verträge möglich. Danach berechtigten "insbesondere" (Buchstabe d)) Wechselprotest, Einstellung der Zahlungen, Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Feststellung der Zahlungsunfähigkeit zur Kündigung. Diese Aufzählung legt es aber nahe, dass wirtschaftliche Schwierigkeiten geringeren Ausmaßes, die aber bereits eine Krise im Sinne der Regelungen über kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen darstellen, noch nicht zur Kündigung der Beteiligung berechtigen sollten. Anderenfalls hätte es nahe gelegen, eine § 490 BGB entsprechende Regelung in den Vertrag aufzunehmen.

2. Zu Recht wendet sich die Beklagte allerdings dagegen, dass das Landgericht der Klägerin Verzugszinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszins zugesprochen hat. Dieser Zinsanspruch wäre gem. § 288 Abs. 2 BGB nur gerechtfertigt, wenn es sich bei der von der Klägerin geltend gemachten Gewinnbeteiligung gem. § 8 Abs. 1 des Vertrages um eine Entgeltforderung handeln würde. Dies ist jedoch nicht der Fall. Eine solche liegt nur bei der Forderung eines Entgelts für die Lieferung von Gütern oder die Erbringung von Dienstleistungen vor (Heinrichs, in: Palandt, BGB, 67. Aufl., 2008, § 286 Rdnr. 27, § 288 Rdnr. 8). Voraussetzung für eine Entgeltforderung ist danach ein synallagmatisches Schuldverhältnis. Dazu gehört die stille Beteiligung als Gesellschaftsvertrag jedoch gerade nicht. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Klägerin an die Beklagte über die Bereitstellung des Kapitals hinausgehende Leistungen erbracht hätte. Soweit sie in diesem Zusammenhang anführt, ihr habe die "Aufgabe der Überwachung der Einhaltung der Förderungsvoraussetzungen" oblegen (S. 18 der Berufungserwiderung; Bl. 237 d. A.), überzeugt das nicht. Hierbei handelte es sich um eine Aufgabe, die die Klägerin im eigenen Interesse wahrgenommen hat, um ihrem Förderungsauftrag gerecht zu werden.

Die weitergehenden Einwendungen der Beklagten gegen den der Klägerin zugesprochenen Zinsanspruch sind dagegen nicht gerechtfertigt. Die Auffassung, dass die Vergütungsansprüche gem. § 289 BGB nicht zu verzinsen seien, trifft nicht zu. Das Verbot des Zinseszinses greift gem. § 289 S. 2 BGB nämlich dann nicht, wenn der Schuldner sich mit der Zinszahlung in Verzug befindet. Die Fälligkeit der geschuldeten Vergütung war nach dem Vertrag auf den 31.03. bzw. 30.09. eines jeden Jahres bestimmt, so dass die Beklagte gem. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB ohne Mahnung in Verzug geraten ist.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Das geringfügige Unterliegen der Klägerin wegen eines Teils des von ihr geltend gemachten Zinsanspruchs rechtfertigt es nicht, ihr einen Teil der Kosten aufzuerlegen.

IV.

Die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen ist, liegen nicht vor. Über die Frage, ob § 57 AktG überhaupt auf stille Gesellschafter Anwendung finden kann, musste der Senat nicht entscheiden. Die entscheidungserhebliche Frage, ob die Klägerin eine einem Gesellschafter vergleichbare Position innerhalb der Gesellschaft einnimmt, ist eine Frage der tatrichterlichen Würdigung, die vom BGH nur eingeschränkt überprüfbar ist (BGH ZIP 2006, 703, 705).

V.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 223.009,95 € festgesetzt.






OLG Köln:
Urteil v. 04.12.2008
Az: 18 U 211/07


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