Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. April 2003
Aktenzeichen: 24 W (pat) 239/02
(BPatG: Beschluss v. 29.04.2003, Az.: 24 W (pat) 239/02)
Tenor
Die Beschwerdegebühr ist zurückzuzahlen.
Gründe
I.
Gegen die Eintragung der Wortmarke 397 30 064 "CERABRITE" für die Waren "Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel, insbesondere Reinigungs- und Pflegemittel für Herde, Kochflächen und Backöfen" hat die Inhaberin der prioritätsälteren, für verschiedene Waren der Klassen 1, 2, 3, 4, 17 und 19, ua für "Reinigungsmittel für Fassaden und Baumaschinen" eingetragenen Wortmarke 1 057 247 "CERESIT" am 23. Dezember 1997 Widerspruch erhoben.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat mit Schriftsatz vom 20. März 1998 zu dem Widerspruch Stellung genommen und erklärt, auf die Waren "Reinigungsmittel für Fassaden und Baumaschinen" im Warenverzeichnis der Marke 397 30 064 zu verzichten.
Mit Beschluß eines Angestellten des gehobenen Dienstes vom 9. August 2002 hat die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts den Widerspruch aus der Marke 1 057 247 wegen fehlender Verwechslungsgefahr iSd § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung wird ua ausgeführt, daß sich vorliegend schon der weite Warenabstand verwechslungsmindernd auswirke, nachdem seitens der Inhaberin der angegriffenen Marke auf die Waren "Reinigungsmittel für Fassaden und Baumaschinen" verzichtet worden sei.
Der Schriftsatz der Inhaberin der angegriffenen Marke vom 20. März 1998 mit der Verzichtserklärung wurde der Widersprechenden von der Markenstelle erst zusammen mit dem Beschluß vom 9. August 2002 zugestellt.
Gegen den Beschluß der Markenstelle hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt. Sie trägt vor, daß das Deutsche Patent- und Markenamt ihr noch nicht offiziell die Einschränkung des Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke mitgeteilt habe. Bei rechtzeitiger Information hätte sie ihren Widerspruch schon vorher zurückgezogen. Eine Beschlußfassung wäre dann nicht mehr erforderlich gewesen. Sie habe erstmals mit dem angefochtenen Beschluß Kenntnis von der Verzichtserklärung der Inhaberin der angegriffenen Marke erhalten. Sie habe aber auch aus der Formulierung der Inhaberin der angegriffenen Marke nicht erkennen können, in welcher Form das Warenverzeichnis letztlich eingeschränkt worden sei. Sie ziehe ihren Widerspruch zurück, wenn das Deutsche Patent- und Markenamt eine entsprechende Teillöschung der angegriffenen Marke durchgeführt habe. Das Verhalten des Patentamtes habe dazu geführt, daß sie Beschwerde hätte einlegen müssen.
Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuhebenunddie Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.
Nachdem das Deutsche Patent- und Markenamt der Widersprechenden mit Bescheid vom 14. März 2003 mitgeteilt hat, daß das Verzeichnis der Waren/Dienstleistungen der angegriffenen Marke im Wege der von der Markeninhaberin beantragten Teillöschung mit gleichem Datum folgende Fassung
"Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel (unter Ausnahme von Reinigungsmitteln für Fassaden und Baumaschinen), insbesondere Reinigungs- und Pflegemittel für Herde, Kochflächen und Backöfen"
erhalten hat, hat die Widersprechende ihren Widerspruch zurückgenommen. Den Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr hält sie aufrecht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die nach § 165 Abs 4 und 5 Nr 1 MarkenG zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat sich durch die Rücknahme des Widerspruchs in der Hauptsache erledigt.
Der von ihr gestellte Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist zulässig und auch sachlich begründet (§ 71 Abs 3 und 4 MarkenG).
Nach § 71 Abs 3 MarkenG kann das Patentgericht anordnen, daß die Beschwerdegebühr zurückgezahlt wird, wobei gemäß § 71 Abs 4 MarkenG die Rückzahlungsanordnung auch nach Rücknahme des Widerspruchs möglich ist. Da die Rückzahlung der Beschwerdegebühr die Ausnahme gegenüber dem Grundsatz der vom Verfahrensausgang unabhängigen Gebührenpflicht für die Beschwerde ist, kommt sie nur in Betracht, wenn unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls eine Einbehaltung der Gebühr unbillig wäre (vgl BPatGE 2, 61, 64 ff; BPatG Mitt 1985, 238 "TIFFANY"; Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 71 Rdn 36 f; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 1998, § 71 Rdn 30). Vorliegend lassen die konkreten Umstände des Falles eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen angezeigt erscheinen.
Die Markenstelle hat insoweit verfahrensfehlerhaft gehandelt, als sie den Schriftsatz der Inhaberin der angegriffenen Marke vom 20. März 1998 mit der Teilverzichtserklärung nicht unverzüglich der Widersprechenden zur Kenntnisnahme übermittelt, sondern ihr diesen erst mit dem Beschluß vom 9. August 2002 zugestellt hat. Hierin liegt eine Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs gemäß § 59 Abs 2 MarkenG. Da es sich bei dem Teilverzicht um einen Umstand handelt, auf den sich der - für die Widersprechende negative - Beschluß der Markenstelle stützt, hätte der Widersprechenden vorher Gelegenheit gegeben werden müssen, sich dazu zu äußern.
Auch ist nicht auszuschließen, daß dieses Fehlverhalten der Markenstelle letztlich die Beschwerdeeinlegung der Widersprechenden notwendig gemacht hat. Zwar treten die Rechtswirkungen eines Verzichts unmittelbar mit der Erklärung und nicht erst mit der Eintragung der Teillöschung im Register ein (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 48 Rdn 9), weshalb grundsätzlich für eine Widerspruchsrücknahme nicht die Durchführung des Teillöschungsverfahrens durch das Patentamt abgewartet werden braucht.
Ist jedoch, wie im vorliegenden Fall, die Verzichtserklärung nicht klar und eindeutig auf die Streichung bestimmter Waren oder Dienstleistungen aus dem Verzeichnis oder auf die Aufnahme eines zweifelsfrei formulierten, auf die eingetragenen Waren/Dienstleistungen abgestimmten Ausnahmevermerks gerichtet, kann es für die Widersprechende bei vernünftiger Würdigung der Sach- und Rechtslage und der gebotenen prozessualen Sorgfalt durchaus angezeigt sein, den Widerspruch erst nach Durchführung des patentamtlichen Teillöschungsverfahrens und Kenntnis der danach rechtsgültigen Fassung des teilgelöschten Waren-/Dienstleistungsverzeichnisses zurückzunehmen. Auch wenn die Widersprechende hier mit Zustellung des angefochtenen Beschlusses Kenntnis von dem - sofort wirksamen - Teilverzicht der Inhaberin der angegriffenen Marke erlangt hat, war sie gleichwohl im Hinblick auf den unklar formulierten Teilverzicht genötigt, Beschwerde einzulegen, um die Durchführung des patentamtlichen Teillöschungsverfahrens im anhängigen Widerspruchsverfahren zu erreichen und dadurch Klarheit über Neufassung des Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke zu erhalten. Wäre ihr der Teilverzicht der Inhaberin der angegriffenen Marke vom 20. März 1998 von der Markenstelle, wie geboten, unverzüglich zur Wahrung des rechtlichen Gehörs übermittelt worden, hätte sie bereits vor Beschlußfassung über den Widerspruch auf die Durchführung des patentamtlichen Teillöschungsverfahrens hinwirken und ihren Widerspruch zurücknehmen können, so daß sich der Beschluß der Markenstelle und damit letztlich die Einlegung der Beschwerde erübrigt hätte. Abgesehen davon ist es gängige Verwaltungspraxis des Deutschen Patent- und Markenamts, im laufenden Widerspruchsverfahren eingehende Anträge auf Teillöschung der angegriffenen Marke nicht erst nach Abschluß des Widerspruchsverfahrens, sondern sofort zu bearbeiten und das Ergebnis der Teillöschung der Widersprechenden zu übermitteln. Es entspricht hier demzufolge der Billigkeit, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.
Ströbele Guth Kirschneck Bb
BPatG:
Beschluss v. 29.04.2003
Az: 24 W (pat) 239/02
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