Landgericht Bonn:
Beschluss vom 4. Februar 2004
Aktenzeichen: 16 O 66/03
(LG Bonn: Beschluss v. 04.02.2004, Az.: 16 O 66/03)
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Anfechtungsklagen der Antragsgegnerinnen zu 1) bis 3) vom 28.08.2003 und der Antragsgegnerin zu 4) vom 01.09.2003 gegen den auf der ordentlichen Hauptversammlung der Antragstellerin vom 31. Juli 2003 unter Tagesordnungspunkt 7 gefaßten Beschluß,
"Die Aktien der übrigen Aktionäre der I Aktiengesellschaft in Abwicklung werden gemäß dem Verfahren zum Ausschluß von Minderheitsaktionären (§§ 327a ff AktG) gegen Gewährung einer Barabfindung in Höhe von 24,89 EUR pro Aktien auf die Q AG übertragen."
der Eintragung dieses Beschlusses in das Handelsregister des Amtsgerichts Bonn unter HRB ..... nicht entgegenstehen.
Die Kosten des Freigabeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Nebenintervenientin der Antragstellerin tragen die Antragsgegner.
Die Nebenintervenienten der Antragsgegner tragen ihre eigenen notwendigen Auslagen selbst.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft in Abwicklung, deren Grundkapital in Höhe von 53,760 Mio. Euro in 21 Mio. Stück Aktien eingeteilt ist. Hauptaktionärin der Antragstellerin ist die Q AG, die Nebenintervenientin der Antragstellerin, mit einem Anteil am Grundkapital in Höhe von 97,46 %. Die restlichen Aktien befinden sich im Streubesitz. Die Antragsgegner sind Minderheitsaktionäre der Antragstellerin.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu den Parteien und der Entwicklung der Antragstellerin wird auf den Tatbestand des Urteils vom heutigen Tag im Hauptverfahren 16 O 49/03 Bezug genommen.
Die Hauptversammlung der Beklagten faßte am 31.07.2003 den mit dem Hauptsacheverfahren 16 O 49/03 angefochtenen Beschluß hinsichtlich der Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionärin der Antragstellerin auf die Q gegen eine Barabfindung gemäß §§ 327a ff AktG. Dieser Beschluß wurde von den Antragsgegnern mit Klagen vom 28.08.2003 bzw. 01.09.2003 in dem Hauptsacheverfahren 16 O 49/03 angefochten.
Mit dem vorliegenden Verfahren begehrt die Antragstellerin gemäß § 327e Abs.2 i.V.m. § 319 Abs.6 AktG die Feststellung, dass die Anfechtungsklagen der Eintragungsbeschluß vom 31.07.2003 in das Handelsregister nicht entgegenstehen.
Sie ist der Auffassung, dass die Anfechtungsklagen rechtsmißbräuchlich und offensichtlich unbegründet seien und meint, dass jedenfalls überwiegende Interessen der Antragstellerin und der Q die beantragte Freigabeentscheidung rechtfertige.
Sie trägt dazu im einzelnen vor, dass ihrer Meinung nach die Voraussetzungen des Squeezeout-Verfahrens, das sie - einschließlich der Eilregelung des § 327e Abs.2 AktG - für verfassungsmäßig hält, ordnungsgemäß eingehalten worden seien.
Die Antragsgegner halten sowohl das Squeezeout-Verfahren nach §§ 327a AktG im generellen wie insbesondere aber das Freigabeverfahren nach § 327e Abs.2 i.V.m. § 319 AktG für verfassungwidrig. Sie meinen, die Anwendung dieses Verfahrens im Rahmen der Abwicklung der Antragstellerin sei jedenfalls rechtsmißbräuchlich; keinesfalls sei ein überwiegendes Interesse der Antragstellerin an einer vorläufigen Eintragung erkennbar.
Im übrigen seien die Anfechtungsklagen auch nicht offensichtlich unbegründet, sondern allenfalls offensichtlich begründet. Von einer offensichtlichen Unbegründetheit könne im übrigen schon deswegen nicht ausgegangen werden, weil die Frage der Verfassungsgemäßheit der §§ 327a AktG in Rechtsprechung und Literatur äußerst kontrovers diskutiert werde.
Hinsichtlich der weiteren umfangreichen Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend ausdrücklich auf den Tatbestand des Urteils in dem Hauptsacheverfahren 16 O 49/03 sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist gemäß § 327e Abs.2, 319 Abs.6 AktG zulässig und begründet. Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob die von der Antragstellerin dargelegten Umstände für die Annahme eines vorrangigen Vollzugsinteresses hinreichen. Jedenfalls erweist sich die erhobene Anfechtungsklage als offensichtlich unbegründet, so dass diese Alternativvoraussetzung des § 319 Abs.6 AktG vorliegend erfüllt ist.
Die Frage, wann von einer offensichtlichen Unbegründetheit ausgegangen werden kann, wird unterschiedlich beantwortet. In Übereinstimmung mit dem Oberlandesgericht Köln ist die Kammer der Auffassung, dass grundsätzlich eine vollständige Durchdringung des Streitstoffes in rechtlicher Hinsicht zu verlangen ist; erst wenn auf dieser Basis die Anfechtungsklage keinen Erfolg verspricht, kann von ihrer offensichtlichen Unbegründetheit ausgegangen werden (vgl. OLG Köln, Beschluß vom 06.10.2003 - 18 W 35/03 -). Andererseits ist es allein Aufgabe des zur Entscheidung berufenen Gerichts, die durch das Verfahren aufgeworfenen Rechtsfragen eigenverantwortlich abschließend zu berurteilen. Der Umstand, dass eine bestimmte Rechtsfrage in Rechtsprechung und Literatur noch kontrovers diskutiert wird, steht daher einer abschließenden Entscheidung mit der Bewertung einer offensichtlichen Unbegründetheit nicht entgegen.
Gemessen an diesem Maßstab erweisen sich die von den Antragsgegnern im Rahmen der Anfechtungsklage gegen den Hauptversammlungsbeschluß vom 31.07.2003 erhobenen Einwände als offensichtlich unbegründet. Dabei kann zur Vermeidung von Wiederholungen in vollem Umfange auf die Begründung des Urteils in dem Hauptverfahren vom heutigen Tag Bezug genommen werden.
Die Kammer hat in diesem Urteil auch im einzelnen dargelegt, dass nach ihrer Auffassung an der Verfassungsmäßigkeit der §§ 327a ff AktG insgesamt keinerlei Bedenken bestehen. Dies beinhaltet auch die Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 327e Abs.2 AktG. Wie das vorliegende Verfahren belegt, ist es notwendig, dem Hauptaktionär auch einen effektiven Rechtsschutz zur Durchsetzung seiner Ansprüche zur Verfügung zu stellen. Die Ansprüche der Kleinaktionäre sind durch die hier gewährleistete Rechtsprüfung sowie durch deren Rechte im Spruchverfahren insgesamt hinreichend geschützt (vgl. OLG Köln, a.a.O.).
Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegner zu 1.) bis 3.) gibt - soweit er sich überhaupt sachlich mit dem Verfahrensstoff auseinandersetzt - keine Veranlassung für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 100, 101 ZPO.
Streitwert:
Der Verfahrenswert wird für alle Verfahrensbeteiligten auch hinsichtlich des Freigabeverfahrens einheitlich jeweils auf 50.000,00 EUR festgesetzt.
LG Bonn:
Beschluss v. 04.02.2004
Az: 16 O 66/03
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