Bundespatentgericht:
Urteil vom 20. Februar 2001
Aktenzeichen: 4 Ni 11/00

(BPatG: Urteil v. 20.02.2001, Az.: 4 Ni 11/00)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 29.000,00 vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 135 755 (Streitpatent), das am 8. August 1984 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung 33 31 162 vom 30. August 1983 angemeldet worden ist. Das in der Verfahrenssprache Deutsch veröffentlichte Streitpatent, das beim Deutschen Patentamt unter der Nummer 34 62 303 geführt wird, betrifft einen Schaft für eine Hüftgelenkprothese. Es umfaßt 10 Ansprüche, von denen Patentanspruch 1 (ohne Bezugszeichen) folgenden Wortlaut hat:

"Kragenlose Femurkomponente einer Hüftgelenkprothese mit einem geraden vom distalen Ende her sich allseitig konisch erweiternden Schaft, wobei der proximale Teil des Schaftes eine, von einer in der proximalen Hälfte des Schaftes liegenden Unstetigkeit ausgehende, nach proximal gerichtete zusätzliche konische Erweiterung der nach anterior bzw posterior gerichteten Seiten des Schaftes aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß der proximale Teil des blattartigen Schaftes eine, von der lateralen Seite gegen die mediale Seite des Schaftes hin mindestens im Höhenbereich (H) proximal der Unstetigkeit sich erstreckende konische Verjüngung aufweist und daß der Höhenbereich (H) der nach anterior bzw posterior gerichteten Blattseiten proximal der Unstetigkeit mit rillenartigen Vertiefungen versehen ist."

Wegen der unmittelbar und mittelbar auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen angegriffenen Patentansprüche 2 sowie 5 bis 10 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Mit der Behauptung, die Lehre des Streitpatents sei nicht neu bzw beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, verfolgt die Klägerin das Ziel, das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Ansprüche 1, 2 sowie 5 bis 10 für nichtig zu erklären. Zur Begründung beruft sie sich auf folgende Druckschriften:

1. US 2 719 522 im folgenden NK2 genannt 2. US 2 781 758 im folgenden NK3 genannt 3. EP 0 058 745 A1 im folgenden NK4 genannt 4. EP 0 093 378 A1 im folgenden NK5 genannt 5. R. Bombelli et R. Mathys, "Cementless isoelastic RM total hip prothesis", Journal of the Royal Society of Medicine, Volume 75, S. 588 - 597 im folgenden NK6 genannt 6. WO 83/02555 im folgenden NK7 genannt Die Klägerin beantragt, das europäische Patent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1 und 2 sowie 5 bis 10 für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist dem Vorbringen der Klägerin entgegengetreten und hält das Streitpatent im angegriffenen Umfang für bestandsfähig.

Gründe

Die Klage, mit der die in Art II § 6 Absatz 1 Nr 1 IntPatÜG, Art 138 Absatz 1 lit a, b und c EPÜ iVm Artikel 54 Abs 1, 2 und Art 56 EPÜ vorgesehenen Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit, der mangelnden Offenbarung und der unzulässigen Erweiterung geltend gemacht werden, ist nicht begründet.

Der Klägerin ist es nicht gelungen, den Senat vom Vorliegen der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe zu überzeugen.

I.

1. Das Streitpatent betrifft eine kragenlose Femurkomponente einer Hüftgelenkprothese mit einem geraden vom distalen Ende her sich allseitig konisch erweiternden Schaft, wobei der proximale Teil des Schaftes eine, von einer in der proximalen Hälfte des Schaftes liegenden Unstetigkeit ausgehende, nach proximal gerichtete zusätzliche konische Erweiterung der nach anterior bzw posterior gerichteten Seiten des Schaftes aufweist.

Die Streitpatentschrift geht als Stand der Technik aus von einer bekannten Hüftgelenk(endo)prothese (US 2 719 522), bei welcher der sich regelmäßig von distal nach proximal erweiternde kegelstumpfförmige Schaft eine zusätzliche konische Erweiterung mit einem annähernd rechteckigen Querschnitt im proximalen Schaftbereich aufweise. Doch ergebe eine derartige, dem proximalen Markraum nur grob angepaßte Außenform keine optimale Verankerung im proximalen Bereich. Daneben habe sich in den letzten Jahren gezeigt, daß sich Hüftgelenkprothesen im Laufe der Zeit setzten, dh tiefer in den Knochen einsänken. Dabei sei wichtig, daß die Prothese sich bei diesem Einsinken sofort wieder verklemme und verkeile. Der im genannten Stand der Technik beschriebene Prothesenschaft ermögliche lediglich eine Wiederverklemmung bei einem axialen Einsinken. Demgegenüber habe sich jedoch gezeigt, daß das Einsinken des Prothesenschafts nicht nur in Richtung seiner Längsachse stattfinde, sondern daß auch ein nach medial gerichtetes Einsinken besonders im proximalen Bereich des Schaftes erfolge. Weiter sei im Stand der Technik ( US 2 781 758) ein Hüftprothesenschaft bekannt, der sich bereits in seiner distalen, unteren Hälfte konisch verbreitere und somit lediglich eine Führungsfunktion übernehme, wodurch ein Absinken im Markraum nicht verhindert werden könne. Konsequenterweise sei diese bekannte Femurkomponente mit einem die dauerhafte Verankerung garantierenden Kragen ausgestattet.

2. Vor diesem Hintergrund formuliert die Streitpatentschrift die Aufgabe, eine Femurkomponente einer Hüftgelenksprothese zu schaffen, welche durch ihre konstruktive Ausgestaltung als Mehrfachkonus eine vorwiegend im proximalen Teil des Schaftes erfolgende Verankerung ermögliche und insbesondere auch für die Setzbewegung des Prothesenschafts in medialer Richtung eine möglichst rasch wirkende neue Fixierung sicherstelle.

3. Patentanspruch 1 beschreibt demgemäß eine kragenlose Femurkomponente einer Hüftgelenkprothese mit folgenden Merkmalen: 1a) Die Femurkomponente hat einen geraden Schaft. 1b) Der Schaft erweitert sich vom distalen Ende her allseitig konisch. 1c) Der proximale Teil des Schafts weist eine nach proximal gerichtete zusätzliche konische Erweiterung der nach anterior bzw posterior gerichteten Seiten des Schafts auf. 1d) Diese konische Erweiterung geht von einer in der proximalen Hälfte des Schafts liegenden Unstetigkeit aus. 2. Der proximale Teil des blattartigen Schaftes weist eine konische Verjüngung auf. 3. Die konische Verjüngung erstreckt sich 3.1 von der lateralen Seite gegen die mediale Seite des Schaftes hin , 3.2 mindestens im Höhenbereich proximal der Unstetigkeit ; 4. der Höhenbereich der nach anterior bzw posterior gerichteten Blattseiten ist proximal der Unstetigkeit mit rillenartigen Vertiefungen versehen.

II.

1.) Der Patentanspruch 1 ist zulässig.

Sein Gegenstand ist in den ursprünglichen Unterlagen offenbart.

Zwar ist der Begriff "kragenlos", wie die Parteien übereinstimmend ausführen, dort nicht expressis verbis enthalten. Daß es sich beim Gegenstand des Streitpatents aber um eine "kragenlose Femurkomponente einer Hüftgelenk(endo)prothese" handelt, ist der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen zweifelsfrei zu entnehmen. Unter einem Kragen versteht der einschlägige Durchschnittsfachmann, das ist hier der mit der Herstellung von Endoprothesen befaßte Techniker, der mit entsprechenden Fachärzten, zum Beispiel dem Orthopäden zusammenarbeitet, einen sich an den Prothesenhals anschließenden flanschartigen Ansatz, der so ausgestaltet ist, daß er sich auf dem bei der Operation entsprechend vorbereiteten Femurknochen abstützen kann. Ein Beispiel eines solchen Kragens ist in NK 6, Fig. 8, unter der Bezeichnung "Auflage" dargestellt. Wie ohne weiteres ersichtlich, besitzt zum Beispiel die in Figur 1 und 2 der ursprünglichen Unterlagen dargestellte Endoprothese keinen derartigen Kragen bzw. Ansatz. Auf Seite 2 im letzten Absatz der Beschreibung dieser Figuren heißt es dazu: "Der sich erweiternde Konus der medialen Schmalseite 13 der Seitenflanken... geht in einen Kreisbogen über, der stufenlos in einen Prothesenhals 6 mündet." Das bedeutet, auch der Beschreibung ist zweifelsfrei entnehmbar, daß am Prothesenhals kein Kragen vorgesehen ist, da ansonsten der stufenlose Übergang nicht möglich wäre.

2.) Der Patentanspruch 1 enthält auch eine ausführbare, hinreichend deutlich und vollständig offenbarte technische Lehre.

Das gilt auch in bezug auf den von der Beklagten beanstandeten Begriff "konische" Erweiterung bzw. "konische" Verjüngung. Zwar mag, wie die Klägerin einwendet, Lexika entnehmbar sein, daß mit "Konus" ein kegel- bzw. kegelstumpfförmiger Körper bezeichnet wird. Das bedeutet indes nicht, daß auch beim Streitpatent nur diese eine Definition maßgebend sein muß.

Bei der Auslegung von Patenten ist nicht am philologisch verstandenen Wortlaut zu haften, sondern auf den technischen Gesamtzusammenhang abzustellen, den der Inhalt der Patentschrift dem angesprochenen Durchschnittsfachmann vermittelt. Entscheidend ist nicht die sprachliche oder logischwissenschaftliche Begriffsabstimmung. Es kommt vielmehr darauf an, wie ein unbefangener, technisch geschulter Leser die in der Patentschrift verwendeten Begriffe versteht. Der allgemeine Sprachgebrauch wie auch der allgemeine technische Sprachgebrauch können zwar Anhaltspunkte für das Verständnis geben und der allgemeine Sprachgebrauch wird den Fachmann auch veranlassen, gegebenenfalls weitere Auslegungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen. Patentschriften stellen jedoch im Hinblick auf die dort gebrauchten Begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon dar, können Begriffe abweichend vom allgemeinen Sprachgebrauch benutzen, so daß letztlich nur der aus der Patentschrift sich ergebende Begriffsinhalt maßgeblich ist (BGH GRUR 1999, 909, 911/12 Spannschraube).

Der Beschreibung, insbesondere Spalte 3, Zeilen 23ff ist eindeutig entnehmbar, wie der Begriff "Konus" in der Streitpatentschrift zu verstehen ist. Es heißt dort: "Der auf diese Weise verbreiterte und verstärkte proximale Bereich des Schaftes 2 bildet im Querschnitt (Fig. 3) ein gleichseitiges Trapez, dessen Ecken abgerundet sind. Von der relativ breiten, lateralen Seite 4 verjüngt sich, symmetrisch zur Mittelebene des Schaftes, der Querschnitt dabei erfindungsgemäß zur medialen Schmalseite 13 hin, so daß die Blattseiten 7 einen dritten Konus bilden". Damit wird dem Fachmann unmißverständlich gesagt, wie beim Gegenstand des Streitpatents ein "Konus" zu verstehen ist. Daß eine solche Definition auch für die beiden weiteren noch genannten Koni gilt ist für den Fachmann selbstverständlich und aus den Figuren sowie der Beschreibung Spalte 3, Zeilen 4 bis 9 sinngemäß zu entnehmen.

Auch der von der Klägerin als unklar bezeichnete Begriff "gerader" Schaft ist nicht zu beanstanden. Dem Fachmann sind gerade und nicht gerade Schäfte geläufig. Wie die Beklagte zutreffend und unwidersprochen ausgeführt hat, ist das charakteristische Merkmal eines "geraden" Schafts dessen Einsetzbarkeit in den linken oder rechten Femur, während ein "nicht gerader" (gebogener) Schaft nur links oder rechts einsetzbar ist. Ein typisches Beispiel für einen nicht geraden Schaft ist aus der Druckschrift NK 5 ersichtlich, während zum Beispiel NK 2 bis in NK 4 gerade Schäfte darstellen.

III.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik patentfähig, d.h. er ist neu, gewerblich anwendbar und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

1.) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu.

Der Gegenstand von Druckschrift NK 5, die auf eine ältere europäische Patentanmeldung mit vor dem Zeitrang des vorliegenden Streitpatents (Priorität 30.8.83) liegender Priorität vom 3.5.82 zurückgeht und mit der Schutz für die BRD begehrt wird, betrifft eine femorale Hüftgelenk(endo)prothese.

Diese Prothese besitzt im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents keinen geraden Schaft (Merkmal 1a), denn er ist, wie den Figuren 2 und 3 ohne weiteres entnehmbar, leicht S-förmig gekrümmt. Außerdem ist dort keine konische Verjüngung gemäß Merkmal 2 und 3 vorhanden, wie insbesondere aus der Figur 4 ersichtlich ist. Bildet man dort nämlich hilfsweise eine umhüllende Linie über die Endpunkte der Rippen, so ergibt sich eine "Verjüngung" des Querschnitts allenfalls in Richtung der dort dargestellten Einzelrippe 16. Diese Einzelrippe 16 liegt indes, wie den Figuren 1 bis 3 und den Ansprüchen 2 und 3 zu entnehmen ist, auf der lateralen Prothesenseite. Somit ist hier die Querschnittsform genau umgekehrt ausgebildet, die Verjüngung verläuft von medial nach lateral und nicht wie beim Gegenstand des Streitpatents von lateral nach medial (vergl insbes. Figur 3).

Die Neuheit ist aber auch gegenüber dem vorveröffentlichten Stand der Technik gegeben. Ist beim Gegenstand von NK 2 schon fraglich, ob diese Prothese überhaupt als kragenlos bezeichnet werden kann, da die Figuren 1 bis 3 einen kleinen Ansatz erkennen lassen, der auf einem Femurknochenteil aufliegt, so steht jedenfalls fest, daß diese Prothese Merkmal 4 nicht aufweist. Die hier vorgesehenen Rillen in der proximalen zusätzlichen Erweiterung liegen an der lateralen und medialen Seite und nicht an der anterior und posterior gelegenen Blattseite wie beim Gegenstand des Anspruchs 1.

Die noch genannten Druckschriften NK3, 4 und 6 betreffen Prothesen mit Kragen. So ist in NK 3 Spalte 1, Zeile 60ff in Verbindung mit den Figuren ausdrücklich ausgeführt, daß das Zwischenstück 3 auf dem resektierten Teil des Femurs aufliegt und Kräfte dorthin überträgt, also wie ein Kragen wirkt. Figur 1 und 2 von NK 4 zeigen an der Position 12 jeweils ein in der Beschreibung Seite 3, Zeile 21 bis 24 als kragenartiger Ansatz bezeichnetes Element.

Die in Figur 8 auf Seite 590 von NK6 dargestellte Prothese besitzt einen dort als Auflage bezeichneten Kragen.

Die Prothese nach NK 7 hat in einer Ausgestaltung nach Figur 15 zwar keinen Kragen, sie unterscheidet sich aber vom Gegenstand des Anspruchs 1 dadurch grundsätzlich, daß hier keine konische Verjüngung im proximalen Schaftteil von lateral nach medial entsprechend den Merkmalen 2 und 3 vorhanden ist.

2.) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Druckschrift NK 5 bleibt hier außer Betracht.

Aus der Druckschrift NK 2 ist eine Hüftgelenkendoprothese nach den Merkmalen 1a bis 1d des Anspruchs 1 bekannt, wie dies auch in der Beschreibung der Streitpatentschrift Sp.1, Zeile 13 bis 15 dargestellt ist. Diese Femurkomponente hat einen geraden Schaft (Merkmal 1a), vergl. Figuren 1 bis 3. Außerdem erweitert sich der Schaft gemäß den genannten Figuren vom distalen Ende her allseitig konisch (Merkmal 1b) und der proximale Teil des Schafts weist eine nach proximal gerichtete zusätzliche konische Erweiterung der nach anterior bzw. posterior gerichteten Seiten des Schafts auf (Teil des Schafts der zwischen den Schnittlinien 55 und 66 liegt) (Merkmal 1c). Diese konische Erweiterung geht von einer in der proximalen Hälfte des Schafts gelegenen Unstetigkeit aus (Beginn der Unstetigkeit an der Linie 66) (Merkmal 1d).

Bei dieser bekannten Prothese wird als nachteilig angesehen, daß sie keine optimale Verankerung ermöglicht, weil es bei unvermeidbaren Setzbewegungen in Richtung der Längsachse und in medialer Richtung zu einer Lockerung der Prothese kommt, und dabei auftretende Mikrobewegungen an der Grenzfläche zwischen Prothese und Knochen einen Knochenabbau verursachen.

Hier setzt die Lehre der Erfindung ein und gibt einen Aufbau an, der bei einem Nachgeben der Prothese in die genannten Richtungen sofort wieder zu einem Verkeilen und damit zu einer Verfestigung der Prothese führt. Dies geschieht mit den Merkmalen 2 bis 4, für die es in NK 2 keine Anregungen gibt. Denn der proximale Teil des Schafts 14 der bekannten Prothese weist keine konische Verjüngung auf. Er ist, wie aus der Querschnittsdarstellung gemäß Figur 5 ersichtlich, über seinen gesamten Querschnitt gleich breit. Er weist auch keine rillenartigen Vertiefungen an den anterior bzw. posterior gerichteten Blattseiten auf. Diese sind dort vielmehr an der lateralen und medialen Seite angebracht. Es ist damit nichts erkennbar, was den Fachmann auf die Idee hätte bringen können, die Maßnahmen nach Merkmal 2 bis 4 zu ergreifen.

Das gilt auch für den Gegenstand nach NK 3, der so aufgebaut ist, daß Kräfte vor allem über den Kragen aufgenommen und weitergeleitet werden (Spalte 1, Zeile 60ff). Andere Krafteinleitungen, Probleme bei Setzbewegungen oder dergleichen sind in dieser Druckschrift nicht angesprochen, so daß hiervon ebenfalls keine Anregungen ausgehen konnten, den Kragen wegzulassen und zugleich den Schaft so wie im Patentanspruch 1 auszubilden, also zum Beispiel die in NK 3 angedeutete zusätzliche konische Erweiterung in die proximale Hälfte zu verlegen und im Höhenbereich der Unstetigkeit anterior und posterior rillenartige Vertiefungen anzubringen.

Die Prothese nach der Druckschrift NK 4 weist zwar rillenartige Vertiefungen auf. Da diese aber über die gesamten anterior und posterior gerichteten Blattseiten verteilt sind, konnte diese Schrift ebenfalls nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 führen. Das gilt um so mehr, als hier die Prothese insgesamt ganz anders aufgebaut ist. Sie besitzt einen Kragen, keine zusätzliche Erweiterung in der proximalen Hälfte und keine Querschnittsverjüngung im Sinne von Merkmal 2 und 3 des Patentanspruchs 1.

Die Prothese nach NK 6, Seite 590, Figur 8 unterscheidet sich vom Gegenstand des Anspruchs 1 schon durch einen Kragen (Auflage). Entgegen der Ansicht der Klägerin ist dieser Figur weder eine nach proximal gerichtete zusätzliche konische Erweiterung der nach anterior bzw. posterior gerichteten Seiten des Schafts entnehmbar noch rillenartige Vertiefungen im Sinne des Gegenstands des Anspruchs 1. Es ist dort, deutlich ersichtlich, von einer "strukturierten Oberfläche" die Rede, die wie grundsätzlich bekannt, aus unregelmäßig angeordneten Erhöhungen und Vertiefungen besteht. Rillenartige Vertiefungen sind dort nicht dargestellt. Diese können auch, entgegen der Auffassung der Klägerin, nicht aus der oberen, rechts neben der Prothese dargestellten Schnittfigur hergeleitet werden. Denn die dort links und rechts dargestellten Einbuchtungen stellen Schnitte durch die genannten Erhöhungen und Vertiefungen dar. Des weiteren ist zumindest fraglich, ob der genannten Schnittfigur ein mit den Merkmalen 2 und 3 des Anspruchs 1 vergleichbarer Aufbau entnommen werden kann, da nicht angegeben ist an welcher Stelle des Prothesenschafts der Schnitt gelegt ist.

Jedenfalls kann nach der Überzeugung des Senats ohne besondere Beschreibung der Schnittfiguren in NK 6 der Fachmann nicht zu den Merkmalen 2 bis 4 gelangen. Das wäre, wenn überhaupt, nur durch eine unzulässige expost Betrachtung möglich.

Damit erhielt der Fachmann auch aus der Entgegenhaltung NK 6 keine Anregungen die ihn zum Gegenstand des Anspruchs 1 hätten führen können.

Die Prothese nach NK 7 regte auch in der (zur Neuheit bereits erörterten Ausführungsform ohne Kragen nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 an. Diese Ausführungsform legt es in keiner Weise nahe, den proximalen Teil des Schafts von der lateralen zur medialen Seite hin mit einer konischen Verjüngung zu versehen, schon deshalb nicht, weil dieser proximale Teil der Prothese von NK 7 ganz anders aufgebaut ist. Er besteht nämlich aus einer eigenen Hülse (z.B. 144 in Figur 16), die vor dem Einsetzen des eigentlichen Prothesenkörpers (z.B. nach Figur 17) im Femurknochen fixiert wird und die zudem kreisförmigen Querschnitt aufweist. Auch die auf Seite 29 (Z.27 - 30) noch erwähnte elliptische Querschnittsform vermochte nicht zu einer von lateral nach medial gerichteten Verjüngung anzuregen, da jeglicher Hinweis auf eine irgendwie geartete andere Form fehlt.

Es führte auch, entgegen der Ansicht der Klägerin, keine Kombination von Druckschriften des vorveröffentlichten Standes der Technik zum Gegenstand des Anspruchs 1, weil z.B. keine der Druckschriften einen Schaft aufweist, der eine konische Verjüngung von der lateralen zur medialen Seite einer im proximalen Teil des Schafts liegenden zusätzlichen konischen Erweiterung der nach anterior bzw. posterior gerichteten Schaftseiten aufweist und somit logischerweise auch vom Stand der Technik keine Anregungen für eine solche Ausbildung ausgehen konnten.

Der Patentanspruch 1 hat nach alledem Bestand.

IV.

Die auf Anspruch 1 rückbezogenen und ebenfalls angegriffenen Unteransprüche 2 und 5 bis 10 betreffen zweckmäßige Ausgestaltungen und haben daher ebenfalls Bestand.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 Satz 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 ZPO.

Dr. Schwendy Klosterhuber Haaß

Dr. Kraus Müllner Pr






BPatG:
Urteil v. 20.02.2001
Az: 4 Ni 11/00


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/9d23a54c7a63/BPatG_Urteil_vom_20-Februar-2001_Az_4-Ni-11-00




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share