Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Mai 2004
Aktenzeichen: 9 W (pat) 37/04
(BPatG: Beschluss v. 05.05.2004, Az.: 9 W (pat) 37/04)
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 19. November 2003 aufgehoben und dem Anmelder Verfahrenskostenhilfe für das Erteilungsverfahren bewilligt.
2. Der Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenshilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Mit Bescheid vom 13. Februar 2003 hat das Deutsche Patent- und Markenamt dem Anmelder mitgeteilt, dass keine Aussicht auf Erteilung des Patents bestehe und daher auch keine Verfahrenskostenhilfe gewährt werden könne. Mit Beschluss vom 19. November 2003 wurde dann der Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenkostenhilfe unter Bezugnahme auf die Gründe dieses Bescheides zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Anmelders.
Er beantragt (sinngemäß), unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses Verfahrenskostenhilfe für das Erteilungs- und Beschwerdeverfahren zu gewähren.
Er ist der Auffassung, dass die vorgelegten Unterlagen eine Erteilung des Patents rechtfertigen, da das angemeldete Verfahren nach einem anderen Prinzip arbeite als die aus dem Stand der Technik bekannten Verfahren.
II.
1. Die Beschwerde des Anmelders gegen die Verweigerung der Verfahrenskostenhilfe für das Patenterteilungsverfahren ist zulässig.
Wie der Senat bereits wiederholt entschieden hat, ist die Entrichtung einer Beschwerdegebühr nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels. Eine Beschwerdegebühr, deren rechtzeitige Entrichtung innerhalb eines Monats nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses grundsätzlich Voraussetzung für die Zulässigkeit ist, fällt bei Beschwerden gegen die Verweigerung von Verfahrenskostenhilfe nicht an (GRUR 2003, 87, 88 - Gebührenfreie Verfahrenskostenhilfebeschwerde). Von dieser Rechtsprechung abzuweichen, sieht der Senat keinen Anlass.
2. Die mithin zulässige Beschwerde ist begründet. Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Anmelders rechtfertigen laut Feststellung des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 30. Januar 2003, der der erkennende Senat zustimmt, die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe. Nach § 130 Abs 1 Satz 1 PatG ist eine weitere Voraussetzung für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe, dass eine hinreichende Aussicht auf Erteilung des Patents besteht. Diese Erfolgsaussicht ist hier gegeben.
Bei der Prüfung der Anmeldung entsprechend dem Erfordernis hinreichender Aussicht auf Patenterteilung ist der gesamte Anmeldungsgegenstand auch hinsichtlich der verschiedenen erkennbaren alternativen Ausführungsformen mit dem vorläufig ermittelten Stand der Technik zu vergleichen. Ein Vergleich allein der Patentansprüche mit diesem reicht somit nicht aus. Vielmehr ist es für die hinreichende Aussicht auf Patenterteilung ausreichend, wenn eine der verschiedenen in der Anmeldung angegebenen alternativen Ausführungsformen dem zuständigen Fachmann durch den Stand der Technik nicht nahegelegt wird. Als Fachmann ist hier ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau anzunehmen, der über Erfahrung im Bereich der Rohrleitungstechnik verfügt.
Die Anmeldung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Rohrverbindungen mittels Explosivumformung. Durch die Explosivwirkung des Sprengstoffs wird ein Verbindungswerkstück 5, zB eine Rohrmuffe oder ein Rohrfitting, auf die Enden 2 der zu verbindenden Rohre aufgepresst (Patentanspruch "1"). Zur Herstellung der Verbindung befinden sich die Rohrenden 2 in dem Verbindungswerkstück 5, das seinerseits von einem Gegendruckkörper 1 umgeben ist. Zwischen der Außenseite des Verbindungswerkstücks und der Innenseite des Gegendruckkörpers befindet sich ein Spalt, der an beiden Enden durch eine Abdichtung 7 verschlossen sein kann. In die Innenseite des Gegendruckkörpers können Nuten eingelassen sein. Der Sprengstoff kann entweder im Spalt zwischen dem Gegendruckkörper und dem Verbindungswerkstück (Fig 3, 4) oder in den Nuten im Gegendruckkörper (Fig 1, 2) angeordnet sein. Durch Zündung des Sprengstoffs wird das Verbindungswerkstück nach innen verformt und auf die Rohrenden gepresst, wie einem Vergleich der Fig 2 mit Fig 1 und der Fig 4 mit Fig 3 ohne weiteres zu entnehmen ist. Die Darstellungen in den Figuren zeigen dem Fachmann, dass danach im wesentlichen eine reibschlüssige Verbindung vorliegt. Eine gezielte Verformung der beiden Rohrwände nach innen ist jedenfalls nicht beabsichtigt, da in der Rohrleitung im Bereich der Rohrenden kein Gegendruckkörper vorgesehen ist, an den sich die Rohrwände anlegen könnten.
Nach einer summarischen Prüfung ist dieses Herstellungsverfahren einer Rohrverbindung nicht ohne weiteres dem angeführten Stand der Technik zu entnehmen.
Beim Herstellungsverfahren der Rohrverbindung nach der DD-PS 53 476 und der DE-PS 1 062 160 ist der Sprengstoff jeweils innerhalb der Rohrleitungsenden angeordnet (vgl Fig 4 der DD-PS 53 476 und Fig 1 der DE-PS 1 062 160). Durch Zünden des Sprengstoffes werden die Rohrleitungsenden zusammen mit der diese umgebenden Muffe nach außen ausgebaucht. In Umkehrung dieser Verhältnisse den Sprengstoff außen auf den Rohrleitungsenden vorzusehen und die Verbindung durch Einbeulen nach innen herzustellen liegt für den Fachmann nicht auf der Hand, da ihm dann die Mittel zum Verdämmen des Sprengstoffes fehlen würden.
Die DE 2 408 801 A1 zeigt eine gegenüber dem angemeldeten Verfahren abweichende Lösung. Nach Fig 1 dieser Schrift sind die Rohrleitungsenden 20a, 20b außen von einer Hülse 21 umgeben. In der Hülse und in den Rohrleitungsenden sind Vertiefungen angebracht, in deren Bereich von Verbindungselementen 22 umgebene Explosivelemente 23 angeordnet sind. Durch das Zünden der Explosivelemente weiten sich die Verbindungselemente auf und legen sich in den Vertiefungen der Hülse und der Rohrenden an. Somit wird die Rohrleitungsverbindung in formschlüssiger Weise durch zusätzlich vorgesehene Verbindungselemente hergestellt, die bei der Anmeldung nicht erforderlich sind.
3. Der Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für das gegen die Verweigerung von Verfahrenskostenhilfe gerichtete Beschwerdeverfahren ist schon mangels gesetzlicher Grundlage unstatthaft und daher unzulässig.
Der Gesetzgeber sieht gemäß § 129 PatG Verfahrenskostenhilfe nur für die im §§ 130 bis 138 PatG abschließend aufgeführten Verfahren vor. Dies ist unter anderem das Erteilungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt und das Beschwerdeverfahren im Erteilungsverfahren vor dem BPatG, nicht aber das davon zu unterscheidende Verfahren auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfefür dieses Erteilungsverfahren (BPatGE 43, 187, 191 - Luftfilter; GRUR 2003, 87, 88 - Gebührenfreie Verfahrenskostenhilfebeschwerde).
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BPatG:
Beschluss v. 05.05.2004
Az: 9 W (pat) 37/04
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