Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 1. Dezember 2000
Aktenzeichen: 16 Wx 153/00
(OLG Köln: Beschluss v. 01.12.2000, Az.: 16 Wx 153/00)
Tenor
Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 8 T 112/00 - dahingehend abgeändert, dass die au-ßergerichtlichen Kosten der Antragsgegner erster Instanz den Antragstellern auferlegt werden. Das weitergehende Rechtsmittel wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens haben die Antragsteller zu 26 % und die Antragsgegner zu 74 % zu tragen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten für die dritte Instanz wird nicht angeordnet. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 1.087,58 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller haben gegen die Antragsgegner zunächst im
Mahnverfahren einen Anspruch auf Zahlung einer Nachzahlung von
2.190,09 DM zuzüglich Zinsen und Mahnkosten aus der am 17.03.1999
beschlossenen Jahresabrechnung für 1998 geltend gemacht. Nach
Eingang der Anspruchsbegründung hat das Amtsgericht diese mit einer
am 03.03.2000 den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner
zugestellten Verfügung zur Stellungnahme binnen drei Wochen
übermittelt. Nachdem innerhalb der gesetzten Frist keine Àußerung
der Antragsgegner eingegangen war, hat das Amtsgericht mit
Beschluss vom 29.03.2000 dem Antrag entsprochen. Mit ihrer
hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde haben die Antragsgegner
sich unter Vorlage des Kaufvertrags und eines Grundbuchauszuges
darauf berufen, dass sie ihre Wohnung am 25.02.1997 verkauft hätten
und der Eigentumswechsel bereits am 10.06.1997 im Grundbuch
eingetragen worden sei. Daraufhin haben die Antragsgegner auf
Anraten der Kammer in der mündlichen Verhandlung ihren Antrag in
der Hauptsache zurückgenommen und das Landgericht hat mit Beschluss
vom 06.09.2000 die Gerichtskosten des Verfahrens der ersten Instanz
den Antragstellern und diejenigen des Beschwerdeverfahrens den
Antragsgegnern auferlegt. Von einer Anordnung der Erstattung
außergerichtlicher Kosten hat es abgesehen. Mit der hiergegen
eingelegten sofortigen weiteren Beschwerde wenden sich die
Antragsgegner gegen die Belastung mit den Gerichtskosten zweiter
Instanz und gegen die fehlende Anordnung zur Erstattung
außergerichtlicher Kosten.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere
Beschwerde gegen die erstmalige isolierte Kostenentscheidung des
Landgerichts ist gem. den §§ 20 a Abs. 2, 27 Abs. 2, 29 FGG, § 45
Abs. 1 WEG zulässig. Der Wert der Beschwer in der Hauptsache der
Antragsgegner hätte mehr als 1.500,00 DM betragen. Ihre
Kostenbeschwer beläuft sich auf mehr als 200,00 DM.
Bei einem Wert bis 4.000,00 DM beträgt eine volle Gebühr nach §
48 Abs. 1 S. 1 WEG i. V. m. § 32 KostO 35,00 DM. Infolge der
Rücknahme ermäßigt sich diese Gebühr gem. § 48 Abs. 1 S. 2 i. V. m.
Abs. 4 auf die Hälfte, also auf 17,50 DM. Hinzu kommen 11,00 DM
Zustellkosten, insgesamt also 28,50 DM
Die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner sind für die
erste Instanz relativ gering, da nur eine Verfahrensgebühr nach
einem Wert bis 2.400,00 DM entstanden ist. Unter Einbeziehung des
Mehrvertretungszuschlags gem. § 6 BRAGO wurde ein Betrag von 285,94
DM errechnet. Dagegen sind für die zweite Instanz wegen der
zusätzlichen Erörterungsgebühr und der Mehrkosten gem. den §§ 33
Abs. 3, 53 BRAGO wegen der Beauftragung von Unterbevollmächtigten
für die Vertretung der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung
relativ hohe Kosten von 773,14 DM entstanden. Unter Einbeziehung
der Gerichtskosten errechnet sich somit eine Beschwer von 976,60
DM.
III.
In der Sache hat die Rechtsbeschwerde nur einen Teilerfolg. Den
Antragsgegnern sind die in erster Instanz entstandenen
außergerichtlichen Kosten gem. § 47 S. 2 WEG zu erstatten. Im
übrigen enthält die angefochtene Entscheidung keine Rechtsfehler zu
Lasten der Antragsgegner.
Bei der Kostenentscheidung des Landgerichts handelt es sich um
eine Ermessensentscheidung. Derartige Entscheidungen dürfen durch
das Rechtsbeschwerdegericht nur auf ihre Gesetzmäßigkeit überprüft
werden, nämlich darauf, ob von ungenügenden oder verfahrenswidrig
zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen, wesentliche
Umstände außer Betracht gelassen oder gegen Denkgesetze oder
allgemeine Verfahrenssätze verstoßen wurde oder ob der Tatrichter
von seinem Ermessen einen dem Sinn und Zweck des Gesetzes
zuwiderlaufenden oder die Grenzen des eingeräumten Ermessens
überschreitenden und damit rechtlich fehlerhaften Gebrauch gemacht
hat. Liegen derartige Ermessensfehler vor, ist das
Rechtsbeschwerdegericht befugt, die Kostenentscheidung zu ändern
und kann dabei auch neu vorgetragene Tatsachen berücksichtigen,
soweit sie keine weiteren Ermittlungen erforderlich machen. (vgl.
Merle in Bärmann/Pick/Merle, WEG 8. Auflage, § 47 Rdn. 57 m.
weiteren Nachweisen).
1.
Gemessen an diesen Maßstäben war es ermessensfehlerhaft wegen
der ersten Instanz von einer Kostenerstattungsanordnung
abzusehen.
Das Landgericht geht zwar in rechtlicher Hinsicht zutreffend
davon aus, dass wegen des Ausscheidens der Antragsgegner aus der
Eigentümergemeinschaft vor Rechtshängigkeit und der damit fehlenden
Zuständigkeit der WEG-Gerichte, die sich erst in zweiter Instanz
herausgestellt hat, nach Rücknahme des Antrags wegen der Kosten §
47 WEG anzuwenden ist. Ferner nimmt es mit Recht an, dass nach § 47
S. 2 WEG die Erstattung außergerichtlicher Kosten nur ausnahmsweise
erfolgen kann und hierfür eine Antragsrücknahme noch nicht
ausreicht (Senat in st. Rspr. z. B. ZMR 2000, 485; ZMR 1999, 786 =
NZM 1999, 855). Es hat indes nicht bedacht, dass vorliegend eine
atypische Situation besteht. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass
das WEG-Verfahren zu Unrecht gewählt wurde. In einem derartigen
Fall können die Antragsteller kostenmäßig nicht günstiger gestellt
werden als bei der Wahl der zutreffenden Verfahrensart, und ihnen
sind alle Kosten einschließlich der außergerichtlichen Kosten der
Antragsgegner dann aufzuerlegen, wenn sie ihnen im streitigen
Verfahren nach den §§ 91 ff. ZPO aufzuerlegen gewesen wären (Senat
OLGR Köln 1996, 55). Hinzu kommt, dass Verfahrensgegenstand ein
Wohngeldanspruch war, also ein Fall vorliegt, in dem ohnehin wegen
der Erstattung außergerichtlicher Kosten regelmäßig
zivilprozessuale Grundsätze entsprechend gelten (vgl. z. B. Senat
OLGR Köln 1999, 61 = NZM 1999, 1155 [LS] mit weiteren
Nachweisen).
In einem Zivilprozess wären den Antragsgegnern die Kosten zu
erstatten gewesen, da der Antrag unbegründet war. Es liegt auf der
Hand, dass bereits im Jahre 1997 aus der Gemeinschaft
ausgeschiedene Wohnungseigentümer nicht für Kosten haften, die erst
im Jahre 1998 entstanden sind. Dies haben die Antragsteller selbst
nicht anders gesehen, indem sie sich bereits mit Schriftsatz vom
25.08.2000, also bereits vor der mündlichen Verhandlung des
Landgerichts nur noch mit der Kostenlast befasst und ausgeführt
haben, wenn die Antragsgegner nach der Einladung zu der
Eigentümerversammlung vom 17.03.1998 auf ihr Ausscheiden
hingewiesen hätten, wäre ein gerichtliches Verfahren nicht
notwendig gewesen. Eine Pflicht der Antragsgegner, den Verwalter
einer Eigentümergemeinschaft, mit der sie bereits seit Mitte 1997
nichts mehr zu tun hatten, darauf hinzuweisen, dass die Einladung
wohl irrtümlich erfolgt sein müsse, bestand indes nicht.
2.
Dagegen war es ermessensfehlerfrei, den Antragsgegnern in
entsprechender Anwendung des § 97 Abs. 2 ZPO die Gerichtskosten des
Verfahrens der Erstbeschwerde aufzuerlegen.
Gegen die Anwendbarkeit des Rechtsgedankens des § 97 Abs. 2 ZPO
im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 47 S. 1 oder S. 2 WEG
bestehen in rechtlicher Hinsicht trotz der Amtsermittlungspflicht
des Gerichts keine Bedenken; denn im WEG-Verfahren als echtem
Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit obliegt es den
Beteiligten durch die Darlegung des ihnen bekannten Sachverhalts
und Angabe der ihnen bekannten Beweismittel dem Gericht
Anhaltspunkte dafür zu liefern, in welcher Richtung es den
Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht zu überprüfen und ggfls. die
Sache weiter aufzuklären hat (vgl. hierzu Merle in
Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 44 Rdn. 7 mit weiteren Nachweisen).
Insbesondere gilt dies in dem hier gegebenen Fall der
Geltendmachung eines Wohngeldanspruchs, bei dem sich die
Beteiligten praktisch wie zwei Parteien eines Zivilprozesses
gegenüber stehen.
Fehler bei der Anwendung des Rechtsgedankens des § 97 Abs. 2 ZPO
auf den vorliegenden Sachverhalt lassen sich ebenfalls nicht
feststellen. Hierbei kann es offen bleiben, ob die Voraussetzungen
für eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch das
Amtsgericht vorlagen, was zweifelhaft ist; denn die Verfahrensweise
des Amtsgericht beruht zwar offensichtlich darauf, dass es wegen
der fehlenden Begründung des Widerspruchs gegen den Mahnbescheid
und der fehlenden Stellungnahme innerhalb der gesetzten
Àußerungsfrist zu der Óberzeugung gelangt war, dass es sich bei den
Antragsgegnern um "säumige Schuldner" handelte und es daher geboten
war, den Antragstellern möglichst schnell zu einem Titel zu
verhelfen. Indes ist die Verfahrensweise des Amtsgerichts deshalb
bedenklich, weil kein Hinweis darauf erfolgt ist, dass bei einer
fehlenden Àußerung innerhalb der gesetzten Frist ggfls. eine
Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen werde (vgl. hierzu
BGH NJW 1998, 3713 = NZM 1998, 78; Merle in Bärmann/Pick/Merle,
a.a.O. § 44 Rdn. 21). Auch § 275 ZPO (Anordnung des schriftlichen
Vorverfahrens), an den sich die Verfahrensweise des Amtsgerichts
ersichtlich anlehnt, sieht in Abs. 2 eine Belehrung über die Folgen
der Versäumung der Notfrist zur Anzeige der Verteidigungsabsicht
vor. All dies ändert indes nichts daran, dass die Antragsgegner
innerhalb der gesetzten Frist von drei Wochen, die durchaus
großzügig bemessen war, da die Antragsgegner bereits im
Mahnverfahren einen Anwalt mit ihrer Vertretung beauftragt hatten,
bei sorgfältiger und auf Förderung des Verfahrens bedachter
Verfahrensführung (vgl. zu diesen Kriterien Zöller/Herget, ZPO 21.
Auflage, § 97 Rdn. 7), sich ohne weiteres auf ein Ausscheiden aus
der Eigentümergemeinschaft bereits im Jahre 1997 hätten berufen
können. Hierfür hätten, falls ihr Verfahrensbevollmächtigter noch
nicht über die einschlägigen Unterlagen und genauen Daten verfügte,
ggfls. vorab einige wenige Sätze ausgereicht.
3.
Wegen der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner im
Verfahren der Erstbeschwerde war es im Ergebnis richtig, dass das
Amtsgericht trotz des den Besonderheiten des vorliegenden
Verfahrens nicht gerecht werdenden Ansatzes (vgl. oben Ziff. 1.)
von einer Erstattungsanordnung abgesehen hat. Beide Beteiligte
haben insoweit zur Entstehung von Gebührentatbeständen bei ihren
Verfahrensbevollmächtigten beigetragen, nämlich die Antragsgegner
infolge der fehlenden Àußerung innerhalb der vom Amtsgericht
gesetzten Àußerungsfrist den Anfall der Verfahrensgebühr und die
Antragsteller dadurch, dass sie trotz der von ihnen erkannten
offensichtlichen Unbegründetheit ihres Begehrens nicht innerhalb
der vom Landgericht mit Verfügung vom 23.05.2000 gesetzten
Àußerungsfrist von drei Wochen sofort prozessuale Konsequenzen
gezogen haben, den Anfall von zusätzlichen Kosten infolge der
anschließenden Terminierung der Sache durch das Landgericht und die
Erörterung der Sache mündlichen Verhandlung. Bei dieser Sachlage
sieht der Senat, der auch in diesem Punkt aus den zu Ziff. 1.
genannten Gründen selbst sein Ermessen auszuüben hat, keinen Anlass
für die Anordnung einer Kostenerstattung.
4.
Wegen der Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens waren die
Gerichtskosten entsprechend dem Verhältnis des Obsiegens zum
Unterliegen zu verteilen; für eine Anordnung zur Erstattung
außergerichtlicher Kosten ist auch für diese Instanz kein Raum.
Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 48 Abs. 3
WEG.
OLG Köln:
Beschluss v. 01.12.2000
Az: 16 Wx 153/00
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