Kammergericht:
Urteil vom 28. Oktober 2003
Aktenzeichen: 5 U 239/03

(KG: Urteil v. 28.10.2003, Az.: 5 U 239/03)

Tenor

Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 27. Juni 2003 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 103 des Landgerichts Berlin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe

Die Antragstellerin gibt "..." (t) heraus. Die Antragsgegnerin verlegt die Tageszeitung "... T". Sie gehörte ursprünglich zur H Gruppe, die den B Verlag übernehmen will, der u. a. die "B" herausgibt. Die H-Gruppe bemühte sich beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, eine "Ministererlaubnis" für die geplante Übernahme zu erhalten. Zu diesem Antrag äußerte sich u. a. auch die Antragstellerin dem Ministerium gegenüber (Anlage 3 zur Antragsschrift).

Am 3. April 2003 veröffentlichte "... T" auf der Medienseite folgenden

An dieser Stelle folgt im Original eine Zeitungskopie, die hier nicht abgebildet wird.

Die Antragstellerin hat deshalb die einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin € 15 O 209/03 € vom 8. April 2003 erwirkt, derzufolge der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt worden ist, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs wörtlich oder sinngemäß zu verbreiten: das Schreiben von t-Mitarbeitern wie folgt: "... der 'Süddeutschen Zeitung' entnehmen wir, dass die "t" konkrete Sparmaßnahmen für den T empfohlen hat, die unter anderem die Kündigung bestimmter Kollegen oder zumindest geringere Bezüge nahe legen und die Kürzung des Redaktionsetats beinhalten. Wir halten das für eine beispiellose Form mangelnder Solidarität mit Kolleginnen und Kollegen, deren Zeitung sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet, und zwar ungeachtet der Frage, ob man das geplante Stiftungsmodell befürwortet oder nicht. Von den Vorschlägen möchten wir uns deshalb ausdrücklich distanzieren. Dieser Brief ist auch in's Intranet unserer Zeitung gestellt worden", wie im T vom 3. April 2003, S. 34, geschehen.

Mit Schriftsatz vom 26. Juni 2003 kündigte die Antragstellerin den Antrag an, die einstweilige Verfügung zu bestätigen. Hilfsweise formulierte sie einen Antrag, der sich von dem Tenor der einstweiligen Verfügung dadurch unterscheidet, dass die Worte "im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs" entfallen und der Antrag ergänzt wird durch die Worte "... und dazu zu behaupten, den Brief hätten 9 t-Redakteure unterzeichnet".

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gemäß diesem Urteil ist die einstweilige Verfügung aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen worden.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Berufung. Sie beantragt,

der Antragsgegnerin wird untersagt unter Aufhebung des abweisenden Urteils des Landgerichts Berlin vom 27.06.03 bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollstrecken für die Antragsgegnerin an einem der Geschäftsführer der Antragsgegnerin, es künftig zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß zu verbreiten,

das Schreiben von t-Mitarbeitern wie folgt: "... der 'Süddeutschen Zeitung' entnehmen wir, dass die "t" konkrete Sparmaßnahmen für den T empfohlen hat, die unter anderem die Kündigung bestimmter Kollegen oder zumindest geringere Bezüge nahe legen und die Kürzung des Redaktionsetats beinhalten. Wir halten das für eine beispiellose Form mangelnder Solidarität mit Kolleginnen und Kollegen, deren Zeitung sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet, und zwar ungeachtet der Frage, ob man das geplante Stiftungsmodell befürwortet oder nicht. Von den Vorschlägen möchten wir uns deshalb ausdrücklich distanzieren. Dieser Brief ist auch ins Intranet unserer Zeitung gestellt worden" und dazu zu behaupten, den Brief hätten 9 t-Redakteure unterzeichnet, wie im T vom 3. April 2003, S. 34 geschehen.

Hilfsweise beantragt sie sinngemäß,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen, und zwar mit dem Zusatz "und dazu zu behaupten, den Brief hätten 9 t-Redakteure unterzeichnet, wie im T vom 3. April 2003, S. 34 geschehen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

1)Die Berufung ist zulässig. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin fehlt es nicht an der erforderlichen Beschwer, denn die Antragstellerin verfolgt ihren erstinstanzlich als Hauptantrag gestellten Antrag, die einstweilige Verfügung zu bestätigen, auch in der Berufungsinstanz, wenngleich nur als Hilfsantrag und ergänzt um die Wendung "und dazu zu behaupten, den Brief hätten 9 taz-Redakteure unterzeichnet". Zulässig ist eine Berufung indessen auch dann, wenn der Kläger mit der Berufung (sogar) einen neuen Antrag stellt, aber den bisherigen als Hilfsantrag weiter verfolgt (BGH NJW-RR 1995, 1154). Überdies ist es so, dass die Antragstellerin den vormaligen Hilfsantrag, der ebenfalls zurückgewiesen worden ist, nunmehr als Hauptantrag weiter verfolgt.Die Berufungsbegründung genügt auch den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Danach sind die Umstände zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit ergibt. Insoweit reicht der Verweis auf das erstinstanzliche Vorbringen zwar auch nach neuem Recht nicht aus. Es ist auch nicht zu übersehen, dass sich die Berufungsbegründung schwerpunktmäßig mit der Frage befasst, ob denn nun neun oder nicht nur drei Redakteure das "Solidaritätsschreiben" unterzeichnet haben. Dennoch wird die Berufungsbegründung den zu stellenden Anforderungen, die eher geringer sind als vor der Novellierung (vgl. BGH MDR 2003, 1192 f.) gerecht. Sie enthält etwa die Rüge, dass das Landgericht die Darlegungs- und Beweislast verkannt habe, dass entgegen seiner Auffassung doch auf Seiten der Antragsgegnerin ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs gegeben sei und dass diese einen massiven Vertragsbruch der unterzeichnenden Redakteure ausgenutzt habe.

2)Haupt- und Hilfsantrag sind auch zulässig. Insbesondere ist nicht etwa dadurch, dass die H-Gruppe inzwischen von dem Verfahren auf Erteilung einer Ministererlaubnis Abstand genommen und die von ihr herausgegebene Zeitung verkauft hat, der Verfügungsgrund entfallen. Denn zum einen besteht € wie sich aus Presseveröffentlichungen ergibt € die Möglichkeit, dass das Bundeskartellamt dem vorgenommenen Verkauf unter dem Aspekt eines Strohmanngeschäftes entgegentritt. Zum anderen wird in der Presse auch diskutiert, ob die H-Gruppe eventuell die von der Antragsgegnerin herausgegebene Zeitung wieder übernimmt, etwa wenn das GWB in einer Weise geändert ist, die ein höheres Maß an Pressekonzentration ermöglicht. In beiden Fällen könnte wieder eine Fusion mit dem B in Rede stehen und ein neues kartellrechtliches Verfahren einzuleiten sein, in dem die Aspekte, die zu dem Streit zwischen den Parteien geführt haben, wieder aktuell werden könnten.3)Es besteht jedoch kein Verfügungsgrund, soweit es um den von der Antragstellerin erstmals mit Schriftsatz vom 26. Juni 2003 in das Verfahren eingeführten Zusatz "und dazu zu behaupten, den Brief hätten 9 t-Redakteure unterzeichnet" geht. Diese Beanstandung ist erst ca. zwölf Wochen nach dem Erscheinen des Artikels zum Gegenstand des Antrages gemacht worden, obwohl die Antragstellerin schon fünf Tage nach dem Erscheinen des Artikels den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingereicht hat € und zwar ohne diesen Zusatz. Wie sich aus der Antragsschrift ergibt, war der Antragstellerin schon zu diesem Zeitpunkt bewusst, dass aus ihrer Sicht nicht neun t-Redakteure, sondern allenfalls drei die "Solidaritätsadresse" unterzeichnet hatten. Die Antragstellerin war somit in der Lage, schon zu diesem Zeitpunkt auch diesen Punkt zum Gegenstand ihres Antrags zu machen. Dass sie in der Zwischenzeit neue Erkenntnisse gewonnen hat, ist nicht ersichtlich. Es ist somit davon auszugehen, dass die Antragstellerin diesen Punkt zunächst bewusst nicht zum Gegenstand ihres Rechtsschutzzieles gemacht hat. Diese Entscheidung muss sie gegen sich gelten lassen. Nach der Rechtsprechung des Senats lassen sich keine festen zeitlichen Grenzen ziehen, nach deren Ablauf die Eilbedürftigkeit € das gilt schon für § 25 UWG und erst recht für §§ 935, 940 ZPO € entfällt. Im Regelfall wird es unschädlich sein, wenn nicht mehr als zwei Monate seit Erkenntniserlangung vergangen sind. Entscheidend sind jedoch stets die Umstände des Einzelfalles. Hier ist die Frist von zwei Monaten deutlich überschritten und zudem war das Rechtsschutzziel von der Antragstellerin in der Antragsschrift bereits definiert. Beide Umstände zeigen, dass es der Antragstellerin "nicht so eilig" war, diesen Punkt zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Dem steht auch nicht entgegen, dass sie durch die tatsächlich erlassene einstweilige Verfügung in gewisser Weise gesichert war, denn diese Sicherung betraf den hier interessierenden Punkt gerade nicht. Wie vorstehende Erwägungen zeigen, kommt es hinsichtlich dieses Gesichtspunktes nicht darauf an, ob die für eine Dringlichkeit sprechende Vermutung des § 25 UWG eingreift. Es wäre nicht anders zu entscheiden, wenn dies der Fall wäre; abgesehen davon geht der Senat € wie unten weiter dargelegt wird € davon aus, dass vorliegend die Bestimmungen des UWG keine Anwendung finden.4)Der verbleibende Hauptantrag ist unbegründet, da der Antragstellerin weder ein Anspruch aus § 824 BGB noch aus § 823 Abs. 1 BGB auf Unterlassung zusteht.a)Ein Anspruch aus § 824 BGB scheitert zwar nicht schon daran, dass diese Anspruchsgrundlage wegen eines etwaigen Verstoßes gegen § 1 UWG ausgeschlossen wäre. Denn weder das Recht am Unternehmen im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB noch Wettbewerbstatbestände schließen die Anwendbarkeit des § 824 BGB aus (vgl. Wenzel/Burkhardt), Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rdnr. 242/244). Es ist auch überwiegend wahrscheinlich, dass sich die von der Antragsgegnerin herausgegebene Zeitung die aus dem "Solidaritätsschreiben" hervorgehende Meinungsäußerung von Mitarbeitern der von der Antragstellerin herausgegebenen Zeitung zu eigen macht, zumal da sie diesen Brief nicht etwa als "Leserbrief", sondern € hervorgehoben € auf ihrer Medienseite veröffentlichte. Doch enthält die veröffentlichte "Solidaritätsadresse" keine unwahren Tatsachenbehauptungen. Zutreffend ist der Hinweis, dass die Antragstellerin eine Stellungnahme zu dem Antrag der H-Gruppe auf Ministererlaubnis abgegeben hat. Zutreffend ist ferner, dass diese Stellungnahme € wie aufgrund der Situation naheliegend € eine eventuelle Ministererlaubnis negativ beurteilt. Zutreffend ist ferner der Hinweis darauf, dass über diese Stellungnahme in der Süddeutschen Zeitung berichtet worden ist. Es trifft auch zu, dass die Stellungnahme, soweit sie sich auf die wirtschaftliche Rentabilität der Herausgabe der Tageszeitung "... T" bezieht, Einsparungen im Redaktionsbereich vorschlägt. Schließlich trifft es auch zu, dass € wie sich aus dem abgedruckten Brief ergibt € Mitarbeiter der "t", und zwar jedenfalls auch Redakteure, gegen Teile des in der Stellungnahme enthaltenen "Sanierungsvorschlages" wenden. Bedenklich könnte in diesem Zusammenhang allenfalls sein, dass sich der abgedruckte Brief, schwerpunktmäßig auf den Bereich der Kürzung des Redaktionsetats stützt, der nur einen Teilbereich der Sanierungsvorschläge darstellt. Denn mit ihnen wird weiter vorgeschlagen, die Sonntagsausgabe entfallen zu lassen und überhaupt die von der Antragsgegnerin herausgegebene Zeitung nur als Regionalzeitung zu vertreiben und/oder die Preise zu erhöhen. Die Kürzung des Redaktionsetats stellt also nur einen Teilbereich der "Sanierungsvorschläge" dar, so dass diese in der "Post" in gewisser Weise verkürzt dargestellt werden. Darauf ist indessen mit dem Hinweis "u. a." hinreichend aufmerksam gemacht. Der Brief € und ihm folgend der aus der Veröffentlichung des Briefes bestehende Beitrag € weist darauf hin, dass die Sanierungsvorschläge der Antragstellerin sich nicht auf die Kürzung des Redaktionsetats und damit auf eine soziale Verschlechterung der Redaktionsmitglieder beschränken. Dies wird zusätzlich durch den Hinweis auf die Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung deutlich.b)Ein Verfügungsanspruch der Antragstellerin folgt auch nicht aus § 823 Abs. 1 BGB unter dem Aspekt des Eingriffs in das Unternehmen der Antragstellerin. Diese Vorschrift ist allerdings hier anwendbar. Sie tritt zwar, soweit es um das Recht am Unternehmen geht, hinter wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen aus dem UWG zurück, da es sich bei dem Recht am Unternehmen um einen bloßen Auffangtatbestand handelt, dessen es nicht bedarf, wenn im Rahmen eines Wettbewerbsverhältnisses zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt wird (vgl. Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., Einf. Rdnr. 41). Vorliegend fehlt es jedoch an einem Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, so dass die Sperrwirkung des § 1 UWG nicht gegeben ist. Allerdings besteht zwischen den Parteien unzweifelhaft ein Wettbewerbsverhältnis, da sie auf demselben Markt um Leser und Anzeigenkunden werden, so dass der Erfolg der einen Partei den der anderen Partei behindern kann. Die Veröffentlichung des Briefes dürfte auch objektiv geeignet sein, den Wettbewerb der Antragsgegnerin zu fördern. Dies folgt schon daraus, dass der Antrag auf die gewünschte Ministererlaubnis aus der Sicht der Antragsgegnerin von größter wirtschaftlicher Bedeutung war. Sie argumentierte nämlich damit, dass die von ihr herausgegebene Zeitung eingestellt werden müsste, wenn nicht die von der Übernahme des B erwarteten wirtschaftlichen Effekte eintreten würden. Das legt es nahe, über Umstände, welche die öffentliche Meinung zugunsten der Ministererlaubnis einnehmen könnten, auch zu berichten. Einen solchen Umstand stellt die soziale Bedrohung der Mitglieder der Redaktion dar, wie sie in dem Schreiben zum Ausdruck kommt. Zum anderen mag die Veröffentlichung des Briefes auch deshalb objektiv geeignet gewesen sein, den Wettbewerb der Antragsgegnerin im Verhältnis zur Antragstellerin zu stärken, da dieser von eigenen Leuten unsolidarisches und unsoziales Verhalten vorgeworfen wurde. Es kann auch davon ausgegangen werden, dass die verantwortlichen Redakteure der Antragsgegnerin diesen objektiven Wettbewerbsvorteil erkannt haben. Es fehlt jedoch in subjektiver Hinsicht ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs. Ein solches Handeln liegt vor, wenn der Handelnde in subjektiver Hinsicht in der Absicht vorgegangen ist, den eigenen oder € was hier nicht in Betracht kommt € fremden Wettbewerb zu fördern. Die bestehende objektive Eignung des Berichts zur Wettbewerbsförderung und auch das Bewusstsein des Verfassers von einer entsprechenden Wettbewerbswirkung lassen gleichwohl nicht die Vermutung zu, dass die Antragsgegnerin bei ihrer redaktionellen Berichterstattung auch in entsprechender Wettbewerbsförderungsabsicht gehandelt hat. Bei einem Presseunternehmen, das über Angelegenheiten von öffentlichem Interesse informiert, ist in der Regel eine Absicht, damit eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern, nicht anzunehmen. Der Schutz der Presse- und Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG gebietet eine zurückhaltende Beurteilung der Frage, ob ein Presseunternehmen in der Absicht handelt, Wettbewerb zu fördern. Allein die objektive Eignung von Presseäußerungen auch zur Förderung des Wettbewerbs beizutragen, lässt noch nicht den Schluss zu, der Journalist handele mit der Absicht, eigenen oder fremden Wettbewerb zu unterstützen. Die Freiheit der journalistischen Berichterstattung entzieht diese weitgehend einem wettbewerbsrechtlich begründeten Verbot (BGH GRUR 1986, 812/813 € "Gastrokritiker"; 1986, 898/899 € "Frank der Tat"; 1995, 270/72 € "Dubioses Geschäftsgebaren"; 1997, 473/475 € "Versierter Ansprechpartner"). Wird die Wettbewerbsabsicht nicht vermutet, ist sie positiv festzustellen, und zwar unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalles (vgl. BGH a. a. O. € "versierter Ansprechpartner"; Wenzel/von Strobl/Albeg, a. a. O. Kap. 5 Rdnr. 313). Vorliegend setzt sich die Antragsgegnerin in nicht sonderlich polemischer Weise mit der Antragstellerin auseinander. Die erforderliche sorgfältige Würdigung der Entstehung und der Art der hier vorliegenden Auseinandersetzung führt nicht ohne Weiteres zu der Annahme, es sei der Antragsgegnerin um einen Vorsprung im Wettbewerb gegangen. Vielmehr ist überwiegend wahrscheinlich, dass sie einen Angriff auf die von ihr vertretene Meinung abwehren und die öffentliche Meinungsbildung in ihrem Sinne beeinflussen wollte (vgl. BGH GRUR 1966, 693/695 € "Höllenfeuer"). Zwar berichtet die Antragsgegnerin gewisserweise "in eigener Sache", doch ist nicht zu übersehen, dass es bei der Frage, ob die Ministererlaubnis erteilt wird, um ein allgemein interessierendes Problem geht, das auch von anderen Presseorganen € etwa der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung € aufgegriffen worden war. Angesichts des hohen Gutes, das die Pressefreiheit darstellt, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Fragen, die mit der Pressekonzentration zusammenhängen, von allgemeinem Interesse sind. Somit ist der Abdruck des Briefes journalistisch veranlasst und stellt er sich als Erfüllung des auch an die Antragsgegnerin gerichteten Auftrages, über allgemein interessierende Themen zu berichten, dar.Die Veröffentlichung des Briefes greift aber in den somit eröffneten Schutzbereich des Rechts der Antragstellerin an ihrem Unternehmen nicht in rechtswidriger Weise ein. Die Veröffentlichung des Briefes stellt keinen betriebsbezogenen Eingriff in das Unternehmen der Antragstellerin dar, und zwar wegen der anderweitigen Zielrichtung der Veröffentlichung. Die Antragstellerin sieht ihr Ansehen zwar dadurch geschädigt, dass Interna aus ihrem Betrieb bekannt geworden sind, die die Öffentlichkeit annehmen lassen konnten, unter ihren Redakteuren gebe es solche, die sich für die Pressekonzentration ausgesprochen hätten. Zum einen hat die Antragsgegnerin aber nicht etwa eine als Geheimnis zu beurteilende Äußerung, etwa eine solche im Rahmen einer Redakteurskonferenz, veröffentlicht, sondern eine Stellungnahme der Antragstellerin zu dem auch aus deren Sicht wirtschaftlich bedeutenden Vorgang des Antrags auf Erteilung einer Ministererlaubnis aufgegriffen, wobei die Stellungnahme schon deshalb kein Geheimnis darstellt, weil über sie bereits anderweit € nämlich in der Süddeutschen Zeitung € berichtet worden war. Zum anderen ergibt sich aus dem Brief auch nicht ohne Weiteres, dass Mitarbeiter der Antragstellerin für die "Pressekonzentration" eingetreten seien; denn es heißt, dass diese Solidaritätsadresse unabhängig von der Frage sei, ob das Stiftungsmodell gebilligt werde oder nicht. Es liegt auch kein verwerfliches Ausnutzen eines Vertragsbruchs der Redakteure gegenüber der Antragstellerin vor. Wie im Wettbewerbsrecht, so ist auch im Rahmen der §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB ein Ausnutzen fremden Vertragsbruchs grundsätzlich erlaubt. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, die ein solches Ausnützen als verwerflich erscheinen lassen. Solche besonderen Umstände sind hier schon in Anbetracht des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 GG nicht ersichtlich. Wie bereits ausführlich dargestellt, bestand ein journalistischer Anlass, diesen Brief zu veröffentlichen, so dass selbst dann, wenn man davon ausgeht, dass die unterzeichnenden Redakteure gegen Vertragspflichten verstoßen haben, eine Verwerflichkeit auf Seiten der Antragsgegnerin nicht festgestellt werden kann. Sie hat in Ausübung ihres Berichtsauftrages gehandelt.

5)Auch der Hilfsantrag kann keinen Erfolg haben, da er ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs voraussetzt.6)Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.






KG:
Urteil v. 28.10.2003
Az: 5 U 239/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/9d9f45f85b27/KG_Urteil_vom_28-Oktober-2003_Az_5-U-239-03




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share