Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Januar 2007
Aktenzeichen: 27 W (pat) 20/06

(BPatG: Beschluss v. 24.01.2007, Az.: 27 W (pat) 20/06)

Tenor

1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 18 vom 30. Dezember 2005 wird aufgehoben.

2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die Markenstelle für Klasse 18 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit dem im Tenor genannten Beschluss die Anmeldung der Bildmarke Grafikfür die Waren und Dienstleistungen

"Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, sowie in Klasse 14 enthalten; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente;

Papier, Pappe und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Druckereierzeugnisse; Buchbinderartikel; Photographien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehr- und Unterrichtsmaterial (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, sowie in Klasse 16 enthalten: Drucklettern; Druckstöcke, Papiertaschentücher, Verpackungsbeutel (-hüllen, -taschen) aus Papier oder Kunststoff;

Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten, insbesondere Taschen, Badetaschen, Brieftaschen, Campingtaschen, Einkauftaschen, Handtaschen, Jagdtaschen, Kartentaschen (Brieftaschen), Kindertragetaschen, Reisetaschen, Rucksäcke für Bergsteiger, Rucksäcke, Schulranzen, Schultaschen, Sporttaschen, Taschen mit Rollen, Verpackungsbeutel (-hüllen, -taschen) aus Leder, Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren;

Geräte und Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelmetall oder plattiert): Rohes oder teilweise bearbeitetes Glas (mit Ausnahme von Bauglas); Glaswaren, Porzellan, und Steingut, soweit in Klasse 21 enthalten; Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten;

Bettwäsche, Fahnen, Wimpel, Gardinen, Bett- und Tischdecken, Textiltapeten, Möbelüberzüge aus Textilien, Reisedecken, Platzdecken und Servietten, jeweils aus Stoff; Rollos aus textilem Material, Tagesdecken für Betten;

Spiele, Spielzeug, Turn- und Sportartikel, soweit in Klasse 28 enthalten"

nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG als nicht unterscheidungskräftige Angabe zurückgewiesen, weil das Bildzeichen, welches das Abzeichen des nationalen Fußballverbands der früheren DDR gewesen sei, von einem erheblichen Teil des angesprochenen Publikums in dieser Bedeutung erkannt und nur als nostalgische Anspielung oder Werbegag angesehen werde; damit könne es aber die vom Gesetz geforderte betriebliche Kennzeichnungsfunktion nicht erfüllen, so dass es nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen sei; inwieweit auch der Schutzversagungsgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG vorliege, könne dahinstehen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelders, mit der sie beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 18 vom 30. Dezember 2005 aufzuheben und die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen, hilfsweise die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Sie hält die Anmeldemarke weiterhin für schutzfähig und führt hierzu aus: Die Anmeldemarke sei weder warenbeschreibend noch stehe die von der Markenstelle angenommene nostalgische Anspielung ihrer Eintragung entgegen. Auch der von der Markenstelle nur erwogene Schutzversagungsgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG liege nicht vor. Da der ablehnende Beschluss völlig unvertretbar sei, sei die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

II A. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen fehlt der angemeldeten Bezeichnung weder jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG noch bestehen Versagungsgründe nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 oder 10 MarkenG.

1. Ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht nicht. Es ist nämlich nicht erkennbar, inwieweit die angemeldete Bezeichnung, auch wenn sie den ehemaligen Fußballverband der früheren DDR bezeichnet, zumindest in einer ihrer möglichen Bedeutungen (vgl. EuGH, MarkenR 2004, 450, 453 [Rz. 32] - DOUBLEMINT) ausschließlich aus Zeichen oder Angaben besteht, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen dienen können und für den Warenverkehr wichtige und für die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeutsame Umstände darstellen (vgl. hierzu BGH GRUR 1999, 1093, 1094 - FOR YOU; GRUR 2000, 211, 232 - FÜNFER), die hinreichend eng mit einer Ware oder Dienstleistung selbst in Bezug stehen (vgl. BGH GRUR 2005, 417, 419 - Berlin Card).

2. Entgegen der Ansicht der Markenstelle fehlt der angemeldeten Bezeichnung auch nicht jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, also nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH MarkenR 2003, 187, 190 [Rz. 41] - Gabelstapler, WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] - Philips/Remington) und des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH GRUR 2000, 502, 503 - St. Pauli Girl; GRUR 2000, 720, 721 - Unter Uns) die Eignung, von den Abnehmern, an welche sich die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen richten, als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Unter Berücksichtigung des grundsätzlich gebotenen großzügigen Maßstabs (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 1995, 408 [409] - PROTECH; BGH GRUR 2001, 413, 415 - SWATCH) kann nämlich nicht festgestellt werden, dass die durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Abnehmer (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 605 - Libertel; GRUR 2004, 943, 944 - SAT.2) in ihr keinen Hinweis mehr auf die Herkunft der beanspruchten Waren und Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen sehen, sondern ihr nur einen für diese Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt entnehmen (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1153 - marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051 - City-Service; BGH GRUR 2001, 162, 163 m. w. N. - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION), oder die angemeldete Marke nur als Werbeaussage allgemeiner Art verstehen werden (vgl. BGH MarkenR 2000, 262, 263 - Unter uns; WRP 2000, 298, 299 - Radio von hier; WRP 2000, 300, 301 - Partner with the best; GRUR 2001, 1047, 1048 - LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER; GRUR 2001, 735, 736 - Test it.; GRUR 2002, 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft).

a) Die Ansicht der Markenstelle, die angesprochenen Verkehrskreise - dies sind wegen der Art der beanspruchten Waren und Dienstleistungen alle inländischen Verbraucher - würden zu einem erheblichen Teil in der angemeldeten Marke nur den ehemaligen Fußballverband der früheren DDR gleichen Namens (wieder-)erkennen, kann die Annahme einer fehlenden Unterscheidungskraft nicht rechtfertigen. Selbst wenn ein solcher Wiedererkennungseffekt vorläge, so würde der Verkehr in der angemeldeten Bezeichnung lediglich den Namen eines Verbands oder Vereins sehen; dem Verbandsnamen wird er aber zwanglos einen Hinweis darauf entnehmen, dass die so gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen unter der Produktverantwortung des Verbandes dieses Namens stehen; damit liegt es für ihn aber auf der Hand, die angemeldete Bezeichnung nur als betrieblichen Herkunftshinweis anzusehen.

Dem steht auch die Entscheidung des BGH "FUSSBALL WM 2006" (GRUR 2006, 850) nicht entgegen, weil die hier zu beurteilende Kennzeichnung nicht auf ein bestimmtes Ereignis, was der herkunftshinweisenden Zuordnung zu einem bestimmten Unternehmen entgegenstünde (vgl. BGH a. a. O., S. 854 - FUSSBALL WM 2006), sondern aus sich heraus und ohne Weiteres verständlich auf einen Verband und damit auf einen Rechtsträger hinweist, der als ein Unternehmen in Betracht kommt, aus welchem die mit ihr gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen stammen können.

Unmaßgeblich ist schließlich auch, dass erheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise bekannt ist, dass es einen "Fußballverband der DDR" nicht mehr gibt, sondern der unter dieser Bezeichnung früher bestehende Verein nach der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten am 20. November 1990 aufgelöst und die unter seinem Dach organisierten Vereine im Deutschen Fußball-Bund und den neu gegründeten Fußballverbänden im Osten Deutschlands Aufnahme fanden (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Fu%C3%9Fball-Verband). Soweit nämlich durch den Wegfall des Namens- oder Firmenträgers ein Namens- oder Firmenschutz nicht mehr besteht, gibt es keinen Grund mehr, einem anderen Rechtsträger die "Aneignung" dieses Namens oder dieser Firma zu untersagen. Auch diejenigen Teile des Verkehrs, welchen die vorgenannten geschichtlichen Vorgänge bekannt sind, werden daher bei einer - zudem wie hier erst lange Zeit nach Verbandsende erfolgenden - Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen mit dem früheren Verbandsnamen ohne Weiteres annehmen, dass dieser Kennzeichnung ein solcher "Aneignungsvorgang" zugrunde liegt und hiermit auf deren Herkunft aus einem bestimmten, mit dem früheren Verband nicht identischen Unternehmen hingewiesen werden soll, auch wenn ihnen möglicherweise - wie dies bei Marken ohnehin häufig der Fall ist - das hinter der Kennzeichnung stehende konkrete Unternehmen nicht bekannt ist.

b) Auch der weitere Einwand der Markenstelle, es handele sich bei der angemeldeten Bezeichnung nur um einen "Werbegag", trägt eine Zurückweisung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht. Zwar kann die Unterscheidungskraft fehlen, wenn der Verkehr in einer Kennzeichnung ausschließlich eine Werbeaussage erkennt, er in dieser also nicht zumindest gleichzeitig auch einen Hinweis auf das Unternehmen sieht, aus dessen Verantwortungsbereich die gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen stammen; hierfür bedürfte es aber der Feststellung, dass der Verkehr in jeder denkbaren Verwendung die angemeldete Bezeichnung nur in diesem Sinne versteht. Hierzu hat aber weder die Markenstelle weitere Ausführungen gemacht, noch kann hiervon bei den hier in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen ausgegangen werden. Zwar finden sich etwa bei bestimmten Kleidungsstücken beispielsweise in Form eines Aufdrucks auf der Brust- oder Rückenseite häufig "Werbebotschaften", welche der Verkehr auch nur als solche versteht. Auf eine solche Verwendungsweise ist die hier angemeldete Wortmarke aber keinesfalls beschränkt. Findet der Verkehr sie nämlich an den Stellen, an denen typischerweise die Herkunftsbezeichnung angebracht wird, etwa auf Einnäh- oder mit dem betreffenden Kleidungsstück verbundenen Verkaufsetiketten, hat er keinerlei Veranlassung mehr, in der Anmeldemarke allein eine "Werbebotschaft" zu erkennen oder sie nur in Form eines "Bekenntnisses" der Zugehörigkeit zu dem Verband gleichen Namens oder im Zuge der von der Markenstelle angesprochenen "Ostagie" zur früheren DDR anzusehen.

c) Dass es sich bei der Anmeldemarke um eine Werbeaussage allgemeiner Art handelt, ist schließlich wegen des in ihr enthaltenen individualisierenden Namens von vornherein ausgeschlossen.

3. Soweit die Markenstelle schließlich einen Zurückweisungsgrund nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG wegen bösgläubiger Markenanmeldung erwogen hat, ist nicht erkennbar, worin eine solche Bösgläubigkeit, welche zudem nach § 37 Abs. 3 MarkenG nur bei Ersichtlichkeit eine Zurückweisung der Anmeldung rechtfertigen würde, gesehen werden könnte. Allein der Umstand, dass es früher einen Fußballverband gab, der unter der in der Anmeldemarke enthaltenen Bezeichnung auftrat, rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme einer Bösgläubigkeit (vgl. BPatG 27 W (pat) 231/05 - SEID BEREIT - JP, noch unveröffentlicht; 27 W (pat) 42/06 - FC Vorwärts Frankfurt (Oder), veröffentlicht auf der PAVIS CD-ROM sowie demnächst in der GRUR).

4. Da die Markenstelle somit im Ergebnis der Anmeldemarke zu Unrecht die Eintragung wegen des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG versagt hat, war auf die Beschwerde der Anmelders der Beschluss der Markenstelle aufzuheben.

B. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr war zurückzuweisen, weil ein Billigkeitsgrund, bei welchem nach § 71 Abs. 3 MarkenG eine solche Entscheidung nur in Betracht kommt, nicht vorliegt. Bei Erlass des angefochtenen Beschlusses war die Frage der Schutzfähigkeit ehemaliger Staatssymbole der DDR noch nicht geklärt. Die Auffassung der Markenstelle, maßgebliche Teile der angesprochenen Verkehrskreise sähen solche Symbole nicht als Herkunftshinweis aus einem bestimmten Unternehmen, sondern ausschließlich als Werbeaussage an, war zudem mit der bei Beschlusserlass bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung, von welcher die Markenstelle zutreffend ausgegangen ist, durchaus vereinbar.

C. Soweit der Antrag auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr zurückgewiesen wurde, war die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen, weil weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war (§ 83 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG) noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Zu befinden war vielmehr allein auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung über die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Rückzahlungsanordnung nach § 71 Abs. 3 MarkenG.






BPatG:
Beschluss v. 24.01.2007
Az: 27 W (pat) 20/06


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