Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 2. Juni 2004
Aktenzeichen: 4 A 223/04
(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 02.06.2004, Az.: 4 A 223/04)
Tenor
Der Antrag wird auf Kosten der Klägerin abgelehnt.
Der Streitwert wird auch für das Antragsverfahren auf 10.000,-- Eurofestgesetzt.
Gründe
I.
Der Klägerin war im Februar 1995 die weitere selbstständige Gewerbeausübung untersagt worden. Im März 2002 beantragte sie erfolglos die Wiedergestattung der Gewerbeausübung. Die darauf erhobene Verpflichtungsklage wies das Verwaltungsgericht ab, weil die Klägerin auch weiterhin gewerberechtlich unzuverlässig sei. Sie sei angesichts ihrer auf ......Euro angewachsenen Zahlungsrückstände wirtschaftlich leistungsunfähig und verfüge nicht über ein Erfolg versprechendes Sanierungskonzept zur planmäßigen Rückführung ihrer Verbindlichkeiten.
II.
Der auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die Darlegungen der Klägerin begründen keine ernstlichen Zweifel daran, dass das angefochtene Urteil im Ergebnis richtig ist.
Die Klägerin trägt vor: Sie habe, nachdem die von ihr geführte GmbH in den Konkurs gefallen sei, alles unternommen, um ihr Leben wieder selbst zu ordnen. Sie habe eine Halbtagsstelle in einem Steuerbüro angenommen; dort sei sie als zuverlässige und gewissenhafte Mitarbeiterin bekannt. Ihr Nettoeinkommen reiche aber nicht aus, um die bestehenden Verbindlichkeiten zu bedienen, so dass die Schulden durch hinzukommende Säumniszuschläge und Zinsen kontinuierlich anstiegen. Sie habe deshalb Mitte April 2003 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt. Ende April 2003 habe das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet. Sie habe damit den in der Insolvenzordnung vorgesehenen Weg beschritten, um ohne die Last der Altschulden in das Erwerbsleben zurückkehren zu können. Deshalb könne sie auch nicht mehr als gewerberechtlich unzuverlässig angesehen werden.
Diese Einwendungen greifen nicht durch.
Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts fehlt der Klägerin wegen ihrer hohen Schulden die für eine geordnete Gewerbeausübung erforderliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Fraglich ist allein, ob im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Anzeichen für eine Besserung erkennbar sind.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. April 1997
- 1 B 81.97 -, GewArch 1999, 72, Beschluss
vom 11. Dezember 1996 - 1 B 250.96 -,
GewArch 1999, 72, Urteil vom 16. März 1982
- 1 C 124.80 -, GewArch 1982, 303, und Urteil
vom 2. Februar 1982- 1 C 146.80 -, NVwZ
1982, 503.
Letzteres ist aber nicht der Fall.
Der Umstand, dass die Klägerin einer Halbtagstätigkeit nachgeht und so ihren Unterhalt sicherstellt, ändert, wie sie selbst erkannt hat, nichts an ihrer wirtschaftlichen Situation; denn für Tilgungsleistungen und damit für eine Rückführung der Schulden reicht ihr Einkommen nicht aus.
Anzeichen für eine Besserung sind auch nicht darin zu sehen, dass die Klägerin Anträge auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sowie auf Erteilung der Restschuldbefreiung gestellt hat, das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet worden ist und das Amtsgericht - wie sich aus dem im Internet (www.Insolvenzen.nrw.de) veröffentlichten Eröffnungsbeschluss ergibt - gemäß § 313 InsO einen Treuhänder bestellt hat.
Der Eröffnungsantrag des Schuldners führt im Verbraucherinsolvenzverfahren, um das es hier geht, allerdings regelmäßig insofern zu einer gewissen Ordnung der Verhältnisse, als der Schuldner gemäß § 305 InsO unter anderem einen Schuldenbereinigungsplan erstellen und ein Vermögensverzeichnis, ein Gläubigerverzeichnis sowie ein Forderungsverzeichnis vorlegen muss. Zudem haben die Gläubiger gemäß § 307 InsO die Möglichkeit, zu dem Schuldenbereinigungsplan und den Verzeichnissen eine Stellungnahme abzugeben. In vielen Fällen wird so erstmals ein Überblick über die wahre finanzielle Situation des Schuldners möglich.
Vgl. zu diesem Aspekt: Schmittmann, NJW 2002, 182, 184.
Allein die Feststellung des Ist-Zustandes bewirkt aber noch nicht, dass der Schuldner seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wiedererlangen und damit wieder in geordneten Vermögensverhältnissen leben kann.
Zu den Begriffen "wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit" und "ungeordnete Vermögensverhältnisse" vgl.: Hahn, GewArch 2000, 361.
Gilt der vom Schuldner vorgelegte Schuldenbereinigungsplan nicht gemäß § 308 InsO als angenommen, so wird, sofern die Voraussetzungen dafür vorliegen,
vgl. dazu Haarmeyer in: Smid, Insolvenziordnung,
2. Aufl. 2001, § 312 Rn. 4,
nach näherer Maßgabe der §§ 311 ff. InsO das vereinfachte Insolvenzverfahren eröffnet. Die Eröffnung als solche führt aber ebenfalls noch nicht zu einer Besserung der finanziellen Situation des Schuldners. Zwar zielt das weitere Verfahren darauf ab, ihm Gelegenheit zu geben, sich nach Verwertung der Insolvenzmasse von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien (§ 1 Satz 2 InsO); die Entscheidung über die Restschuldbefreiung gemäß § 300 InsO trifft das Gericht aber erst nach einer mehrjährigen Wohlverhaltenszeit (vgl. §§ 287 Abs. 2, 295 InsO). Ob es zu einer Restschuldbefreiung und damit möglicherweise zur Wiederherstellung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit kommt, hängt demnach maßgeblich vom Verhalten des Schuldners nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab und ist im Einzelfall durchaus fraglich. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens allein gibt deshalb noch keinen Aufschluss über das weitere Verhalten des Schuldners und über die weitere Entwicklung seiner finanziellen Verhältnisse. Aussagen dazu, dass sich seine wirtschaftliche Situation durch eine Restschuldbefreiung bessern wird, lassen sich in diesem frühen Stadium des Verfahrens noch nicht treffen.
So auch BGH, Beschluss vom 13. März 2000 - AnwZ (B) 28/99 -, BB 2000, 1426 = NJW-RR 2000, 1228; zu § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO; BFH, Beschluss vom 4. März 2004 - VII R 21/02 - , zu § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG; im Ergebnis wie hier wohl auch OVG Bremen, Beschluss vom 8. Dezember 2003 - 1 B 402/03 -, GewArch 2004, 163, 164.
Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die in verschiedenen Vorschriften der Gewerbeordnung enthaltenen gesetzlichen Wertungen. So bestimmten sowohl § 34b Abs. 4 Nr. 2 GewO als auch § 34c Abs. 2 Nr. 2 GewO, dass ein Leben in ungeordneten Vermögensverhältnissen,
also auch im Falle der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit, vgl. Hahn, a.a.O.,
in der Regel vorliegt, wenn über das Vermögen des Antragstellers das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Damit ließe sich eine Rechtsauffassung, die schon im Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und in dessen Eröffnung Anzeichen für eine Besserung der Situation sehen würde, nicht vereinbaren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 02.06.2004
Az: 4 A 223/04
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