Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. September 2003
Aktenzeichen: 25 W (pat) 260/01
(BPatG: Beschluss v. 11.09.2003, Az.: 25 W (pat) 260/01)
Tenor
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. September 2001 aufgehoben und der Antrag auf Löschung der angegriffenen Marke zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die am 11. Dezember 1998 zur Eintragung in das Markenregister angemeldete Bezeichnungarsdentisist am 2. März 1999 für die Waren "Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; unedle und edle Metalle und deren Legierungen; zahnärztliche Instrumente, künstliche Zähne" eingetragen worden.
Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf Antrag des Antragsstellers durch Beschluss vom 25. September 2001 die Löschung der angegriffenen Marke wegen absoluter Schutzhindernisse im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1, Nr 2 MarkenG angeordnet und ausgeführt, dass es sich bei der angegriffenen Marke um eine beschreibende, freihaltungsbedürftige und nicht unterscheidungskräftige Angabe handele. Die ersichtlich und sprachüblich aus den Bestandteilen "ars" und "dentis" zusammengesetzte Bezeichnung "arsdentis" sei im Zusammenhang mit den geschützten Waren für die angesprochenen Fachkreise ohne weiteres im Sinne von "Kunstzähne", "Kunstgebiss" verständlich. Dem stehe auch nicht entgegen, dass es sich um eine aus Wörtern einer "des toten Sprache" zusammensetze Wortneuschöpfung handele, da die hier angesprochenen Fachkreise Kenntnisse der lateinischen Sprache aufweisen müssten und der Verkehr in der Werbung zudem ständig mit Wortneubildungen konfrontiert werde. Die Gesamtbezeichnung "arsdentis" stelle deshalb keinen betrieblichen Hinweis, sondern lediglich eine freihaltungsbedürftige Bestimmungsangabe der Waren für künstliche Zähne dar.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, der sinngemäß beantragt, den angegriffenen Beschluss aufzuheben und den Antrag auf Löschung der angegriffenen Marke zurückzuweisen.
Der angefochtene Beschluss gehe unzutreffender Weise davon aus, dass die aus "ars" und "dentis" zusammengesetzte Wortverbindung einen naheliegenden Sinnzusammenhang ergäbe. Es handele sich vielmehr um eine regelwidrige Zusammenziehung zweier Substantive der lateinischen Sprache mit unterschiedlichem Kasus, für welche ein Schutzhindernis nicht bestehe. Anders als der Ausdruck "dental" (Zahn-, zu den Zähnen gehörend) sei dem angesprochenen Fachverkehr - hier Zahntechniker - das Wort "dentis" auch nicht bekannt. Selbst bei Kenntnis der lateinischen Sprache werde der Verkehr aus dem Wort "arsdentis" keinen Begriffsgehalt ableiten, da die Wortzusammenfügung auch bei einer Aufspaltung in Einzelwörter keinen Sinnzusammenhang mit den geschützten Waren aufweise.
Der Antragssteller hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenabteilung sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG) und in der Sache auch begründet. Nach Auffassung des Senats ist eine Löschung der angegriffenen Marke wegen absoluter Schutzhindernisse im Sinne von §§ 50 Abs 1 Nr 3, Abs 2 MarkenG, 54 Abs 1 MarkenG nicht begründet, da es sich bei der Bezeichnung "arsdentis" in bezug auf die geschützten Waren weder um eine ausschließlich beschreibende, freihaltungsbedürftige Angabe im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG handelt noch der Eintragung das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG entgegen steht.
1) Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind solche Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen, welche ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr (ua) zur Bezeichnung der Beschaffenheit oder sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen oder deren Bestimmung dienen können und die deshalb einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit, insbesondere der Mitbewerber an der freien Verwendbarkeit unterliegen.
Nach Auffassung des Senats kann vorliegend nicht festgestellt werden, dass es sich bei dem angegriffenen Zeichen "arsdentis" auch in bezug auf die geschützten Waren "Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; unedle und edle Metalle und deren Legierungen; zahnärztliche Instrumente, künstliche Zähne" um eine derartige beschreibende und freihaltungsbedürftige Angabe im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG handelt. Zwar ist die angegriffene Marke aus den beiden lateinischen Wörtern "ars" und "dentis" zusammengesetzt, welche im hier maßgeblichen Warensektor als Fachbegriffe durchaus Verwendung finden und auf dem das Lateinische Fachsprache ist, so dass allein die Verwendung der lateinischen Sprache die Schutzfähigkeit der angegriffenen Bezeichnung vorliegend nicht zu begründen vermag. Das stellt auch der Beschwerdeführer nicht in Abrede. Die angegriffene Wortzusammenfügung "arsdentis" stellt jedoch weder ein medizinisches Fachwort noch eine sprachübliche Wortbildung dar und kann zudem wegen der Genitivform "dentis" von "dens" für Zahn nicht in der Bedeutung von "Kunstzähne, Kunstgebiss", sondern allenfalls im Sinne von "Die Kunst des Zahns" bzw "Zahnkunst" verstanden werden.
a) Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist allerdings davon auszugehen, dass auch der Bestandteil "dentis" den angesprochenen Fachkreisen als Mitbewerber durchaus ohne weiteres geläufig ist, da dieser lateinische Begriff in gängigen Fachwörtern zB für Zahnkrone "Corona dentis" (Lexikon Zahnmedizin, Zahntechnik, München-Jena, 2000, S 834) oder für Zahnhöhle "cavum dentis" (Menge-Güthling, Langenscheidts Großwörterbuch der lateinischen und deutschen Sprache, 2. Teil, Deutsch-Lateinisch, S 716) verwendet wird. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Annahme eines bestehenden absoluten Schutzhindernisses nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG - wie auch nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG - nicht zwingend voraussetzt, dass das maßgebliche Zeichen lexikalisch nachweisbar oder der tatsächliche Gebrauch belegbar ist (vgl zB BGH GRUR 2001, 1151, 1552 - marktfrisch). Denn selbst Wortneubildungen können als beschreibende Angaben von einem Freihaltungsbedürfnis erfasst und/oder nicht unterscheidungskräftig sein, wenn sie eine deutliche und unmissverständliche Aussage aufweisen, die sich den angesprochenen Verkehrskreisen unmittelbar erschließt und die den üblichen Bezeichnungsgewohnheiten als Sachangabe auf dem maßgeblichen Waren-/Dienstleistungssektor entspricht (vgl hierzu EuGH, MarkenR 2001, 400 - Babydry; BGH MarkenR 2001, 465 469, - Bit/Bud - mwH; BGH GRUR 2002, 884 -B-2 alloy).
b) Besondere Zurückhaltung bei der Beurteilung einer Bezeichnung als nicht eintragungsfähig ist allerdings geboten, wenn es sich um fremdsprachige Wörter handelt, deren beschreibender Gehalt nur anhand grammatikalischer Überlegungen und Übersetzungen konstruiert werden kann (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 8 Rdn 380, 382). Insoweit weist der Beschwerdeführer auch zutreffend darauf hin, dass Wörter "toter Sprachen" im Allgemeinen schutzfähig sind, wenn nicht ausnahmsweise die Begriffe - als Ganzes oder in ihren Wortstämmen - in den allgemeinen Sprachschatz übergegangen sind oder auf den mit der Marke beanspruchten Gebieten als Fachsprache verwendet werden (vgl Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl, § 8 Rdn 377 mwN).
c) Es bedürfte deshalb auch vorliegend zur Feststellung des von der Markenabteilung angenommenen Schutzhindernisses im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG konkreter Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei "arsdentis" um ein lateinisches Wort des allgemeinen Sprachschatzes oder um ein Wort der lateinischen Sprache als Fachsprache handelt, welches auf dem hier beanspruchten Warenbereich ein Sprachverständnis als beschreibende Angabe nahe legt und als beschreibende Angabe in bezug auf die beanspruchten Waren gegenwärtig oder zukünftig benötigt wird (vgl allgemein auch BGH MarkenG 2001, 209, 211 - Test it; Ströbele MarkenG, 7. Aufl, § 8 Rdn 230-235 mwH). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es nach der Rechtsprechung des EuG für die Annahme einer beschreibenden und somit vom Markenschutz ausgeschlossen Angabe bereits ausreicht, wenn "zumindest eine der potenziellen Bedeutungen ein Merkmal der betroffenen Ware oder Dienstleistung bezeichnet" (so EuG MarkenR 2002, 92, 95 - STREAMSERVE; WRP 2002, 510, 513 - CARCARD) und sich das Freihaltungsinteresse nicht auf unersetzliche beschreibende Angaben und Zeichen reduziert (vgl hierzu auch BPatG GRUR 2003, 245, 246-247 - Pastenstrang auf Zahnbürstenkopf).
d) Eine derartige Feststellung lässt sich nach Auffassung des Senats vorliegend jedoch trotz einer zusätzlich durchgeführten Internetrecherche nicht treffen, da auch die Rechercheergebnisse nur eine markenmäßige Verwendung von "arsdentis" belegen konnten. Selbst wenn man unterstellt, dass die Bestandteile "ars" und "dentis" für sich betrachtet in bezug auf den hier maßgeblichen Warensektor als Fachbegriffe schutzunfähig sind, ließe sich daraus weder unter dem Gesichtspunkt eines Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG noch im Hinblick auf fehlende Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG auf die Schutzunfähigkeit des Gesamtzeichens "arsdentis" schließen, da die Wortverbindung nicht ohne weiteres der Summe der Einzelbestandteile gleichgestellt werden kann (vgl auch Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl, § 8 Rdn 136, 393 mwN) und der Verkehr (auch Fachleute) erfahrungsgemäß Kennzeichen von Waren/Dienstleistungen so aufnimmt, wie sie ihm begegnen, ohne dass eine analysierende, möglichen Bestandteilen und/oder deren (beschreibenden) Begriffsbedeutungen nachgehende Betrachtungsweise Platz greift (vgl Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl, § 8 Rdn 125, 293 mwN; zur st. Rspr. vgl zB BGH GRUR 1995, 408 - PROTECH; zu Mehrwortmarken BGH GRUR 2001, 162 - RATIONAL SOFT-WARE CORPORATION).
Entscheidend ist danach, ob die Wortzusammenfügung "arsdentis" in ihrer Gesamtheit mehr darstellt als die Summe ihrer Bestandteile (EuG GRUR Int 2002, 858, 862 Tz 49 - SAT.2; Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl, § 8 Rdn 136). Dies ist vorliegend insbesondere deshalb anzunehmen, weil eine Kombination der Begriffe "ars" und "dentis" als denkbar sprachregelgerechte Bezeichnung - anders als zB "lege artis" oder "ars antiqua" - weder lexikalisch noch hinsichtlich eines tatsächlichen Sprachgebrauchs belegbar ist und zudem insbesondere ein Verständnis der Wortzusammenfügung "arsdentis" unter Berücksichtigung dieser konkret gewählten - unüblichen und ungewöhnlichen - Sprachform weder als Fachwort noch als sonstige Sachangabe nahe gelegt ist (vgl hierzu EuGH, MarkenR 2001, 400 - Babydry; BGH MarkenR 2001, 465 469, - Bit/Bud - mwH).
Die konkrete Gesamtbezeichnung "arsdentis" stellt danach vielmehr auch in bezug auf die geschützten Waren wie zB "Zahnfüllmittel" oder auch "künstliche Zähne" und die Verwendung des Lateinischen als Fachsprache bereits aufgrund der gewählten Sprachform keine glatt beschreibende Angabe im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG dar. Hiermit korrespondiert, dass die konkret beanspruchte Gesamtbezeichnung nicht nur für die Beurteilung der Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke maßgebend ist, sondern dass die angegriffene Bezeichnung auch nur insoweit Schutz genießt und deshalb andere Mitbewerber nicht an der (beschreibenden) Verwendung einzelner Wortelemente oder inhaltsgleicher Angaben in anderer Form gehindert sind (vgl auch HABM MarkenR 2000, 296, 299, Ziff 22 - ME-GATOURS).
2) Der angegriffenen Marke kann aus den genannten Gründen auch nicht die Eignung abgesprochen werden, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden, mithin Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG aufzuweisen (vgl zur st Rspr BGH GRUR 2002, 1070 - Bar jeder Vernunft; EuGH GRUR 2001, 1148, 1149 Tz 22 - Bravo - zur GMV).
a) Insoweit weist der Anmelder zutreffend darauf hin, dass die angesprochenen Verkehrskreise, selbst wenn sie zu dem - im übrigen keineswegs ausschließlich angesprochenen - Fachpublikum zählen und Kenntnisse der lateinischen Sprache als medizinische Fachsprache aufweisen, den Sinngehalt des lexikalisch nicht nachweisbaren und weder allgemein noch als Fachbegriff dem lateinischen Sprachgebrauch zugehörigen Ausdruck "arsdentis" nicht ohne weiteres, insbesondere nicht ohne analysierende Betrachtung erfassen. Die Ungebräuchlichkeit der Sprachform trägt deshalb bereits wesentlich zur Begründung markenrechtlicher Unterscheidungskraft bei, ohne dass es zusätzlich eines weiteren Phantasieüberschusses oder sonstiger besonderer Auffälligkeiten bedürfte (vgl auch zu Art 7 Abs 1 Buchst c GMV EuG MarkenR 2001, 181, 184 Ziff 39 und Ziff 40 - EASY-BANK), zumal grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen ist, um das Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG zu überwinden, (vgl BGH MarkenR 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).
b) Vorliegend kommt hinzu, dass auch die Übersetzung der Bezeichnung "arsdentis" im Sinne von "Kunst des Zahns" bzw "Zahnkunst" kein eindeutiges begriffliches Verständnis zulässt. Denn neben einem vorliegend in Betracht kommenden Verständnis im Sinne von Waren, welche aus einem kunstgerecht gefertigten Zahn bestehen oder einer kunstgerechten Anfertigung eines Zahnes dienen, liegt ebenso ein Verständnis von "Zahnkunst" als "Kunst am Zahn" nahe, dh als Kunst, die den Zahn als Gegenstand oder zum Thema hat, zumal heute auch Zähne zB zahnkeramisch oder durch Metalle und Bearbeitung künstlich verschönert werden. Anders als bei allgemeinen Angaben (vgl für die Sammelbezeichnung "Bücher für eine bessere Welt" auch BGH MarkenR 2000, 330, 332), steht einem Verständnis der angegriffenen Bezeichnung als Sachbezeichnung deshalb insbesondere auch eine begriffliche Unbestimmtheit und Interpretationsbedürftigkeit entgegen (vgl hierzu zB BGH MarkenR 2001, 408, 410 - INDIVIDUELLE, Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl, § 8 Rdn 74), die wegen ihrer Mehrdeutigkeit zum Nachdenken anregt (vgl BGH GRUR 2002, 1070 - Bar jeder Vernunft mwH; BGH GRUR 2000, 321, 322 - Radio von hier).
Auf die Beschwerde des Anmelders war deshalb der angefochtene Beschluss aufzuheben und der Antrag auf Löschung der angegriffenen Marke zurückzuweisen.
Kliems Bayer Engels Pü
BPatG:
Beschluss v. 11.09.2003
Az: 25 W (pat) 260/01
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