Landgericht München I:
Urteil vom 30. Dezember 2010
Aktenzeichen: 5 HK O 21707/09, 5 HK O 21707/09
(LG München I: Urteil v. 30.12.2010, Az.: 5 HK O 21707/09, 5 HK O 21707/09)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin sowie die Nebenintervenienten tragen die Kosten des Rechtsstreits zu gleichen Teilen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin sowie die Nebenintervenienten können die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Der Streitwert wird auf € 25.000,-- festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten mittels Anfechtungsklage um die Wirksamkeit eines Beschlusses der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten aus dem Jahr 2009.
I.
1. Die Beklagte € eine im Freiverkehr notierte Aktiengesellschaft mit einem in 75.000 auf den Inhaber lautenden Stückaktien eingeteilten Grundkapital von € 1.950.000,-- € betreibt ein Thermalbad, zwei Kliniken sowie ein Hotel in B... E... und P... Hauptaktionärin der Beklagten war die Marktgemeinde B... E..., die direkt 20.236 und indirekt über die Stiftung €G...€ B... E... GmbH (im Folgenden: Stiftung GmbH) weitere 36.988 Aktien hielt. Dem Aufsichtsrat der Beklagten gehörte die erste Bürgermeisterin der Marktgemeinde B... E... an, die diese Funktion aufgrund eines der Marktgemeinde B... E... zustehenden Entsendungsrechtes wahrnahm.
Der Gesellschaftsvertrag der Stiftung GmbH (Anlage B13) enthielt unter anderem folgende Regelungen:
ۤ 7Aufsichtsrat
(1) Die Gesellschaft hat einen Aufsichtsrat, der aus fünf Mitgliedern besteht. Der jeweilige 1. Bürgermeister der Marktgemeinde B... E... ist kraft seines Amtes geborenes Mitglied des Aufsichtsrates. Für Aufsichtsratsmitglieder, die wegen ihres Mandates als Mitglied des Marktgemeinderates der Marktgemeinde B... E... zum Mitglied des Aufsichtsrates bestellt werden, endet die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat mit dem Ende des Mandates als Mitglied des Marktgemeinderates.
€
(9) Der ordnungsgemäß einberufene Aufsichtsrat ist beschlussfähig, wenn mindestens drei Mitglieder, darunter der Aufsichtsratsvorsitzende, an der Beschlussfassung teilnehmen.
€
(11) Abgestimmt wird einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Bei Stimmengleichheit gilt ein Antrag als abgelehnt. €€
2. Der Vorstand der Beklagten veröffentlichte am 3.9.2009 die Bekanntmachung der Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten für den 14.10.2009. Zu Tagesordnungspunkt 2 €Beschlussfassung über die Entlastung des Vorstandes€ schlugen Aufsichtsrat und Vorstand vor, dem Vorstand für das Geschäftsjahr 2008 Entlastung zu erteilen. Die Marktgemeinde B... E... stellte am 23.9.2009 (Anlage K 3), ergänzt durch Schreiben vom 6.10.2009 (Anlage K 3) einen Gegenantrag zu diesem Tagesordnungspunkt, der auf der Homepage der Beklagten veröffentlicht wurde. Der Gegenantrag vom 23.9.2009 hatte folgenden Wortlaut:
€37. ordentliche Hauptversammlung der G... AG am 14.10.2009€ Antrag auf Durchführung einer Sonderprüfung der Bilanz für das Geschäftsjahr 2008
Sehr geehrter Herr H...,
Sie haben zur ordentlichen Hauptversammlung am 14. Oktober 2009 eingeladen. Der Marktgemeinderat B... E... hat in seiner gestrigen nicht öffentlichen Sitzung beschlossen, zum Tagesordnungspunkt €Entlastung des Vorstandes für das Geschäftsjahr 2008€ nachfolgenden Gegenantrag zu stellen. Der Beschluss des Marktgemeinderates lautet:
Der Markgemeinderat beschließt, dass der Vertreter des Marktes B... E... in der Hauptversammlung der G... AG am 14.10.2009 den Antrag auf Durchführung einer Sonderprüfung zu folgenden Geschäftsvorfällen stellt oder den von einem anderen Aktionär gestellten entsprechenden Antrag befürwortet:
- Vollständige und richtige Zahlung von Abwassergebühren und
- Die Richtigkeit der bilanziellen Behandlung der Schuldübernahme für Darlehen der Stiftung €G...€ B... E... GmbH.
Dem Sonderprüfer wird aufgegeben, anlässlich seiner Prüfung darauf zu achten, ob erkennbare weitere Vorfälle nicht oder nicht vollständig im Jahresabschluss der G... AG behandelt wurden.€
Wir bitten Sie, dies auch den Aktionären bekannt zu machen.
Mit freundlichen Grüßengez. G... U...1. Bürgermeisterin€
Mit Schreiben vom 6.10.2009 übermittelte die Marktgemeinde B... E... die Begründung des Gegenantrages (Anlage K3), die im Wesentlichen folgendermaßen lautete:
€1. Im Jahresabschluss der G... AG für das Geschäftsjahr 2008 ist eine Rückstellung für eventuelle Nachforderungen der Gemeinde für Abwassergebühren in Höhe von rd. € 540.000,00 gebildet worden. Die Höhe der Rückstellung ist offensichtlich geschätzt worden. Unklar ist, für welchen Zeitraum die Kanalbenutzung unzutreffend angemeldet wurde, welche Mengen Abwasser tatsächlich ins Kanalnetz eingeleitet wurden und die sich daraus ergebende Nachforderung.
2. Lediglich im Lagebericht zum Jahresabschluss der G... AG für 2008 ist wiederum ohne nähere Erläuterung die Schuldmitübernahme für Verbindlichkeiten der Stiftung G... GmbH vermerkt worden. Im Hinblick darauf, das nach dem gegenwärtigen schwebend unwirksamen Pachtvertrag es absehbar ist, dass die Stiftung G... B... E... GmbH nicht mehr in der Lage sein wird, die auf diese Verbindlichkeit zu leistenden Zinsen und Tilgungsbeiträge aus eigener Liquidität zu bezahlen, ist die rechtliche Grundlage für die derzeitige Behandlung der Schuldübernahme im Lagebericht nicht gegeben. Im Rahmen der Sonderprüfung ist die zutreffende rechtliche Behandlung zu prüfen.
3. Im Hinblick darauf, dass in den Jahresabschlüssen der vergangenen Jahre und auch wieder im Jahresabschluss 2008 wesentliche Verbindlichkeiten nicht oder falsch wiedergegeben sind und dies nicht nur die beiden oben genannten Punkten sondern auch die Pachtverbindlichkeiten gegenüber der Marktgemeinde B... E... betrifft, ist im Rahmen der Sonderprüfung auch zu prüfen, ob weitere wesentliche Geschäftsvorfälle nicht oder unzutreffend im Jahresabschluss wiedergeben wurden.€
Im Vorfeld der Hauptversammlung bat die Klägerin die Beklagte mit E-Mail vom 4.9. und 16.9.2009 (Anlage K 2) um Zusendung der auslagepflichtigen Unterlagen. Nachdem sie keine Antwort auf ihre Anfragen erhielt, forderte sie die Beklagte per Telefax zur Übersendung auf.
3. Die Hauptversammlung fand am 14.10.2010 im Kultursaal der C... Thermen in B... E... statt. Während der Hauptversammlung stellte der zweite Bürgermeister der Marktgemeinde B... E..., Herr M... L..., ausweislich des notariellen Protokolls (Anlage B 14) folgenden Sonderprüfungsantrag:
€Der Markt B... E... stellt Antrag auf Durchführung einer Sonderprüfung zu folgenden Geschäftsvorfällen:
a) vollständige und richtige Zahlung von Abwassergebühren und
b) die Richtigkeit der bilanziellen Behandlung der Schuldübernahmen für Darlehen der Stiftung €G...€ B... E... GmbH.
Die Marktgemeinde ergänzte den Antrag wie folgt gemäß §§ 142 und 143 AktG:
1. Im Jahresabschluss der G... AG für das Geschäftsjahr 2008 ist eine Rückstellung für evtl. Nachforderungen der Gemeinde für Abwassergebühren in Höhe von rund 540.000,00 EUR gebildet worden. Die Höhe der Rückstellung ist offensichtlich geschätzt worden. Unklar ist, für welchen Zeitraum die Kanalbenutzung unzutreffend angemeldet wurde, welche Mengen Abwasser tatsächlich in das Kanalnetz eingeleitet wurden und die sich daraus ergebende Nachforderung.
2. Lediglich im Lagebericht zum Jahresabschluss der G... AG für 2008 ist wiederum ohne nähere Erläuterung die Schuldmitübernahme für Verbindlichkeiten der Stiftung €G...€ B... E... GmbH vermerkt worden. Im Hinblick darauf, das nach dem gegenwärtigem schwebend unwirksamen Pachtvertrag es absehbar ist, dass die Stiftung €G...€ B... E... GmbH nicht mehr in der Lage sein wird, die auf diese Verbindlichkeit zu leistenden Zinsen und Tilgungsbeiträge aus eigener Liquidität zu bezahlen, ist die rechtliche Grundlage für die derzeitige Behandlung der Schuldübernahme im Lagebericht nicht gegeben. Im Rahmen der Sonderprüfung ist die zutreffende rechtliche Behandlung zu prüfen.
3. Für die Schuldmitübernahme der G... AG ab dem Jahr 2004 € betreffend alle Tochtergesellschaften € für Verbindlichkeiten der Stiftung €G...€ B... E... GmbH ist die rechtliche und bilanzielle Behandlung im Jahresabschluss 2008 zu prüfen.
Die Marktgemeinde beantragt, als Sonderprüfer die E... Wirtschaftstreuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, A...-Straße, ... M..., zu bestellen. €€
Während der Hauptversammlung lagen der Jahres- sowie der Konzernabschluss der Beklagten für das Geschäftsjahr 2008 aus, der vom Abschlussprüfer der Beklagten mit uneingeschränktem Bestätigungsvermerk testiert worden war. Der Aufsichtsrat stellte den Jahresabschluss ohne Einwände fest und billigte ebenso den Konzernabschluss ohne Einwände. Der Geschäftsbericht der Beklagten (Anlage K 4) enthielt unter anderem folgende Ausführungen:
€ 4. Ergänzende AngabenHaftungsverhältnissea) Mithaftungen
Es bestehen Verpflichtungen gegenüber der Bayerischen Landesbank, München, aus der gesamtschuldnerischen Schuldmitübernahme für Darlehen der €Stiftung Gesundheitswelt€ Chiemgau B... E... GmbH, B... E... in Höhe von TEUR 28.784 (Vj. TEUR 29.604) sowie der S... K... GmbH, B... E..., in Höhe von TEUR 2.562 (Vj. TEUR 2.685). Außerdem besteht eine gesamtschuldnerische Mitverpflichtung gegenüber der Sparkasse R... für einen Avalkredit der Ambulantes Rehazentrum R... GmbH in Höhe von TEUR 12 (Vj. TEUR 262). €€ (Seite 49)
Zu dem Konzernabschluss enthält der Geschäftsbericht auf Seite 70 folgende Ausführungen:
€ 6. Haftungsverhältnissea) Mithaftungen
Es bestehen Verpflichtungen aus der gesamtschuldnerischen Schuldmitübernahme für Darlehen der Stiftung €G...€ B... E... GmbH, B... E..., gegenüber der Bayerischen Landesbank, München, in Höhe von TEUR 28.784 (Vj. TEUR 29.604.).
...
2. periodenfremde Aufwendungen
Die sonstigen betrieblichen Aufwendungen beinhalten periodenfremde Beträge in Höhe von Insgesamt TEUR 1.133. Diese betreffen im Wesentlichen Aufwendungen für Abwassergebühren für Vorjahre (TEUR 540) und Pachtnachforderungen der Marktgemeinde B... E... für Vorjahre inkl. Zinsen (TEUR 522). ...€
Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Geschäftsberichtes 2008 wird in vollem Umfang auf Anlage K 4 Bezug genommen.
Die Hauptversammlung stimmte dem Antrag auf Durchführung einer Sonderprüfung insbesondere mit den unmittelbaren und mittelbaren Stimmen der Marktgemeinde B... E... zu; für den Antrag stimmten bei 66.247 anwesenden Stimmen 58.038 Stimmen, währen es 7.524 Nein-Stimmen sowie 27 Stimmenthaltungen gab. Für die Marktgemeinde B... E... gab der zweite Bürgermeister die Stimmen ab. Zugleich stimmte er als Legitimationsaktionär für die Stiftung GmbH dem Antrag auf Sonderprüfung zu.
Die Klägerin, die ihre Aktien bereits vor der Bekanntmachung der Einberufung der Hauptversammlung im elektronischen Bundesanzeiger erworben hatte, nahm an der Hauptversammlung durch ihren Vorstand teil und erklärte Widerspruch zur Niederschrift des Notars.
II.
Zur Begründung ihrer Klage machte die Klägerin im wesentlichen geltend, der Beschluss verstoße bereits deshalb gegen das Gesetz, weil die auslegungspflichtigen Unterlagen nicht in den Geschäftsräumen ausgelegen hätten und die Beklagte sich nachhaltig geweigert habe, der Klägerin die Jahresabschlussunterlagen zuzusenden. Beim Eintreffen des Vorstandes der Klägerin an der Rezeption am Tag der Hauptversammlung gegen 14.45 Uhr im Haus S... Straße ... habe er auf Nachfrage die Information erhalten, Unterlagen lägen nicht aus; er könne den Geschäftsbericht erst vor Beginn der Hauptversammlung am Veranstaltungsort erhalten. Die Relevanz der Verletzung der Informationspflichten resultiere daraus, dass Gegenstand der Sonderprüfung gerade die Bilanz sei, weshalb ein objektiv urteilender Aktionär deren Zusendung gerade in Bezug auf die beantragte Sonderprüfung zur Voraussetzung für sein Abstimmungsverhalten mache. Angesichts der Kenntnis anderer Aktionäre und vor allem der Hauptaktionärin vom Inhalt der Bilanz liege ein Verstoß gegen den aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vor. Der Jahresabschluss könne nicht Gegenstand der Sonderprüfung sein, weil er nicht einen einzelnen bestimmten Vorgang, sondern die gesamte Geschäftsführung einer Periode widerspiegele und in Konkurrenz zur Abschlussprüfung treten würde. Beim Komplex €Abwassergebühren€ werde nicht beschrieben, auf welche Zeiträume sich die Sonderprüfung beziehen solle. Die Bezugnahme auf eine bilanzielle Position könne nicht dazu führen, dass dann auch Tatsachen geprüft würden, die bei der Sonderprüfung über die Tatsachen selbst ausgeschlossen währen. Beim Komplex €Schuldmitübernahme€ ergebe sich aus den Erläuterungen zum Sonderprüfungsantrag in keinster Weise ein Bezug auf im Jahr 2008 gegebene Tatsachen. Zudem stelle sich die beantragte Sonderprüfung wegen des Vorrangs einer Sonderprüfung nach § 258 AktG als unzulässig dar. Weiterhin treffe die Hauptaktionärin ein aus § 142 Abs. 1 Satz 3 abgeleitetes Stimmrechtsverbot, weil die erste Bürgermeisterin als Vertreterin der beherrschenden Gesellschafterin maßgeblichen Einfluss auf deren Willensbildung habe; ohne die Stimmen der Marktgemeinde B... E... und der Stiftung GmbH wäre der Beschluss nicht zustande gekommen. Außerdem verfolge die Hauptaktionärin einen unzulässigen Sondervorteil, weil sie berechtigt sei, nach den Vorschriften des KAG gegenüber der Beklagten und ihren Tochtergesellschaften Kanalbenutzungsgebühren zu erheben und diese auch durchzusetzen. Statt dessen versuche die Hauptaktionärin, auf der Grundlage ihrer Aktionärseigenschaft die Grundlagen für eine etwaige Nachfestsetzung von Gebühren im Wege einer Sonderprüfung auf Kosten der Beklagten selbst vorzunehmen anstelle der Möglichkeiten aus § 3 ihrer entsprechenden Satzung € Gebührenmaßstab für die Schmutzwasserbeseitigung€ Auskunft zu verlangen. Dadurch verlagere sie bei ihr entstehende Kosten unzulässig auf die Beklagte. Angesichts der Mitwirkung der ersten Bürgermeisterin an der Feststellung des Jahresabschlusses und Billigung des Konzernabschlusses im Aufsichtsrat sei die Bestellung eines Sonderprüfers auch grob treuwidrig. Dem zweiten Bürgermeister fehle zudem die in Textform erteilte Vollmacht, weshalb seine Stimmabgabe unwirksam sei.
Die Klägerin beantragt daher:
Der am 14. Oktober 2009 von der Hauptversammlung der Beklagten auf Antrag der Marktgemeinde B... E... gefasste Beschluss über die Durchführung einer Sonderprüfung wird für nichtig erklärt.
Hilfsweise beantragt die Klägerin:
Es wird festgestellt, dass der im Hauptantrag bezeichnete Beschluss unwirksam ist.
III.
Die Beklagte beantragt demgegenüber:
Klageabweisung.
Zur Begründung beruft sie sich im Wesentlichen darauf, es fehle bereits an einer Gesetzesverletzung. Die vom Kläger vorgelegten E-Mails seien nie bei der Beklagten eingetroffen, weshalb auch keine Reaktion darauf habe erfolgen können. Auf die per Telefax eingegangene Aufforderung hin habe sie den Geschäftsbericht 2008 an die Klägerin tatsächlich versandt. Sollte die Klägerin den Geschäftsbericht 2008 nicht erhalten haben, könne dies der Beklagten nicht angelastet werden, zumal sich die Klägerin nicht telefonisch an das Vorstandssekretariat gewandt habe. Die Äußerung, eine Mitarbeiterin am Empfang hätte auf Nachfrage am Versammlungstag gegen 14.40 Uhr mitgeteilt, die auslegungspflichtigen Unterlagen lägen nicht aus und hätten auch nicht ausgelegen, sondern seien erst von Beginn der Hauptversammlung an erhältlich, sei nie gefallen. Die Unterlagen hätten ab Einberufung stets in den Geschäftsräumen ausgelegen. Vielmehr sei dem Vorstand der Klägerin von Frau S... mitgeteilt worden, er möge sich an das Vorstandssekretariat der Beklagten wenden, wo er Einsicht nehmen könne. Zudem fehle der nichtgegebenen Einsichtsmöglichkeit die Relevanz angesichts der Möglichkeit zur Information über den vollen Wortlaut des Sonderprüfungsantrags auf der Homepage der Beklagten und der nicht gegebenen Möglichkeit, wesentliche zusätzliche Erkenntnisse aus dem Geschäftsbericht zu gewinnen. Angesichts der Stimmverhältnisse in der Hauptversammlung sei die Mitwirkung der Klägerin für das Beschlussergebnis nicht ausschlaggebend.
Der zweite Bürgermeister L... sei nicht Vollmachtnehmer gewesen, sondern habe als gesetzlicher Vertreter der Marktgemeinde B... E... nach Art. 39 BayGO an der Hauptversammlung teilgenommen. Als Legitimationsaktionär übe er für die Stiftung GmbH das Stimmrecht im eigenen Namen aus, weshalb es keiner besonderen Bevollmächtigung und Vorlage einer Vollmachtsurkunde bedürfe. Den zweiten Bürgermeister treffe für die Marktgemeinde B... E... kein Stimmverbot, weil die erste Bürgermeisterin keinen maßgeblichen Einfluss auf die Art der Stimmrechtsausübung in einem vielköpfigen Gremium wie dem Gemeinderat zukomme, der über die Art und Weise entscheide, wie in der Hauptversammlung abgestimmt werde.
Entscheidend sei der zur Abstimmung gestellte, geänderte Sonderprüfungsantrag, nicht der ursprüngliche Antrag der Hauptversammlung. Der Prüfungsgegenstand €vollständige und richtige Zahlung von Abwassergebühren€ sei durch die dem Antrag beigefügten Erläuterungen hinreichend konkretisiert. Aus dem tatsächlich zur Abstimmung gestellten Antrag ergebe sich auch, dass der Sonderprüfer hinsichtlich der Schuldmitübernahme zu überprüfen habe, ob sich aus dem in Geschäftsjahr 2008 ergebenden Tatsachen noch eine Ausweisung lediglich im Anhang des Jahresabschlusses rechtfertigte oder ob angesichts der von der Marktgemeinde B... E... in den Raum gestellten drohenden Illiquidität der Stiftung GmbH eine andere Behandlung in der Bilanz gerechtfertigt und geboten gewesen wäre. Es gehe auch nicht nur um die bloße Prüfung von Bilanzpositionen. Ein Vorrang der Sonderprüfung nach § 258 AktG bestehe nicht, weil es nicht um eine Unterbewertung eines ansonsten vom Grunde her bestehenden Postens im Jahresabschluss gehe und die Gesellschaft tatsächlich werthaltiger sei als ausgewiesen. Das Verlangen nach ordnungsgemäßer Gebührenleistung könne jeder Aktionär stellen, zumal es der Beklagten vor allem um die Möglichkeit der Prüfung der Grundlagen für einen etwaigen Haftungsanspruch der Gesellschaft gegenüber ihrem früheren Vorstand, Herr O... S..., nachdem der Gesellschaft durch die unrichtige Meldung der Abwassermengen Nachteile in Form von Säumniszinsen und von etwaig überhöht geleisteten Tantiemezahlungen entstanden seien. Ein widersprüchliches oder treuwidriges Verhalten der Marktgemeinde B... E... lasse sich nicht bejahen, weil die erste Bürgermeisterin in ihrer Entscheidung im Aufsichtsrat keinerlei Weisungen der entsendenden Marktgemeinde B... E... unterliege und völlig frei abstimmen könne.
IV.
1. Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 4.1.2010 (Blatt 27/28 d.A.) sind die Nebenintervenienten zu 1) und zu 2) dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten. Die Nebenintervenientin zu 3) hat mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 22.12.2009 (Blatt 24/26 d.A.) ihren Beitritt zum Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin erklärt. Alle Nebenintervenienten haben sich dem Antrag der Klägerin im Termin vom 4.2.2010 angeschlossen.
2. Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 10.6.2010 (Blatt 89/91 d.A.) durch uneidliche Vernehmung der Zeuginnen ... S... und ... H... sowie des Zeugen ... N... Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.9.2010 (Blatt 97/115 d.A.).
V.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie die Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4.2.2010 (Bl. 70/75 d.A.) und vom 30.9.2010 (Bl. 97/115 d.A.).
Gründe
I.
Die Anfechtungsklage ist zulässig, jedoch nicht begründet, weil der Beschluss der Hauptversammlung nicht gegen das Gesetz im Sinne von § 243 Abs. 1 AktG verstößt.
1. Die Anfechtbarkeit ergibt sich nicht aus einem Verstoß gegen die Pflicht zur Auslegung der Jahresabschlussunterlagen aus § 175 Abs. 2 Satz 1 AktG sowie zu deren Übermittlung gem. § 175 Abs. 2 Satz 2 AktG auf Anforderung durch die Aktionäre. Nach diesen Vorschriften ist der Jahresabschluss neben anderen Unterlagen von der Einberufung im Geschäftsraum der Gesellschaft zur Einsicht auszulegen; weiterhin ist auf Verlangen jedem Aktionär eine Abschrift der Unterlagen zu erteilen.
a. Die durchgeführte Beweisaufnahme hat zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass der Jahresabschluss in den Geschäftsräumen der Beklagten ab der Einberufung der Hauptversammlung auslag. Die Zeugin H... hat bekundet, dass die Unterlagen € also insbesondere der Jahresabschluss, nach dem sie vom Gericht befragt wurde € mit 100 %-iger Sicherheit im Vorstandsbüro auslagen; sie hatte die Unterlagen nach ihrer Aussage in einem Schrank aufbewahrt. Die Kammer hat keine Zweifel an der Richtigkeit der Aussage der Zeugin H... Zwar war sie durchaus bestrebt, die Lage so darzustellen, dass die Handhabung von Einsichtsverlangen sehr aktionärsfreundlich gehandhabt wird; auch ist nicht zu verkennen, dass sie als Sekretärin eines Organs der Beklagten zumindest ein mittelbares Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits haben kann. Doch führt dies nicht von vornherein zur Unglaubwürdigkeit der Zeugin. Schließlich wird ein zentraler Punkt ihrer Aussage bestätigt durch die Angaben der Zeugin ... S..., die bekundet hat, dass sie für den Fall, in dem jemand an der Rezeption nach Geschäftsberichten fragt, den Fragesteller an das Vorstandsbüro mit Frau H... oder Frau Ha... weitergeleitet habe. Dies spricht letztlich dafür, dass die Unterlagen vor den Hauptversammlungen der Beklagten und damit auch derjenigen des Jahres 2009 jeweils dort tatsächlich ausgelegen haben. Soweit sich die Aussagen der Zeuginnen S... und H... in Einzelpunkten widersprechen, insbesondere bei der Frage, ob darüber gesprochen wurde, wie mit Anfragen nach den Unterlagen umzugehen sei, stellt dies die Glaubwürdigkeit der Zeuginnen und der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen nicht in Frage. Gerade bei aus der damaligen Sicht weniger wichtigen Einzelpunkten kann die Erinnerung unterschiedlich sein. Wenn die Unterlagen in einem Schrank aufbewahrt wurden und Anfragen der Aktionäre in das Vorstandsekretariat geschickt wurden, woran nach der glaubhaften Aussage von Frau S... keine Zweifel bestehen, so lagen diese im Rechtssinne auch aus, weil sie auf Anfrage dann eben jederzeit zugänglich gemacht werden konnten. Bei der Gesamtwürdigung der Aussage von Frau H... kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Zeuge N... ebenfalls bekundet hat, dass von der Rezeption aus mit dem Vorstandsbüro telefoniert worden sei, auch wenn seine Ansprechpartnerin nicht die Zeugin ... S... gewesen sein dürfte.
b. Soweit es um die Rüge geht, dem Vorstand der Klägerin seien die angeforderten Unterlagen weder übermittelt worden noch habe er vor der Hauptversammlung Gelegenheit zur Einsichtnahme gemäß § 175 Abs. 2 Satz 2 AktG gehabt, lässt sich ein Gesetzesverstoß daraus nicht ableiten.
Zwar erhielt die Klägerin auf ihre per E-Mail übermittelte Anforderung vom 4.9. und 16.9.2009 und auch auf ihr Telefax hin keine Unterlagen übermittelt. Dies vermag indes die Anfechtbarkeit des Beschlusses nicht zu begründen, wobei dies auch dann gilt, wenn namentlich hinsichtlich des Telefaxes der Vortrag der Klägerin zutreffend sein sollte, die Unterlagen nie erhalten zu haben. Wenn ein Aktionär angeforderte Unterlagen nicht oder nicht vollständig erhält, muss er dies bei der Gesellschaft monieren und ihr Gelegenheit geben, den Fehler zu beheben. Wenn ein Aktionär trotz Nachweises seiner Aktionärseigenschaft keine Unterlagen erhält, so bedeutet es keine unzumutbare Überspannung der ihn in seiner Eigenschaft als Aktionär treffenden Sorgfaltspflicht, wenn von einer Prüfungs- und Erinnerungsobliegenheit ausgegangen wird. Erinnert der Aktionär nicht nochmals an die Übermittlung, fehlt es an einem angemessenen Verhältnis zwischen dem Gesetzesverstoß und der Vernichtung des Beschlussergebnisses (vgl. OLG Celle Der Konzern 2005, 374, 377 € Vectron/Hansa; LG Frankfurt AG 2002, 356; LG München I, Urteil vom 26.4.2007, Az. 5HK O 12848/06, S. 88 und Urteil vom 28.8.2008, Az. 5HK O 12861/07, S. 139 f. € insoweit jeweils n.v.; Euler/Müller in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., Rdn. 28 zu § 175). Damit kommt es dann aber letztlich nicht einmal entscheidungserheblich darauf an, ob die Beklagte die Unterlagen an die Klägerin versandt hat.
63Eine Obliegenheitsverletzung muss aber auch insoweit angenommen werden, als der Vorstand der Klägerin eine Einsichtnahme vor dem Beginn der Hauptversammlung am 14.10.2009 unterließ, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre. Die Möglichkeit der Einsichtnahme ist zu bejahen, wie sich namentlich aus der Aussage des Zeugen N... ableiten lässt. Beim Verlassen des Thermalbades gingen der Zeuge sowie der Vorstand der Klägerin an dem Raum vorbei, an dem die Hauptversammlung stattfand und in dem Mitarbeiter mit der unmittelbaren Vorbereitung der Hauptversammlung befasst waren. Wenn der Vorstand der Klägerin von einer Mitarbeiterin an der Rezeption darauf verwiesen wurde, dass die Unterlagen zu Beginn der Hauptversammlung dort ausliegen würden, so hätte es nahe gelegen und wäre dem Vorstand der Klägerin insbesondere auch zuzumuten gewesen, beim Vorbeigehen an dem Kultursaal nachzufragen, ob sich der Jahresabschluss bereits dort befinde. Wenn ein Aktionär eine solche ihm mögliche und zumutbare Nachfrage unterlässt, so hat er eine ihn treffende Obliegenheit verletzt. Dann aber kann er keine Rechte aus einer nicht erfolgten Einsichtnahme in den Jahresabschluss herleiten.
Da die Klägerin, vertreten durch ihren Vorstand, insoweit die Möglichkeit zur Einsichtnahme wie jeder andere Aktionär auch hatte, diese aber nicht wahrgenommen hat, lässt sich eine Verletzung des in § 53 a AktG verankerten aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht bejahen.
2. Der Inhalt des Hauptversammlungsbeschlusses über die Sonderprüfung verstößt nicht gegen gesetzliche Vorschriften.
66a. Dem Sonderprüfungsbeschluss der Hauptversammlung steht nicht die Sonderregelung aus §§ 142 Abs. 3, 258 AktG entgegen. Nach § 142 Abs. 3 AktG gilt die Vorschrift des § 142 Abs. 1 AktG nicht für Vorgänge, die Gegenstand einer Sonderprüfung nach § 258 AktG sein können. Vorliegend sind aber die Voraussetzungen für eine auf § 258 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG gestützte Sonderprüfung nicht erfüllt, weil es hier nicht um Anlass zu der Annahme geht, dass in einem festgestellten Jahresabschluss bestimmte Posten nicht unwesentlich unterbewertet sind (§ 256 Abs. 5 Satz 3 AktG). Soweit die beiden Prüfungsgegenstände den Bezug zum Jahresabschluss aufweisen, geht es um die Behandlung von Rückstellungen für nachzuzahlende Abwassergebühren sowie die Frage, ob die Mithaftung aus der Schuldmitübernahme als Verbindlichkeit in der Bilanz hätte ausgewiesen werden müssen. Bei den fraglichen Positionen handelt es sich dann aber um Überbewertungen auf der Passivseite, weil es um die Feststellung geht, ob die Rückstellungen noch höher hätten angesetzt werden müssen und ob ein Ansatz einer möglicherweise gebotenen Passivierung von Verbindlichkeiten unterblieben ist. Werden Passivposten zu niedrig angesetzt, liegt nach der Legaldefinition des § 256 Abs. 5 Satz 1 AktG indes eine Überbewertung, keine Unterbewertung vor. Da es vorliegend um eine solche Überbewertung geht, greift die Sperrwirkung aus §§ 142 Abs. 3, 258 AktG nicht ein.
67b. Der streitgegenständliche Beschluss der Hauptversammlung vom 14.10.2009 ist auch hinreichend bestimmt; er wird den Anforderungen gerecht, die § 142 Abs. 1 AktG an die Anordnung der Sonderprüfung und die Bestellung des Sonderprüfers durch die Hauptversammlung stellt. Zur Beurteilung ist dabei auf den konkret in der Hauptversammlung zur Beschlussfassung gestellten und mehrheitlich angenommenen Antrag abzustellen, nicht auf den ursprünglich mitgeteilten Gegenantrag vom 23.9.2009. Auf Grund von § 142 Abs. 1 AktG muss sich der Beschluss auf bestimmte Vorgänge bei der Geschäftführung beziehen, was vorliegend bejaht werden muss. Zwar kann die Sonderprüfung nicht den Jahresabschluss als solchen erfassen, wohl aber ist die Prüfung einzelner Posten zulässig, weil dem einzelnen Posten jeweils Geschäftsvorfälle zugrunde liegen. Dies ergibt sich namentlich aus der Wertung des § 142 Abs. 3 AktG; wären Teile des Jahresabschlusses generell nicht sonderprüfungsfähig, wäre § 142 Abs. 3 AktG, der die allgemeine Sonderprüfung im Anwendungsbereich von § 258 AktG ausschließt, überflüssig (vgl. Spindler: Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl.., Rdn. 19 zu § 142; Wilsing/Neumann in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., Rdn. 8 zu § 142; Schröer in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Aufl., Rdn. 30 zu § 142).
Vorliegend geht es darum, Gründe zu ermitteln, die sich auf einzelne Bilanzpositionen beziehen, mithin um einen tauglichen Gegenstand einer Sonderprüfung. Die vollständige und richtige Zahlung von Abwassergebühren stellt sich ohne jeden Zweifel als Maßnahme der Geschäftsführung der Beklagten dar, weil die Erfüllung von gegenüber dem Abgabengläubiger geschuldeten Mitwirkungspflichten und darauf aufbauend namentlich auch die Erfüllung der Zahlung von Kommunalabgaben zum Verantwortungsbereich des Vorstandes gehört. Die Frage, inwieweit der Vorstand vollständige und richtige Angaben zu den eingeleiteten Abwässern als Maßgabe der Höhe der Abwassergebühren gemacht hat, kann somit auch Auswirkungen auf die Höhe der gebildeten Rückstellungen im Jahresabschluss 2008 haben; der Jahresabschluss als solcher wird damit aber ohne jeden Zweifel nicht zum Gegenstand der Sonderprüfung. Auch die Richtigkeit der bilanziellen Behandlung der Schuldübernahme für Darlehen für die Stiftung GmbH bezieht sich nur auf einzelne Bilanzposition, nicht jedoch auf den Jahresabschluss als solchen.
Der Bezug zu bestimmten Vorgängen bei der Geschäftsführung wird in dem Beschluss in einem dem Bestimmtheitserfordernis entsprechenden Umfang angegeben zumal an die Bestimmtheit des Prüfungsgegenstandes keine zu strengen Anforderungen gestellt werden können (vgl. RGZ 146, 385, 393 f.; OLG Düsseldorf WM 1992, 14, 22; LG München I WM 2008, 2297, 2298 = AG 2008, 720 Ls; Spindler in: Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O., Rdn. 9 zu § 142; Mock in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., Rdn. 39 zu § 142; Bezzenberger in: Großkommentar zum AktG, 4. Aufl., Rdn. 28 zu § 142) Der Antrag benennt die Maßnahmen der Geschäftsführung, die vom Sonderprüfer untersucht werden sollen; damit ist auch dessen Auftrag hinreichend deutlich umschrieben. Dabei ist auch der Bezug zum Geschäftsjahr 2008 hinreichend deutlich gegeben, weil in dem Sonderprüfungsantrag zusammen mit der Begründung auf die Behandlung im Jahresabschluss 2008 verwiesen wird und sich daraus ergibt, dass es um solche Geschäftsvorfälle geht, die Auswirkungen auf den Inhalt des Jahresabschlusses haben können.
703. Mit der Sonderprüfung erlangt die Beklagte keine unzulässigen Sondervorteil im Sinne des § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG. Nach dieser Vorschrift kann die Anfechtung zwar auch darauf gestützt werden, dass ein Aktionär mit der Ausübung des Stimmrechts für sich oder einen Dritten Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft oder der anderen Aktionäre zu erlangen suchte und der Beschluss geeignet ist, diesem Zweck zu dienen. Indes sind die Voraussetzungen des § 243 Abs. 2 AktG hier nicht erfüllt. Als Sondervorteil wird jeglicher Vorteil bezeichnet, sofern es bei einer Gesamtwürdigung als sachwidrige, mit den Interessen der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre unvereinbare Bevorzugung erscheint, dem Aktionär oder einem Dritten dem Vorteilerwerb zu gestatten oder den bereits vollzogenen Erwerb hinzunehmen (vgl. BGHZ 138, 71, 80 f. = NJW 1998, 2054, 2056 = AG 1998,2084; AG 2009, 534, 535;OLG Düsseldorf AG 2007, 363, 367; LG Stuttgart AG 1994, 567 = ZIP 1994, 631, 632;Schwab in: Schmidt/Lutter, a.a.O., Rdn. 21 zu § 243; K. Schmidt in: Großkommentar zum AktG, a.a.O., Rdn. 55 zu § 243; Hüffer, AktG, a.a.O., Rdn. 35 zu § 243; Heidel in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, a.a.O., Rdn. 28 zu § 243; Hüffer in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., Rdn. 75 zu § 243). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt, weil es an der sachwidrigen Bevorzugung fehlt. Die Beklagte hat € soweit nicht mehr bestritten und damit als gemäß § 138 Abs. 3 ZPO zugestanden geltend € vorgetragen, der Marktgemeinde B... E... sei es als Aktionärin primär darum gegangen, auch Grundlagen für einen möglichen Haftungsanspruch gegen den ehemaligen Vorstand O... S... zu ermitteln und daneben auch eine korrekte Erfassung der Abwassergebühren sicher zu stellen. Damit aber nimmt sie ein Recht war, das jedem Aktionär zusteht € die Überprüfung der ordnungsgemäßen Geschäftsführung einschließlich der Bildung von Rückstellungen im jeweiligen Jahresabschluss für bestimmte Vorgänge. Zudem ist aus Rechtsgründen zu beachten, dass Bedenken bestehen, inwieweit Erkenntnisse auf Grund von Ermittlungen, die die Marktgemeinde B... E... selbst durchführt, mit Blick auf das auch im Anwendungsbereich des Kommunalabgabenrechts gültige Steuergeheimnis überhaupt verwertbar wären bei der Frage, inwieweit gegen ein früheres Vorstandsmitglied Haftungsansprüche geltend gemacht werden können; eine Ausnahme vom Steuergeheimnis im Sinne von § 30 AO ist nicht ohne Weiteres zu erkennen.
Angesichts dessen lässt sich der Sondervorteil nicht damit begründen, die Marktgemeinde B... E... könne Erkenntnisse gewinnen, die sie in gleicher Weise auf ihre eigenen Kosten als Kommune mit den ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten des Kommunalabgabengesetzes gewinnen könnte.
4. Ein Gesetzesverstoß lässt sich nicht über die Annahme eines Stimmrechtsverbotes des Vertreters der Marktgemeinde B... E... sowie der Stiftung GmbH in der Hauptversammlung ableiten.
73a. Für den Vertreter der Marktgemeinde B... E... in der Hauptversammlung, Herrn 2. Bürgermeister L..., bestand kein Stimmrechtsverbot aus § 142 Abs. 1 Satz 2 AktG analog, wonach ein Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrates weder für sich noch für einen anderen mitstimmen darf, wenn die Prüfung sich auf Vorgänge erstrecken soll, die mit der Entlastung eines Mitglieds des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder der Einleitung eines Rechtsstreits zwischen der Gesellschaft und einem Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats zusammenhängen. Die Vorsaussetzungen dieser Vorschrift, die allenfalls analog anwendbar sein könnte, weil die Marktgemeinde B... E... als Gebietskörperschaft (Art. 1 Satz 1 BayGO) nicht selbst Mitglied des Aufsichtsrates sein kann, sind vorliegend nicht erfüllt. Der zweite Bürgermeister war befugt, die Stimme für die Marktgemeinde B... E... als Aktionärin abzugeben. Ein Stimmrechtsverbot lässt sich in einer derartigen Konstellation nicht bejahen, obwohl die erste Bürgermeisterin der Marktgemeinde B... E... in den Aufsichtsrat entsandt wurde. Das Entsendungsrecht entspricht einem praktischen Bedürfnis und trägt vor allem dem Umstand Rechnung, dass ein Aktionär ein besonderes Interesse daran haben kann, seine Belange im Aufsichtsrat durch Personen seines Vertrauens zu gewahrt zu wissen. Da das Aktienrecht derartige Entsendungsrechte nicht verbietet, kann dem Entsendungsberechtigten das Stimmrecht nicht schon deshalb versagt werden, weil er von seinem Entsenderecht Gebrauch gemacht hat und über die entsandte erste Bürgermeisterin auch Einfluss auf die Haltung des Aufsichtsrates nehmen kann. Allerdings hat der Entsandte die Interessen der Gesellschaft vor die Interessen des Entsendeberechtigten zu stellen, weshalb die Marktgemeinde B... E... die von ihr entsandte erste Bürgermeisterin nicht daran hindern kann, die ihr im Aufsichtsrat obliegenden Aufgaben und damit die Belage der Gesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmanns, dem die Überwachung und Prüfung eines Unternehmens obliegt, zu wahren (vgl. BGHZ 36, 296, 306 ff.). Etwas anderes mit der Folge eines Stimmrechtsverbotes könnte nur dann gelten, wenn das entsandte Aufsichtsratsmitglied maßgeblichen Einfluss auf die Stimmrechtsausübung durch die Gebietskörperschaft als Aktionärin hat. Ein derartiger Einfluss muss vorliegend zwingend verneint werden. Der Gemeinderat der Aktionärin besteht aus 21 Mitgliedern, nämlich der ersten Bürgermeisterin und 20 Gemeinderatsmitgliedern, was sich aus Art. 31 Abs. 1 und Abs. 2 BayGO ergibt. Dann aber ist nicht einmal im Ansatz erkennbar, dass die erste Bürgermeisterin mit einer Stimme entscheidenden Einfluss auf die Haltung des Gemeinderates als eines der beiden Hauptorgane einer Gemeinde haben könnte.
Das Vertretungsrecht ist demgemäß auf Grund der Verhinderung der ersten Bürgermeisterin bei der Stimmabgabe auf den zweiten Bürgermeister, Herrn M... L... übergegangen, was sich aus Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayGO in Verbindung mit Art. 36 BayGO ergibt. Aufgrund von Art. 36 Satz 1 BayGO vollzieht der erste Bürgermeister die Beschlüsse des Gemeinderates; soweit er persönlich beteiligt ist, handelt gemäß Art. 36 Satz 2 BayGO sein Vertreter. Im Falle der Verhinderung des ersten Bürgermeisters vertreten die weiteren Bürgermeister den ersten Bürgermeister gemäß Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayGO in ihrer Reihenfolge. Da die Entsandte das Stimmrecht nicht ausüben darf, war sie im Rechtsinne verhindert, weshalb die Gemeinde dann in der Hauptversammlung kraft Gesetzes vom zweiten Bürgermeister vertreten wurde. Angesichts dieser sich aus dem bayerischen Kommunalrecht ergebenden Gesetzeslage findet die Vorschrift des § 134 Abs. 3 AktG über die Voraussetzungen der Erteilung (vgl. Hüffer, AktG, a.a.O., Rdn. 29 f. zu § 134; Volhard in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., Rdn. 35 zu § 134; Spindler in: Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O., Rdn. 67 zu § 134; Rieckers in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., Rdn. 44 zu § 134).
b. Die Anfechtbarkeit lässt sich auch nicht mit der Stimmabgabe für die Stiftung GmbH begründen.
(1) Für die Stiftung GmbH, deren 100 %-ige Gesellschafterin die Marktgemeinde B... E... ist, bestand in der Hauptversammlung kein Stimmrechtsverbot. Wenn schon für die Marktgemeinde B... E... als Aktionärin der Beklagten kein Stimmrechtsverbot bestand, muss dies erst recht gelten, wenn es um die Abstimmung einer Aktionärin geht, deren Alleingesellschafterin die Marktgemeinde B... E... ist, auch wenn diese von einem Entsendungsrecht in den Aufsichtsrat der Beklagten Gebrauch gemacht hat. Zudem ist auch hier zu beachten, dass die erste Bürgermeisterin im Aufsichtsrat der Stiftung GmbH mit ihrer Stimmabgabe € wie auch im Gemeinderat € keinen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Der Aufsichtsrat der Stiftung GmbH besteht aus fünf Mitgliedern und entscheidet auf Grund von § 7 Abs. 11 des Gesellschaftsvertrages mit einfacher Mehrheit. Angesichts dessen kann ein beherrschender Einfluss der Bürgermeisterin nicht angenommen werden.
(2) Ein Anfechtungsgrund resultiert auch nicht aus einem Verstoß gegen § 134 Abs. 3 AktG. Dabei kommt es nicht darauf an, ob Herrn L... eine Vollmacht in Textform erteilt wurde und der Nachweis der Bevollmächtigung gegenüber der Gesellschaft ebenfalls in Textform geführt wurde, wie dies § 134 Abs. 3 Satz 3 AktG vom Grundsatz her verlangt. Herr L... trat in der Hauptversammlung nach dem Vortrag der Beklagten in der Klageerwiderung, den weder die Klägerin noch die Nebenintervenienten danach bestritten haben und der daher gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt, als Legitimationsaktionär auf. Abgesehen davon ergibt sich dieser Umstand namentlich aus der als Anlage B 9 vorgelegten Bestellung der Eintrittskarten und der weiteren Tatsache, dass Herr L... mit den 38.988 Aktien der Stiftung GmbH als Aktionär in Fremdbesitz angemeldet war. Die Legitimationsübertragung begründet indes keine Vertretungsmacht, sondern vielmehr die Befugnis, dass Stimmrecht an fremden Aktien im eigenen Namen auszuüben, wobei die rechtliche Grundlage eine Ermächtigung nach dem Vorbild des § 185 BGB ist, was auch von § 129 Abs. 3 AktG als zulässig vorausgesetzt wird. Auf den Legitimationsaktionär findet angesichts des Umstandes, dass er nicht wie ein Bevollmächtigter im fremden Namen, sondern in eigenem Namen auftritt, die Vorschrift des § 134 Abs. 3 AktG keine Anwendung (vgl. Hüffer, AktG, a.a.O., Rdn. 32 zu § 134 und Rdn. 12 zu § 129; Rieckers in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., Rdn. 46 zu § 134; Spindler in: Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O., Rdn. 62 zu § 134; Volhard in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., Rdn. 65 zu § 134; Holzborn in: Bürgers/Körber, AktG, 2008, Rdn. 26 zu § 134).
Doch selbst wenn dies anders zu beurteilen sein sollte, würde der Beschluss der Hauptversammlung über die Sonderprüfung nicht auf dem Gesetzesverstoß beruhen. Würde man die 38.988 Stimmen der Stiftung GmbH von den 58.038 abgegebenen Ja-Stimmen abziehen, ergäbe sich eine Stimmenmehrheit von 19.050 Ja-Stimmen gegen 7.524 Nein-Stimmen bei 27 Stimmenthaltungen.
Angesichts dessen konnte die Klage keinen Erfolg haben.
II.
Soweit die Klägerin hilfsweise die Feststellung der Unwirksamkeit des von der Hauptversammlung gefassten Beschlusses über die Sonderprüfung der beantragt hat, ist die Klage zwar als allgemeine Feststellungsklage im Sinne des Paragraph 256 Absatz 1 ZPO zulässig, jedoch nicht begründet, nachdem Unwirksamkeitsgründe weder vorgetragen noch sonst erkennbar sind.
III.
1. Die Entscheidung über die Kosten hat ihre Grundlage in §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 2, 100 Abs. 1 ZPO. Als Unterlegene haben die Klägerin sowie die Nebenintervenienten die Kosten des Rechtsstreits zu gleichen Teilen zu tragen. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich bei den Nebeninterventionen jeweils um streitgenössische Nebeninterventionen handelt und folglich § 101 Abs. 2 ZPO zur Anwendung gelangt.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
3. Die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus § 247 Abs. 1 AktG.
LG München I:
Urteil v. 30.12.2010
Az: 5 HK O 21707/09, 5 HK O 21707/09
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