Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 5. Dezember 2011
Aktenzeichen: WpÜG 1/11

(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 05.12.2011, Az.: WpÜG 1/11)

Auch nach Inkrafttreten der EU-Übernahmerichtlinie und des Überahmerichtlinie-Umsetzungsgesetzes vermitteln die Vorschriften des WpÜG nach dessen § 4 Abs. 2 den Aktionären der Zielgesellschaft grundsätzlich keinen Drittschutz zur Erzwingung eines behördlichen Einschreitens der BaFin gegen einen Bieter.

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Beschwerdewert : 50.000,-- EURO

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer ist Aktionär der A AG (im Folgenden: Zielgesellschaft).

Die BaFin (Beschwerdegegnerin) gestattete der B Bank AG (im Folgenden: Bieterin) mit Gestattungsbescheid vom ... Oktober 2010 die Veröffentlichung eines freiwilligen öffentlichen Übernahmeangebots an die Aktionäre der Zielgesellschaft mit einem Angebotspreis von 25,00 EUR je Aktie der Zielgesellschaft, welcher auf der Grundlage des gewichteten durchschnittlichen inländischen Börsenkurses während der letzten drei Monate vor der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots vom 12. September 2010 ermittelt wurde.

Die Bieterin veröffentlichte die Angebotsunterlage am 07. Oktober 2010.

Mit am 19. November 2010 bei der BaFin eingegangenem Schreiben legte der Beschwerdeführer Widerspruch gegen den Gestattungsbescheid ein, mit welchem er dessen Aufhebung sowie die Verpflichtung der BaFin begehrte, gegenüber der Bieterin eine vollstreckbare Anordnung dahingehend zu erlassen, dass diese ein öffentliches Pflichtangebot an die Aktionäre der Zielgesellschaft wegen Erlangung der unmittelbaren oder mittelbaren Kontrolle im Zeitraum zwischen dem ... September 2008 und dem ... Februar 2009 zu einem Erwerbspreis zu veröffentlichen habe, der sich nicht nur am durchschnittlichen Aktienkurs, sondern insbesondere auch an den zuvor mit der Hauptaktionärin (C AG) vereinbarten Kaufpreisen zu orientieren habe.

Die BaFin wies den Widerspruch mit Bescheid vom ... Dezember 2010 zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, das WpÜG vermittele, wie insbesondere durch den auch nach Erlass der EU-Übernahmerichtlinie unverändert gebliebenen § 4 Abs. 2 WpÜG verdeutlicht werde, keinen Drittschutz. Deshalb komme eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte des Beschwerdeführers durch den Gestattungsbescheid nicht in Betracht. Bezüglich des erstmals im Widerspruchsverfahren gestellten Verpflichtungsantrags fehle es bereits an einer vorausgegangenen ablehnenden Erstentscheidung. Unabhängig hiervon sei ein solcher Antrag mangels Drittschutz des WpÜG ebenfalls unzulässig.

Hiergegen legte der Beschwerdeführer mit einem am 03. Januar 2011 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde ein.

Er macht geltend, der Gestattungsbescheid sei rechtswidrig, weil die Angebotsunterlage nach § 15 Abs. 1 WpÜG aus folgenden Gründen hätte untersagt werden müssen:

- Da zwischenzeitlich durch Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 27. August 2009 (3-05 O 115/08) und des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15. Juni 2010 (5 U 144/09) festgestellt worden sei, dass die Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden und weiterer acht Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat der Bieterin nichtig waren, seien auch die Beschlüsse des Aufsichtsrats zur Kapitalerhöhung der Bieterin sowie zur Abgabe des Übernahmeangebots unwirksam.

- Die Angebotsunterlage enthalte außerdem nicht vollständig die Angaben der gemeinsam handelnden Personen. Der Bieterin seien die von der Hauptaktionärin gehaltenen Stimmrechte an der Zielgesellschaft zuzurechnen wegen der im Zusammenhang mit der durch Vertrag vom ... September 2008 erfolgten Übernahme von 29,75% der Anteile an der Zielgesellschaft vereinbarten Call-/Put-Optionen und einer Übernahmeverpflichtung der Bieterin in Bezug auf die im November 2008 bei der Zielgesellschaft durchgeführte Kapitalerhöhung sowie die Zeichnung einer Zwangsumtauschanleihe der Hauptaktionärin durch die Bieterin gemäß einer Vereinbarung vom ... Januar 2009. Aufgrund dieser Zurechnung sei die Bieterin spätestens am 25. Februar 2009 (vereinbarter Termin der Rückzahlung der Zwangsumtauschanleihe) verpflichtet gewesen, ein öffentliches Pflichtangebot an die Aktionäre der Zielgesellschaft zu unterbreiten, und zwar zu einem deutlich höheren Erwerbspreis, der sich nicht nur am damaligen durchschnittlichen Aktienkurs, sondern insbesondere an den mit der Hauptaktionärin vereinbarten Kaufpreisen für die Aktien der Zielgesellschaft hätte orientieren müssen.

Der Beschwerdeführer ist der Rechtsauffassung, die von der BaFin in Bezug genommene Rechtsprechung des WpÜG-Senats (D/E und F AG) und die in der Literatur überwiegend vertretene Auffassung, dass den Aktionären der Zielgesellschaft durch die Vorschriften des WpÜG unmittelbar keine subjektiv- öffentlichen Rechte vermittelt würden, sei nach dem Inkrafttreten der EU-Übernahmerichtlinie und des darauf beruhenden Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetzes nicht mehr haltbar. Bereits § 4 Abs. 2 WpÜG a. F. lasse sich ohne weiteres als bloßer Ausschluss der Amtshaftung interpretieren, welcher über das Gewähren subjekt-öffentlicher Rechte nichts aussage. Gegen die F-Entscheidung des WpÜG-Senats seien europa- und verfassungsrechtliche Bedenken vorgetragen worden. Diese seien entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin durch den zu dieser Entscheidung ergangenen Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 2. April 2004 gerade nicht ausgeräumt worden, da dort eine Grundrechtsverletzung für möglich gehalten, aber wegen eines nicht vorliegenden Rechtsverstoßes im konkreten Fall nicht angenommen worden sei. Der europäische Gesetzgeber habe in der Übernahmerichtlinie in Art. 3 Abs. 1 a) als Zielrichtung des Übernahmerechts über den Gleichbehandlungsgrundsatz hinaus den Schutz der Minderheitsaktionäre bei Kontrollerwerb angegeben und ausdrücklich im zweiten Erwägungsgrund aufgeführt. Deshalb sei den Mitgliedstaaten in dem neunten Erwägungsgrund aufgegeben, zu gewährleisten, dass im Falle der Kontrollerlangung allen Wertpapierinhabern ein Übernahmeangebot zu einem angemessenen Preis, der einheitlich definiert ist, zu machen sei. Nach dem fünften Erwägungsgrund sowie Art. 4 Abs. 5 Unterabsatz 1 der Übernahmerichtlinie sei die BaFin mit der Sicherstellung dieser Interessen der Minderheitsaktionäre der Zielgesellschaft beauftragt und müsse dafür sorgen, dass die Parteien des Angebots den gemäß der Richtlinie erlassenen Vorschriften nachkommen. Nach Art. 2 Abs. 1 f) gehörten die Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft ausdrücklich zu diesen Parteien des Angebots. Damit sei der Schutz der Minderheitsaktionäre nicht nur ausdrückliches Ziel der Übernahmerichtlinie, sondern diese hätten als Verfahrensbeteiligte unmittelbar ein subjektiv-öffentliches Recht, also einen Anspruch gegenüber der BaFin, dafür Sorge zu tragen, dass der Bieter die gesetzlichen Anforderungen einhalte. Auch im Gesetzgebungsverfahren zum Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz sei als Ziel des Gesetzes ausdrücklich ausgeführt, dass der Gesetzesentwurf den Schutzinteressen der Aktionäre bei Übernahmeangeboten und sonstigen Kontrollerwerben diene. Hierin sei ein Paradigmenwechsel im WpÜG hin zum Individualrechtsschutz zu sehen. Wegen der erforderlichen Auslegung der Übernahmerichtlinie müsse das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt werden.

Auch nach dem allgemeinen Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes müsse den Minderheitsaktionären das Recht eingeräumt werden, die Entscheidungen der BaFin gerichtlich überprüfen zu lassen, um die bestehenden subjektiv-öffentlichen Rechte effektiv durchzusetzen. Hierzu werde im achten Erwägungsgrund der Übernahmerichtlinie gefordert, dass die Entscheidungen einer Aufsichtsstelle gegebenenfalls von einem unabhängigen Gericht überprüft werden können. Die EU-Kommission habe in ihrem Vorschlag für eine Übernahmerichtlinie vom 02. Oktober 2002 (ABl. C. 45 E/4 vom 25. Februar 2003) ausgeführt, im Rahmen der Ausgestaltung des Rechtsschutzes dürfe jedenfalls nicht in das Recht eines Geschädigten eingegriffen werden, ein Gericht zumindest wegen Schadensersatz anrufen zu können. Für die Herausnahme der Anteilseigner der Zielgesellschaft aus dem Anwendungsbereich der im WpÜG ausdrücklich vorgesehenen Rechtsbehelfe fänden sich in den Gesetzesmaterialien zur Übernahmerichtlinie und zum Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz keinerlei Anhaltspunkte. Eine andere Interpretation führe zu einer Versagung staatlicher Schutzmechanismen und damit zu einer europarechts- und verfassungsrechtswidrigen Ausgestaltung der Regelungen des WpÜG. Die Rechtsprechung des EuGH, wonach die Bankenaufsicht von der Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen ausgenommen sei, könne auf das WpÜG nicht übertragen werden, weil es hier an einem vergleichbaren selbständigen Sicherungssystem (Einlagensicherung) fehle.

Die rechtswidrige Gestattung eines freiwilligen Übernahmeangebots habe unmittelbare Auswirkungen auf die Aktionäre der Zielgesellschaft. Dies ergebe sich aus der rechtsgestaltenden Wirkung der Untersagung eines Angebots, welche nach § 5 Abs. 3 Satz 2 WpÜG zur Nichtigkeit hierauf beruhender Rechtsgeschäfte führe. Ergebe sich die Pflichtwidrigkeit der Gestattung eines freiwilligen Übernahmeangebots € wie hier € aus einem Rechtsverstoß gegen die Verpflichtung zur Abgabe eines Pflichtangebots, so berühre dies nicht bloß die wirtschaftlichen Interessen der Aktionäre der Zielgesellschaft, sondern habe mehrfache im WpÜG geregelte Auswirkungen auf die Rechte dieser Aktionäre.

Bezüglich des begehrten Erlasses einer Anordnung zur Veröffentlichung eines Pflichtangebots sei eine Auslegung dahingehend geboten, dass im Schriftsatz vom 19. November 2010 unabhängig von der Einlegung des Widerspruchs gegen den Gestattungsbescheid ein diesbezüglicher Antrag gestellt worden sei, da der Beschwerdeführer erkennbar seinen Willen zum Ausdruck gebracht habe, dass er definitiv eine Bescheidung des diesbezüglichen Begehrens anstrebe. Insoweit sei auch der Widerspruchsausschuss der BaFin im Rahmen der Nachprüfung des Gestattungsbescheides nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet gewesen, die Anordnungen der BaFin zu ändern, aufzuheben oder zu ersetzen und somit auch über dieses Begehren zu befinden. Unabhängig davon habe die BaFin jedenfalls durch den Widerspruchsbescheid deutlich zu erkennen gegeben, dass sie dem Begehren nicht nachkommen wolle, so dass vorliegend die Durchführung eines nochmaligen Widerspruchsverfahrens entbehrlich und auch insoweit die Beschwerde zulässig sei.

Der Beschwerdeführer beantragt,

1. den zugunsten der Bieterin erlassenen Gestattungsbescheid der BaFin vom ... Oktober 2010 in Form des Widerspruchsbescheids vom ... Dezember 2010 aufzuheben; 2. die BaFin zu verpflichten, gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 WpÜG gegenüber der Bieterin die vollstreckbare Anordnung zu erlassen, wonach die Bieterin in Erfüllung von § 35 WpÜG nach Erlangung der unmittelbaren oder mittelbaren Kontrolle über die Zielgesellschaft im Zeitraum zwischen dem .... September 2008 und dem 25. Februar 2009 ein öffentliches Pflichtangebot an die Aktionäre dieser Zielgesellschaft zum Erwerb ihrer Aktien zu veröffentlichen hat, und zwar zu einem Erwerbspreis, der sich gemäß § 31 Abs. 1 WpÜG nicht nur am durchschnittlichen Aktienkurs, sondern insbesondere an den mit der C AG vereinbarten Kaufpreisen für die A Aktien orientiert.

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verweist zur Begründung zunächst auf die Begründung des Widerspruchsbescheides und macht weiterhin geltend, das WpÜG vermittele nach dem Gesetzeszweck und seiner Entstehungsgeschichte keine drittschützende Wirkung, da der BaFin die Aufgabe einer allgemeinen Missstandsaufsicht über den Ablauf der Übernahmeverfahren obliege und den Minderheitsaktionären mit dem WpÜG ein geregeltes Verfahren eröffnet sei, ihre Beteiligungen außerbörslich zu veräußern. Aus den Vorschriften des WpÜG, die sich für die Aktionäre vorteilhaft auswirkten, ergebe sich nicht, dass der Gesetzgeber insoweit dem einzelnen Aktionär eine geschützte und im Verwaltungs- bzw. Beschwerdeverfahren durchsetzbare Rechtsposition habe einräumen wollen.

Ein Schutz für die Aktionäre sei bereits durch die Haftung für das Angebotsdokument nach § 12 WpÜG sichergestellt, der jedoch im Zivilverfahren geltend zu machen sei. Ein darüber hinausgehender Schutz der Minderheitsaktionäre ergebe sich auch nicht aus der Übernahmerichtlinie und dem hierzu ergangenen Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz, zumal dort die zentrale Vorschrift des § 4 Abs. 2 WpÜG gerade nicht geändert worden sei. Zwar sehe der zweite Erwägungsgrund der Übernahmerichtlinie es als erforderlich an, die Interessen der Inhaber der Wertpapiere der betroffenen Gesellschaft zu schützen, hieraus folge jedoch gerade nicht, dass den Aktionären damit das Recht eingeräumt werde, individuell gegen Maßnahmen der nationalen Aufsichtsbehörde im Rahmen von Verwaltungs- und Gerichtsverfahren vorzugehen.

Die Versagung des Drittschutzes mit Hinweis auf § 4 Abs. 2 WpÜG sei nicht europarechtswidrig. In der Richtlinie werde als Mindestvoraussetzung zwar gefordert, dass die Aktionäre vor Gericht einen Anspruch auf Schadensersatz geltend machen könnten; es werde jedoch an keiner Stelle statuiert, dass ein Schadensersatzanspruch gerade gegenüber der Aufsichtsbehörde zugesprochen werden müsse. Soweit der Beschwerdeführer auf die Nichtigkeitsfolge einer Untersagung nach § 15 Abs. 2 WpÜG verweise, werde verkannt, dass zum jetzigen Zeitpunkt die BaFin eine Untersagung des Übernahmeangebots nach der Gesetzessystematik nicht mehr aussprechen könne. Deshalb habe auch der Ausgang des hiesigen Verfahrens gerade keine unmittelbar rechtsgestaltende Wirkung für die Aktionäre der Zielgesellschaft.

Des Weiteren werde den Mitgliedstaaten in dem achten Erwägungsgrund ausdrücklich selbst die Entscheidung darüber überlassen, Rechte vorzusehen, die in Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren gegen die Aufsichtsstelle oder zwischen den Parteien des Angebots geltend gemacht werden können, wovon die Bundesrepublik Deutschland mit der Umsetzung der Übernahmerichtlinie 1 : 1 und dem unverändert gelassenen § 4 Abs. 2 WpÜG gerade keinen Gebrauch gemacht habe.

Unabhängig von der verfahrensrechtlichen Problematik könne der Antrag auf Erlass einer Anordnung zur Veröffentlichung eines Pflichtangebots jedenfalls mangels Drittschutz der Normen des WpÜG nicht zum Erfolg führen, da er unzulässig sei. Entgegen der Interpretation des Beschwerdeführers habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Nichtannahmebeschluss vom 02. April 2004 eine verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition der Minderheitsaktionäre gerade nicht positiv festgestellt, sondern diese Frage offen gelassen.

Selbst die in der Literatur am weitesten einen drittschützenden Charakter des WpÜG anerkennende Kommentierung (KK-WpÜG/Giesberts, 2. Aufl., § 4 Rn. 70 ff) erkenne, dass das WpÜG allenfalls auf Gruppeninteressen und lediglich in absoluten Ausnahmefällen auf Individualinteressen abstelle und gehe nicht so weit, die Aktionäre der Zielgesellschaft in jedem Falle in den Kreis von durch das WpÜG geschützten Dritten einzuordnen.

Auch aus der Gesetzesbegründung zum Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz könne entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht abgeleitet werden, dass die Aktionäre der Zielgesellschaft aus den für sie vorteilhaften Regelungen subjektiv-öffentliche Rechte herleiten könnten.

Selbst wenn man mit dem Beschwerdeführer davon ausginge, dass das WpÜG Drittwidersprüche nicht kategorisch ausschließe, komme eine Widerspruchsbefugnis gegen den Gestattungsbescheid nicht in Betracht, da insoweit das Anliegen des Gesetzes an einer möglichst zügigen Abwicklung von Angebotsverfahren sowie die gegebenen etwaigen weiteren Möglichkeiten der Aktionäre der Zielgesellschaft, wegen einer unrichtigen Angebotsunterlage gegen den Bieter vorzugehen, in die Abwägung einzubeziehen seien.

II.

Die Beschwerde ist nach § 48 Abs. 1 WpÜG eröffnet, da der Beschwerdeführer sich gegen den auf seinen Widerspruch ergangenen Widerspruchsbescheid der BaFin vom 03. September 2010 wendet.

Die Beschwerde wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet, § 51 Abs. 1, 3 und 4 WpÜG.

Die Beschwerde ist jedoch sowohl bezüglich des Anfechtungsbegehrens, mit welchem die Aufhebung des zugunsten der Bieterin ergangenen Gestattungsbescheids vom 06. Oktober 2010 begehrt wird, als auch bezüglich des Verpflichtungsbegehrens, mit dem die Beschwerdegegnerin veranlasst werden soll, der Bieterin die Veröffentlichung eines Pflichtangebots aufzugeben, unzulässig, weil es dem Beschwerdeführer insoweit im behördlichen Verfahren vor der BaFin an einer Antragsbefugnis und im vorliegenden gerichtlichen Verfahren an einer Beschwerdebefugnis fehlt.

Die vorliegende Verfahrenskonstellation ist dadurch gekennzeichnet, dass der Beschwerdeführer, der als Dritter an dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren zur Gestattung der Angebotsunterlage nicht beteiligt war, sich gegen den dieses Verfahren abschließenden und die Bieterin begünstigenden Gestattungsbescheid wendet und zugleich die Verpflichtung der Beschwerdegegnerin als Behörde erreichen will, der Bieterin die Veröffentlichung eines Pflichtangebotes aufzugeben. Dagegen ist die verfahrensrechtliche Regelung des § 48 WpÜG ersichtlich auf die in den vorstehenden Regelungen des WpÜG vorausgesetzten typischen zweiseitigen Verfahrenskonstellationen zugeschnitten, dass sich ein Beschwerdeführer gegen eine an ihn gerichtete und ihn belastende Verfügung der Aufsichtsbehörde zur Wehr setzen will (Anfechtungsbeschwerde) oder den Erlass einer ihn begünstigenden Verfügung erreichen will, die von der BaFin trotz Antrag unterlassen oder abgelehnt wurde (Verpflichtungsbeschwerde). Hiervon ausgehend erklärt sich, dass nur für den letzteren Fall in § 48 Abs. 3 Satz 1 WpÜG für die Zulässigkeit der Beschwerde gefordert wird, dass der Beschwerdeführer behauptet, ein Recht (auf die Verfügung) zu haben, während im übrigen in § 48 Abs. 2 WpÜG nur auf die formelle Beteiligung im Verfahren vor der BaFin abgestellt wird. In Anlehnung an die entsprechenden Regelungen im Verwaltungsprozess und im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (§§ 42 Abs. 2 VwGO, 59 Abs. 1 FamFG) ist die auch insoweit ersichtlich unvollständige verfahrensrechtliche Regelung des § 48 WpÜG jedoch dahingehend zu ergänzen, dass eine Beschwerdebefugnis stets nur dann gegeben ist, wenn der Beschwerdeführer geltend machen kann, durch die angefochtene Verfügung in eigenen Rechten verletzt zu sein oder einen Anspruch auf die begehrte Verfügung zu haben. Bezogen auf den hier vorliegenden atypischen Fall eines multipolaren Konfliktes ist deshalb eine Beschwerdebefugnis nur dann gegeben, wenn die von dem Dritten angefochtene oder begehrte behördliche Entscheidung, die sich an einen anderen Verfahrensbeteiligten richtet oder richten soll, den Beschwerdeführer in eigenen Rechten beeinträchtigen kann (so bereits Senatsbeschluss vom 04. Juli 2003 € WpÜG 4/03 = ZIP 2003, 1392 = DB 2003, 1782 = AG 2003, 513 = NZG 2003, 1120; Geibel/Süßmann/Louven, WpÜG, 2. Aufl., § 48 Rn. 26; Steinmeyer/Häger/Santelmann, WpÜG, 2. Aufl., § 48 Rn. 20 ff; KK-WpÜG/Pohlmann, 2. Aufl., § 48 Rn. 51ff; MüKo-AktG/Bauer, 3. Aufl., § 48 WpÜG Rn. 15; Seibt ZIP 2003, 1865/1868; so auch die wohl h. M. zu § 63 Abs. 2 GWB, dem § 48 WpÜG nachgebildet ist, vgl. Immenga/Mestmäcker/ Schmidt, GWB, 4. Aufl., § 63 Rn. 22 ff m. w. N).

Ein solches Beschwerderecht besteht hier für den Beschwerdeführer als Aktionär der Zielgesellschaft nicht.

Es entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Senates in den Verfahren D/E und F (Beschlüsse vom 27. Mai 2003- WpÜG 1/03 = NZG 2003, 729 = ZIP 2003, 1297 = AG 2003, 516 = DB 2003, 1371 und vom 28. Mai 2003 - WpÜG 2/03 = NZG 2003, 829 = ZIP 2003, 1251 = AG 2003, 515 und vom 4. Juli 2003 - WpÜG 4/03 = NZG 2003, 1120 = ZIP 2003, 1392 = AG 2003, 513 = DB 2003, 1782 = BB 2003, 2589), dass die Vorschriften des WpÜG grundsätzlich keine drittschützende Wirkung entfalten.

Ausgehend von der Schutznormtheorie, der für verwaltungsrechtliche Verfahren mit Drittbeteiligung zentrale Bedeutung zukommt, hat der Senat hierzu maßgeblich auf die ausdrückliche gesetzliche Regelung des § 4 Abs. 2 WpÜG abgestellt, wonach die Aufsichtsbehörde die ihr im WpÜG zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse ausschließlich im öffentlichen Interesse wahrnimmt. Außerdem hat der Senat verwiesen auf die Regelung des § 52 WpÜG und dessen Entstehungsgeschichte sowie insbesondere auf die Streichung des § 42 des Regierungsentwurfes im Gesetzgebungsverfahren, wo zur Begründung ausdrücklich ausgeführt wurde, einer Missbrauchsgebühr bedürfe es nicht, weil Dritte durch Verfügungen der Aufsichtsbehörde nicht in ihren Rechten verletzt sein könnten und demzufolge auch keine Rechtsbehelfe einlegen könnten (BT-Drucks. 14/7477 S. 53). Unter weiterer Berücksichtigung des für das gesamte WpÜG-Verfahren bedeutsamen Beschleunigungsgrundsatzes hat der Senat aus diesen Gesamtumständen den eindeutigen Willen des Gesetzgebers entnommen, keine subjektiv-öffentlichen Rechte Dritter im WpÜG zu verankern. Zur näheren Begründung wird auf die Ausführungen des Senates in den auch von dem Beschwerdeführer zitierten und veröffentlichten vorausgegangenen Entscheidungen Bezug genommen (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 4. Juli 2003 € WpÜG 4/03 a.a.O., sowie die zuvor in einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangenen Senatsbeschlüsse vom 27. Mai 2003 € WpÜG 1/03 a.a.O. und vom 28. Mai 2003 - WpÜG 4/03 a.a.O.).

An dem grundsätzlichen Ausschluss des Drittschutzes in verwaltungsrechtlichen Verfahren nach dem WpÜG hält der Senat auch nach Inkrafttreten der EU-Übernahmerichtlinie (Richtlinie 2004/25/EG vom 24. April 2004 betreffend Übernahmeangebote € Abl. EG 2004 L 142/12) sowie der nachfolgenden Änderungen des WpÜG durch das am 14. Juli 2006 in Kraft getretene Übernahmerichtlinien-Umsetzungsgesetz (BGBl. I S. 1426) fest.

Der Senat vermag zunächst nicht der Argumentation des Beschwerdeführers zu folgen, aus § 4 Abs. 2 WpÜG ergebe sich lediglich der Ausschluss der Amtshaftung, ohne dass hiermit eine Aussage über die Gewährung subjektiv-öffentlicher Rechte getroffen werde (so wohl auch Cahn, ZHR 167, 262/289 f; Zschocke/Rahlf DB 2003, 1375; Nietsch, BB 2003, 2581/2584). Denn es entspricht ganz überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Lehre, dass die Drittgerichtetheit einer Amtspflicht im Sinne des Art. 34 GG i. V.m. § 839 BGB und die Einräumung subjektiv-öffentlicher Rechte kongruent sind und aus rechtssystematischen Gründen nicht unterschiedlich behandelt werden können (Geibel/Süßmann/Louven, a.a.O., § 48 Rn. 34; Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 4 Rn. 27; KK-WpÜG/Giesberts, a.a.O., § 4 Rn. 31 und KK-WpÜG/Pohlmann,a.a.O., § 48 Rn. 68; MüKomm AktG/Wackerbarth, § 4 WpÜG Rn. 20/25; FrankfKomm-WpÜG/Haarmann/ Schüppen/Linke, 3. Aufl., § 4 Rn. 39; Maunz/Dürich/Papier, GG, Lose- Blatt-Ausgabe Stand 2009 Art. 34 Rn. 180ff und 191; BGHZ 125, 258; Pohlmann ZGR 2007, 1/20; Uechtritz/Wirth, WM 2004, 410/413; Simon NZG 2005, 541 f; Seibt, ZIP 2003, 1865/1873; von Riegen, Der Konzern 2003, 583/586).

Des Weiteren ist festzustellen, dass der deutsche Gesetzgeber im Rahmen des Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetzes, das der Umsetzung der EU-Übernahmerichtlinie dient, zwar eine Vielzahl von Vorschriften des WpÜG einschließlich der WpÜG-AngebotsVO geändert und neu eingefügt hat und damit insbesondere Neuregelungen für grenzüberschreitende Fälle, zum Vereitelungsverbot, der Durchbrechungsregelung sowie zum Squeeze-Out und Sell-Out getroffen und Anpassungen zum Übernahmeverfahren, zur Zurechnung und den gemeinsam handelnden Personen sowie zur Preisbestimmung vorgenommen hat (vgl. hierzu im Einzelnen Seibt, AG 2006, 301 ff; Mülbert NZG 2004, 633 ff; Hopt/Mülbert/Kumpan, AG 2005, 109 ff). Demgegenüber ist eine Änderung des § 4 Abs. 2 WpÜG im Rahmen des Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetzes gerade nicht erfolgt. Dabei ging der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung davon aus, dass bereits das am 01. Januar 2002 in Kraft getretene WpÜG als vorweggenommene Umsetzung der schon damals auf europäischer Ebene seit langem diskutierten Schaffung einer Richtlinie zum Übernahmerecht konzipiert war und bei der Umsetzung der schließlich am 20. Mai 2004 in Kraft getretenen EU-Übernahmerichtlinie, die nach deren Art. 21 Abs. 1 S. 1 innerhalb von 2 Jahren zu erfolgen hatte, deshalb eine Änderung des WpÜG € mit Ausnahme der Veröffentlichungsvorschriften € nur genau in dem Umfang vorgenommen wurde, wie die Richtlinie dies erforderte (vgl. BT-Drucks. 16/1003, S. 12).

Zwar wird in der Begründung zum Regierungsentwurf des Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz ausgeführt, auch wenn der Wortlaut des § 4 WpÜG unverändert bleibe, ändere sich die Aufsichtszuständigkeit der BaFin dem Anwendungsbereich des Gesetzes entsprechend (BT-Drucks. 16/1003, S.13). Mit diesem geänderten Anwendungsbereich ist jedoch entgegen der Argumentation des Beschwerdeführers nicht die Einführung eines Drittschutzes gemeint, sondern der durch die Vorgaben der Richtlinie geänderte Anwendungsbereich des WpÜG in Bezug auf grenzüberschreitende Übernahmen und die hierdurch bedingte Änderung der Zuständigkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht als Aufsichtsbehörde, die über den bisherigen Anwendungsbereich hinausgeht und unter Berücksichtigung zusätzlicher Kriterien im wesentlichen an die Börsenzulassung der jeweiligen Zielgesellschaft im Inland anknüpft. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Zusammenhang und Wortlaut dieser Formulierung und deren systematischer Anordnung am Ende der Begründung zur Änderung des WpÜG bezüglich des Anwendungsbereiches.

Die Problematik des Drittschutzes wurde bereits kurz nach Inkrafttreten des WpÜG im Jahre 2002 in der übernahmerechtlichen Literatur kontrovers diskutiert (vgl. etwa Schnorbus ZHR 166, 72 und WM 2003, 657; Geibel/Süßmann, BKR 2002, 52; Cahn ZHR 167, 262; Aha AG 2002, 160; Ihrig ZHR 167, 315; Hopt ZHR 166, 383; Möller ZHR 167, 301), auch die diesbezüglichen veröffentlichten Entscheidungen des Senates aus dem Jahre 2003 waren Gegenstand zahlreicher nachfolgender Erörterungen in der Literatur (vgl. etwa Seibt ZIP 2003, 1865; Nietsch BB 2003, 2581; Zschocke/Rahlf DB 2003, 1865; von Riegen Konzern 2003, 583), so dass die damit zusammenhängenden Fragen auch dem Gesetzgeber bekannt waren. Wenn auf dieser Grundlage die Regelung des § 4 Abs. 2 WpÜG im Rahmen der Umsetzung der EU-Übernahmerichtlinie unverändert gelassen wurde, so kann hieraus nur gefolgert werden, dass an dem Ausschluss des Drittschutzes in § 4 Abs. 2 WpÜG bewusst festgehalten werden sollte und dieser als mit den Vorgaben der EU-Übernahmerichtlinie vereinbar angesehen wurde.

Der Senat teilt die hierin zum Ausdruck gekommene Wertung des Gesetzgebers, wonach die EU-Übernahmerichtlinie den einzelnen Mitgliedsstaaten nicht die Pflicht auferlegt, das verwaltungsrechtliche Verfahren vor der Aufsichtsbehörde zwingend so auszugestalten, dass den einzelnen Aktionären der Zielgesellschaft einklagbare subjektiv-öffentliche Rechte eingeräumt werden müssen (so auch die herrschende Meinung im Schrifttum, vgl. etwa MüKomm-AktG/Wackerbarth/Kreße, a. a. O., § 4 WpÜG Rn. 33; KK-WpÜG/Giesberts a. a. O., § 4 Rn. 82; KK- Pohlmann, a. a. O., § 48 Rn. 6 ff und 70; Geibel/Süßmann/Louven, WpÜG, a.a.O., § 4 Rn. 82 und § 48 Rn. 37; Mülbert NZG 2004, 633/635; a. A.: Meilicke/Meilicke ZIP 2010,558/563ff).

Mit der EU-Übernahmerichtlinie wurde eine Rahmenregelung geschaffen, die zum Zwecke der Harmonisierung grundsätzlich nur Mindestanforderungen festlegt und den Mitgliedstaaten im Übrigen einen weiten Gestaltungsspielraum belässt. Allerdings wird in Erwägungsgrund (2) der Übernahmerichtlinie für notwendig erklärt, die Interessen der Aktionäre der Zielgesellschaft zu schützen. Auch soll nach Erwägungsgrund (5) jeder Mitgliedsstaat ein oder mehrere Stellen zur Überwachung der dort getroffenen Regelungen für Übernahmeangebote bestimmen, die nach Art. 4 Abs. 5 dafür Sorge zu tragen haben, dass die Parteien des Angebots die gemäß der Richtlinie erlassenen Vorschriften einhalten. Des Weiteren sollen nach Erwägungsgrund (9) die Mitgliedsstaaten die notwendigen Schritte unternehmen, um insbesondere Minderheitsaktionäre nach einem Kontrollwechsel zu schützen, wobei dies dadurch zu gewährleisten ist, dass der Kontrollerwerber verpflichtet wird, allen Wertpapierinhabern ein Übernahmeangebot zu einem angemessenen Preis, der einheitlich definiert ist, nach näherer Maßgabe der Regelungen in Art. 5 zu machen. Im Rahmen der allgemeinen Grundsätze wird in Art. 3 Abs. 1 a) der EU-Übernahmerichtlinie neben dem Gleichbehandlungsgebot postuliert, dass die Minderheitsaktionäre bei einem Kontrollerwerb zu schützen sind. Damit steht allerdings außer Frage, dass die EU-Übernahmerichtlinie, deren Ziel die Schaffung einer Rahmenregelung für Übernahmeverfahren ist, auch dem Schutz der Interessen der Aktionäre bei Übernahmeangeboten und sonstigen Kontrollerwerben dient. Dies hat der deutsche Gesetzgeber erkannt und an zentraler Stelle eingangs der Begründung des Gesetzesentwurfs für das Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz hervorgehoben (BT-Drucks 16/1003 S. 12).

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers folgt jedoch aus dem an verschiedenen Stellen der Richtlinie deutlich zum Ausdruck gebrachten Ziel des Schutzes der Minderheitsaktionäre keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, den Aktionären der Zielgesellschaft in materieller Hinsicht unmittelbar ein subjektiv-öffentliches Recht gegenüber der Aufsichtsbehörde auf Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und auf deren Einschreiten gegenüber einem Bieter einzuräumen und damit korrespondierend in verfahrensrechtlicher Hinsicht einen Rechtsanspruch auf Beteiligung an dem Verfahren der Aufsichtsbehörde zu begründen. Denn die Übernahmerichtlinie enthält keine zwingende Vorgabe, auf welche Weise die einzelnen Mitgliedstaaten den Schutz der Minderheitsaktionäre zu regeln und durchzusetzen haben. Vielmehr wird in Erwägungsgrund (8) und der Regelung des Art. 4 Abs. 6 Satz 1 ausdrücklich klargestellt, dass die EU-Übernahmerichtlinie nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten berührt, festzulegen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Parteien des Angebots Rechte im Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren geltend machen können. Unberührt bleibt nach Art. 4 Abs. 6 Satz 3 ausdrücklich auch die Befugnis des nationalen Gesetzgebers, die Rechtslage in Bezug auf die Haftung von Aufsichtsstellen oder im Hinblick auf Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien des Angebots zu bestimmen. Damit wird den einzelnen Mitgliedstaaten ein weiter Gestaltungsspielraum überlassen, der seine Grenze nur in der Mindestforderung des Art. 17 der Übernahmerichtlinie findet, wonach die Sanktionen zur Durchsetzung der Richtlinie wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen.

Deshalb ist der Senat mit der ganz überwiegenden Meinung im Schrifttum der Auffassung, dass die Übernahmerichtlinie die zwingende Einräumung subjektiv-öffentlicher Rechte an die Minderheitsaktionäre und damit eine Änderung des § 4 Abs. 2 WpÜG nicht vorgibt (vgl. MünchKomm € AktG/Wackerbarth, a.a.O., § 4 WpÜG Rn. 33; Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, a. a. O., § 4 Rn. 30/36; Steinmeyer/Häger/Klepsch, WpÜG, a.a.O., § 4 Rn. 16; Pohlmann ZGR 2007, 1/5ff jeweils m.w.N.; a. A.: Meilicke/Meilicke ZIP 2010, 558/564 f; Habersack ZHR 166, 619/620 f).

In diesem Zusammenhang muss der Einschätzung des Beschwerdeführers widersprochen werden, dass durch die EU-Übernahmerichtlinie ein Paradigmenwechsel im WpÜG hin zum Individualrechtsschutz zu sehen sei. Bereits mit dem zum 01. Januar 2002 in Kraft getretenen WpÜG wollte der Gesetzgeber nicht nur in Angleichung an internationale Standards Leitlinien und Rahmenbedingungen für ein faires und geordnetes Angebotsverfahren in Deutschland schaffen, sondern ausdrücklich auch die rechtliche Stellung von Minderheitsaktionären bei Unternehmensübernahmen stärken und die Information und Transparenz für betroffene Wertpapierinhaber und Arbeitnehmer verbessern. Damit lag schon der ursprünglichen Gesetzesfassung auch das Ziel des Schutzes der Aktionäre einer Zielgesellschaft zugrunde (vgl. BT-Drucks 14/7034, S. 28). Hiervon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, auf welchem Wege und mit welchen Instrumentarien diese Intention erreicht werden soll. Wie der Senat schon in seinen früheren Entscheidungen ausgeführt hat, enthielt das WpÜG bereits in seiner ursprünglichen Fassung, mit §§ 11, 12, 14, 15, 20, 22, 26, 27, 35, 36, 37 sowie 38 WpÜG eine Vielzahl von Vorschriften, die nach dem Willen des Gesetzgebers positive Auswirkungen für die Aktionäre der Zielgesellschaft entfalten. Der Inhalt dieser Regelungen verdeutlicht, dass eine Begünstigung der Rechtsstellung der Aktionäre der Zielgesellschaft auch durch die Auferlegung bestimmter Verpflichtungen auf den Bieter sowie diesbezügliche Kontroll- und Eingriffsbefugnisse der Aufsichtsbehörde erreicht werden kann, die in ihrer Gesamtheit durch die Einführung eines geordneten und formalisierten Verfahrens eine deutliche Verbesserung der Rechtsstellung der Aktionäre der Zielgesellschaft bewirken, ohne dass dies zwangsläufig mit der Einräumung individueller und im Verwaltungs- bzw. gerichtlichen Beschwerdewege durchsetzbarer Rechte der einzelnen Aktionäre einhergehen muss (so auch: Geibel-Süßmann § 4 Rn. 13; KK-WpÜG/Giesberts, § 4 Rn. 55 ff; Steinmeyer/Häger, a.a.O., § 41 Rn. 18€).

Für den hier vorliegenden Fall eines behaupteten unterlassenen Pflichtangebotes gewährt § 38 WpÜG den Aktionären der Zielgesellschaft einen im Zivilrechtswege durchsetzbaren Zinsanspruch. Daneben sieht § 59 WpÜG für die Dauer der Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe eines Pflichtangebots für den Bieter sowie die mit ihm gemeinsam handelnden Personen oder Tochterunternehmen den Verlust der Stimmrechte vor, den die übrigen Aktionäre gesellschaftsrechtlich etwa mit einer Beschlussanfechtungsklage ebenfalls im Zivilrechtswege geltend machen können. Des Weiteren kommt die Berücksichtigung eines unterlassenen Pflichtangebots bei der Überprüfung der angemessenen Gegenleistung für ein nachfolgendes freiwilliges Übernahmeangebot im Rahmen einer Zivilklage der Aktionäre gegen den Bieter in Betracht (vgl. hierzu LG Köln, Urteil vom 29. Juli 2011 € 82 O 28/11 € dok. bei juris € zur Klage eines Aktionärs betreffend das hiesige Übernahmeverfahren). Darüber hinaus ist der Beschwerdegegnerin als Aufsichtsbehörde nach der allgemeinen Ermächtigungsnorm des § 4 Abs. 1 WpÜG die Möglichkeit eingeräumt, die Abgabe eines Pflichtangebots durch den Bieter im Rahmen der ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse zu erzwingen, wenn sie dessen Voraussetzungen als erfüllt ansieht (so auch die h. M. siehe etwa Haarmann/Schüppen/Linke, a.a.O., § 4 Rn. 32; Ehricke/ Ekkenga/Oechsler, WpÜG, 1. Aufl. 2003, § 35 Rn. 73; Steinmeyer/Häger, WpÜG, a.a.O., § 35 Rn. 107/114; Pohlmann ZGR 2007, 1/6). Schließlich ist die Unterlassung der Veröffentlichung eines Pflichtangebotes nach § 60 Abs. 1 Ziffer 1 a) WpÜG bußgeldbewehrt. Damit enthält das deutsche Übernahmerecht eine Vielzahl von Maßnahmen und Rechtschutzmöglichkeiten zur Durchsetzung der Angebotspflicht. Diese Regularien sind in ihrer Gesamtheit als wirksam, verhältnismäßig und abschreckend einzuordnen. Die Durchsetzung der einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie ist somit gewährleistet und den Anforderungen des Art. 17 EU-Übernahmerichtlinie Genüge getan.

Auch die Rechtsprechung des EuGH legt eine andere Interpretation des § 4 Abs. 2 WpÜG im Lichte der Eu-Übernahmerichtlinie nicht nahe. § 4 Abs. 2 WpÜG ist ersichtlich den Parallelvorschriften des § 4 Abs. 2 WpHG a.F., § 6 KWG a.F. und § 1 Abs. 4 BörsG a.F. nachgebildet, die insoweit zwischenzeitlich durch die einheitliche Regelung des § 4 Abs. 4 FinDAG ersetzt wurden. Des Weiteren findet sich auch eine entsprechende Regelung in § 81 Abs. 1 Satz 3 VAG. So hat der EuGH zu § 6 Abs. 4 a. F. WpHG auf Vorlage des BGH (ZIP 2002, 1136) bereits mit Urteil vom 12. Oktober 2004 entschieden, dass diese Vorschrift mit dem Europarecht konform ist und die bankrechtlichen EU-Richtlinien zwar den Schutz der Anleger bezwecken, deswegen jedoch dem einzelnen Anleger nicht das Recht auf ein Einschreiten der Bankenaufsicht oder eine diesbezügliche Amtshaftung einzuräumen ist (EuGH Entscheidung vom 12.10.2004 € Peter Paul € ZIP 2004, 2039/ 2041ff). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers beruht dies nicht allein darauf, dass im dortigen Fall ein anderweitiger Mindestschutz für die Anleger durch die Einlagensicherung gewährleistet ist. Dieser Umstand wird in diesem Zusammenhang vielmehr deshalb hervorgehoben, weil dort sogar ein totaler Rechtsverlust durch unterlassene Aufsichtsmaßnahmen drohen kann, während es im Unterschied dazu bei der gesetzlichen Regelung von Übernahmen um die Etablierung eines geordneten und staatlich überwachten Verfahrens geht, das für die Aktionäre zu einer zusätzlichen außerbörslichen Veräußerungsmöglichkeit führen kann. Bedeutsam für den vorliegenden Fall ist an der zitierten EuGH-Entscheidung zur Einlagensicherung jedoch, dass der EuGH dort ebenfalls eine Differenzierung zwischen den Schutzzielen einer Richtlinie einerseits und der hiervon zu unterscheidenden Frage der Einräumung individueller Rechte andererseits trifft und deren Gleichsetzung eine Absage erteilt (vgl. hierzu im einzelnen Pohlmann, ZGR 2007,1/7 ff und MüKomm-AktG/Wackerbarth, a.a.O., § 4 WpÜG Rn. 3).

Es besteht hier keine Notwendigkeit für eine Aussetzung des Verfahrens und Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 267 Abs. 3 AEUV.

Zwar ist der Senat im vorliegenden Beschwerdeverfahren nach §§ 48 ff WpÜG letztinstanzliches Gericht im Sinne des Art. 267 Abs. 3 AEUV. Im vorliegenden Falle bedarf es jedoch keiner Entscheidung des EuGH über die Auslegung der EU-Übernahmerichtlinie zur Frage der Pflicht der Mitgliedstaaten zur Etablierung eines Drittschutzes bei der Tätigkeit der Aufsichtsstellen. Soweit der Beschwerdeführer insoweit auf den Vorschlag der EU-Kommission für eine Übernahmerichtlinie vom 2. Oktober 2002 verweist, geht dies bereits deshalb fehl, weil dieser Vorschlag mit der damals vorgelegten inhaltlichen Ausgestaltung im weiteren Verfahren gerade nicht angenommen wurde. Vielmehr wurden in der Folgezeit zahlreiche Änderungen vorgenommen, wobei später die EU-Kommission ihrerseits den auf einer Kompromisslösung beruhenden letzten Vorschlag als nicht umfassend genug ablehnte, was jedoch nach der Annahme der Änderungen durch das Europäische Parlament am 16. Dezember 2003 die endgültige Verabschiedung der EU-Übernahmerichtlinie durch den Ministerrat am 30. März 2004 in der nunmehr geltenden und am 20. Mai 2004 in Kraft getretenen Fassung nicht verhindern konnte (vgl. zum Entstehungsverfahren der EU-Übernahmerichtlinie etwa Assmann/Pötzsch, WpÜG, a.a.O., Einl. 74 ff; KK-WpÜG/Hirte/Heinrich, a.a.O., Einl. Rn. 67 ff; Baums/Thoma/Rieder, WpÜG, a.a.O., Einl. Rn. 1.30 ff). Maßgeblich für die vorliegende Rechtsanwendung ist demnach hier die EU-Übernahmerichtlinie mit dem letztlich beschlossenen und veröffentlichen Inhalt (Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote - ABl. L 142/12).

Der Senat erachtet die dortige zuvor bereits erörterte Regelung als so eindeutig, dass es einer dem EuGH zu überlassenden Auslegung nicht bedarf. Bereits im Erwägungsgrund (8) wird eingangs nur geregelt, dass die Entscheidungen einer Aufsichtsstelle gegebenenfalls von einem unabhängigen Gericht überprüft werden können sollten. Dies wird sodann in Satz 2 dahingehend präzisiert, dass die Entscheidung darüber, ob Rechte vorzusehen sind, die in Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren gegen eine Aufsichtsstelle oder zwischen den Parteien eines Angebotes geltend gemacht werden können, jedoch den Mitgliedstaaten überlassen werden sollte. Diese Erwägung zum Rechtsschutz wird in Art. 4 Absatz 6 der Richtlinie ausdrücklich dahin konkretisiert, dass nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten berührt wird, festzulegen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Parteien des Angebots Rechte im Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren geltend machen können. Unberührt bleibt auch die etwaige Befugnis der nationalen Gerichte, die Eröffnung eines Gerichtsverfahrens abzulehnen sowie darüber zu entscheiden, ob durch ein solches Verfahren der Ausgang des Angebotes beeinflusst wird. Schließlich stellt Art. 4 Absatz 6 Satz 3 ausdrücklich klar, dass die Richtlinie nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten berührt, die Rechtslage in Bezug auf die Haftung von Aufsichtsstellen oder im Hinblick auf Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien des Angebots zu bestimmen. Eine Einschränkung bezüglich eines Schadensersatzanspruches, wie sie der von dem Beschwerdeführer zitierte vorletzte Absatz der Erläuterungen zu Art. 4 des Vorschlages der EU-Kommission für eine Übernahmerichtlinie vom 2. Oktober 2002 (ABl. C 45/E vom 25. Februar 2003; abgedruckt auch in ZIP 2002, 1863) enthielt, findet sich in der letztlich beschlossenen Fassung der Richtlinie gerade nicht. Damit ist durch die verbindlich gewordene Fassung der EU-Übernahmerichtlinie eindeutig geregelt, dass den Mitgliedstaaten keine zwingende Vorgabe dahingehend gemacht wird, den Aktionären einer Zielgesellschaft gerichtlich durchsetzbare Individualansprüche auf aufsichtsbehördliche Maßnahmen oder diesbezügliche Amtshaftungsansprüche zu eröffnen. Der Senat vermag insoweit Unklarheiten, die die Notwendigkeit einer Auslegung und damit eine Anrufung des EuGH erforderlich machen würden, nicht zu erkennen.

Die Eröffnung einer Beschwerdebefugnis ist vorliegend auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Allerdings hat der Senat bereits in seiner bisherigen Rechtsprechung anerkannt, dass trotz des einfachgesetzlichen Ausschlusses eines Drittschutzes in § 4 Abs. 2 WpÜG ausnahmsweise dann eine Beschwerdebefugnis zuzubilligen sein kann, wenn dies von Verfassungs wegen aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit geboten ist, weil durch eine Verwaltungs-entscheidung unmittelbar in grundrechtlich abgesicherte Positionen einzelner eingegriffen wird (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Juli 2003 € WpÜG 4/03 a.a.O.).

In Bezug auf das hier für den Beschwerdeführer als Aktionär einer Zielgesellschaft in Betracht kommende Grundrecht des Art. 14 Abs. 1 GG entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass das Grundrecht auf Eigentum das in der Aktie verkörperte Anteilseigentum gewährleistet, welches im Rahmen seiner gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung durch Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis gekennzeichnet ist. Der Schutz erstreckt sich auf die mitgliedschaftliche Stellung in einer Aktiengesellschaft, die das Aktieneigentum vermittelt. Aus dieser Stellung erwachsen dem Aktionär im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Gesellschaftssatzung sowohl Mitwirkungsbefugnisse als auch vermögensrechtliche Ansprüche (vgl. BVerfGE 14, 263/276ff, 100, 289/301 und ZIP 2011, 2094; Leibholz/Rink, GG Art. 14 Rn. 124 ff; von Mangoldt/Klein/Deppenheuer, GG, 6. Aufl., Art. 14 Rn. 142/143).

Dabei kommt der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers unter dem Aspekt der unterschiedlich ausgestalteten gesellschaftsrechtlichen Einwirkungsbefugnis des Anteilseigentums erhebliche Bedeutung zu, sodass selbst die vollständige Entziehung der Aktionärsstellung gegen den Willen des einzelnen Aktionärs mit Art. 14 GG vereinbar sein kann, wenn eine vollständige wertmäßige Entschädigung, die sich am Aktienkurs zu orientieren hat, gewährt wird (vgl. Maunz/ Dürig/Papier; GG, a.a.O., Art. 14 Rn. 195; BVerfGE 100, 289/301ff und NJW 2007, 828).

Der Beschwerdeführer als Aktionär ist hier durch das Verwaltungshandeln der Beschwerdegegnerin als Aufsichtsbehörde durch den von ihm angefochtenen Gestattungsbescheid und die von ihm geforderte Einwirkung auf die Zielgesellschaft zur Abgabe eines Pflichtangebots nicht direkt, sondern lediglich als Dritter betroffen. Deshalb kommt nur eine mittelbare Grundrechtsbeeinträchtigung in Betracht. Insoweit ist ein Grundrechtsverstoß nicht bereits bei jeder wirtschaftlichen oder rechtlichen Betroffenheit gegeben, da es nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ausdrücklich dem Gesetzgeber vorbehalten bleibt, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, wozu auch die Möglichkeit gehört, Inhalt und Umfang subjektiver Rechte zu regeln (BVerfG NJW 1991, 1878 und 1989, 666). Diese Grenze wird erst dann überschritten, wenn eine nachhaltige Veränderung der grundrechtlich geschützten Rechtsposition im Sinne eines schweren und unerträglichen Eingriffs vorgenommen wird (so zum Drittschutz im Baurecht BVerwGE 32, 173/178; 36, 248 und 52, 122). Dieser Maßstab muss auch im Rahmen des WpÜG für die Frage eines ausnahmsweisen unmittelbar aus der Verfassung gebotenen Drittschutzes herangezogen werden (so auch KK-WpÜG/Giesberts, a.a.O., § 4 Rn. 64).

Eine derart qualifizierte Grundrechtsbeeinträchtigung von besonderem Gewicht vermag der Senat hier zu Lasten des Beschwerdeführers nicht zu erkennen. In dessen mitgliedschaftliche Stellung als Aktionär wird nicht eingegriffen, da es seiner eigenen Entscheidung überlassen bleibt, ob er seine Aktien im Rahmen des von der BaFin gestatteten und von ihm als zu niedrig erachteten Übernahmeangebots veräußert oder behält. Soweit er die angebotene Gegenleistung für zu niedrig erachtet, ist es ihm unbenommen, insoweit zivilrechtlich Ansprüche auf die von ihm für angemessen erachtete Abfindung geltend zu machen.

Auch das Bundesverfassungsgericht hat eine Grundrechtsverletzung durch den Ausschluß des Drittschutzes auf die gegen den Senatsbeschluss vom 4. Juli 2003 (WpÜG 3/04 - a.a.O) eingelegte Verfassungsbeschwerde, die mit Beschluss vom 2. April 2004 (NJW 2004, 3031) nicht zur Entscheidung angenommen wurde, nicht festgestellt. Vielmehr hat das BVerfG dort die Frage einer möglichen Grundrechtsbeeinträchtigung ausdrücklich offen gelassen und sich auf die Feststellung beschränkt, dass es hierauf wegen einer in diesem Einzelfall jedenfalls zu verneinenden Verletzung der einfachgesetzlichen einschlägigen Regelungen des WpÜG und der WpÜG-AngebotsVO nicht ankommt.

Nach Auffassung des Senates ist eine qualifizierte Grundrechtsbeeinträchtigung, die im Einzelfall die Eröffnung eines Drittschutzes ausnahmsweise erforderlich machen könnte, auch in dem hier vorliegenden Fall der behaupteten pflichtwidrigen Unterlassung der behördlichen Durchsetzung eines Pflichtangebotes nicht gegeben. Der Kernbereich des durch Art. 14 GG geschützten Aktienrechtes wird hierdurch nicht berührt. Dem einzelnen Aktionär wird in diesem Falle weder die mitgliedschaftliche Komponente seines Anteilseigentums entzogen noch wird die vermögensrechtliche Komponente, die der inhaltlichen Ausgestaltung durch den Gesetzgeber unterliegt, in einem nicht hinnehmbaren Maße ausgehöhlt. Es bleibt dem Aktionär dann allerdings die durch ein Pflichtangebot eröffnete zusätzliche Möglichkeit der außerbörslichen Veräußerung seiner Aktie vorenthalten. Durch die Regelungen des Pflichtangebotes im WpÜG wurde für die Aktionäre der Zielgesellschaft erstmals ein geordnetes und behördlich überwachtes Verfahren zur Verfügung gestellt, durch welches ihre Interessen gegenüber dem Bieter deutlich gestärkt und verbessert wurde. Bereits der vor Inkrafttreten des WpÜG gegebene Rechtszustand wurde als mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Eigentumsgarantie vereinbar angesehen (so bereits Senatsbeschluss vom 2. Juli 2003 a.a.O. unter Verweis auf Cahn ZHR 167, 262/286f). Die Regelung, ab welcher Schwelle und aufgrund welcher Zurechnungtatbestände eine Kontrollerlangung als der ein Pflichtangebot auslösende Umstand gegeben ist, tangiert nicht den Kernbereich des Eigentums und ist dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers überlassen. Da es hier nicht um die primäre Funktion des grundgesetzlich geschützten Eigentumsrechtes als staatsgerichtetes Abwehrrecht geht, sondern um sekundäre Schutzpflichten, besteht insoweit ein weites Ermessen des Gesetzgebers für deren Ausgestaltung. Eine Grundrechtsverletzung kommt unter diesem Aspekt erst dann in Betracht, wenn Schutzvorkehrungen gegen offenkundige Gefährdungen ganz unterlassen werden oder die getroffenen Regelungen zur Erreichung des Schutzzieles ungeeignet oder völlig unzulänglich sind (vgl. BVerfGE 88, 203/254 und 96, 56/64; Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl., Vor Art. 1 Rn. 7/8 und 31 m.w.N.). Dies ist bei der hier vorliegenden Fallgestaltung nicht gegeben. Das WpÜG enthält die vorstehend bereits im einzelnen beschriebenen Verfahrensregelungen und Eingriffsbefugnisse für die Aufsichtsbehörde nebst Bußgeldtatbeständen sowie zivilrechtlich geltend zu machende Rechtsansprüche der Aktionäre und stellt somit ein geordnetes Schutzsystem zur Verfügung, das den von Verfassungs wegen gebotenen Mindestschutz abdeckt (so auch von Riegen, Konzern 2003, 583/ 589f; Uechtritz/Wirth, WM 2004, 410/414f jeweils m.w.N.). Ebenso vermag eine € aus der Sicht des Beschwerdeführers - im Einzelfall zu enge Auslegung der Zurechnungsvoraussetzungen durch die Aufsichtsbehörde zu dessen Lasten einen qualifizierten Grundrechtseingriff nicht zu begründen.

Aber selbst wenn ein Rechtsschutz für Aktionäre im Übernahmeverfahren als verfassungsrechtlich nicht von vornherein ausgeschlossen für den Fall in Erwägung gezogen werden könnte, dass die in einer Angebotsunterlage enthaltenen Angaben offensichtlich gegen Vorschriften des WpÜG oder der WpÜG-Angebotsverordnung verstoßen ( insoweit offen gelassen von BVerfG NJW 2004, 3031; vgl. auch Nietsch, BB 2003, 2585; KK-WpÜG/Giesberts a.a.O. § 4 Rn. 82), vermag dies für den Beschwerdeführer im vorliegenden Fall ebenfalls eine Beschwerdebefugnis nicht zu begründen. Denn von einem derartigen offensichtlichen Rechtsverstoß kann hier nicht ausgegangen werden. Soweit der Beschwerdeführer auf die gerichtlich festgestellte Nichtigkeit der Wahl einzelner Mitglieder des Aufsichtsrats der Bieterin und deren frühere Mitwirkung an der Beschlussfassung über die Kapitalerhöhung und zur Abgabe des Übernahmeangebots verweist, handelt es sich nicht um Rechtsverstöße gegen das WpÜG oder hiernach erlassener Rechtsverordnungen, da hierdurch lediglich das gesellschaftsrechtliche Innenverhältnis der Bieterin betroffen wird. Soweit der Beschwerdeführer die Unvollständigkeit der Angebotsunterlage geltend macht, kann es nicht Aufgabe des vorliegenden Verfahrens sein, im Rahmen der Beschwerdebefugnis im Einzelnen nachzuprüfen, ob und zu welchem Zeitpunkt gegebenenfalls Zurechnungstatbestände im Sinne der §§ 29 Abs. 2, 30 WpÜG zwischen der Bieterin und der Hauptaktionärin gegeben gewesen sein könnten. Jedenfalls lässt sich nach dem hierfür allein maßgeblichen Maßstab des § 15 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG ein diesbezüglicher offensichtlicher Rechtsverstoß nicht feststellen. Denn zum Einen spricht gegen die von dem Beschwerdeführer geltend gemachten Zurechnungen, dass es sich jeweils nur um schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen der Hauptaktionärin und der Bieterin handelte, während die Grundkonzeption des § 30 WpÜG ersichtlich auf die Erlangung des dinglichen Eigentums an der Aktie abstellt, an welche das Stimmrecht gekoppelt ist (vgl. Steinmeyer/Häger, WpÜG, a.a.O., § 30 Rn. 40; Baums/Thoma/Diekmann WpÜG, § 30 Rn. 56; Geibel/Süßmann, WpÜG, a.a.O., § 30 Rn. 22; KK-WpÜG/von Bülow, a.a.O., § 30 Rn. 163). Des weiteren wurde gerade betreffend den hier von dem Beschwerdeführer unterbreiteten Sachverhalt zwischenzeitlich durch das Landgericht Köln mit Urteil vom 29. Juli 2011 (82 O 28/11-dok. bei juris) die Klage eines anderen Aktionärs der Zielgesellschaft auf Gewährung einer über das freiwillige Angebot hinausgehenden Gegenleistung mangels einer Kontrollerlangung im Sinne von §§ 29 Abs. 2, 30 WpÜG mit diesbezüglicher ausführlicher Begründung abgelehnt. Im Hinblick auf diese Umstände kommt ein offensichtlicher Rechtsverstoß nicht in Betracht.

Insgesamt liegt somit im vorliegenden Falle ein schwerer und unerträglicher Eingriff in das Grundrecht des Art. 14 GG, der ausnahmsweise die Eröffnung einer Beschwerdebefugnis im Wege der verfassungskonformen Auslegung trotz der einfachgesetzlichen Regelung des § 4 Abs. 2 WpÜG über den Ausschluss des Drittschutzes erfordern würde, nicht vor (so bereits für den Fall der Befreiung vom Pflichtangebot Senatsbeschluss WpÜG 1/03 (D/E a.a.O.).

Der Beschwerde war deshalb wegen der fehlenden Beschwerdebefugnis der Erfolg zu versagen.

Als unterliegender Beteiligter hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Eine Auferlegung außergerichtlicher Kosten der Beschwerdegegnerin ist nach Auffassung des Senates nicht veranlasst.

Der Beschwerdewert entspricht dem geschätzten Beschwerdeinteresse des Beschwerdeführers.






OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 05.12.2011
Az: WpÜG 1/11


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/9de830ff6f44/OLG-Frankfurt-am-Main_Beschluss_vom_5-Dezember-2011_Az_WpUeG-1-11




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