Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Juli 2006
Aktenzeichen: 6 W (pat) 304/03
(BPatG: Beschluss v. 04.07.2006, Az.: 6 W (pat) 304/03)
Tenor
Das Patent 197 37 054 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
Patentansprüche 1 bis 11, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung und Zeichnungen wie Patentschrift.
Gründe
I.
Gegen die am 27. Juni 2002 veröffentlichte Erteilung des Patents 197 37 054 mit der Bezeichnung "Reibungskupplung mit fremdkraftbetriebener Betätigungseinrichtung" ist am 27. September 2002 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, dass der Gegenstand des Patents nicht ausführbar und darüber hinaus nicht neu, zumindest aber nicht erfinderisch sei.
Zur Begründung verweist die Einsprechende auf folgende Druckschriften:
DE 27 58 365 C3 DE 25 24 233 C2 DE 43 22 677 A1 DE 44 34 762 A1 DE 196 00 471 A1.
Sie ist der Auffassung, dass der Anspruch 1 nicht ausführbar und gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik auch nicht neu, zumindest aber nicht erfinderisch sei.
Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen unddie Rückzahlung der Einspruchsgebühr anzuordnen.
Die Patentinhaberin hat in der Verhandlung neue Ansprüche 1 bis 11 vorgelegt und beantragt, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:
Patentansprüche 1 bis 11, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung und Zeichnungen wie Patentschrift.
Sie ist der Auffassung, dass der Gegenstand nach Anspruch 1 ausführbar sei und auch durch den nachgewiesenen Stand der Technik weder vorweggenommen noch nahe gelegt sei.
Im Prüfungsverfahren sind noch folgende Druckschriften berücksichtigt worden:
DE 195 03 137 C1, DE 196 22 707 A1, DE 195 13 454 A1, DE 44 33 824 A1, DE 44 12 107 A1, DE 295 08 087 U1.
Der nunmehr geltende Anspruch 1 lautet:
"Reibungskupplung, insbesondere für Kraftfahrzeuge, mit einer mit einem Ausrückhebel (11) in Verbindung stehenden fremdbetätigten Betätigungseinrichtung (14), wobei der Ausrückhebel (11) über ein Ausrücklager (10) mit einem auf eine Anpressplatte (7) einwirkenden Federelement (8) zusammenwirkt und mittels der Anpressplatte (7) eine mit Reibbelägen (5, 6) versehene Kupplungsscheibe (4) gegen ein Schwungrad (3) einer Brennkraftmaschine pressbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass bei auftretendem Verschleiß der Reibbeläge (5, 6) und der damit sich axial verlagernden Anpressplatte (7) in Richtung auf das Schwungrad (3) und gleichzeitigem Kippen des radial äußeren Bereichs des Federelementes (8) in Richtung der Anpressplatte (7) der Ausrückhebel (11), das Ausrücklager (10) und radial innenliegende Zungen (9) des Federelementes (8) bei eingerückter Kupplung (1) mechanisch in ihrer dem Neuzustand der Kupplung entsprechenden Lage gehalten werden, wobei der Ausrückhebel durch einen den Weg des Ausrückhebels (11) in Richtung der Betätigungseinrichtung begrenzenden Anschlag (18) oder durch eine Lagefixierung durch die Betätigungseinrichtung gehalten wird und wobei auf eine Reibbelagverschleißausgleichseinrichtung verzichtet wird".
Wegen der Unteransprüche 2 bis 11 sowie wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über den Einspruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO und § 17 Abs. 1 GVG entsprechend zuständig.
2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist ausreichend substantiiert und zulässig, was auch von der Patentinhaberin nicht in Zweifel gezogen worden ist.
3. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.
a. Die Gegenstände der geltenden Ansprüche 1 bis 11 sind sowohl in den erteilten als auch in den ursprünglichen Unterlagen offenbart, die Ansprüche sind somit zulässig.
Der geltende Anspruch 1 ergibt sich aus den erteilten Ansprüchen 1, 2, 11 und 13 i. V. m. Abs. [0046] der Patentschrift bzw. den ursprünglichen Ansprüchen 1, 3, 13 und 14 i. V. m. S. 8, Abs. 2 der Anmeldungsunterlagen. Die geltenden Ansprüche 2 bis 11 entsprechen den erteilten Ansprüchen 3 bis 11 und 14 bzw. den ursprünglichen Ansprüchen 4 bis 12 und 15.
Die Zulässigkeit der geltenden Ansprüche ist im Übrigen von der Einsprechenden auch nicht in Zweifel gezogen worden.
b. Die im geltenden Anspruch 1 enthaltene Lehre ist ausführbar.
Den Vorhalt der Einsprechenden, die Lehre des Anspruchs 1 sei nicht ausführbar, da sich aus dem Wortlaut des Anspruchs nicht ergebe, wie eine Reibungskupplung ohne eine Reibbelagverschleißausgleichseinrichtung realisiert werden könne, vermag der Senat nicht zu teilen. Denn eine Erfindung ist immer dann ausführbar, wenn ein Fachmann anhand der Angaben in der Anmeldung (nicht etwa allein der Angaben im Anspruch) unter Einsatz seines Fachwissens in der Lage ist, die offenbarte technische Lehre praktisch zu verwirklichen. In der Beschreibung des vorliegenden Patents sind aber z. B. in den Abs. [0018] und [0019] verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, wie eine Reibungskupplung ohne Reibbelagverschleißausgleichseinrichtung realisiert werden kann, so dass der Fachmann zumindest unter Zuhilfenahme der Beschreibung in die Lage versetzt wird, die Erfindung zu realisieren.
Im Übrigen ist der Vorhalt einer mangelnden Ausführbarkeit hinsichtlich des nunmehr geltenden Anspruchs 1 auch nicht mehr vorgebracht worden.
c. Die zweifelsfrei gewerblich anwendbare Reibungskupplung nach Anspruch 1 ist neu, da keine der genannten Druckschriften sämtliche in diesem Anspruch enthaltenen Merkmale zeigt.
Eine dem Oberbegriff des geltenden Anspruchs 1 zugrunde liegende Reibungskupplung ist aus der DE 44 34 762 A1 bekannt. Die im kennzeichnenden Teil des geltenden Anspruchs 1 angegebenen Merkmale sind dort jedoch nicht verwirklicht. Insbesondere werden dort nicht der Ausrückhebel, das Ausrücklager und radial innenliegende Zungen des Federelementes bei eingerückter Kupplung mechanisch in ihrer dem Neuzustand der Kupplung entsprechenden Lage gehalten, wobei der Ausrückhebel durch einen den Weg des Ausrückhebels in Richtung der Betätigungseinrichtung begrenzender Anschlag oder durch eine Lagefixierung durch die Betätigungseinrichtung gehalten wird und wobei auf eine Reibbelagverschleißausgleichseinrichtung verzichtet wird. Dort ist vielmehr eine Reibbelagverschleißausgleichseinrichtung vorgesehen (vgl. Pos. 16), welche einem Verschleiß der Reibscheiben Rechnung tragen soll. Auf eine solche Reibbelagverschleißausgleichseinrichtung wird erfindungsgemäß jedoch gerade verzichtet.
Auch der übrige Stand der Technik offenbart keine gattungsgemäße Reibungskupplung, bei welcher unter Verzicht auf eine Reibbelagverschleißausgleichseinrichtung der Ausrückhebel, das Ausrücklager und radial innenliegende Zungen des Federelementes bei eingerückter Kupplung mechanisch in ihrer dem Neuzustand der Kupplung entsprechenden Lage gehalten und wobei der Ausrückhebel durch einen den Weg des Ausrückhebels in Richtung der Betätigungseinrichtung begrenzender Anschlag oder durch eine Lagefixierung durch die Betätigungseinrichtung gehalten wird. Die bekannten Kupplungen sind vielmehr alle mit einer Reibbelagverschleißausgleichseinrichtung versehen.
d. Die Scheibenanordnung gemäß dem erteilten Anspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Wie bereits unter Punkt c. beim Neuheitsvergleich ausgeführt, offenbart der nachgewiesene Stand der Technik keine Reibungskupplung, bei welcher unter Verzicht auf eine Reibbelagverschleißausgleichseinrichtung der Ausrückhebel, das Ausrücklager und radial innenliegende Zungen des Federelementes bei eingerückter Kupplung mechanisch in ihrer dem Neuzustand der Kupplung entsprechenden Lage gehalten und wobei der Ausrückhebel durch einen den Weg des Ausrückhebels in Richtung der Betätigungseinrichtung begrenzender Anschlag oder durch eine Lagefixierung durch die Betätigungseinrichtung gehalten wird.
Somit vermag mangels entsprechender Hinweise selbst von einer Zusammenschau des nachgewiesenen Standes der Technik keine Anregung zu der nunmehr beanspruchten Ausgestaltung auszugehen.
Der Anspruch 1 ist somit gewährbar.
e. Zusammen mit dem Anspruch 1 sind auch die auf ihn rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 11 gewährbar, da sie nicht platt selbstverständliche Ausgestaltungen der Reibungskupplung nach Anspruch 1 betreffen.
4. Der Antrag der Einsprechenden auf Rückzahlung der Einspruchsgebühr war zurückzuweisen. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage sind keine Gesichtspunkte ersichtlich, die eine Rückzahlung der Einspruchsgebühr aus Billigkeitsgründen (§ 62 Abs. 1 Satz 3 PatG i. V. m. § 147 Abs. 3 Satz 2 PatG a. F.) rechtfertigen.
BPatG:
Beschluss v. 04.07.2006
Az: 6 W (pat) 304/03
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