Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 30. Januar 2012
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 27/11
(BGH: Beschluss v. 30.01.2012, Az.: AnwZ (Brfg) 27/11)
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen vom 1. April 2011 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger ist im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Er verwendet einen Briefkopf, in welchem er sich als "Rechtsanwalt bei dem Landgericht und dem Oberlandesgericht" bezeichnet. Die Beklagte hat ihm unter dem 16. Juni 2010 den belehrenden Hinweis erteilt, dass diese Bezeichnung eine nach § 43b BRAO unzulässige irreführende Werbung darstelle. Die Klage gegen diesen Bescheid ist erfolglos geblieben. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs. 1 II.
Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 1 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.
1. Der Kläger hat keinen Verfahrensfehler dargelegt, auf dem die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
a) Im Antrag auf Zulassung der Berufung wegen eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (BVerwG, NJW 1997, 3328; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 112e Rn. 82).
b) Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Klägers nicht. Der Kläger legt nicht dar, die Einholung eines Sachverständigengutachtens dazu beantragt oder angeregt zu haben, wie der Rechtsverkehr und das rechtsuchende Publikum den von der Beklagten beanstandeten Zusatz versteht. Die Einholung eines solchen Gutachtens lag auch nicht nahe. Der Richter kann das 2 Verkehrsverständnis ohne sachverständige Hilfe beurteilen, wenn er aufgrund seines Erfahrungswissens selbst über die erforderliche Sachkunde verfügt. Dies wird im allgemeinen der Fall sein, wenn er selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählt, ist aber auch denkbar, wenn er durch die fragliche Werbung nicht angesprochen wird (BGH, Urteil vom 2. Oktober 2003 - I ZR 150/01, BGHZ 156, 250, 255; vom 9. Juni 2011 - I ZR 113/10, DB 2011, 2911 Rn. 14). Die Richter des Anwaltsgerichtshofs gehören zu den angesprochenen Verkehrskreisen. Sie können wie jeder andere Bürger der Bundesrepublik Deutschland auch in die Rolle einer Prozesspartei geraten oder aus anderen Gründen rechtliche Beratung in Anspruch nehmen müssen. Entgegen der Ansicht des Klägers folgte die Notwendigkeit der Einholung eines Gutachtens nicht aus ihrer berufsrechtlichen Vorbefassung. Hierin unterscheiden sie sich zwar von der Mehrheit der angesprochenen Verkehrskreise. Sie konnten diesen Umstand jedoch bei der Urteilsfindung berücksichtigen und haben dies auch getan. Die das Urteil tragenden Annahmen, dass die Kenntnis von Einzelheiten des Zulassungsrechts nicht allgemein vorausgesetzt werden kann, jedoch bekannt ist, dass es mehr als ein Land- und ein Oberlandesgericht gibt, liegen nahe; ihre Richtigkeit wird vom Kläger auch nicht in Zweifel gezogen.
2. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.
a) Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BVerfGE 110, 77, 83; BVerfG, NVwZ 2000, 1163, 1164; NVwZ-RR 2008, 1; NJW 2009, 3642; vgl. ferner BVerwG, NVwZ-RR, 2004, 542 f.; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 112e BRAO Rn. 77). 6 b) Der Kläger meint, der Zusatz "Rechtsanwalt bei dem Landgericht und dem Oberlandesgericht" sei nicht geeignet, bei dem von ihm angesprochenen Publikum falsche Vorstellungen zu wecken oder irreführend zu wirken. Er verwende den "generalisierenden Singular", um so die Gerichte im Verhältnis zu dem Wort "Rechtsanwalt" hervorzuheben. Den vom Kläger angesprochenen Mandantenkreisen sei bekannt, dass die von ihnen beauftragten Anwälte bundesweit bei allen Gerichten auftreten könnten. Andererseits sei die Tätigkeit als Rechtsanwalt bei Landgerichten und Oberlandesgerichten nicht so selbstverständlich, dass sie nicht besonders herausgehoben werden dürfte; denn es gebe viele Rechtsanwälte, die nur beratend tätig seien oder vornehmlich bei den Gerichten der Arbeits-, Verwaltungs- oder Sozialgerichtsbarkeit tätig seien. Demgegenüber hat der Anwaltsgerichtshof zu Recht darauf hingewiesen, dass die Verwendung der Präposition "bei" eine besondere, bei anderen Anwälten so nicht vorhandene Beziehung des Klägers zu den angegebenen Gerichten suggeriert, die aber tatsächlich nicht gegeben ist.
3. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
a) Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmte Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291; BVerfG, NVwZ 2009, 515, 518; BVerwG, NVwZ 2005, 709). Zur schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung gehören Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der auf-8 geworfenen Rechtsfrage sowie ihre Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen oder ihre Auswirkung auf die Allgemeinheit; begründet werden muss auch, warum ein korrigierendes Eingreifen des Berufungsgerichts erforderlich ist.
b) Der Kläger verweist auf verschiedene Urteile, die sich mit dem Hinweis "zugelassen bei allen Amts- und Landgerichten" auf anwaltlichen Briefköpfen befassen (OLG Düsseldorf, NJW 2003, 595; AnwG Tübingen BRAK-Mitt. 2009, 189; AnwG Hamm, BRAK-Mitt. 2009, 189). Er führt jedoch nicht aus, warum die berufsrechtliche Zulässigkeit gerade dieses Hinweises im vorliegenden Verfahren zu klären wäre. Dass eine nennenswerte Anzahl von Anwälten den hier streitigen Zusatz "bei dem Landgericht und dem Oberlandesgericht" im Briefkopf führen, behauptet er nicht; dies ist auch nicht wahrscheinlich.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 Abs. 2 GKG.
Kayser Roggenbuck Lohmann Wüllrich Stüer Vorinstanz:
AGH Hamm, Entscheidung vom 01.04.2011 - 2 AGH 50/10 - 12
BGH:
Beschluss v. 30.01.2012
Az: AnwZ (Brfg) 27/11
Link zum Urteil:
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