Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. September 2005
Aktenzeichen: 24 W (pat) 146/04

(BPatG: Beschluss v. 20.09.2005, Az.: 24 W (pat) 146/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. März 2004 und 23. April 2004 aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Waren "Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel" zurückgewiesen worden ist.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Wortmarke Oxytonicist für die Waren und Dienstleistungen

"Klasse 3: Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen;

Klasse 5: Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Sanitärprodukte für medizinische Zwecke, Desinfektionsmittel"

zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, gemäß §§ 37 Abs 1, 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen. Die angemeldete Marke setze sich aus "Oxy-" (= auf Sauerstoff (Oxygenium) hinweisende Vorsilbe) und "tonic" (= engl. für "Tonikum", "Mittel, das stärkend und kräftigend wirkt") zusammen und bezeichne sprachüblich ein Kräftigungs- und Stärkungsmittel, das Sauerstoff enthalte. Sie besage damit - auch wenn sie derzeit nicht in dieser beschreibenden Bedeutung nachweisbar sei - für die angesprochenen Verkehrskreise ohne Weiteres erkennbar, daß die Waren der Anmeldung Sauerstoff enthielten oder damit angereichert seien, um die Reinigungswirkung zu erhöhen bzw die Versorgung des Körpers mit Sauerstoff zu verbessern. Die Verwendung von Sauerstoff zu diesen Zwecken sei dem Verkehr durch die Medien bekannt. Dies gelte ebenso für die Bedeutung der entsprechenden Bestandteile der angemeldeten Wortmarke, wie Nachweise aus dem Internet belegten. Von der Anmelderin genannte Markeneintragungen seien mit der hier zu beurteilenden Wortbildung nicht vergleichbar und könnten auch grundsätzlich nicht zu einer Bindung der Markenstelle führen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Meinung, die angemeldete Wortzusammensetzung sei unterscheidungskräftig, weil sie lediglich sekundäre Eigenschaften der Waren anspreche, die Bestandteile "Oxy-" und "tonic" in Verbindung mit solchen Waren selten vorkämen und dem angesprochenen deutschen Verkehr auch nicht bekannt seien. Die angemeldete Marke sei außerdem zur Beschreibung der Waren nicht geeignet, denn das betreffende Wort existiere nicht und weise allenfalls einen ungenauen begrifflichen Anklang an eine beschreibende Angabe auf. Es sei darum nicht ersichtlich, daß dieser Begriff als beschreibende Angabe konkret in Betracht komme. Im Übrigen bestehe gemäß Art 3 GG bei der Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen eine Bindung der Markenstelle an die Eintragspraxis des Deutschen Patent- und Markenamts, das die Schutzfähigkeit zahlreicher vergleichbarer Marken mit den Bestandteil "Oxy-" bejaht habe.

Die Anmelderin beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten sowie die Rechercheergebnisse des Senats zu den Wörtern bzw Wortelementen "Oxy" und "tonic", die der Anmelderin übersandt worden sind, Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg. Nach Auffassung des Senats steht der Eintragung der angemeldeten Marke das Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG für die Waren "Seifen; pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Sanitärprodukte für medizinische Zwecke, Desinfektionsmittel" entgegen. Hinsichtlich der übrigen Waren liegt kein Schutzversagungsgrund vor.

1. Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind von der Eintragung solche Marken ausgeschlossen, die nur aus Angaben bestehen, die im Verkehr ua zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit oder sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können (vgl BGH GRUR 2000, 882, 883 "Bücher für eine bessere Welt"; EuGH Mitt 2004, 28, 29 - Nr 29 ff - "Doublemint"). Solche Zeichen oder Angaben müssen im Allgemeininteresse allen Unternehmen zur freien Verfügung belassen werden (vgl EuGH GRUR 2004, 674, 676 - Nr 54, 55 - "Postkantoor"; EuGH GRUR 2004, 680, 681 - Nr 34 ff - "BIOMILD"). Es ist daher zu prüfen, ob die angemeldete Marke gegenwärtig eine Beschreibung der Merkmale der betreffenden Waren und Dienstleistungen darstellt oder ob dies vernünftigerweise für die Zukunft zu erwarten ist (EuGH GRUR 2004, 674, 676 - Nr 53, 56 - "Postkantoor"). Auch Begriffsneubildungen kann der Eintragungsversagungsgrund des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG entgegenstehen, wenn sie sprachüblich gebildet sind und ihr beschreibender Aussagegehalt so deutlich und unmißverständlich ist, daß sie ihre Funktion als Sachbegriffe ohne Weiteres erfüllen können. Insbesondere kann eine Marke, die sich aus mehreren Bestandteilen zusammensetzt, von denen jeder Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreibt, selbst einen die genannten Merkmale beschreibenden Charakter im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG haben, es sei denn, dass ein merklicher Unterschied zwischen dem Wort und der bloßen Summe seiner Bestandteile besteht (EuGH GRUR 2004, 680, 681 - Nr 41 - "BIOMILD"; EuGH GRUR 2004, 674, 678 - Nr 100 - "Postkantoor"). Letzteres ist hier teilweise der Fall.

Zwar ist das Wort "oxytonic" in der englischen Sprache als ein feststehendes Fachwort der Sprachwissenschaft nachweisbar (vgl "AllWords.com" English Dictionary, Stichwort "oxitone"). Jedoch handelt es sich bei der Wortverbindung auch um ein sprachüblich gebildetetes Kompositum, das als beschreibende Angabe für die og Waren konkret in Betracht kommt. In der englischen wie in der deutschen Sprache wird "oxy-" als Vorsilbe mit der Bedeutung "Sauerstoff" verwendet (vgl Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 4. Aufl, Stichwort "oxy-, Oxy-"; Merriam-Webster Online Dictionary, Stichwort "oxy"). Eine sachbezogene Verwendung von "Oxy" in der Bedeutung von "Sauerstoff" für einschlägige Waren ist nachweisbar, deren durch Sauerstoff bewirkte belebenden, reinigenden, desinfizierenden oder bleichenden Eigenschaften in der Werbung hervorgehoben werden (vgl Google-Recherche zu den Stichwörtern "oxy Waschmittel" vom 13. Juni 2005 sowie zu den Stichwörtern "oxy cleaner" und "oxy skin" vom 14. Juni 2005). "Tonic" ist ua das englische Wort für "Tonikum, Stärkungsmittel, etwas, das wiederherstellt, erfrischt oder stimuliert" (vgl Deutsch - Englisches Wörterbuch - TU Chemnitz; Merriam Webster aaO, Stichwort "tonic"). In der deutschen Sprache kommt "Tonic" vor allem auf dem Getränkesektor und medizinischem Gebiet, aber ua auch in Verbindung mit Haarwasser im wesentlichen in gleicher Bedeutung wie im Englischen vor ("Haar Tonic"; Duden, aaO, Stichwort "Tonic"; wissen.de Wörterbuch der deutschen Sprache, online-Ausgabe, Stichwort "Tonikum"). Für Waren, die der Körper- und Schönheitspflege dienen und stärkend, pflegend, belebend und/oder reinigend wirken, liegt somit die Bezeichnung als "tonic" (= Tonikum, Stärkungsmittel) nahe, zumal es auch entsprechende Wortbildungen wie "hair tonic", "Haartonikum" oder "Gesichtstonikum" für ein Gesichtspflegemittel (Wortschatz Deutsch, online-Wortschatzlexikon der Uni Leipzig) etc gibt. "Oxytonic" reiht sich somit in existierende, als Sachangaben verwendete deutsch- und englischsprachige Wortzusammensetzungen wie "Oxy-Produkte, Oxy-Waschmittel, Oxy-Pulver, Oxy-Reiniger" usw ein (vgl Google-Recherche "oxy Waschmittel" vom 13. Juni 2005) oder "oxy cleaner, oxymist skin treatment, oxy pad, oxy radical attacker, oxypowder" usw (vgl Google-Recherchen "oxy cleaner" und "oxy skin" vom 14. Juni 2005) ein.

Bei der angemeldeten Kennzeichnung handelt es sich daher um eine Wortkombination, die zur Beschreibung der Beschaffenheit und Wirkungsweise der Waren "Seifen; pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Sanitärprodukte für medizinische Zwecke, Desinfektionsmittel" dienen kann und die im Allgemeininteresse nicht für einen einzelnen Anbieter monopolisiert werden darf. Es ist hierbei unerheblich, dass die Wortzusammensetzung auch eine sprachwissenschaftliche Bedeutung hat, die in Verbindung mit Waren der Klassen 3 und 5 allerdings äußerst fern liegt und außerdem selbst Personen mit sehr guten Kenntnissen der englischen Sprache weitgehend unbekannt sein dürfte. Außerdem ist markenrechtlich nicht bedeutsam, ob man die angemeldete Marke anders als in ihrer sachbezogenen Bedeutung interpretieren könnte oder ob die beschriebene Eigenschaft der Waren für den Abnehmer wichtig ist. Vielmehr muss ein Wortzeichen nach der Vorschrift des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen werden, wenn es - wie hier - in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der im Frage stehenden Waren und Dienstleistungen bezeichnet (vgl EuGH GRUR 2004, 674, 67 - Nr 97 - "Postkantoor"). Ebenso kommt es - anders als die Anmelderin meint - bei diesem Eintragungsversagungsgrund nicht darauf an, ob der entsprechende Begriff allgemein verständlich ist, ob er von einer einer großen oder geringen Anzahl von Unternehmen zur freien Verwendung benötigt wird und ob die Merkmale der Waren, die beschrieben werden können, wirtschaftlich wesentlich oder nebensächlich sind (vgl EuGH aaO 676, 677, 679 - Nr 77, 58, 102 - Postkantoor").

Die Anmelderin kann sich zur Ausräumung des Schutzhindernisses auch nicht auf eine ihrer Meinung nach abweichende Eintragungspraxis des Deutschen Patent- und Markenamts berufen. Aus Voreintragungen ähnlicher oder übereinstimmender Marken erwächst auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebots (Art 3 GG) grundsätzlich kein Eintragungsanspruch für spätere Markenanmeldungen, da es sich bei der Entscheidung über die Eintragbarkeit einer Marke nicht um eine Ermessens-, sondern um eine gebundene Entscheidung handelt, die jeweils einer auf den Einzelfall bezogenen Prüfung unterliegt (vgl BGH GRUR 1997, 527, 528 "Autofelge"; BlPMZ 1998, 248, 249 "Today"; vgl dazu auch EuGH GRUR 2004, 428, 431 f - Nr 60 ff "Henkel"). Außerdem wäre eine derartige Bindung nicht mit der Möglichkeit einer Löschung von Marken wegen Vorliegens absoluter Schutzhindernisse (§ 50 MarkenG) in Einklang zu bringen (vgl Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 8 Rn 262).

Ob der angemeldeten Marke für die og Waren auch gem § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG die Eintragung zu versagen ist, kann dahinstehen, weil die Anmeldung insoweit bereits gem § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG zurückzuweisen ist.

3. Hinsichtlich der Waren "Wasch- und Bleichmittel, Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel" handelt es sich bei "Oxytonic" jedoch nicht um eine schutzunfähige Angabe.

Wie bereits oben ausgeführt, stellt "tonic" bzw "Tonikum" die Bezeichnung für ein medizinisch oder kosmetisch auf den menschlichen Körper wirksames Mittel dar, die aber keinen Bezug zu Waren wie Wasch-, Bleich-, Entfettungs-, Reinigungs- und Putzmittel aufweist. Insoweit ist die angemeldete Wortzusammensetzung zur Beschreibung nicht geeignet und fällt nicht unter den Eintragungsversagungsgrund des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG.

Der angegriffenen Marke fehlt für Waren "Wasch- und Bleichmittel, Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel" auch nicht die gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft.

Unterscheidungskraft im Sinn der genannten Bestimmung ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, die Waren oder Dienstleistungen, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren oder Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl ua EuGH GRUR 2002, 804, 806 - Nr 35 - "Philips"; GRUR 2003, 514, 517 - Nr 40 - "Linde ua"; GRUR 2004, 428, 431 - Nr 48 - "Henkel"; GRUR 2004, 1027, 1029 - Nr 33, 42 - "DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT"). Keine Unterscheidungskraft besitzen nach der Rechtsprechung vor allem solche Marken, denen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH aaO - Nr 86 - "Postkantoor").

Weil der Senat aber - wie oben näher begründet - nicht feststellen konnte, dass das Wort "Oxytonic" für die genannten Waren als Sachangabe in Betracht kommt, liegen diese Voraussetzungen insoweit nicht vor.

Ströbele Kirschneck Guth WA






BPatG:
Beschluss v. 20.09.2005
Az: 24 W (pat) 146/04


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